Leben in der neuen Welt - Andreas Seidl - E-Book

Leben in der neuen Welt E-Book

Andreas Seidl

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Beschreibung

Hallo, ich bin Sarah. Wie soll Deine Zukunft aussehen? Wie soll die Zukunft der Menschheit aussehen? Hast Du manchmal Deine Zweifel, ob die Politik beides in Einklang bringen kann? Komm mit auf meine Reise durch ein Leben unter vielen in der neuen Welt. Erlebe mit mir, wie alte Probleme gelöst werden und die Menschheit gemeinsam glücklicher wird. Sei gespannt darauf zu erfahren, welche Innovationen unsere Zukunft retten können. Freue Dich auf eine Hoffnung, alles im Leben erreichen zu können, solange Du Deine Ziele mit der Allgemeinheit abstimmst. Mein Leben in der neuen Welt zeigt Dir, wie die Sachbuchreihe "Machtübergabe" in der Realität der nahen Zukunft umgesetzt werden könnte. Bitte hilf mir dabei und finde Deine Wahrheit in diesem Roman. Zusammenfassung Das Buch macht Ihnen Hoffnung auf eine großartige Zukunft ohne unsere heutigen politischen Probleme. Klimawandel, Krieg, Schulden, Terrorismus, Diktatur, Armut, Hunger verschwindet weltweit. Es bietet viele Weltneuheiten, darunter: Erste politische Sachbuchreihe, die auch als Roman erhältlich ist. 3 Staatsformen und 4 Wirtschaftssysteme werden gleichzeitig in einem Land betrieben. Mit dem Kauf erhalten Sie, falls gewünscht, Zugang zum Netzwerk, das die Welt retten will. Wir haben einen Plan für 200 Jahre, an dessen Ausführung alle mitbestimmen können. Alles kann, nichts muss. Hinweise Dieser Roman ist eine Zusammenfassung der Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version" von Andreas Seidl. Alle Verweise im Text sind Endnoten, in denen die Nummer und der Titel der entsprechenden Bände und Kapitel angegeben sind. Deutschland steht in dem Roman exemplarisch für jedes Land der Welt. Diese Entwicklungen könnten sich überall abspielen, aber der Autor kennt Deutschland am besten. Trigger-Warnung Drogenkonsum, Homophobie, Selbstmord, Kindesmissbrauch (häusliche Gewalt), Rassismus Bitte versuchen Sie, meinen Texten unvoreingenommen zu begegnen, denn ich bin nur daran interessiert, wie alle Menschen in Frieden zusammenleben könnten. Wenn Sie Angst oder Hass empfinden, haben Sie vielleicht etwas aus einer gegenteiligen Sichtweise heraus verstanden oder ich habe mich unpassend ausgedrückt. Ich hoffe, dass die Lektüre Sie auf neue Ideen bringt, die Ihnen Hoffnung geben aus jeder Situation das Beste zu machen.

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Für Dich

Danksagung

Ich möchte meiner Familie und meinen Freunden dafür danken, dass sie mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin. Mein besonderer Dank gilt all jenen, die mich in den 20 Jahren der Erforschung politischer Probleme, der Suche nach geeigneten Lösungen und des Schreibens dieser Buchreihe unterstützt haben. Ich möchte all jenen danken, mit denen ich die Erfahrungen sammeln konnte, aus denen die Ideen in diesem Buch entstanden sind. Ich danke auch dem Team von Books on Demand für seine freundliche Hilfsbereitschaft. Den Bürgern von Seligenstadt danke ich für die Harmonie und Solidarität, in der ich schreiben konnte.

Über den Autor

Der Autor wurde 1984 in Frankfurt am Main geboren und ist diplomierter Politologe und Sozialpädagoge. Seine beruflichen Erfahrungen sammelte er in Brüssel bei der Europäischen Union, in Frankfurt an der Wertpapierbörse und in Kindertagesstätten im Rhein-Main-Gebiet. Seit über 20 Jahren führt er Ideentagebuch und veröffentlicht in diesem Buch all seine bisherigen politischen Lösungsvorschläge in einem Gesamtkonzept.

Als leidenschaftlicher Sozialforscher interessieren ihn die Sorgen, Lebensweisen und Zukunftsvorstellungen seiner Mitmenschen. Als überzeugter Demokrat geht er gerne auf Demonstrationen und zu Aktivisten, um dort nach deren Motivation und den Ursachen zu fragen. Als Autor bemüht er sich um zurückhaltende Kritik, konstruktive Lösungsansätze und eine verständliche Sprache.

Trigger-Warnung

Drogenkonsum, Homophobie, Selbstmord,

Kindesmissbrauch (häusliche Gewalt), Rassismus Bitte versuchen Sie, meinen Texten unvoreingenommen zu begegnen, denn ich bin nur daran interessiert, wie alle Menschen in Frieden zusammenleben könnten. Wenn Sie Angst oder Hass empfinden, haben Sie vielleicht etwas aus einer gegenteiligen Sichtweise heraus verstanden oder ich habe mich unpassend ausgedrückt. Ich hoffe, dass die Lektüre Sie auf neue Ideen bringt, die Ihnen Hoffnung geben aus jeder Situation das Beste zu machen.

Hinweise

Dieser Roman ist eine Zusammenfassung der Sachbuchreihe „Machtübergabe - Deutsche Version“ von Andreas Seidl. Alle Verweise im Text sind Endnoten, in denen die Nummer und der Titel der entsprechenden Bände und Kapitel angegeben sind. Die Anker der Endnoten befinden sich am Ende eines Satzes oder Absatzes, auf den sie sich beziehen. Oft werden sie auch nach den Doppelpunkten vor der wörtlichen Rede, auf die sie sich beziehen, angegeben.

Deutschland steht in dem Roman exemplarisch für jedes Land der Welt. Diese Entwicklungen könnten sich überall abspielen, aber der Autor kennt Deutschland am besten.

Inhaltsverzeichnis

1. Beginn eines neuen Lebens

2. Elternzeit.

3. Geburt einer neuen Hoffnung.

4. Ende mit Schrecken

5. Planwirtschaft

6. Einfach mal Kind sein

7. Die große Freiheit

8. Abschlussjahre

9. Hausbau

10. Flügge werden

11. Tauschwirtschaft

12. Kulturschocks

13. Auf zu neuen Ufern.

14. Alles auf Anfang

15. Zweiter Bildungsweg

16. Junges Glück

17. Die große weite Welt.

18. Bauboom

19. Eine Verfassung für Europa

20. Vom Regen in die Traufe

21. Soziale Marktwirtschaft

22. Gesundheit in Gefahr

23. Getrennte Wege

24. Freie Marktwirtschaft

25. Weltreise

26. Zurück in die Heimat

27. Vereinigte Staaten der Welt

28. Personenwahl

29. Pflege

30. Der Berg ruft.

31. Im Namen des Volkes

32. Zu den Sternen

Endnoten

Kontaktformular

1. Beginn eines neuen Lebens

Es ist später Sonntagvormittag. Ich entstehe gerade aus einer Eizelle und einem Spermium. Meine Mutter hatte vergessen, ihre Pille zu nehmen, und Durchfall an den Tagen zuvor. Deshalb hat es meine Eizelle in den Muttermund geschafft. Mein Vater hatte keine Lust auf ein Kondom und so hatte meine Samenzelle leichtes Spiel. Draußen regnet es an einem Tag im Herbst und heute sind in Deutschland Bundestagswahlen.

Nach dem Sex frühstücken meine Eltern. Mein Vater schaut im Anschluss das Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft im Fernsehen. Er hat auf Sieg gewettet. Meine Mutter sitzt daneben und hört ein Hörbuch. Seine Lieblingsmannschaft gewinnt das Spiel und er seine Wette. Er will direkt zu seinem Bruder in die Spielothek und mit dem Gewinn sich und seinen Kumpels eine Shisha gönnen. Meine Mutter trinkt gerade ihre Flasche Sekt leer, als sie ihn fragt:

„Und wann bist du wieder daheim?“

„Weiß ich nicht, aber, Carola, lass uns heute Abend essen gehen. Ich lade dich ein!“

„Oh schön, und wohin?“

„Erzähl ich dir später. Mach dich schon mal schick.“

„Mach ich und ich werd noch wählen gehen.“

„Was? Du warst doch noch nie wählen.“

„Irgendwann ist immer das erste Mal. Ich werd aber sicher früher zurück sein als du.“

„Mach das. Bis später. Lieb dich!“

„Ich dich auch … Mustafa, warte, vergiss deinen Schlüssel nicht!“

„Danke, Schatz! Dafür gibt’s nen Kuss!“

Meine Mutter hat das eher aus Trotz, als aus Überzeugung gesagt, denn eigentlich geht sie nicht wählen. Sie ist eher politikverdrossen und frustriert, immer nur inhaltsloses Geschwätz oder leere Versprechungen von den Politikern zu hören. Sie will nicht allein zu Hause bleiben und da kommt es ihr gerade recht, die Wahlen als Anlass zu nehmen, auch unter Leute zu kommen. Sobald mein Vater weg ist, sucht sie auf ihrem Tablet PC im Internet nach „Bundestagswahlen 2029“. Ihr wird angezeigt, dass eine Partei erstmals ihr Wahlprogramm als Spielfilm verfilmt hat.1 Es ist eine junge erfolgreiche Partei, die bei der letzten Wahl zum ersten Mal angetreten und sofort mit zwei anderen Parteien an die Regierung gekommen ist. Aktuell ist die Partei mit fünf Ministern in der Regierung vertreten, aber ihr Programm hat noch mehr zu bieten. Meine Mutter folgt dem Link zum Spielfilm auf ihrem Fernseher und sieht ihn sich an. Im Film erleben die Hauptfiguren die Umsetzung der Reformen aus dem Wahlprogramm und als Zuschauer fühlt man sich mittendrin. In meiner Mutter spüre ich Begeisterung aufkeimen. Im Lauf des Films kommen ihr manchmal die Tränen und manchmal lacht sie auch. Das Wahlprogramm erweckt in ihr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und sie will dieser schönen neuen Welt eine Chance geben, Realität zu werden. Also schnappt sie sich ihren großen Regenschirm und läuft zum Wahllokal. Unterwegs trifft sie eine Kundin namens Ulla aus dem Supermarkt, in dem sie arbeitet. Die beiden unterhalten sich oft und gern über den neuesten Klatsch und Tratsch.

„Hey Ulla, grüß dich!“

„Ach, hallo Carola, wohin geht’s?“

„Ich geh wählen.“

„Ich auch.“

„Du hast ja gar keinen Regenschirm. Komm mit unter meinen.“

„Ja, ich dachte erst, die Jacke reicht, aber danke. Das nehm ich gern an.“

„Hast du dich vorher informiert, wen du wählen willst?“

„Ja, ich mache immer diesen Wahl-O-Mat im Internet und da war bei mir wieder diese neue Partei ganz vorne. Die haben so konkrete Lösungsvorschläge. Das finde ich gut.

Und sie haben bisher in der Regierung nur gute neue Sachen gemacht.“

„Weißt du, wie die Partei heißt?“

„Dynamische Partei oder so, irgendwas mit dynamisch.“

„Dynamische Innovationspartei?“

„Ja, genau.“

„Ich habe mir eben denen ihr Wahlprogramm als Spielfilm angeschaut. Der Film hat mir gefallen, auch wenn ich sonst nicht so auf Politik stehe. Jedenfalls weiß ich nach den 100

Minuten, was die vorhaben.“

„Ach komm, und wie war es? Willst du die jetzt wählen oder hat dich das Programm vom Gegenteil überzeugt?“

„Nein, das war schon gut. Sehr konkret und klar auf den

Punkt gebracht, was da auf uns zukommen würde, wenn die allein an die Macht kommen.“

„Ja und? Was hat dir am besten gefallen?“

„Also die wollen, dass alles einfacher geht, ohne Papier und

Öffnungszeiten von Ämtern, alles online und automatisiert.

Wenn man dann eine Frage hat oder was persönlich erledigen will, gibt’s im Rathaus Büros für alles mit den gleichen Öffnungszeiten.“2

„Stimmt, das hab ich auch angekreuzt, als im Wahl-O-Mat stand: Bürokratie und Verwaltung digitalisieren und automatisieren. Ergibt aber mehr Sinn, wie du es erzählst.“

„Danke. Ich fand es krass, dass die das komplette politische System umkrempeln wollen, also Straßenfeste, wo Politiker und Bürger Gesetze aushandeln und davor und danach feiern.3 Das is was für uns, oder?“

„Ja, dann schön bei nem Sektchen die Zukunft bestimmen.

Haha.“

„Haha, ja das wär was.“

„Ich habe gehört, dass andere Parteien bereits Ideen von der Dynamischen Innovationspartei geklaut haben, weil das Parteiprogramm schon lange auf der ganzen Welt als Buch zu kaufen ist.“

„Was davon geklaut ist, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich in dem Film auch Sachen gesehen, die sie bereits umgesetzt haben. Ich wusste aber gar nicht, dass sie an der Regierung sind.“

„Und gab’s auch was, das dir nicht gefallen hat?“

„Ja. Was die kurzfristig mit den Ausländern machen wollen, ist schon krass, oder?“

„Das hab ich nicht mitbekommen. Was wollen die denn machen?“

„Die wollen alle kriminellen und arbeitslosen Ausländer abschieben.“4

„Was? Warum?“

„Die begründen das mit den vielen Ausländern vor deutschen Gerichten und in deutschen Gefängnissen. Aber auch mit den hohen Staatsschulden und der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Beides wollen sie bekämpfen und damit auch das Image von den verbliebenen Ausländern verbessern.“

„Ja und dein Mustafa, hast du mal an den gedacht? Hat der wieder Arbeit?“

„Ja ja, der ist bei einer Leiharbeitsfirma seit letztem Jahr. Das gefällt ihm da. Sein Chef ist auch Türke und kommt auch aus Anatolien. Die beiden verstehen sich gut und da wird er den Job schon behalten.“

„Und seine krummen Dinger?“

„Welche krummen Dinger?“

„Na, die mit seinem Bruder. Das sieht doch jeder, dass die Spielothek ne Geldwaschanlage ist.“

„Ach, die Familie ist komisch, aber das interessiert mich nicht. Mustafa und ich haben nur unseren Spaß zusammen; keine Ehe, keine Kinder.“

Wenn meine Mutter zu dem Zeitpunkt gewusst hätte, dass ich bereits in ihr heranwachse und ihr diese Sorglosigkeit noch zum Verhängnis werden sollte …

Am Abend wartet sie auf meinen Vater und schaut ausnahmsweise mal die Nachrichten. Schließlich will sie wissen, wer die Wahlen gewonnen hat. Die Dynamische Innovationspartei hat geschafft, was schon lange keiner Partei mehr in Deutschland gelungen ist. Sie hat die absolute Mehrheit im Bundestag geholt. Das bedeutet, dass ich in einer Zeit groß werde, in der viele Reformen schnell umgesetzt werden. Und wenn die Regierung gute Arbeit macht, wird das noch lange so weitergehen und mein Leben beeinflussen. Meine Mutter freut sich darüber, dass die Partei gewonnen hat, der sie ihre Stimme gegeben hat. Sie fühlt sich als Teil einer neuen Bewegung und ist stolz sogar deren Programm zu kennen. Sonst hatten ihr immer andere von Parteiprogrammen der regierenden Parteien erzählt und jetzt kann sie das endlich auch mal tun. Da lässt sie gleich den zweiten Sektkorken des Tages knallen und ruft Ulla an. Voller Vorfreude auf die Neuerungen sehe ich mit Begeisterung den Veränderungen entgegen, die ich in ihr Leben bringen werde.

2. Elternzeit

Knapp zwei Monate später ist meine Mutter beunruhigt, weil ihre Periode bis heute nicht gekommen ist. Nach ihrem Dienst im Supermarkt holt sie sich einen Schwangerschaftstest aus dem Regal. Sie schaut, dass ihr niemand folgt und sie keiner sieht, als sie damit zurück zu ihrer Kasse geht. Gerade als sie den Test über den Scanner zieht, kommt ihr Chef aus dem Büro. Er sieht, wie sie den Test bezahlt und sagt:

„Na, steht uns da bald eine Elternzeit ins Haus?“

„Mal sehen.“

„Ich würde es Ihnen gönnen, Frau Schmidt. Bitte lassen Sie es mich nur frühzeitig wissen, damit eine Vertretung für Sie organisiert wird. Wir sind ja seit Kurzem ein Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft und zahlen in ihre Elternversicherung ein. Kennen Sie da Ihre Rechte?“5

„Nein, noch nicht. Aber warten wir das hier erst mal ab, okay?“

„Ja, klar doch. Melden Sie sich, wenn Sie Gewissheit haben und dann erkläre ich Ihnen gern alles.“

„Danke.“

„Gern. Ihnen einen schönen Feierabend.“

„Danke, gleichfalls.“

Der Feierabend des Marktleiters ist sicher schöner als der meiner Mutter. Sie macht sich Sorgen, was wohl ihre Familie oder Mustafa und seine Familie sagen würden, wenn sie schwänger wäre. Angst steigt in ihr auf, die auch ich spüre. Dann rennt meine Mutter ein Stück ihres Heimwegs von der Arbeit, um der Angst davonzulaufen. Das tut mir gut, weil dieses Wiegen im Laufschritt mich zum Einschlafen bringt.

Daheim angekommen, geht meine Mutter direkt ins Bad und sagt meinem Vater nichts davon. Sie schließt die Tür ab, damit er nicht versehentlich reinkommen kann. Sie macht den Test und während der Wartezeit denkt sie sich:

„Wenn ich nicht schwanger bin, bleibt alles, wie es ist. Wenn ich schwanger bin, soll das ein Neubeginn für mich und für dieses neue Leben sein. Ich höre mit dem Alkohol trinken auf und ernähre mich gesünder. Es verändert sich gerade so vieles zum Guten in diesem Land. Meine Festanstellung bei der Arbeit habe ich und abgesichert bin ich auch, egal ob ich das Kind ganz allein großziehen muss. Der Staat hat ja alles so gemacht, dass Kinder auch ganz allein groß werden könnten durch Kindergeld und die ganzen Betreuungseinrichtungen.6 Da brauche ich mir keine Sorgen zu machen, wen ich fragen kann, wenn ich mal Hilfe oder Unterstützung brauche. Mir ist es egal, was meine Familie dazu sagt. Wenn sie mich unterstützt, wäre das toll, aber wenn nicht, wäre das ja auch nichts Neues. Mustafa? Ach, Männer kommen und gehen.“

In dem Moment färbt sich der zweite Strich immer stärker rot. Ich bin zum ersten Mal sichtbar geworden auf dieser Welt. Meiner Mutter treibt es die Tränen in die Augen und Freude steigt in ihr auf. Die Freude spüre ich auch und freue mich mit ihr. Den positiven Test steckt sich meine Mutter in die Handtasche – in das Fach mit dem Reißverschluss. Sie will mich noch geheim halten und erst zum Frauenarzt gehen, um Gewissheit zu haben.

Eine Woche später hat sie ihren Termin, sitzt im Behandlungszimmer, hat bereits einem Gentest zugestimmt und dafür Blut und Urin abgegeben.7 Sie will kein behindertes Kind und deshalb hoffe ich, dass bei dem Test keine Behinderung oder Erbkrankheit festgestellt wird. Da kommt der Arzt herein, begrüßt sie, ruft die Laborwerte ab und sagt:

„Ich will Sie nicht auf die Folter spannen und sage Ihnen: Sie sind schwanger. Wie fühlen Sie sich denn damit?“

„Danke. Ich fühle mich gut damit. Aber ich habe doch die Pille genommen.“

„Hatten Sie denn mal Durchfall gehabt?“

„Ja.“

„Dann wurden die Hormone von der Pille wahrscheinlich nicht in Ihrem Darm aufgenommen, sondern sind ausgeschieden worden. Dann reicht der Wirkspiegel an Hormonen in Ihrem Blut nicht aus, um Ihrem Körper vorzuspielen, Sie wären bereits schwanger. Wissen Sie denn schon, ob Sie das Kind behalten wollen?“

„Ja, ich will es behalten.“

Dieser Satz macht mich sehr glücklich. Ohne anderen davor von mir zu erzählen und sich beeinflussen zu lassen, hat sie sich für mich entschieden und dafür, notfalls auch allein für mich da zu sein. Als Belohnung darf sie mich jetzt sehen. Der Arzt bittet meine Mutter auf die Liege und legt ihr das Ultraschallgerät auf. Ich bin zum zweiten Mal sichtbar auf dieser Erde. Hallo, das bin ich. Ein kleiner Haufen, den man auf den ersten Blick nicht als Mensch erkennen würde. Aber da, mein Herz – wie es schlägt. Der Arzt sagt zu meiner Mutter:8

„Kerngesund, wie wir hier sehen, und die Laborwerte konnten keine genetischen Krankheiten oder Missbildungen feststellen. Herzlichen Glückwunsch, Frau Schmidt!“

„Danke! Da bin ich erleichtert, dass mein Kind gesund ist.“

„Sie können sich wieder anziehen. Wissen Sie denn jetzt, was auf Sie zukommt? Da gab es einige Reformen in der letzten Zeit.“

„Nein, nicht genau. Ich habe bisher nur von dem Elternführerschein gehört.“

„Den müssen sie später machen. Entscheidend ist, dass Sie ab jetzt keine Drogen mehr nehmen dürfen. Was konsumieren Sie denn?“

„Ich trinke ganz gern Sekt.“

„Sonst nichts?“

„Ja, ich trinke schon recht oft und viel Alkohol, rauche auf Partys und zieh hin und wieder mal an einem Joint.“

„Dann kann Ihnen die Suchtmittelkrankenkasse weiterhelfen. Die werden automatisch einen Leitfaden für Sie zusammenstellen, welche Erfolgsrezepte es für Schwangere gibt, wie man sich von den Süchten entwöhnen kann und welche harmlosen Ersatzstoffe es gibt. Notfalls gibt es auch eine Kur.“

„Was kostet das alles?“

„Nichts. Die Beiträge zur Suchtmittelkrankenkasse bezahlen sie automatisch beim Kauf der Drogen.“

„Das ist gut! Wie erreiche ich diese Suchtmittelkrankenkasse?“

„Die brauchen Sie nicht zu erreichen. Ich gebe Ihnen alles mit oder schicke es Ihnen. Und ich würde auch die Kur veranlassen. Dabei kann Sie aber auch ihr Hausarzt beraten.“

Der Arzt schaut auf seinen Bildschirm und sagt:9

„Ich sehe hier, dass Sie Ihre Gesundheitskarte mit Ihrem Ausweis gekoppelt haben.“

„Ja, dann habe ich nur eine Karte für alles.“

„Haben Sie denn auch schon den Volkscomputer?“

„Ja, den habe ich auch.“

„Dann haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder wir machen alles digital oder Sie gehen zum Jugendamt und die machen dann alles für Sie.“

„Wir machen alles digital – diese Rennerei zu den Ämtern brauch ich nicht.“

„Alles klar, dann trage ich jetzt auf Ihrer Gesundheitskarte ein, dass Sie schwanger sind. Ihre Daten werden dann an alle passenden staatlichen Stellen automatisch weitergegeben.“

„Welche Stellen sind das?“

„Das sind alle Stellen, die sich darauf vorbereiten müssen, dass ein weiterer Bürger dazukommt, beispielsweise das Schulamt. Ihre persönlichen Daten werden aber nur an das Jugendamt übermittelt, weil die mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Für den Leitfaden der Suchtmittelkrankenkasse schicke ich Ihnen eine Nachricht mit einem Link. Damit bekommen sie einen Fragebogen, auf dessen Basis der Leitfaden automatisch erstellt wird und direkt heruntergeladen werden kann. Ab dem dritten Monat geht automatisch eine Meldung an Ihr Profil im Personenverzeichnis und an das Familienministerium. Im Personenverzeichnis bekommen Sie dann eine Nachricht vom Familienministerium mit der Einladung in das Familienverzeichnis. Dort können Sie Kurse für den Elternführerschein buchen.“10

„Wo macht man diesen Elternführerschein?“

„Da können Sie sich Räume in der Umgebung aussuchen. Meistens finden die Kurse abends in allen örtlichen Grundschulen statt. Sie können sich aber auch direkt zur Abschlussprüfung anmelden, wenn Sie glauben, schon alles zu wissen.“

„Nein nein, ich bin froh über die Kurse und bin gespannt, was ich da lerne.“

„Wie steht es denn um den Vater des Kindes?“

„Mit dem bin ich zusammen, aber er weiß noch nicht, dass ich schwanger bin.“

„Soll er es denn von ihnen erfahren oder über seinen Volkscomputer?“

„Er ist Türke und hat keinen Volkscomputer.“

„Dann würde er Post bekommen oder angerufen werden, je nachdem was er beim Einwohnermeldeamt angegeben hat, wie er kontaktiert werden möchte.“11

„Das weiß ich nicht, aber ich möchte es ihm auch lieber selbst sagen.“

„Okay, ich kann hier eintragen, wann er benachrichtigt werden soll, wenn nicht sofort. Und der Zeitpunkt muss innerhalb von einem Monat liegen.“

„Dann tragen Sie nächste Woche ein.“

Jetzt steigt wieder die Angst in meiner Mutter auf. Sie macht sich Sorgen über Mustafas Reaktion und die seiner Familie. Sie geht nach Hause und er ist schon da. Als sie die Tür reinkommt, fragt er sie skeptisch, weil er sie schon früher von der Arbeit erwartet hatte:

„Hey Perle, wo warst du?“

„Hallo Musti, komm mal zu mir aufs Sofa.“

„Oh, heute so direkt zur Sache kommen?“

„Ja, aber nicht, wie du denkst. Setz dich mal hin.“

„Was los? Wo warst du?“

„Ich war beim Frauenarzt und bin schwanger.“

„Was? Du nimmst doch die Pille, oder etwa nicht?“

„Ja schon, aber der Arzt meinte, wegen der Durchfallerkrankung kann es zu einem zu geringen Wirkspiegel gekommen sein.“

„Was Wirkspiegel?“

„Na, die Hormone und so.“

„Das Kind treibst du aber ab, oder?“

Meiner Mutter spürt ein Zwicken im Bauch. Das bin ich. Nix da Abtreibung! Ich bin gekommen, um zu bleiben! Oder, Mama? Los sag’s ihm!

„Nein, das Kind werde ich bekommen. Ob es dir passt oder nicht!“

Mein Vater wird kreidebleich, lehnt sich in die Couch und fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht. Stille. Ein Seufzer von ihm. Er fragt sie aufgeregt:

„Ist dir eigentlich egal, was das für mich bedeutet?“

„Nein, ist es mir nicht, aber es kann dir egal sein.“

„Wieso das?“

„Weil Kinder in Deutschland eigenständig leben können, egal ob bei ihren Eltern, im Jugendzentrum, im Kinderhaus oder bei Adoptiveltern.“12

„Willst du es adoptieren lassen?“

„Nein, spinnst du?“

„Du spinnst! Was werden meine Eltern sagen? Schau dich doch mal an!“

„Wie sehe ich denn aus?“

„Blond, sexy, unverschleiert.“

„Willst du, dass ich einen Schleier für dich trage? Und nur du siehst, was ich drunter habe?“

„Baby, ich meine das volle Programm geht dann ab. Hochzeit, Islam, Familie in der Türkei besuchen und und und. Gibst du dir das?“

„Warum nicht?“

Und es kommt, wie es kommen musste. Die Eltern meiner Eltern sind gar nicht begeistert von mir. Dabei kennen sie mich noch gar nicht. Ich weiß nicht, was die immer haben mit ihrer Kultur und Religion. Ist doch später ohnehin meine Sache, wie ich lebe. Als meine Mutter mit ihrer Mutter telefoniert, bekommt sie zu hören:

„Was? … Mit dem Türken willst du ein Kind? … Der kommt mir nicht ins Haus! … Zum Islam konvertieren, bist du bekloppt? … Lass deine rebellische Phase nicht an deinem Kind aus!“

Als sie mit ihrem Vater telefoniert Folgendes:

„Ach du scheiße! Wie hast du das denn angestellt? … Willst du nicht doch abtreiben? … Das mit dem Islam packst du doch niemals. … Die Sippschaft kann mir gestohlen bleiben.“

Nach den Telefonaten ist meine Mutter ziemlich niedergeschlagen. Sie weint sich in den Schlaf und ich kann in dieser Nacht überhaupt nicht schlafen. Am nächsten Tag besucht mein Vater seine Eltern, aber erzählt noch nichts von mir. Er erzählt nur von meiner Mutter und dass er sie ihnen vorstellen will. Begeisterung klingt anders. Von seinem Vater tönt es:

„Ist sie Türkin? … Ist sie Muslima? … Ich habe Aisha für dich ausgesucht. … In diesem Land kommst du nur auf dumme Gedanken.“

Seine Mutter meint:

„Hat sie Kinder? … Kleidet sie sich schmutzig? … Arbeitet sie? … Was arbeiten ihre Eltern? … Sind das Christen oder Heiden? … Mach uns keine Schande.“

Das ist dann wohl ein denkbar schlechter Start ins Leben, zumindest von familiärer Seite aus. Eine Woche später sind mein Vater, meine Mutter und ich zu seinen Eltern eingeladen. Offiziell ist das das Treffen, wo sie meine Mutter zum ersten Mal kennenlernen sollen. Bei dem Treffen ist die Stimmung ziemlich frostig. Meiner Mutter schmeckt das Essen nicht, aber mir schon. Sie lässt es sich nicht anmerken und bedankt sich bei Mustafas Mutter für die Mühe. Kein Wort über mich kommt aus dem Mund meiner Mutter oder meines Vaters. Das macht mich traurig.

Einen Monat später bin ich schon so groß, dass meine Mutter einen dickeren Bauch bekommen hat. Sie ist normalerweise recht schlank. Ich werde immer sichtbarer auf der Welt und das macht mich stolz. Es ist spannend zu sehen, was meine Mutter alles im Elternführerschein lernt. Sie erfährt, welche Rechte Kinder haben. Mir ist das sehr wichtig, weil sich meine Eltern daran halten müssen und ansonsten bestraft werden können. Ich habe das Recht auf beständige fürsorgliche Beziehungen, körperliche Unversehrtheit und Sicherheit, persönliche Erprobung meiner Talente, Erfahrungen, die meinem Entwicklungsstand entsprechen, gerechte Grenzen und Strukturen, stabile und unterstützende Gemeinschaften sowie eine überlebensfähige Menschheit. Ich finde es gut, dass so etwas im Gesetz steht.13

Meine Eltern lernen außerdem, wie sie sich mir gegenüber beim Sprechen, Streiten, Wickeln und Körperentdecken verhalten sollten. Das ist lustig, wenn meine Eltern an sich gegenseitig das Wickeln üben. Beim Streiten üben wird mir manchmal kurz angst und bange. Alle Rollenspiele und Fallbeispiele, die meine Eltern mitmachen, zeigen mir schon früh, was mich erwarten wird und wozu das gut ist. Die körperliche und geistige Entwicklung von der Geburt bis zum 30. Lebensjahr gibt es im Schnelldurchlauf. Als dann in einen Kurs zum Thema Streit Eltern in den Unterricht kommen, um ihre Situation zu schildern und sich Rat bei der Lehrerin und den Teilnehmenden einzuholen, sehe ich, welche Herausforderungen da auf einen warten können.

Meine Mutter geht oft zusammen mit meinem Vater hin, aber er lässt ab und zu Kurse ausfallen, wenn seine Lieblingsmannschaft ein Fußballspiel hat. Er holt die Kurse dann online nach. Dabei sind in den Kursen so viele junge Eltern zusammen. Immer wenn meine Mutter dann allein da ist, macht sie das traurig und etwas neidisch. Diese Gefühlscocktails zeigen mir schon früh, in welche Stimmung mich meine Mutter mitnimmt.

Eines Tages, als meine Eltern wieder gemeinsam zum Unterricht gehen, begegnen sie Mustafas Eltern vor der Schule. Der Vater fragt:

„Mustafa, was machst du hier?“

Schon bevor mein Vater antworten kann, schreit seine Mutter, als sie meine Mutter sieht. Eigentlich schreit sie aber, weil sie mich sieht.

„Was ist das für ein dicker Bauch? Carola, bist du schwanger und uns sagst du nichts?“

Jetzt überschlägt sich alles. Alle reden wild durcheinander und es wird laut. Eigentlich geht es um mich, aber uneigentlich geht es um Kulturen und Religionen, die sich fremd sind und unvereinbar scheinen. Aber wer macht diese Sachen? Menschen machen diese Sachen, also können sie sie auch verändern. Ich allein entscheide, welche Kultur und Religion ich leben will und niemand sonst. Schließlich muss ich mein Leben lang mit mir klarkommen. Ich hoffe, meine Eltern sehen das auch so, sonst könnte das eine stressige Zeit mit ihnen werden.

Die Zukunft hat mich eines Besseren gelehrt. Meine Mutter heiratet meinen Vater mit einer riesigen Feier, aber ihre Eltern und ihr Bruder sind nicht da. Das macht Mustafas Vater sehr wütend, denn er muss sich vor all seinen Freunden und Verwandten rechtfertigen, wieso sie nicht da sind. Meine Mutter ist jetzt Muslimin geworden und lässt sich von ihrer Schwiegermutter in die Glaubensrituale und Gebete einführen.

Bei der Hochzeit im Standesamt geht es ruhiger zu und ich kann mehr verstehen. Meine Eltern sind mit ihren Freunden und den Eltern meines Vaters da. Meiner Mutter ist die standesamtliche Hochzeit wichtig, damit ich abgesichert bin und keine Streitigkeiten um mich oder das Geld entstehen. Für mich ist es wichtig, damit immer klar ist, wer sich um mich kümmert. Das wird mir bewusst, als der Standesbeamte sagt:14

„Dann bitte ich jetzt zuerst Sie, Frau Schmidt, mit mir in den Nebenraum zu kommen.“

Meine Mutter steht auf und wir gehen mit dem Standesbeamten weg von meinem Vater und den Gästen in ein anderes Zimmer. Dort fragt er meine Mutter:15

„Frau Schmidt, kennen Sie Ihre Rechte und wissen Sie, was die Hochzeit für Sie bedeutet?“

„Nein, noch nicht so ganz, aber sie klären mich jetzt auf, oder?“

„Das kann ich gern machen. Erst mal muss ich wissen, ob Sie bereit sind, sich mit Herrn Öz zu verpartnern.“

„Was bedeutet das, ‚verpartnern‘?“

„Das bedeutet, dass Sie freiwillig und bewusst mit Herrn Öz eine Liebes- und Sexualbeziehung eingehen möchten.

Wahrscheinlich tun Sie das bereits, wenn ich richtig annehme, dass das Kind in Ihrem Bauch von ihm ist. Aber hier im Familienverzeichnis ist noch keine Partnerschaft bei Ihnen oder dem Herrn Öz eingetragen.“

„Ja, dann tragen Sie das ein. Wir lieben uns und das Kind ist von ihm. Meine Beziehung zu Mustafa mache ich freiwillig und bin mir auch bewusst, was Liebe und Sex bedeutet.“

„Danke, Frau Schmidt. Nach den neuen Reformen muss ich Sie das fragen. Wenn Sie die Verpartnerung oder Ehe nicht gewollt hätten, hätten Sie jetzt durch diese Hintertür gehen und notfalls auch mit staatlicher Hilfe untertauchen können.“ „Okay, krass.“

„Das sind Ihre persönlichen Rechte. Deshalb sind wir in diesen Nebenraum gegangen. Mit Herrn Öz werde ich jetzt das gleiche Verfahren durchgehen.“

„Alles klar. Dann will ich mal hoffen, dass er nicht durch die Hintertür verschwindet.“

Das verunsichert mich jetzt etwas. Ich bin nicht sicher, ob das von meiner Mutter ernst gemeint war. Angst oder Unbehagen spüre ich bei ihr jetzt jedenfalls nicht. Ich bin eher glücklich zu hören, dass ich durch die Liebe meiner Eltern entstanden bin. Als mein Vater dann wieder mit dem Standesbeamten zurück aus dem Nebenraum kommt, bin ich schon erleichtert. Was danach kommt, verstehe ich erst nicht wirklich, aber es sollte noch entscheidende Bedeutung bekommen. Der Standesbeamte sagt zu meinen Eltern:16

„Kommen wir nun zum Ehevertrag.“

„Wir brauchen keinen Ehevertrag!“, sagt mein Vater.

Der Standesbeamte erwidert:

„Doch, Herr Öz, das ist seit den neuen Reformen im Familienministerium Pflicht. Sie können aber bestimmen, was drin steht und ihn auch jederzeit wieder ändern, wenn sie beide einverstanden sind und der Text von einem Standesbeamten beglaubigt wird.“

„Wird das jetzt ein Vortrag in Fachchinesisch?“

„Nein, sie werden das schon alles verstehen und wenn Ihnen etwas unklar ist, fragen Sie einfach nach. Wir füllen den Ehevertrag jetzt gemeinsam aus, wie ein Formular.“

„Danke, dann legen sie mal los“, sagt meine Mutter.

„Okay, lautet der Ehename Schmidt oder Öz?“

„Öz“, sagt mein Vater.

„Danke, jetzt haben Sie drei Möglichkeiten: Erstens können Sie eine Gütergemeinschaft machen. Das bedeutet jegliches Vermögen, das vor der Ehe bestand, gehört nur jedem selbst. Jedes Vermögen, das in der Ehe entsteht, gehört Ihnen beiden. Kommt es zu einer Scheidung, wird das Vermögen, das in der Ehe entstand, zu gleichen Teilen auf sie beide aufgeteilt. Zweitens können Sie eine Gütertrennung machen. Dann behält jeder immer, was ihm gehört und was er verdient. Ihnen gehört dann nichts gemeinsam und deshalb muss nichts aufgeteilt werden. Drittens können Sie eine Fahrnisgemeinschaft machen. Das ist wie die Gütergemeinschaft, aber das Vermögen vor der Ehe teilen sie sich dann auch. Schenkungen müssen nie erstattet werden. Welche Möglichkeit möchten Sie denn nehmen?“

„Wir nehmen die Gütertrennung, dann sparen wir uns den Papierkram mit gemeinsamen und getrennten Sachen, oder, Mustafa?“

„Ja, weniger Papierkram klingt gut.“

„Danke. Dann trage ich das ein. Ich mache Sie drauf aufmerksam, dass Sie für Kinder aus dieser Ehe Unterhalt zahlen müssen, wenn Sie sich scheiden lassen und nicht jeder gleich viel für das Kind sorgt. Das Sorgerecht wird dann an Sie beide gleich aufgeteilt, es sei denn, jemand von Ihnen kommt in Haft, dann wird ihm für die Zeit der Haft das Sorgerecht entzogen. Das sind die Standardeinträge. Möchten Sie daran etwas ändern?“

„Nein, das kann so bleiben, oder, Mustafa?“

„Ich weiß nicht, was da noch hin soll. Wir lassen uns eh nicht scheiden.“

Als mein Vater das sagt, bin ich froh, meine beiden Eltern bei mir zu wissen. Es ist schön, sie so gemeinsam zu sehen, und wie sie sich auf mich vorbereiten. Was der Standesbeamte danach noch zu meinem Vater sagt, klingt beunruhigend:17

„Herr Öz, da muss ich Sie noch auf die Neuerungen hinweisen, dass ich Ihre Hochzeit dem Integrationsministerium melden muss.“

„Wieso das?“

„Ab dem kommenden Monat müssen Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland einen Einbürgerungstest und eine Einbürgerungsphase durchlaufen.“

„Und was ist, wenn man das nicht macht?“

„Dann ist man Gast und muss nach höchstens zehn Jahren wieder auswandern. Bei Ihnen verändert sich aber die Einbürgerungsphase.“

„Wie denn?“

„Sie müssen Ihre Heiratsurkunde beim Integrationsbüro einreichen. Dann brauchen Sie nicht die Motivationsschreiben von mindestens zehn Freunden, von denen fünf Deutsche und der Rest Eingebürgerte sein müssen. Ansonsten bleibt alles gleich.“

„Was ist, wenn ich das nicht bestehe?“

„Wenn sie den Test dreimal nicht bestehen oder die Phase länger als zehn Jahre dauert, können sie nicht eingebürgert werden und sind Gast.“

„Und was wird aus meinem Kind, wenn ich auswandern muss?“

„Ihr Kind kann dann selbst entscheiden, ob es mit Ihnen kommt oder hierbleibt. Gleiches gilt für Ihre Frau.“

„Was muss ich bei dem Test und der Phase machen? Oder was darf ich nicht machen?“

„Das erfahren Sie alles bei einem Termin im Integrationsbüro. Ich kann Ihnen nur schon sagen, dass Sie nicht in Haft kommen oder länger als zwölf Monate arbeitslos werden sollten, denn sonst werden Sie ausgewiesen.“

Das verunsichert mich und ich hoffe, dass mein Vater seine Arbeit behält und nicht verhaftet wird. Die Vorbereitungen für den Elternführerschein neigen sich mittlerweile dem Ende und meine Eltern erwartet die Abschlussprüfung. Jeder muss einen Fragebogen ausfüllen und einen Leitfaden für eine gute Erziehung schreiben. Mein Vater fällt in diesen theoretischen Prüfungen durch. Er darf sie aber beliebig oft wiederholen. Ich mache mir trotzdem etwas Sorgen. Was, wenn er und meine Mutter nicht bestehen? Im Kurs hieß es, dass wir dann ins Sozialdorf ziehen müssen und so lange zusammen im Kinderhaus wohnen müssen, bis einer meiner Eltern den Elternführerschein bestanden hat. Die praktische Prüfung hat dann drei Situationen aus verschiedenen Lebensphasen, wo mein Vater zuerst wütend wird und falsch reagiert. Beim dritten Versuch schafft er die theoretische Prüfung und bei der praktischen Prüfung schafft er es nach dem zweiten Versuch. Meine Mutter hat die Prüfungen direkt geschafft. Ich freue mich, bald auf die Welt zu kommen, und bin gespannt, mich heute beim Frauenarzt wieder zu sehen. Diesmal ist mein Vater mit dabei. Ich sehe richtig gut aus und strecke dem Frauenarzt meine Scheide entgegen, als er das Ultraschallgerät auf mich legt. Er sagt direkt:

„Das ist kaum zu übersehen. Sie werden ein Mädchen bekommen.“

Meine Eltern sind glücklich und mein Vater gibt meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. Da freue ich mich. Am Abend unterhalten sie sich lange über mögliche Namen, aber ein Name gefällt ihnen für mich besonders gut: Sarah.

In den kommenden Wochen mache ich es meiner Mutter nicht so leicht, denn ich werde immer schwerer. Auf der Arbeit lernt meine Mutter schon ihre Vertreterin an, die sie zwei Jahre lang ersetzen wird. Das ist gut, weil meine Mutter nicht schwer heben soll, damit ich nicht aus ihr herausfalle. Obwohl ich den Moment kaum erwarten kann.

3. Geburt einer neuen Hoffnung

Endlich ist es so weit. Ich erblicke zum ersten Mal das Licht der Welt. Meine Eltern sind mit mir im Krankenhaus. Ich liege bei meiner zufriedenen Mutter im Arm und mein Vater streichelt mir stolz über den Kopf. Jetzt werde ich direkt ein richtiger Mensch, mit allem, was dazugehört. Von der Hebamme werde ich gewogen, vermessen, fotografiert und untersucht. Währenddessen erklärt die Krankenschwester meinen Eltern:18

„Wir legen jetzt ein Profil im Gesundheitsverzeichnis an. Wie heißt denn Ihre Tochter?“

„Sarah Öz.“

Als mein Vater das sagt, freue ich mich, zum ersten Mal meinen Namen zu hören.

„Danke, ich habe Ihre Daten aus dem Gesundheitsverzeichnis abgerufen und Sie als Eltern eingetragen. Bitte überprüfen Sie meine Eingaben bis morgen an Ihrem Volkscomputer, Frau Öz. Berta, hast du die Daten aus den Untersuchungen schon eingetragen?“

„Ja, sie haben ein kerngesundes Mädchen, nicht zu leicht und nicht zu klein, alles super. Meinen Glückwunsch.“

Das freut mich zu hören. Mit diesen Worten übergibt mich die Hebamme meiner Mutter. Mein Vater grinst mich währenddessen glücklich an. Und dann schenke ich ihm und meiner Mutter mein erstes Lächeln. Wir strahlen alle bis über beide Ohren. Es dauert nicht lange, bis ich einschlafe, während ich noch höre, wie die Krankenschwester sagt:

„Alle nötigen Daten sind jetzt eingetragen. Sie bleiben eine Nacht zur Beobachtung hier und morgen kommt ein Mitarbeiter vom Jugendamt bei Ihnen vorbei.“

Am nächsten Tag fährt der Mann vom Jugendamt mit uns vom Krankenhaus nach Hause. Dort legt er mir ein eigenes Profil im Personenverzeichnis an. Jetzt bin ich auch in der virtuellen Welt angekommen. Wie viel diese Welt für mich erledigen wird, kann ich jetzt noch gar nicht ahnen. Erst mal bin ich stolz über meine Geburtsurkunde und meinen Kinderausweis. Die hat der Mitarbeiter vom Jugendamt gleich mitgebracht. Schick sehe ich auf dem Foto aus, aber Haare wie meine Mutter hätte ich schon gern. Er gibt beides meinen Eltern und sagt:19

„Das ist die Geburtsurkunde mit der Freigabe, dass sie den Elternführerschein erfolgreich bestanden haben. Und das ist der Kinderausweis. Er ist Ausweis, Gesundheitskarte, Bankkarte und Betreuungsausweis in einem. Sarah kann damit in allen staatlich anerkannten Betreuungseinrichtungen für Kinder rund um die Uhr sieben Tage die Woche betreut werden. Auf das Bankkonto kommt jeden Monat das Kindergeld. Was sie davon am Monatsende noch nicht für Betreuung ausgegeben haben, können Sie in den nächsten Monaten in allen Geschäften ausgeben, aber nur für Sachen für Sarah. Auf dem Rentenkonto sind 5.000 Euro Startguthaben, das am Ende des Lebens zurückgezahlt werden muss. Sobald Sarah ihren Kinderausweis selbst benutzen kann, muss sie das auch tun dürfen. Beim Einkauf gib es automatische Limits für die Bankkarte. Das erklärt ihnen aber jemand von der Volksbank genauer, wenn es so weit ist. Wir sehen uns jetzt während der nächsten drei Monate alle zwei Wochen. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich gern jederzeit an.“

Das freut mich jetzt aber. Ich bin quasi in ein Hotel mit Vollpension und persönlichen Servicekräften geboren worden. Was für ein guter Start ins Leben! Den verbringe ich zu Hause mit meiner Mutter. Sie hat zwei Jahre Elternzeit, muss nicht zur Arbeit und bekommt trotzdem jeden Monat 80 Prozent vom Lohn. Abends kommt dann mein Vater von der Arbeit. Er hätte in der freien Marktwirtschaft als Elternzeit nur ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub für mich bekommen. Auch wenn er danach wieder eingestellt werden muss, nimmt er lieber keine Elternzeit. Er hat nicht genug Geld für das Jahr Sonderurlaub gespart, meint er. Er möchte, dass es mir an nichts fehlt, und geht deshalb weiter arbeiten, daran glaube ich.20

Die Tage sind im Leben immer ganz schön, im Gegensatz zur Nacht. Jeden Tag entdecke ich neue Sachen. Am liebsten greife ich nach allem, was ich in die Finger bekomme, und stecke es mir in den Mund. Mit meiner Zunge kann ich einfach am besten fühlen, was das ist und wie es schmeckt. Aber nichts schmeckt so gut wie die Milch von meiner Mutter. Farben mag ich besonders gern. Und deshalb mag ich auch die Nacht nicht. Da ist alles schwarz oder grau. Ich finde das ziemlich unheimlich und weine deswegen nachts oft. Und da soll man dann schlafen? Anfangs darf ich noch mit im Bett bei meinen Eltern schlafen. Eines Nachts dreht sich dann mein Vater aus Versehen auf mich. Er ist so schwer, dass ich nicht atmen kann, und ich denke, ich muss sterben. Dann schreie ich noch mit der letzten Luft so laut ich kann. Zum Glück wird meine Mutter wach und schiebt meinen Vater weg. Danach streiten sie sich:

„Mustafa, du hättest sie fast umgebracht!“

„Das war doch keine Absicht! Ich war von Anfang an dagegen, dass sie bei uns im Bett schläft.“

„Ja, aber deshalb …“

„Nix ja aber, die bekommt jetzt ihr eigenes Bett. Und fertig!“

„Aber …“

„Nix aber, jede Nacht das Geheule und ich muss früh raus.

Die macht mich fertig.“

„Ja, ich versteh dich. Machen wir es so. Ich besorge ihr ein

Bett, okay?“

„Okay.“

„Aber du baust es auf!“

„Ja, im Kinderzimmer.“

„Nein, hier.“

„Nix da, das ist sinnlos. Dann kann ich ihr Geheule immer noch hören. Und Sex geht dann immer noch nicht.

Kinderzimmer, Ende!“

„Ja, okay.“

„Ich geh jetzt aufs Sofa schlafen.“

Und so beginnen die Nächte der Angst. Erst denke ich, wie toll doch so ein eigenes Bett sein wird. Aber als ich die erste Nacht darin schlafe, wird mir angst und bange. Ich bin ganz allein. Alles ist still und dunkel. Mit dem Herzschlag meiner Mutter bin ich bisher immer eingeschlafen und jetzt ist er plötzlich weg. Ich liege ewig wach und frage mich, wann die Nacht endlich aufhört. Ich würde mich ja gern in den Schlaf singen, wie meine Mutter das manchmal macht. Aber wenn ich den Mund aufmache, bekomme ich nur zwei Buchstaben hin, nämlich U und A. Und weil ich traurig und wütend bin, schreie oder weine ich das Lied am liebsten. Meine Mutter kommt oft und nimmt mich dann in den Arm, bis ich einschlafe. Nach so viel Aufregung dauert das eine Weile.

Manchmal kommt auch mein Vater. Der erschreckt mich dann immer. Entweder macht er direkt das Licht an oder kommt heimlich im Dunkeln und hält mir den Mund zu. Wenn er mir den Schnuller in den Mund steckt, spucke ich ihn wieder aus und schreie. Dann hält er meinen Mund zu, hält mich mit einem Kissen fest oder hält mich an den Füßen kopfüber und ich zapple, bis ich von ihm weg bin.

Letzte Nacht falle ich ihm dabei runter und ich schreie noch lauter. Er packt mich schnell unter den Armen und legt mich in mein Bett. Ich schreie weiter, bis meine Mutter dazukommt. Sonst schläft sie weiter, aber diesmal hört sie mich und fragt meinen Vater, was passiert ist. Er sagt, dass er es ihr morgen erzählt und jetzt schlafen geht. Meine Mutter singt mir jetzt wieder ein Schlaflied. Am nächsten Tag geht meine Mutter mit mir zum Kinderarzt. Den Kinderarzt mag ich, weil dort Kindermusik läuft, bunte Lichter an der Wand hängen und ich immer etwas Süßes bekomme. Ich gehe dort mit ihr regelmäßig zu meinen Pflichtuntersuchungen. Heute bin ich aber ohne Termin gekommen und das verwundert den Kinderarzt:21

„Was ist denn passiert, Frau Öz?“

„Sarah ist auf den Kopf gefallen.“

„Wie und wann denn?“

„Ihr Vater hat sie gestern Nacht getröstet, als sie wieder geschrien hat. Dabei ist sie ihm dann runtergefallen. Auf den Kopf, hat er gesagt. Ich habe geschlafen. Ich mache mir solche Vorwürfe, sonst bin ich ja für sie da.“

„Sie tun, was Sie können, Frau Öz. Lassen Sie mich Sarah mal anschauen und ziehen Sie dafür bitte Sarah auf der Heizdecke aus. Was hat Ihr Mann denn noch über den Sturz erzählt und wo ist Sarah denn drauf gefallen, also auf welchen Untergrund?“

„Er hatte sie auf dem Arm und sie hat wieder so gezappelt, meint er. Das macht sie bei mir eigentlich nicht.“

„Was ist dann passiert?“

„Sie hat sich wohl runter gezappelt von seinem Arm, ich weiß auch nicht. Sie ist auf den Teppich neben dem Kinderbett gefallen, glaube ich.“

Meine Mutter weint jetzt. Der Arzt hält ein buntes Licht vor meine Augen, das ich verfolge, und untersucht mich mit verschiedenen Sachen.

„Wissen Sie, woher Sarah die blauen Flecken unterm Arm und an den Knöcheln hat?“

„Nein, die waren gestern noch nicht da.“

„Sind schon häufiger dort Blutergüsse wie diese gewesen?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

Was er meiner Mutter nicht sagt, ist, dass er den Fall dem Jugendamt meldet, und die schalten die Zivilpolizei ein.22 Als der Mitarbeiter vom Jugendamt das nächste Mal bei uns ist, fragt er meine Eltern über den Unfall aus. Er bittet sie, die Situation nachzustellen, und bleibt bei mir im Zimmer. Sobald meine Eltern ins Schlafzimmer gehen, bringt er eine versteckte Kamera neben meinem Kinderbett an. Danach macht er die Rollläden zu und ruft meinen Vater. Mein Vater kommt rein, nimmt mich hoch und wiegt mich, wie er es beim Elternführerschein gelernt hat. Dann hält er mich auf dem Arm und lässt mich langsam kopfüber zu Boden sinken. Ich weine die ganze Zeit, weil es dunkel ist. Als mich mein Vater kopfüber hält, zapple ich und schreie noch dazu. Der Mitarbeiter vom Jugendamt entschuldigt sich aber bei mir:

„Tut mir leid, Sarah, dass du das jetzt noch mal durchmachen musstest. Ich habe dir ein Kuscheltier mit einer Spieluhr mitgebracht als Entschuldigung.“

Darüber freue ich mich. Es ist eine rote Schnecke mit einem bunten Schneckenhaus in den Farben, wie ein Regenbogen. Was ich erst später weiß, ist, dass darin auch ein Gerät steckt, das meine Körperwerte messen und Ton aufzeichnen kann.

4. Ende mit Schrecken

Mittlerweile habe ich laufen gelernt. Die Welt steht mir jetzt offen. Überall laufe ich hin so schnell ich kann. Bunte Sachen mag ich immer noch, aber jetzt finde ich auch weiche Sachen toll. Sprechen klappt noch nicht so gut. Meine Mutter spricht aber viel mit mir mit ihren Händen. Gut heißt zum Beispiel Daumen hoch und Kopfnicken ja. Die Bewegungen kann ich auch machen und so unterhalten wir uns schon manchmal. Ich freue mich, jeden Tag mehr zu entdecken.

Als mein Vater mich das übernächste Mal wieder mit Mund zu halten, schütteln und kopfüber halten trösten will, höre ich es vor dem Fenster summen. Mein Vater macht den Rollladen hoch und sieht nach. Nichts. Ich weine weiter. Er packt mich wieder mit einem Kissen, drückt mich aufs Bett und hält mir den Mund zu. Da ist wieder dieses Summen und diesmal sehe ich eine Drohne vor dem Fenster schweben. Dann geht alles ganz schnell. Es klingelt an der Tür und die Polizei ist da. Sie legen meinem Vater Handschellen an und nehmen ihn mit. Meine Mutter weint und eine Polizistin zeigt ihr auf einem Tablet PC die Videoaufnahmen der Drohne. Erst sind es Aufnahmen von einer Wärmebildkamera und danach die Aufnahmen durch das Fenster. Meine Mutter ist fassungslos und macht sich große Vorwürfe, wieso sie das nie bemerkt hat. Die Polizistin tröstet sie und fragt:23

„Wissen Sie denn, was Sie und Ihren Mann jetzt erwarten kann?“

„Nein, was denn?“

„Er kommt jetzt in Untersuchungshaft, weil er eine akute Gefahr für das Kind ist und sich ins Ausland absetzen könnte.

Außerdem ist er schon vorbestraft.“

„Und was passiert mit mir?“

„Sie haben eigentlich nichts zu befürchten. Wir werden aber Ihre Handabdrücke nehmen, um sie mit den Unterlagen aus den Verletzungsaufnahmen von Sarah zu vergleichen. Dazu gehen sie morgen noch mal mit Sarah zu Ihrem Kinderarzt. Bis zum Abschluss der Gerichtsverhandlung sollen Sie und Sarah nicht ins Ausland reisen. Oder ist eine Reise geplant?“

„Nein, wann ist denn die Gerichtsverhandlung?“

„Lassen Sie mich schnell nachschauen. In zwei Wochen am Dienstagmittag um elf Uhr.“

„Was kann ihm denn schlimmstenfalls drohen?“

„Ihm wird schwere Kindeswohlgefährdung vorgeworfen. Einige Jahre muss er dafür sicher ins Gefängnis und weil er dann ein verurteilter, straffälliger Ausländer ist, droht ihm danach auch die Abschiebung.“

Das trifft mich hart. Mein Vater soll ab sofort nicht mehr bei mir sein? Wo ist er jetzt und wo kommt er hin? Was wird aus meiner Mutter und mir? Ich werde es schon bald erfahren.

Am Tag darauf klingelt es an der Tür. Meine Mutter nimmt mich auf den Arm und geht durch den Türspion schauen. Ich will auch sehen, wer da ist, und sage:

„Auuu auuu.“

Eigentlich soll es „auf“ heißen, weil ich wissen will, wem die Tür aufgemacht wird. Meine Mutter zuckt sofort zusammen, als sie die Eltern meines Vaters vor der Tür stehen sieht. Ich höre, wie mein Opa an die Tür klopft und sagt:

„Mach auf, Carola, wir wissen, dass du da bist.“

Meine Mutter öffnet die Tür. Sofort geht ein lautes Sprachgewirr los. Ich verstehe nur, wie meine Großeltern sagen:

„Was hast du gemacht?“ … „Du hast die Polizei gerufen!“ … „Du hättest dich um Sarah kümmern müssen!“ … „Nichts bekommst du hin, sitzt faul zu Hause!“ … „Du bist eine schlechte Ehefrau und eine schlechte Mutter!“ … „Sarah soll bei uns aufwachsen!“

Das wird mir zu viel. Meine Mutter ist eine gute Mama und ich will bei ihr bleiben. Ich renne auf meine Großeltern zu und schubse sie. Mein Opa hält mich fest und meine Mutter will mir zu Hilfe kommen. Dann stellt sich aber meine Oma in den Weg und packt sie am Arm. Mein Opa packt mich am Arm, zieht mich aus dem Wohnzimmer in den Flur und macht die Tür hinter sich zu. Ich sehe nur noch, wie meine Oma meine Mutter ohrfeigt. Ich will zu ihr, aber mein Opa hält mich fest. Ich höre sie und meine Oma schreien. Dann geht die Wohnzimmertür auf. Meine Oma kommt raus und packt mich am Arm. Mein Opa lässt mich sofort los und hält meiner Mutter die Tür zu. Meine Oma geht mit mir raus. Ich höre nur noch, wie meine Mutter schreit:

„Lass mein Kind hier! Sarah! Nein! Hilfe!“

Als meine Oma mit mir über den Flur ins Treppenhaus läuft, kommt mein Opa aus der Wohnungstür und hält sie wieder meiner Mutter zu. Da kommt plötzlich unser Nachbar Ali aus seiner Tür mit einem Baseballschläger in der Hand und ruft:

„Lassen Sie sofort das Kind los!“

Er läuft auf meine Oma zu, hebt den Schläger auf die Höhe von ihrem Kopf und holt aus. Meine Oma lässt mich los und läuft zu meinem Opa. Ali sagt zu mir:

„Sarah, geh an meine Wohnungstür.“

Ich kenne meinen Nachbarn noch vom Spielplatz, da spiele ich gern mit seinen Kindern. Schnell laufe ich auf ihn zu und im Türrahmen steht schon seine Frau Yasemin. Mein Opa rennt zu meiner Oma und beide eilen an uns vorbei nach draußen. Sofort öffnet meine Mutter die Wohnungstür, rennt zu mir und nimmt mich in den Arm. Yasemin fragt:

„Carola, sollen wir die Polizei rufen?“

„Nein, nicht schon wieder die Polizei im Haus.“

„Willst du bei uns bleiben?“

„Nein, ich will hier erst mal einfach nur weg. Aber danke, danke euch.“

Meine Mutter fängt an zu weinen und geht mit mir wieder in unsere Wohnung. Sie greift zum Telefon und ruft ihre Familie an, während sie mich auf dem Arm hat und in aller Eile Sachen zusammensucht. Sie fragt, ob sie zu ihnen kommen kann, aber überall kommen Absagen. Ich höre am Telefon nur Vorwürfe wie:

„Das hab ich dir von Anfang an gesagt, aber du wolltest ja wieder nicht hören.“ … „Immer bist du so leichtgläubig“ … „Du säufst zu viel.“ … „Du denkst nur an Sex und nicht an deine Zukunft.“ … „Du kommst nur, wenn’s dir schlecht geht.“

Sie ruft ihre Freundin an, die wir schon mal in Bonn besucht haben. Das war meine erste Zugfahrt und wird auch meine nächste.

In Bonn können wir aber nicht lange bleiben, weil der Bruder von meinem Vater mit seinen Freunden bei uns ist und mich mitnehmen will. Es ist fast wie bei meinen Großeltern, aber diesmal bekommt die Freundin meiner Mutter ein blaues Auge ab. Sie ist auch alleinerziehend und will, dass meine Mutter Anzeige erstattet:

„Du musst die anzeigen, alle.“

„Ja, du hast schon recht. Aber ich bin ja auch schuld, dass alles so gekommen ist.“

„Bist du gar nicht! Red dir das nicht ein.“

„Doch, ich hab mit dem Mustafa immer nur vögeln wollen, weil ich so auf die Südländer stehe. Ich wollte nie ein Kind mit ihm. Und dann kam Sarah und alles war anders. Ich hab die Pille vergessen. Ich hab Elternzeit und bin daheim. Ich kann länger schlafen als Mustafa. Und jetzt müssen meinetwegen alle ins Gefängnis und danach werden sie auch noch abgeschoben.“

„Carola, das ist nicht deine Schuld. Zu allem gehören immer zwei. Was meinst du, wie es bei mir und meinem Ex war? Der muss nicht in den Knast und seine Familie auch nicht.“

„Ich zeig sie aber nicht an, das ist doch meine Familie.“

„Eine Familie macht so was nicht.“

„Ach, du hast gut Reden mit deiner Vorzeigefamilie.“

„Das reicht, Carola. Wenn du deinen Schwager nicht anzeigst, mach ich es samt der ganzen Bande.“

„Ich muss hier weg.“

Schlagartig packt meine Mutter ihre Sachen und wir fahren im Zug nach Gießen zum Bruder meiner Mutter. Ich habe ihn noch nie gesehen, außer auf den Familienfotos. Unterwegs telefoniert sie wieder Freundinnen ab. Diesmal sind mehr Zusagen dabei. Trotzdem fahren wir erst zu meinem Onkel. Er macht die Tür auf und sagt zu uns:

„Ach nee, schau mal an. Die Stiefschwester mit ihrem Türkenkind.“

„Du bist echt das Letzte!“

„Danke gleichfalls, schönen Tag noch!“

Er macht uns die Tür vor der Nase zu. Meine Mutter läuft mit mir zurück zum Bahnhof. Wir fahren nach Mannheim zu Susi, einer alten Schulfreundin meiner Mutter. Sie hat ein großes Haus mit einem Zaun und Kameras an der Tür. Dort sind wir wieder mehrere Monate. Wir feiern meinen zweiten Geburtstag im Garten mit ihren Kindern und deren Freunden. Ein paar Tage später muss meine Mutter wieder arbeiten, weil ihre Elternzeit vorbei ist. Wir fahren zurück nach Hause in unsere Wohnung in Dietzenbach. Es dauert keine drei Tage, dann steht der Bruder meines Vaters vor unserer Wohnungstür. Diesmal bin ich aber leise. Als meine Mutter ihn durch den Türspion sieht, verstecken wir uns leise in ihrem Schlafzimmer unter der Bettdecke. Nach einiger Zeit hören wir ihn und seine Freunde draußen vor der Straße reden, ins Auto steigen und wegfahren. Dann wiederholt sich unsere Flucht. Wir fahren erneut zu Susi. Doch dort angekommen, ist wieder mein Onkel mit seinen Freunden da. Er klingelt an der Tür. Susi holt meine Mutter zu sich, sie schauen zusammen auf den Bildschirm der Kamera und Susi fragt meine Mutter:

„Ist er das?“

„Ja.“

„Geht hoch in euer Schlafzimmer und bleibt von den Fenstern weg. Ich geh hin und wimmel ihn ab.“

Wir gehen nach oben und Susi geht raus. Wir hören nur leise durch das offene Fenster:

„Carola da?“ … „Nein“ … „Wer sind Sie?“ … „Kennen Sie Carola?“

Susi kommt wieder rein und mein Onkel fährt mitsamt seiner Freunde davon. Sie kommt hoch zu uns und rät meiner Mutter:

„Carola, bitte mache eine Anzeige gegen die Familie. Die verfolgen euch schon so lange. Jetzt haben wir es auf Video.“

„Susi, wir haben gar nichts auf Video. Der kam her, du sagst, wir sind nicht da, und war wieder weg.“

„Dann geh trotzdem zur Polizei und frag nach, was du jetzt tun kannst. So ein Zustand kann das ja nicht bleiben. Was ist mit deinem Job?“

„Sarah ist mir wichtiger. Die wissen Bescheid.“

Das ist eine Lüge von meiner Mutter. Ich habe gemerkt, wie sie die Anrufe weggedrückt hat.

„Aber sag mal, Carola, woher weiß der eigentlich immer, wo du bist?“

„Das frag ich mich auch.“

„Hast du dein Handy gecheckt?“

„Wie meinst du das? Ich hab doch ein Passwort.“

„Mein Mann ist doch Lehrer und eine seiner Schülerinnen wurde von ihren Eltern mit einer App geortet. Die war versteckt installiert, sodass sie es nicht bemerkt hatte.

Aber als sie dann mal nicht nach Hause kam, standen ihre Eltern beim Schulausflug, weil sie davon vergessen hatte zu erzählen. Lange Rede, kurzer Sinn: Lass uns mal dein Handy durchsuchen.“

Das machen die beiden dann auch direkt und siehe da, sie finden die App. Meine Mutter sagt:

„Das muss dann ja wohl der Mustafa in seiner Eifersucht gemacht haben.“

„So schaut es jedenfalls aus.“

„Ich muss die App sofort löschen.“

„Ja und hier kannst du erst mal nicht sein. Weißt du, wo du hin kannst?“

„Ja, ich kann …“

„Halt, warte! Nicht löschen!“

„Was? Zu spät. Warum?“

„Das hättest du der Polizei zeigen und sie so in die Falle locken können.“

„Susi, ich will die nicht anzeigen, wie oft denn noch?“

„Aber, Carola, das geht doch jetzt zu weit. Du kannst …“

„Lass gut sein, Susi. Ich geh zu Babsi. Und sag mal, könntest du vielleicht zu mir nach Dietzenbach fahren und meine Post aus dem Briefkasten holen?“

Wir ziehen um zu Susis Freundin, die meine Mutter auch kennt. Am nächsten Tag kommt Susi mit der Post. Als meine Mutter den dritten Brief öffnet, wird sie kreidebleich. Susi fragt:24

„Was ist los, Carola?“

„Ich bin gefeuert.“

„Was? Wieso?“

„Ist doch egal.“

„Nein, zeig mal! Die müssen doch eine Begründung geschrieben haben.“

Sie nimmt meiner Mutter den Brief aus der Hand, liest ihn und sagt:25

„Carola, du hast denen gar nicht gesagt, wo du bist, und bist einfach nicht hin?“

„Susi, mir ist das alles zu viel.“

„Weißt du was? Wir rufen jetzt den Sozialnotruf.“

„Was ist das? Dieses Sozialdorf?“

„Ja, genau. Ich ruf da an, die kommen her, holen euch ab und bringen euch im Sozialdorf unter, wo du sicher bist und Sarah auch. Schließlich haben sie es ja wohl auf Sarah abgesehen.“

Ich will nicht bei meinen Großeltern leben, sondern bei meiner Mutter. Und auf dieses Sozialdorf bin ich mal gespannt. Kurze Zeit später kommt ein Polizeiauto zur Susi, aber die beiden Leute, die aussteigen, sehen nicht aus wie Polizisten. Sie zeigen ihre Dienstausweise und stellen sich als Sozialarbeiter vom Volksschutz vor. Der eine sagt zu uns:

„Was haltet ihr davon? Wir fahren jetzt zusammen ins Sozialdorf. Dort bleibt ihr ein paar Tage im Hotel und morgen holen wir mit einem Lieferwagen und ein paar Möbelpackern die Sachen aus eurer Wohnung. Dann zieht ihr ins Sozialdorf, bis alles wieder gut ist. Wollen wir das so machen?“

Meine Mutter stimmt zu. Das ist alles sehr aufregend für mich. Ich soll aus der Wohnung ausziehen und weg von all den Menschen und Orten, die ich gerade erst kennengelernt habe? Ein mulmiges Gefühl steigt in meinem Bauch hoch. Mittlerweile kann ich zwar sprechen, aber alles neu kennenlernen wird sicher nicht leicht.

5. Planwirtschaft

Wir kommen im Sozialdorf an und es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Es hat einen Zaun rund herum, der aus durchsichtigen Säulen besteht, in denen grüne Algen schwimmen. Wir parken davor und gehen durch die Pforte. In der Pforte sitzen drei Leute wie an einer Rezeption im Hotel. Einer davon ist ein Polizist. Bei ihm geben wir unsere Ausweise ab und bekommen einen anderen Ausweis, der fast gleich aussieht. Er hat nur eine andere Farbe und Überschrift. Der Pförtner mit einer gelben Weste sagt zu meiner Mutter und mir:26

„Willkommen im Sozialdorf Hanau. Das sind hier ihre Ausweise. Wir nennen sie Sozialkarten. Damit können sie fast überall hin und alles besorgen und bezahlen, was sie brauchen und hier im Sozialdorf finden. Sie sind jetzt eine Nacht im Hotel. Morgen melden sie sich bitte wieder um 13 Uhr hier, damit wir den Umzug organisieren können. Das macht dann meine Kollegin vom Sozialdienst mit Ihnen. Hier sind schon mal Handtücher und Bettlaken. Brauchen Sie noch Körperpflegeprodukte und Kleidung, oder haben Sie das in Ihrem Gepäck?“

„Danke, wir haben alles. Können wir denn auch waschen und etwas zu essen oder trinken bekommen?“

„Ja, selbstverständlich. Auf dem Weg zu Ihrem Zimmer zeige ich Ihnen das Versorgungszentrum. Dort gibt es eine Wäscherei und in der Kantine rund um die Uhr fertiges Essen und Getränke. Der Sozialmarkt hat von 10 bis 18 Uhr montags bis freitags geöffnet. Weil sie aber als Notfall kommen, kann ich Ihnen aufschließen und Sie können alles für die nächsten Tage holen, bis der Laden dann wieder geöffnet ist. Von Ihren neuen Nachbarn werden Sie noch eine umfangreiche Führung durch das ganze Sozialdorf bekommen. Ich zeige Ihnen jetzt Ihre Zimmer. Folgen Sie mir.“

Wir gehen eine lange, gerade Straße entlang, die mitten durch das Sozialdorf führt. Ich erkenne wenig, weil Nacht ist. Auf der einen Seite sind Wohnhäuser und auf der anderen Seite sind große Gebäude mit einem Eingang und Lagerhallen. Der Pförtner zeigt auf ein weißes Gebäude, das er als Versorgungszentrum bezeichnet. Wir biegen in das dritte Wohnhaus auf der linken Seite ein. Er sagt:27

„Das hier ist Ihr Haus. Sie bekommen jetzt dort das Hotelzimmer und später in dem Haus Ihre Wohnung. In jedem Haus haben wir zehn Prozent Überkapazität. Die vermieten wir im Hotel und haben deshalb für Menschen in Not immer eine Wohnung frei. Hier leben alleinerziehende Eltern mit ihren Kindern. Du hast dann direkt auch jemanden, mit dem du spielen kannst.“

„Ja, schön“, sage ich.

„Das freut mich. Hier ist Ihr Zimmer. Die Sozialkarten sind gleichzeitig auch die Haustürschlüssel für das Zimmer und das Gebäude. Das Bad ist am Ende vom Gang auf der linken Seite, wo das Licht an der Tür leuchtet. Hilfst du der Mama beim Betten beziehen? Schaffst du das schon?“

Ich grinse ihn an und nicke. Meine Mutter dankt dem Pförtner und der verabschiedet sich. Das Zimmer sieht komisch aus. An der linken Wand stehen zwei Betten übereinander und vier nebeneinander. Es steht immer ein großes Bett neben einem kleinen Bett. Gegenüber an der rechten Wand stehen Schränke, die bis unter die Decke gehen. Am Fenster steht ein Tisch mit drei Stühlen. Jedes Möbelstück hat eine andere Farbe – das gefällt mir. Ich bin froh, mit meiner Mutter allein hier zu sein, und stelle mir vor, wie es wäre, wenn alle Betten mit anderen Gästen belegt wären. Als wir das Licht ausmachen, um schlafen zu gehen, sehe ich etwas Tolles: An der Decke sind ganz viele leuchtende Sterne und an der Wand neben dem Fenster ist ein Mond. In dem Zimmer ist es nie ganz dunkel und hier schlafe ich so gut wie schon lange nicht mehr.

Am nächsten Morgen begrüßen uns die Nachbarn auf dem Gang. Eine Frau kommt mit ihrem Kind im Arm zu uns und sagt:

„Hallo, ihr müsst Carola und Sarah sein, oder?“

„Ja, hallo“, sagen ich und meine Mutter.

„Ich heiße Judith und zeige euch heute das Sozialdorf. Wäre es okay, wenn ich euch in einer Viertelstunde abhole und wir zusammen frühstücken gehen?“

„Au ja“, sage ich und meine Mutter: „Danke, das machen wir gern. Bis gleich.“