Lehrbuch des Ayurveda - Band 2- E-Book - Vasant Lad - E-Book

Lehrbuch des Ayurveda - Band 2- E-Book E-Book

Vasant Lad

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Beschreibung

Vasant Lad ist einer der großen ayurvedischen Lehrer und bereitet diese uralte Wissenschaft in einer für den Studenten von heute verständlichen Form auf. Im zweiten Band seiner Lehrbuchreihe vermittelt er die wesentlichen Elemente der klinischen Beurteilung im Ayurveda. Der menschliche Körper spricht eine logische Sprache. Ein guter ayurvedischer Therapeut muss alle Werkzeuge der Wahrnehmung und Unterscheidung schulen, um zu wissen, wo genau sich der Patient im Krankheitsprozess befindet, um die wirksamste Behandlung zu wählen. Vasant Lad erklärt detailliert und praxisnah, wie eine fundierte Untersuchung stattzufinden hat. Diese umfasst die fünf klinischen Barometer wie Erforschung der Ursachen und vorausgehenden Zeichen, die Phasen des Krankheitsverlaufes, die drei Kategorien der Untersuchung wie Betrachtung und Abtasten, die acht Methoden wie Puls-, Urin- und Stuhldiagnose, die Einschätzung nach Konstitutionstyp, die Beurteilung des Verdauungsfeuers Agni und der Stoffwechselschlacken Ama. Darüber hinaus werden detaillierte Informationen zu den Störungen der Grundtypen (Doshas), der verschiedenen Gewebe wie Muskel und Fett, der drei Körperessenzen Prana, Tejas und Ojas und der Körperkanäle (u.a. Verdauung) gegeben. Im Anhang finden sich Vordrucke für eine komplette Patientenuntersuchung. Mit seinen Abbildungen, Diagrammen, Fragebögen und praktischen Beispielen gibt dieses Buch den Lernenden eine einzigartige Einführung in die Geheimnisse der ayurvedischen Untersuchung. „Dr. Lad gelingt es auf unvergleichliche Weise, die alte Weisheit des Ayurveda verständlich und praxisbezogen aufzubereiten.“ – Drs. David Simon und Deepak Chopra „Dieser klinische Leitfaden von Dr. Lad vermittelt Lernenden die Grundlagen und die praktische Vorgehensweise bei der Krankheitsdiagnostik. Es ist ayurvedische Praxis auf höchstem Niveau.“ – Dr. Vivek Shanbhag

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Seitenzahl: 676

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Vasant D. Lad

Lehrbuch des Āyurveda

Ein vollständiger Leitfaden für die klinische Untersuchung

Band II

Vasant D. Lad, M.A.Sc.

Lehrbuch des Ayurveda

Ein vollständiger Leitfaden für die klinische Untersuchung

Band II

Titel der englischen Original-Ausgabe: Textbook of Ayurveda A Complete Guide To Clinical Assessment, Volume Two © Dr. Vasant Lad, The Ayurvedic Institute 2006

Übersetzt aus dem Englischen von Samira Goth, Geckolingua

1. deutsche Auflage 2014

ISBN 978-3-95582-146-3

Cover Design und Abbildungen: Kevin Curry.

Ganesha Abbildung von Vasant Lad.

Herausgeber: Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern

Tel.: +49 7626 9749700 E-Mail: [email protected]

www.narayana-verlag.de

© 2014, Narayana Verlag

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags

darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form - mechanisch, elektronisch, fotografisch -

reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme

kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Obwohl die in diesem Buch enthaltenen Informationen auf ayurvedischen Prinzipien basieren, die seit Tausenden von Jahren praktiziert werden, sollte dies nicht als Standard medizinischer Diagnose oder Behandlung angesehen oder interpretiert werden. Suchen Sie im Fall einer Krankheit stets einen qualifizierten Arzt auf.

Widmung

Dieses Buch ist von ganzem Herzen meiner liebenden Frau Usha gewidmet, die mich in allen Bereichen meines Lebens inspiriert und unterstützt hat.

Inhalt

Vorwort

Über den Autor

Die Verwendung von Sanskrit

1 Nidāna Pañchakam ~ Die fünf klinischen Barometer

Die Bedeutung, die Ursache der Krankheit zu verstehen

Ursachen einiger spezieller Krankheiten

Nidānam

Gründliche Untersuchung der Hetu-Kategorien

Pūrva Rūpa

Rūpa

Upashaya

Antagonistische Behandlungen

Behandlungen mit ähnlichen Mitteln

Samprāpti

Arten von Samprāpti

Zusammenfassung

2 Samprāpti ~ Der Krankheitsverlauf

Krankheitsstadien

Erste Phase: Ansammlung (Sañchaya)

Zweite Phase: Reizung (Prakopa)

Dritte Phase: Ausbreitung (Prasara)

Vierte Phase: Ablagerung oder Lokalisierung (Sthāna Samshraya)

Fünfte Phase: Manifestation (Vyakti)

Sechste Phase: Differenzierung von Krankheit, Zerstörung von Geweben und Komplikationen (Bheda)

Samprāpti und die Gunas

Vyādhi Mārga – Die Bahnen der Erkrankung

Dosha Gati

Dosha Gati und allgemeine Störungen durch Auf-, Abwärts- und Linearbewegung der Doshas

Zusammenfassung

3 Vyādhi ~ Die Krankheit

Definitionen von Krankheit

Krankheitsstufen

Weiträumige Klassifikationen von Krankheit

Örtlich begrenzte oder spezifische Klassifikationen von Krankheit

Strukturelle Unterteilungen von Krankheit

Lakshanam (Zeichen und Symptome)

Sādhya - Asādhya (Prognose)

Zusammenfassung

4 Trividhā Parīkshā ~ Die drei Kategorien der klinischen Untersuchung

Darshanam (visuelle Untersuchung)

Größe

Gewicht

Gliedmaßen

Kopf

Gesicht

Hals

Eigenschaften der Gesichtslinien, Erhebungen und Falten

Brust

Bauch

Taille und Leiste

Haare

Nägel

Sinnesorgane

Körpersysteme

Sparshanam (Tastuntersuchung)

Brust

Brustuntersuchung

Bauch

Wirbelsäule

Unterkategorien von Sparshanam

Ākotanam (Abklopfen)

Shravanam (Abhören)

Modifizierte Perkussion mit Auskultation

Prashnam (Befragung)

5 Ashtavidhā Parīkshā ~ Die Acht Methoden der klinischen Untersuchung

Nādī Parīkshā (Puls)

Mūtra Parīkshā (Urin)

Purīsha oder Mala Parīkshā (Stuhl)

Jihva Parīkshā (Zunge)

Shabda Parīkshā (Sprache)

Die vier Kategorien der Sprache

Sparsha Parīkshā (Berühren oder Abtasten)

Drig oder Netra Parīkshā (Augenuntersuchung)

Ākruti Parīkshā (körperliche Form oder Erscheinung)

Zusammenfassung

6 Rugna Patrakam ~ Formular zur Patientenbeurteilung

Ernährungsfragebogen

Sāra

Rugna Patrakam in Kurzform

7 Das Prakruti-Vikruti-Paradigma ~ Beurteilung des Konstitutionstyps

Prakruti: Ihr einmaliger Körpertyp

Janma Prakruti

Deha Prakruti

Dosha Prakruti

Sieben Arten von Prakruti

Wie sich die Qualitäten der Doshas in der Prakruti ausdrücken

Beurteilung der Prakruti

Zusammenfassung der Prakruti

Vikruti: Der aktuelle Zustand Ihrer Doshas

Beurteilung der Vikruti

Manas Prakruti: Ihre geistige Konstitution

Arten von Manas Prakruti

Beurteilung von Manas Prakruti

Beurteilung von Manas Vikruti

Ursachen von Manas Vikruti

Fünf verbreitete Ursachen von Manas Vikruti

Zusammenfassung

8 Agni und Koshtha Parīkshā ~ Beurteilung von Verdauungsfeuer und Verdauungstrakt

Klinische Beurteilung von Agni

Ursachen von unausgewogenem Agni

Die vier Agni-Arten in Bezug auf die Doshas

Geistige Verdauung

Untersuchung des Koshtha

Zusammenfassung

9 Āma ~ Stoffwechselabfälle, die Grundursache von Krankheit

Allgemeine Zeichen und Symptome von Āma

Sāma und Nirāma Doshas und Malas

10 Dosha Vijñānam ~ Fachwissen über Dosha-Störungen

Interaktionen der drei Doshas

Gesteigerte und verminderte Doshas und Dosha Dushti

Erhöhtes Vāta-Dosha (Dosha Vruddhi)

Zeichen und Symptome von vermehrtem Vāta

Klassische Definitionen der Zeichen und Symptome von vermehrtem Doshas gelangen in die Dhātus

Erhöhtes Pitta-Dosha (Dosha Vruddhi)

Zeichen und Symptome von vermehrtem Pitta

Erhöhtes Kapha-Dosha (Dosha Vruddhi)

Zeichen und Symptome von vermehrtem Kapha

Verminderte Doshas (Dosha Kshaya)

Zusammenfassung

11 Dhātu und Mala Vijñānam ~ Fachwissen über die Störungen der Gewebe und Körperabfälle

Störungen der Dhātus (Gewebe)

Verlangen

Störungen von Rasa Dhātu

Fieber

Erhöhtes und verringertes Rasa Dhātu

Störungen von Rakta Dhātu

Störungen von Māmsa Dhātu

Die Rolle von Māmsa Dhātu für das emotionale Wohlergehen

Störungen von Meda Dhātu

Störungen von Asthi Dhātu

Störungen von Majjā Dhātu

Störungen von Shukra und Ārtava Dhātu

Störungen von Stanya (Brustgewebe)

Zusammenfassung von Dhātu Dushti, Vruddhi und Kshaya

Störungen der Malas (Körperausscheidungen)

Störungen von Mūtra (Urin)

Störungen von Purīsha (Stuhl)

Störungen von Sveda (Schweiß)

12 Prāna, Tejas, Ojas Vijñānam ~ Fachwissen über Störungen der drei Körperessenzen

Störungen von Prāna, Tejas und Ojas

Ojas

Ojo-Erkrankungen

Ojo Visramsa (verlagerte Ojas)

Ojah Kshaya (verringerte Immunität)

Ojo Vruddhi (verstärkte oder unverarbeitete Ojas)

Ojo Vyāpad (durch ein oder mehrere Doshas gestörte Ojas)

Tejas

Tejo-Erkrankungen

Tejo Visramsa (verlagerte Tejas)

Tejo Kshaya (verminderte Tejas)

Tejo Vruddhi (verstärkte oder unverarbeitete Tejas)

Tejo Vyāpad (durch ein oder mehrere Doshas gestörte Tejas)

Prāna

Prāna-Erkrankungen

Prāna Visramsa (verlagertes Prāna)

Prāna Kshaya (vermindertes Prāna)

Prāna Vruddhi (verstärktes oder unverarbeitetes Prāna)

Prāna Vyāpad (durch ein oder mehrere Doshas gestörtes Prāna)

13 Sroto Vijñānam ~ Fachwissen über Störungen der Körperkanäle

Arten der Sroto-Störungen

Ursachen von Sroto-Störungen

Die Empfangskanäle: Prāna, Nahrung, Wasser

Störungen von Prāna Vaha Srotas (Atemwege und Prānakanal)

Ujjayi-Atmung

Störungen von Anna Vaha Srotas (Verdauungssystem)

Störungen von Ambu Vaha Srotas (Wasserregulierungssystem)

Die Kanäle zur Ernährung und Versorgung des Körpers: Die Dhātu Srotāmsi

Störungen von Rasa Vaha Srotas (Plasmakanal)

Störungen von Rakta Vaha Srotas (Blutkanal)

Störungen von Māmsa Vaha Srotas (Muskelkanal)

Störungen von Meda Vaha Srotas (Fettkanal)

Störungen von Asthi Vaha Srotas (Knochenkanal)

Störungen von Majjā Vaha Srotas (Nervensystem & Knochenmarkskanal)

Störungen von Shukra Vaha Srotas (männlichen Reproduktionssystem)

Störungen von Ārtava Vaha Srotas (weibliches Reproduktionssystem)

Störungen von Stanya Vaha Srotas (Kanal für die Laktation)

Die Ausscheidungskanäle: Stuhl, Urin, Schweiß

Störungen von Purīsha Vaha Srotas (Ausscheidungssystem)

Störungen von Mūtra Vaha Srotas (Harnwege)

Störungen von Sveda Vaha Srotas (Schweißregulierungssystem)

Der Kanal des Verstandes

Störungen von Mano Vaha Srotas (dem Verstandeskanal)

Schlussbetrachtung

Anhang

Tab. 46: Dhātu Dushti: Der Eintritt der Doshas in die Dhātus

Tab. 47: Darshana-Parīkshā-Untersuchung

Tab. 48: Durch Organpulse am re. Handgelenk angezeigte Krankheiten

Tab. 49: Durch Organpulse am li. Handgelenk angezeigte Krankheiten

Tab. 50: Srotāmsi-Untersuchungsformular

Tab. 51: Bestimmung Ihrer Prakruti (Konstitution)

Tab. 52: Bestimmung Ihrer Vikruti (aktueller Zustand)

Tab. 53: Richtlinien zur Bestimmung Ihrer geistigen Konstitution

Tab. 54: Klinische Beobachtungen zu den vier Bedingungen von Agni

Tab. 55: Die 80 klassischen Vāta-Erkrankungen

Tab. 56: Die 40 klassischen Pitta- und 20 Kapha-Erkrankungen

Tab. 57: Srotāmsi-Grundlagen

Tab. 58: Srotāmsi: Klinische Aspekte und Zusammenhänge

Glossar

Danksagung

Bibliographie und ausgewählte Publikationen

Über den Buchumschlag

Stichwortverzeichnis

Liste der Tabellen

Vorwort

Wir alle haben das große Glück, Dr. Vasant Lad als richtungsweisende Kraft zu haben, während das Ayurveda sich im Westen ausbreitet. Seine Bücher und Lehren haben in den vergangenen 25 Jahren einen westlichen Standard bei der āyurvedischen Ausbildung gesetzt. Jetzt, in seinem neuen Buch Lehrbuch des Āyurveda, Ein vollständiger Leitfaden für die klinische Untersuchung, nimmt uns Dr. Lad auf eine Reise in die Wissenschaft des Āyurveda mit.

Mein allererster Āyurveda-Lehrer in Indien, Dr. J. R. Raju aus Hyderabad, war ein Pulsdiagnostiker und ganz wunderbar in seinen Fähigkeiten der Vorhersage. Ich fragte ihn einmal, ob er ein Hellseher sei oder seine Intuition einsetze. Er antwortete, er arbeite weder mit Intuition, noch sei er ein Hellseher. Er sagte: „Intuition ist einfach nur die Erweiterung der Logik.“ Was also intuitiv erscheint, ist einfach nur die Ausweitung einer Reihe von logischen Zeichen, Symptomen und Eindrücken. Ein Meister der Logik oder ein großartiger āyurvedischer Diagnostiker scheinen hell zu sehen, doch in Wirklichkeit sind sie ausgezeichnete klinische Detektive. Jivaka, der große Āyurveda-Schüler von Atreya, war vielleicht der berühmteste klinische Āyurveda-Detektiv.

Jivaka und die anderen Āyurveda-Schüler analysierten die Fußabdrücke eines Elefanten, der vom Fluss zurückgekehrt war. Als Jivaka gefragt wurde, was er aus den Fußabdrücken ablesen konnte, antwortete er: „Es handelte sich um ein Weibchen, das auf dem rechten Auge blind ist und noch am selben Tag ein männliches Kalb zur Welt brachte. Auf dem Rücken der Elefantin saß eine Frau, die ebenfalls auf dem rechten Auge blind ist und am gleichen Tag einen Sohn zur Welt brachte.“ Die Studenten lachten über diese hochtrabende Diagnose. Es war doch unmöglich, so viel von einem Fußabdruck abzulesen. Als man ihn bat, seine Erkenntnisse zu erklären, erwiderte er: „Die Fußabdrücke eines männlichen Elefanten sind rund, die einer Elefantenkuh länglich. Da er nur auf der linken Seite des Weges Gras gefressen hatte, folgerte er, dass sie auf dem rechten Auge blind sei. Weil die Abdrücke der Hinterbeine tiefer waren, schloss er, dass sie schwanger war, und da der rechte Abdruck tiefer war, ging er von einem männlichen Kalb aus. Aufgrund der Urinspuren nahm er an, dass die Geburt unmittelbar bevorstand. Auf gleiche Weise erklärte er die Reiterin.

Um ein großartiger Āyurveda-Detektiv zu sein, muss man alle Werkzeuge der Wahrnehmung, Unterscheidung und des Intellekts perfektionieren. Der menschliche Körper spricht eine logische Sprache und dieses Buch beschreibt diese Sprache mit großer Genauigkeit. Jedes Ungleichgewicht, Symptom und jeder Krankheitsverlauf reflektiert die vollkommen logische Entfaltung einer tieferen, zugrunde liegenden Unausgewogenheit. In vielen Medizinsystemen erfolgen die Diagnose, Behandlung und Heilung alle im Reich des Körperlichen – dem Annamaya Kosha. Jivaka demonstrierte ein perfektes Bewusstsein und eine Diagnostik dieses Bereichs. Doch das Āyurveda endet hier nicht, denn die feinstofflichen Aspekte des Körpers beinhalten sogar noch mehr klinische Bedeutung als die physischen. Daher müssen die eigenen diagnostischen Fähigkeiten letztendlich das Körperliche transzendieren. Da jedes der hier beschriebenen Diagnosewerkzeuge das Meistern eines oder mehrerer Sinne erfordert, lässt sich das Unsichtbare durch die Verfeinerung der Sinne sichtbar machen. Die Sinne sind unsere Bewusstseinswege, welche die Wahrnehmung entweder zum Bewusstseinsfeld in uns allen befördern oder davon entfernen. Wir werden entweder durch unsere Sinne abgelenkt und diagnostizieren nur das Physische oder kommen mit Übung zu unserem Bewusstsein und nutzen die Sinne als Werkzeuge, um das Geschenk der Selbstheilung in unseren Patienten hervorzulocken. Da Wissen in Bewusstsein strukturiert ist, können wir nur über den Zugang zu unserem Selbst, unserem Bewusstsein, auf die lebenslange Reise des Āyurveda gehen. Von dieser Ebene aus heißt es, das Praktizieren von Āyurveda sei für den Ausübenden besser als für den Patienten.

Als ich Dr. Raju fragte, woran er denkt, wenn er den Puls eines Patienten fühlt, entgegnete er: „Meine Seele spricht mit der Seele des Patienten.“ Er sagte, die Kommunikation sei direkt – vom Herzen des praktizierenden Arztes zum Herzen des Patienten. Durch die Berührung des Pulses oder einem der entwickelten fünf Sinne, berühren wir die Seele des Patienten. Indem wir das tun, wird die Wahrnehmung der Seele, ihr eigenes reines Heilbewusstsein, belebt. Auf dieser Ebene wird der Körper sich seiner selbst bewusst und kann die Quelle des Missverhältnisses erkennen. Sobald die Achtsamkeit etabliert ist, wird ein natürlicher Heilimpuls in Gang gesetzt.

Als ich von meiner Ausbildung in Indien zurückkehrte, forderte Dr. Raju mich auf, Pulsdiagnose zu unterrichten, in der Hoffnung, dass Pulsdiagnose als bedeutender Teil des Āyurveda bewahrt werden würde. 1988 fiel mitten in einer Pulsklasse in Los Angeles einer der Studenten in Ohnmacht und stürzte auf den Boden! Wir brachten ihn wieder zu Bewusstsein und er erklärte sich zum Glück bereit, die Klasse zu Ende zu bringen. Nach dem Unterricht erzählte er mir, dass er bisher erst einmal in seinem ganzen Leben in Ohnmacht gefallen sei und das war in Mexiko, zehn Jahre zuvor. Nach dieser Episode in Mexiko, so berichtete er, hatte er Schmerzen im Leberbereich und im mittleren Rücken. Zehn Jahre lang ging er zu jedem möglichen Arzt, um seine chronischen Schmerzen zu lindern und auf diese Weise gelangte er schließlich in meine Pulsleseklasse. Er erzählte mir, dass seine Schmerzen sehr intensiv wurden, als er seinen Puls fühlte, und die Übelkeit und Ohnmacht, die er zehn Jahre früher erfuhr und seither nie mehr so erlebt hatte, kehrte mit Macht zurück. Er sagte, es wurde so intensiv, dass es ihm klamm und schwindelig wurde und er einfach in Ohnmacht fiel. Zwei Wochen später sprach ich mit ihm, um herauszufinden, wie es ihm geht. Er erzählte mir, dass er seit seiner Ohnmacht im Pulslesekurs seine seit zehn Jahren bestehenden Schmerzen verloren hatte. Bis heute ist er noch immer schmerzfrei.

Indem er einfach seinen eigenen Puls spürte und seine Sinne nach innen wandte, heilte mein Schüler sich selbst. Als āyurvedische Ärzte sind wir nicht die Heiler, sondern die Regisseure der Selbsterkenntnis. Die Entwicklung dieser Wahrnehmung ist im Vijñānamaya Kosha festgeschrieben – der Hülle aus Intellekt und Urteilsvermögen. Hier in dieser Hülle öffnen sich die Lotusblütenblätter der Wahrnehmung, wenn Wege bestehen, die mit einem entwickelten Intellekt gepflastert sind. So wie die Intuition die Erweiterung der Logik ist, dehnt die in diesem Buch beschriebene intellektuelle Entwicklung der eigenen diagnostischen Fähigkeit natürlich die Logik aus und offenbart Ihrem Patienten die Ursache seiner Krankheit, die seinen Körper quält und ihn zum Gefangenen seines Geistes und seiner Emotionen werden lässt.

Dr. Lad lehrt die Macht der Meisterhaftigkeit. Ihre Sinne sind Ihre Waffen und Sie müssen an Ihrer Diagnosefähigkeit arbeiten, indem Sie die Sinne perfektionieren. Der Feind ist Ihr Verstand, der die Sinne, Emotionen und Ängste davon überzeugen will, die Krankheit des Symptoms zu behandeln, Geld zu verdienen und nicht weiter zu blicken. Als āyurvedischer praktizierender Arzt müssen Sie sich immer wieder fragen – wer lenkt meinen Wagen? Praktiziere ich zum persönlichen Gewinn und bin durch die Stimulation der Sinne abgelenkt? Oder bin ich dem persönlichen Wachstum verschrieben, dem Wohlbefinden meiner Patienten und bereit, Furcht und Ignoranz zu überwinden? Erlebt der praktische Arzt Letzteres, also Brahma Bhavati Sarathih, dann ist Brahma der Wagenlenker. Dabei lenkt Bewusstsein, nicht das Ego, den Wagen. Wo Ihr Herz die Zügel Ihrer Diagnose und Behandlung und bei der Interaktion zwischen Arzt und Patient in Händen hält, kommunizieren Sie von Seele zu Seele und Ihr Herz, nicht Ihr Verstand, wird als Denkvermögen erlebt.

John Douillard Herbst 2006

Über den Autor

Āyurveda ist in den Herzen besonderer Wesen zu Hause, deren Dharma darin besteht, die Traditionen der Weisheit zu bewahren und zu erhalten, um sich selbst und die Welt zu heilen. Es schlägt eine Brücke zwischen den veränderlichen Philosophien, Wissenschaften und Religionen der Zeitalter und wird in den verschiedenen Kulturen durch diese engagierten Individuen weitergegeben. Dr. Lad trägt diese lebendige Flamme in seinem Herzen und sein Leben und seine Lehre sind ein Ausdruck für die wahre Bestimmung von Āyurveda auf der Welt.

Dr. Lad brachte bei seiner Ankunft in den USA reichhaltige Erfahrungen aus Lehre und Praxis mit. Er machte 1968 seinen Bachelor der āyurvedischen Medizin & Chirurgie (B.M.A.S.) an der University of Pune, in Pune, Indien, und 1980 den Master der āyurvedischen Wissenschaft (M.A.Sc.) an der Tilak Ayurved Mahavidyalaya in Pune. 3 Jahre lang war er medizinischer Direktor des Āyurveda Hospital in Pune. Er hatte darüber hinaus sieben Jahre lang die Position des Professors für klinische Medizin am Pune University College of Ayurvedic Medicine inne, wo er viele Jahre lang als Dozent tätig war. Dr. Lads akademische und praktische Ausbildung umfasst das Studium der allopathischen Medizin (westlichen Medizin) und Chirurgie ebenso wie traditionelles Āyurveda. 1979 begann er, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und sein Wissen über Āyurveda weiterzugeben. 1981 kehrte er nach New Mexico zurück, um Āyurveda zu unterrichten. 1984 gründete er das Ayurvedic Institute und begann seine Arbeit als Direktor des Instituts.

Dr. Lad ist Autor zahlreicher Artikel und mehrerer Bücher, z.B. Āyurveda, The Science of Self Healing und ist Co-Autor von The Yoga of Herbs und Ayurvedic Cooking für Self-Healing. Sein Buch Secrets of the Pulse, The Ancient Art of Ayurvedic Pulse Diagnosis, stellt zum ersten Mal dieses faszinierende Thema dar. Sein bei Harmony Books erschienenes Werk, The Complete Book of Ayurvedic Home Remedies, ist eine Sammlung klassischer āyurvedischer Behandlungen für häufige und chronische Leiden. Die Serie Lehrbuch des Āyurveda soll alle Aspekte des Āyurveda für den ernsthaften Studenten abdecken. Die Bände 3 und 4 befassen sich jeweils mit der Behandlung und Bewältigung von Krankheit und der integrativen Medizin. Dr. Lad ist derzeit Direktor des Ayurvedic Institute in Albuquerque, New Mexico, wo er jedes Jahr die beiden Stufen des āyurvedischen Studienlehrgangs unterrichtet, in Indien lehrt er zudem das fortgeschrittenere Gurukula-Programm. Dr. Lad bereist die ganze Welt, gibt private Konsultationen und Seminare zu Āyurveda, dessen Geschichte, Theorie, Prinzipien und praktischen Anwendungen.

Die Verwendung von Sanskrit

Das Wissen über Āyurveda entstammt der Sprache Sanskrit. Sanskrit ist eine präzise phonetische Sprache und verwendet eine Reihe geschriebener Symbole, mit denen die meisten westlichen Menschen nicht vertraut sind. Die phonetische Darstellung der Sanskrit-Wörter mithilfe des englischen Alphabets nennt man Transliteration. Wir können Sanskrit in lateinische Buchstaben transliterieren, doch nicht jeder Laut lässt sich direkt übertragen. Es gibt eine größere Anzahl von Lauten, die in der deutschen Sprache nicht existieren, daher benötigen sie besondere Zeichen, um sie exakt darzustellen.

Ein Beispiel ist das mit Vāta übersetzt wird. Das erste ,a‘ in Vāta ist ein ,langes a‘, wie bei „Vater“; es wird zwei Schläge gehalten. Das zweite ,a‘ ist ein ,kurzes a‘, wie in „was“. Ein weiteres Beispiel ist der Laut, der irgendwo zwischen einem ,i‘, einem ,u‘ und einem ,r‘ angesiedelt ist, das in dem Wort zu finden ist. Dieses Wort wird als Prakṛtiti transliteriert. Das ,ṛ‘ wird in der englischen Schreibweise des Wortes Krishna als ,ri‘ geschrieben. Und um es noch etwas komplizierter zu machen, die Sanskrit-Sprecher in Nordindien sprechen das ,ṛ‘ als ,i‘ wie in „ist“ aus, während man in Südindien ,u’ wie in „gut“ sagt. Aufgrund der regionalen Variationen bei der Aussprache werden in diesem Buch ru und ri verwendet, statt des technisch korrekten ,ṛ‘.

Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass das ,a‘ am Ende von Sanskrit-Wörtern manchmal durch den Einfluss des Hindi weggelassen wird. Es wurde bei vielen Wörtern in diesem Buch angefügt. Das End-,a‘ unterliegt auch grammatikalischen Veränderungen. Dies hängt davon ab, welche Buchstaben ihm folgen, und der Einfachheit halber ignorieren wir diese Regeln. Beispielsweise kann das Wort Meda (Fett) als medo, Medas und Meda transliteriert werden, je nach dem welches Wort ihm folgt. Normalerweise verwenden wir die gebräuchlichste Form, Meda, damit Sie als Leser nur ein Wort lernen müssen. Sicher wäre es herrlich, wenn all unsere Leser beginnen würden, Sanskrit zu lernen und sich von dem Wissen inspirieren ließen, das man von den alten Texten erhält, doch wir haben es uns hier nicht zur Aufgabe gemacht, diese Sprache zu lehren.

Im Lehrbuch für Āyurveda haben wir uns dafür entschieden, Transliterationszeichen nur für lange Vokale zu verwenden, dargestellt durch den Längsstrich und für den ,Nja‘-Laut, dargestellt durch das ,ñ‘. Die Aussprache der Laute ist wie folgt:

a wie in was; ā wie in Vater

i wie in immer; ī wie in Tier

u wie in Bus; ū wie in gut

e wie in See; ai wie in Mai

o wie in Horn; au wie in laut

Anmerkung der Herausgeberin

Die Herausgeberin möchte Glen Crowther für seine große Sorgfalt, seine Intelligenz und Geduld und seinen unermüdlichen Einsatz beim Lektorat dieses Buches danken. Ich möchte außerdem Barbara Cook für ihre ausgezeichnete Arbeit am Glossar sowie für ihre aufschlussreichen Anregungen zum Buchtext danken. Dieses Buch verdankt ihren wissenschaftlichen Kenntnissen und ihrer Hingabe zu Āyurveda sehr viel. Margaret Smith Peet brachte in diesem Buch ihre langjährige redaktionelle Erfahrung und Liebe zu Āyurveda mit ein; ihre Gaben trugen sehr viel zu dessen Flüssigkeit und Schönheit bei. Natürlich sind wir alle Dr. Lad für seine tief greifende Kenntnis des Āyurveda und seine Großzügigkeit dankbar, diese mit seinen Studenten zu teilen.

Laura HumphreysHerausgeberin

1

Nidāna Pañchakam

Die fünf klinischen Barometer

Die klinische Krankheitserforschung beginnt mit Nidāna Pañchakam. Es ist das erste und bedeutendste Barometer zur Untersuchung jeder Krankheit oder jedes Leidens. Nidāna bedeutet Ätiologie, Pancha heißt fünf. Nidāna Pañchakam sind also die fünf klinischen Barometer, über die wir versuchen, eine Krankheit zu verstehen. Dies sind:

1. Nidānam: Ätiologie oder Ursachen

2. Pūrvarūpa: Vorausgehende Zeichen und Symptome

3. Rūpa: Grundlegende Zeichen und Symptome

4. Upashaya: Therapieleitlinien

5. Samprāpti: Pathogenese, Ursprung und Entwicklung einer Krankheit

Die Bedeutung, die Ursache der Krankheit zu verstehen

Das Āyurveda klassifiziert alle Störungen in Bezug auf qualitative Veränderungen. Die zwanzig Qualitäten (Gunas) zeigen sich in den Doshas, Dhātus, im Urin, Stuhl und Schweiß und wirken sich auf den Geist und das Bewusstsein aus. Tatsächlich kommen sie im gesamten Universum vor. Unser Körper ist der äußeren Umgebung ständig ausgesetzt, dazu gehören deren Qualitäten, die auf Körper, Geist und Bewusstsein über Diät, Lebensweise, saisonale Veränderungen und die Qualität unserer Beziehungen Einfluss haben. Diese Qualitäten führen allmählich Veränderungen in den Doshas herbei, die zu einer Zunahme der jeweiligen Doshas mit diesen Eigenschaften führen.

Die 20 Eigenschaften oder Gunas

• Schwer (Guru)

• Leicht (Laghu)

• Langsam / matt (Manda)

• Scharf (Tīkshna)

• Kalt (Shīta)

• Heiß (Ushna)

• Ölig oder fettig (Snigdha)

• Trocken (Rūksha)

• Schleimig / glatt (Shlakshna)

• Rau (Khāra)

• Dicht (Sandra)

• Flüssig (Drava)

• Hart (Kāthinya)

• Weich (Mrudu)

• Beweglich (Chala)

• Statisch (Sthira)

• Grobstofflich (Sthūla)

• Feinstofflich (Sūkshma)

• Klar (Vishada)

• Klebrig (Picchila) oder Āvila (trüb)

Das Wort „Dosha“ bedeutet wörtlich übersetzt Unreinheit oder Fehler. Doch die drei Doshas sind eigentlich Ordnungen, die Physiologie, Psychologie und Verhalten eines Individuums lenken. In der alten griechischen Medizin bezeichnete man die Doshas als Körpersäfte, welche die Physiologie erhalten. Ihre individuelle Konstitution ist ein einmaliger genetischer Code, der in jeder Zelle, jedem Organ und jedem System vorhanden ist. Ist sie im Gleichgewicht, bildet sie einen Schutzschild. Ist man Kälte und einer erhöhten Feuchtigkeit ausgesetzt, erhöht sich das Kapha im Körper, um die Gewebe zu schützen. Die Wetterbedingungen wirken also nicht direkt auf die Lunge, sondern zuerst nimmt der Schleim oder das Kapha zu und dieses Kapha kann danach die Schleimhäute, Bronchialgewebe oder das Lungenparenchym weiter beeinträchtigen. Im Idealfall wird nach Rückgang der genannten Umstände das erhöhte Kapha wieder absorbiert, vom Dhātu Agni verdaut und die Doshas sind erneut ausgewogen. Die gleiche Dynamik gilt auch für Vāta- und Pitta-Störungen. Falls sich jemand in einem trockenen Land befindet, trockenes Essen oder Essensreste zu sich nimmt, kann dies Vāta steigern, statt die Gewebe direkt anzugreifen.

Um in einer kalten Umgebung zu bestehen, schafft die Körperintelligenz ein Bedürfnis, heiße Suppe mit Pfeffer zu essen oder heißen Kaffee mit Ingwer zu trinken. Dieses Bedürfnis wird von den Doshas hervorgerufen, die versuchen, die Qualitäten in der Umgebung im Gleichgewicht zu halten. Falls Vāta erhöht ist, erzeugt es ein Bedürfnis nach etwas Weichem und Warmem, wie Haferbrei mit Milch oder Ghee. Das beruhigt das Vāta-Dosha. Wenn Pitta verstärkt ist, hat jemand das Verlangen nach etwas Kühlem und Süßem. Gesteigertes Kapha löst ein Bedürfnis nach etwas Heißem und Scharfem aus, wie Cayennepfeffer oder Knoblauch.

Andererseits können verschlimmerte Doshas auch pervertierte Neigungen zur Folge haben. Falls die Doshas sich in den frühen Stadien von Samprāpti befinden, schaffen sie gesunde Bedürfnisse, doch nach einer Weile erzeugen sie die falschen Gelüste, die dieses Dosha noch weiter verstärken. In ähnlicher Weise verstopfen beim Vorhandensein von Āma (Toxizität) die Zellmembranen mit Toxinen und dies stört die Zellintelligenz, was zu schlechter Kommunikation führt. Āma steht für unverdaute, unverarbeitete und nicht genutzte Essenspartikel, die Stoffwechselabfälle bilden und im Rasa Dhātu (Plasma) zirkulieren. Āma rufen die falsche Sorte von Bedürfnissen hervor, die nicht befriedigt werden sollten.

Es gibt somit zwei Arten von Verlangen: Gesunde Bedürfnisse, ausgelöst durch die biologische Intelligenz des Körpers, und falsche Gelüste, die von den Toxinen oder verstärkten Doshas in den späteren Krankheitsphasen herrühren. Ein biologisches Bedürfnis ist ein gesundes Verlangen. Wenn ein Kind einen Mineralmangel hat, isst er oder sie vielleicht Lehm. Das wäre vergleichbar mit einem anämischen Menschen, der möglicherweise Verlangen nach Eisen hat. Dieser Wunsch kommt aus den Geweben. Wir sollten Neigungen verstehen und zu ergründen versuchen, ob sie gesund oder unausgewogen sind. Man sollte möglichst nur den richtigen Bedürfnissen nachgeben, die der Intelligenz entstammen, und nicht falsche Bedürfnisse befriedigen.

Hier ein paar Beispiele: Bei einem Überschuss an Kapha in Rasa möchten Sie vielleicht Süßigkeiten und Milchprodukte essen, was ein pervertiertes Verlangen von Kapha-Āma ist. Die Toxine wollen in Ihrem Körper bleiben, daher sollte man diesem Bedürfnis nie nachgeben. Das Āyurveda ist eine sehr subtile Wissenschaft der Beobachtung. Ein Verlangen nach Tabak ist ein weiteres Beispiel und die Nikotin-Toxine sind eine Form von Āma, die eine Neigung nach Zigaretten herbeiführen. Das Gleiche gilt auch für Alkohol. Wenn ein Mensch von Alkohol abhängig ist, wird der Alkohol im System benötigt, um Appetit, Schlaf und Sinneswahrnehmung zu regulieren.

Āma kann entstehen, weil Kapha-Dosha das Agni verlangsamt, was dem Āma eine Affinität zu Kapha-Bereichen wie Lunge, Brust und Stirnhöhlen gibt. Wenn Pitta durch eine flüssige Qualität vermehrt wird, ist das, als würde man heißes Wasser auf ein Feuer gießen und die Enzyme verdünnen. Dies kann Pitta Āma hervorrufen, das eine Affinität gegenüber Pitta-Bereichen hat, zu denen Leber, Blut und Dünndarm gehören. Vāta kann auch Agni stören und Āma vom Vāta-Typ erzeugen, das eine Affinität zu Vāta-Bereichen wie Dickdarm, Herz, Gelenken, Gehirn und Nervensystem besitzt.

Āma vom Vāta-Typ hat eine schwärzlich-braune Farbe, daher ist dann auch die Zunge so gefärbt. Wenn die Zunge einen grünlich-gelben Belag besitzt, weist dies auf Āma vom Pitta-Typ hin, während ein weißlich-schaumiger Belag Kapha Āma ist. Es lässt sich also klinisch bestimmen, ob es sich um Kapha, Pitta oder Vāta Āma handelt.

Ursachen einiger spezieller Krankheiten

* Das Essen von Lehm kann zu Anämie sowie Parasiten führen. Eisenmangel-Anämie sorgt für das Essen von Lehm, was Anämie hervorrufen kann (die Ursache wird zur Wirkung).

* Das Verschlucken einer Fliege erzeugt einen Würgereiz.

* Übermäßiger Sex mag durch die Erschöpfung von Ojas Tuberkulose zur Folge haben.

* Geschlechtsverkehr bei voller Blase kann die Nieren beeinträchtigen.

* Der Ritt auf einem Kamel oder Pferd kann eine Ursache für Gicht sein, da die bewegliche Qualität für Anspannung und Schmerz im Unterkörper und schlechte Durchblutung sorgt. Das stagnierende Blut lagert sich im Interphalangealgelenk ab und es kommt zu einer Schwellung und Schmerzen.

* Wache schieben (wie es ein Wachmann tut) oder ein Job, bei dem man viel steht, kann zu Krampfadern führen.

* Menschen, die auf hartem Untergrund sitzen, neigen dazu, Hämorrhoiden zu entwickeln.

* Leute, die sich nie der Sonne aussetzen und im Dunkeln bleiben, können sich Anämie oder Skorbut zuziehen.

* Die Wechseljahre sind eine verbreitete Ursache von Knochenschwund.

* Ein Mensch mit Hämorrhoiden neigt wegen des Blutverlusts zur Anämie.

* Jemand, der unmäßige Mengen an Alkohol trinkt, kann Leberzirrhose und Aszites bekommen.

* Wer raucht, entwickelt vielleicht Lungenkrebs.

* Klempner können durch alte Bleirohre eine Bleivergiftung erwerben.

* Bei Joggern bildet sich möglicherweise eine Arthritis.

* Schweres Gewichtheben kann zu einem Leistenbruch führen.

* Menschen, die ohne Anleitung eines Lehrers Yoga praktizieren, ziehen sich vielleicht einen Bandscheibenvorfall zu.

* Infizierte Moskitos können Malaria übertragen.

* Leute, die enge Schuhe tragen, neigen zu eingewachsenen Zehennägeln.

* Übermäßiger Computergebrauch kann zu Tennisellbogen oder Karpaltunnelsyndrom führen.

* Das Leben in einem feuchten Klima macht einen anfällig für Asthma.

* Der Sommer ist eine Ursache für Durchfall.

* Im Frühling kann man sich erkälten.

* Die Regenzeit mag eine Arthritis verschlimmern.

* Isst man zu viele Bohnen, entwickelt man möglicherweise Ischiasbeschwerden.

* Die Geburt eines Kindes kann Hämorrhoiden, prolabierte Vagina oder prolabiertes Rektum zur Folge haben.

Nidānam

Das Āyurveda beruht auf der Sānkhya-Philosophie, zu der auch das Konzept von Kārya Kārana Bhāva gehört, d.h. die Wirkung existiert in der Ursache in unmanifestierter Form. Jede Ursache hat einen bestimmten Effekt. Die Ursache ist eine verborgene Wirkung, während der Effekt eine verborgene Ursache ist. Aus diesem Grund ist Nidāna oder die Ätiologie, also die Untersuchung der Krankheitsursachen, äußerst wichtig. Ein sehr spirituelles, holistisches, vollständiges Heilsystem. Das Āyurveda stellt uns eine Kunst zur Verfügung, alle Aspekte der Ätiologie zu betrachten.

Die Definition von Nidāna ist „das, was sich in der Pathogenese manifestieren kann“. Indem man die Ursache einer Störung kennt, kann man deren Natur verstehen. Das Āyurveda gibt einen tief greifenden Überblick darüber, wie verschiedene Ursachen zu Krankheit führen können. Dazu gehören eine schlechte Ernährung, der falsche Lebensstil oder Job, unpassende Beziehungen, eine unverträgliche Umgebung, Bakterien, Viren, Parasiten und vieles andere. Krankheit wird im Schoß des Khāvaigunya (schwacher Bereich im Körper) geboren, doch damit dieses Baby entstehen kann, muss es eine äußere oder innere Ursache geben.

Leiden wie z.B. eine Lebensmittelvergiftung können Gastroenteritis mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zur Folge haben. Falls Sie wissen, dass die Ursache einer Lebensmittelvergiftung ist, können Sie verstehen, warum der Betroffene diese Symptome hat. Ähnlich ist es, wenn Ihr Freund Sie während einer Grippewelle mit Kopfschmerz, Gliederschmerzen und leichtem Fieber aufsucht, dann können Sie sofort erkennen, dass es die Grippe ist. Die Wirkung verrät die Ursache. Krankheit ist die Wirkung und jede Krankheit hat eine bestimmte Ursache.

Wenn man sich die moderne Medizin betrachtet, so besagt diese, dass die Ursache bestimmter Störungen eine falsche Ernährung, verschmutztes Wasser oder Luft, durch Insekten übertragene Krankheiten wie Malaria oder Berufsrisiken sein kann. Trinkt man Alkohol, kann dies Leberstörungen erzeugen, während das Rauchen von Marihuana vielleicht psychische Störungen nach sich ziehen kann usw. Daher spricht die moderne Medizin von den ätiologischen Faktoren der Krankheit.

Hetu ist ein Synonym für Nidāna, d.h. Ursache, Motiv, Quelle oder der Grund, wieso etwas passiert. Ein weiteres Synonym ist Kārana, das auch Ursache oder Grundursache bedeutet. Nidāna, Hetu und Kārana beziehen sich alle auf wichtige ätiologische Faktoren, z.B. was Menschen essen, wie sie sprechen, schlafen, denken und sich benehmen. All das muss anhand der Guna Prakruti und Vikruti des Betreffenden untersucht werden, also der Qualitäten der Konstitution, welche die vorherrschenden Ursachen der Unausgewogenheit sind.

Gründliche Untersuchung der Hetu-Kategorien

Anhand der 32 separaten Kategorien bietet das Āyurveda eine umfassende Betrachtung der Krankheitsursachen. Um diese besser zu verstehen, besprechen wir nun diese Kategorien von Hetu (Ursachen) im Detail. Die zwei Hauptkategorien sind nija (innere) und āgantu (äußere) Ursachen. Nija ist auch als Abhyantara bekannt, während Āgantu auch Bāhya genannt wird.

1.Nija, oder innere Ursachen, rühren von einer Störung der inneren Körper-Doshas her, die sich dann auf die Dhātus auswirken. Ein Mensch hat vielleicht eine falsche Vorstellung von sich und hat Ängste wie z.B. „Oh! Mein Vater hatte Krebs, meine Mutter hatte Krebs, also bekomme ich auch Krebs.“ Indem man sich ständig Sorgen über Krebs macht, kann man Krebs bekommen. Das ist eine innere Ursache. Die Nija-Ursache ist womöglich ein Dosha-Ungleichgewicht. Verstärken beispielsweise Ernährungsweise, Lebensweise und emotionales Muster eines Menschen deutlich das Vāta, kann der Betroffene Arthritis, Schmerzen im unteren Rücken (Hexenschuss) oder Ischias bekommen.

2.Āgantu sind äußere Ursachen. Zu dieser Klassifikation gehören Trauma, Strahlenbelastung, Bakterien, Viren, Parasiten, Lebensmittelvergiftung, unverträgliche Nahrungskombinationen und verunreinigte Luft oder Wasser, denn alle beeinträchtigen die Körper-Doshas. Sie können schließlich eine innere Krankheit auslösen.

Es besteht ein feiner Unterschied zwischen Nija und Āgantu. Nija kann zu Āgantu werden und Āgantu wiederum zu Nija. Zwei Menschen mögen das gleiche Wasser trinken, doch nur einer wird davon krank. Warum? Der eine Mensch hat gesundes Agni und ein starkes Immunsystem und der andere eine schwächere Immunität. Die innere Ursache ist niedriges Agni und die äußere Ursache ist verschmutztes Essen oder Wasser.

Woher wissen wir, ob eine Ursache äußerlich ist oder nicht? Veränderungen in der Ernährung, im Klima und anderen Umweltfaktoren sind nichts anderes als ein Wechsel bei den universellen Qualitäten – den zwanzig Gunas. Diese zehn Paare von Gegensätzen sind im gesamten Universum vorhanden. Angenommen, es weht ein kalter, trockener Wind. Gleiches zieht Gleiches an, also erhöht dieser Wind draußen das Vāta im Körper. Das kalte, trockene Wetter ist die äußere Ursache (Āgantu), die eine innere (nija) Verschlimmerung von Vāta hervorruft. Auf ähnliche Art verstärkt der Sommer Pitta und die vermehrt heiße Qualität in der äußeren Umgebung beeinträchtigt die inneren Doshas und verschärft Pitta.

3.Sannikrushta bedeutet sofortige oder schnell wirkende Ursache. Sie kann den Krankheitsverlauf auslösen, schon bald nachdem man der Ursache ausgesetzt war, so kann das Essen von Schokolade, wenn Kapha oder Pitta gereizt sind, Migräneanfälle zur Folge haben.

Sannikrushta steht für die nächste oder direkteste Ursache, welche die Symptomatik erfüllt und Krankheit erzeugt. Es ist eine schnell wirkende Ursache. Man könnte sagen, es ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Sannikrushta-Ursache erfüllt die Symptomatik, sodass die Krankheit sich bald nach Einwirkung der Ursache manifestiert. Beispiele dafür sind Hinfallen und sich einen Knochen brechen, Lebensmittelvergiftung oder Überanstrengung und Erschöpfung, die Stunden später ein Fieber auslösen. Nimitta Hetu ist ein Synonym für Sannikrushta.

4.Viprakrushta ist fern, langsam wirkend. Es braucht lange, bis der Krankheitsverlauf sich entwickelt. Viprakrushta ist eine entfernte oder langfristige Ursache. Die Ursache ist so mild, dass sie kurzfristig keine Krankheit hervorruft, doch dafür sorgt, dass die Doshas sich ausbreiten und schließlich die Dhātu Agnis überwältigen und die Dhātus beeinträchtigen. Wenn die Ursache monate- oder jahrelang vorhanden ist, erzeugt sie Krankheit. Rauchen ist so ein Beispiel. Kurzfristig kann das zu Problemen wie Husten führen, doch auf lange Sicht kann es Lungenkrebs erzeugen. Leute sagen: „Oh, ein Glas Wein ist in Ordnung“, und tatsächlich, ein Glas Wein führt nicht zu zirrhotischen Veränderungen in der Leber. Aber wenn andererseits jemand jeden Tag Alkohol trinkt, kann er auf lange Sicht zirrhotische Veränderungen bewirken. Falsche Ernährung oder Lebensführung und die meisten Gewohnheitsfaktoren sind Viprakrushta Hetu.

5.Prādhana ist wesentlich, stark, spezifisch. Prādhana ist eine Hauptursache. Verschluckt beispielsweise ein Mensch eine Fliege und erbricht plötzlich, ist die Fliege die Hauptursache. Die Ursache ist so stark, dass sie eine starke Reaktion hervorruft. Anaphylaktischer Schock durch eine ernste allergische Reaktion ist ein Beispiel solch einer starken Ursache, ebenso wie ein Messerstich und Trinkwasser, das mit Bakterien verunreinigt ist. Eine Prādhana-Ursache kann ein Dosha durch den Krankheitsverlauf in einem Schritt völlig verschieben.

6.Vyabhicāra heißt vielfältig, divers. Vyabhicāra sind vielfältige schwache oder kleine Ursachen, die eine kumulative Wirkung besitzen. Beispielsweise isst jemand etwas Gurke, gefolgt von Eiscreme, schwimmt dann im kalten Wasser, sitzt später in einem kalten, durch Klimaanlage gekühlten Raum und trinkt eisgekühlte Milchshakes. Dies sind vielfältige Kapha erzeugende Ursachen, die eine ähnliche Qualität besitzen. Bis zum Abend hat derjenige vielleicht eine üble Erkältung oder sogar Lungenentzündung, was eine Kapha-Störung ist. Das ist Vyabhicāra Hetu. Stellen Sie sich einen Menschen vor, der aufwacht, 25 Sonnengrüße beim Yoga macht und danach schweres Gewichtheben und schließlich joggen geht. Abends hilft er seiner Frau und zerrt sich seinen Rücken, weil er einen kleinen Eimer hochhebt. Die gesammelte Wirkung all dieser Ursachen führt zu Krankheit.

7.Gauna bedeutet sekundäre oder falsche Ursache, also jemand anderen verantwortlich dafür machen, dass man selbst krank ist. Gauna ist eine falsche Ursache oder eine Ursache, die so schwach ist, dass sie unerheblich ist, aber der Betroffene ihr unverhältnismäßige Bedeutung zumisst. Befindet sich das Kapha beispielsweise bereits in der Prasara-Phase (die Stufe, auf der sich die Doshas im blutbildenden System ausbreiten) und jemand isst etwas Eiscreme, dann bekommt er eine Lungenentzündung und macht die Eiscreme dafür verantwortlich. Doch das ist ein unerheblicher Faktor für die Ausbildung der Krankheit. Die wahren Ursachen sind die Faktoren, die dazu führten, dass Kapha sich in der Prasara-Krankheitsphase befindet. Ein weiteres Beispiel von Gauna ist ein Raucher, der eine Röntgenaufnahme für den Lungenkrebs verantwortlich macht, während dieser eigentlich durch jahrelange Nikotintoxizität hervorgerufen wurde.

8.Dosha Hetu steht für eine Ursache, die ein bestimmtes Dosha verschlimmert. Z.B. verstärken Bohnen und rohes Gemüse Vāta, saure Zitrusfrüchte und heißes, scharfes Essen können Pitta erhöhen und kalte Milchprodukte Kapha vermehren. Gleichermaßen stört wechselhaftes Wetter Vāta, in der heißen Sonne arbeiten verstärkt Pitta und Schlafen am Tag steigert Kapha, was sich auch der Kategorie Prakruta Hetu zuordnen lässt.

9.Vyādhi Hetu ist eine Ursache, die eine Krankheit provoziert. Raucht man z.B. Zigaretten, kann dies Krebs hervorrufen, während übermäßig viel Sport Arthritis zur Folge haben mag. Im Vyādhi Hetu besteht eine bestimmte Affinität zwischen der Ursache und einer bestimmten Pathologie.

10.Ubhaya Hetu heißt eine Ursache oder Ursachen, die das Dosha provozieren und Pathologie erzeugen. Ein klassisches Beispiel ist ein Kamelritt und heiße scharfe Nahrung essen, was Pitta reizen und Gicht auslösen kann. Ein anderes Beispiel wäre, wenn man lange Zeit auf einer holprigen Straße in der Wüste fährt, was Vāta verschärft und außerdem zu Schmerzen im unteren Rücken führt. Ein letztes Beispiel ist eine Fahrt in der Achterbahn, was das Vāta stört und Schwindel und Übelkeit nach sich zieht.

11.Vyañjaka Hetu sind Faktoren, die nur die Doshas anregen, doch nicht unbedingt eine Krankheit zur Folge haben. Dazu gehören in erster Linie Einflüsse durch Ernährung oder Jahreszeit. Beispielsweise verstärkt das Essen von Eiscreme oder fetten Speisen im Frühling Kapha-Dosha. Das ist ein Beispiel für eine Vyañjaka-Ursache.

12.Utpādaka Hetu sind Faktoren, die den Krankheitsverlauf abschließen und eine Krankheit hervorrufen. Ist das Kapha bereits gereizt, löst die Belastung durch Pollen vielleicht eine Krankheit wie Asthma oder Heuschnupfen aus.

13.Prakruta Hetu sind Ursachen, die der Jahreszeit oder Örtlichkeit entsprechen. Der Frühling kann z.B. Erkältungen und Verschleimung entstehen lassen, und Wüstenklimate verstärken wohl Vāta- und Pitta-Dosha.

14.Vaikruta Hetu sind Ursachen, die nicht zur Jahreszeit oder Örtlichkeit passen. Beispiele dieses Phänomens sind Sommererkältungen oder gereiztes Kapha, obwohl man in einer Wüste lebt.

15.Anubandhya-Ursachen sind primäre Krankheitsursachen. Bestehende Krankheiten können eine neue Krankheit nach sich ziehen. Beispielsweise kann eine normale Erkältung zu einer Bronchitis werden und Heuschnupfen zu chronischer Nebenhöhlenentzündung führen.

16.Anubandha-Ursachen sind sekundäre Ursachen von Krankheit oder Komplikationen. Der oben genannte Fall einer Bronchitis kann sich zu einer Lungenentzündung verschlimmern. Ebenso kann lange bestehender hoher Blutdruck ein Nierenversagen zur Folge haben.

17.Sāma-Dosha-Ursachen sind solche, bei denen Toxine (Stoffwechselabfälle) zur Störung beitragen. Die Zeichen und Symptome vom Āma eines jeden Dosha sind unter „Sāma und Nirāma Dosha und Malas“ auf Seite 202 aufgeführt.

18.Nirāma-Dosha-Ursachen bedeutet, wenige oder keine Toxine (Stoffwechselabfälle) sind an der Störung beteiligt.

19.Sharīraja sind körperliche Ursachen, die sich auf den Körper in erster Linie wie ein physisches Trauma auswirken. Setzt man sich beispielsweise den Elementen aus, indem man 15 km im kalten Wind marschiert, kann dies ein Fieber nach sich ziehen.

20.Mānasika sind geistige oder nervliche Ursachen, die primär Auswirkungen auf Manas (der sensorisch fühlende Teil des Verstandes) haben. Die Grundursache dieser Krankheiten besteht darin, dass man nicht bekommt, was man sich wünscht oder erhält, was man nicht will. Man bezeichnet sie als unerfülltes Verlangen (Rāga) und Abneigung (Dvesha).

21.Ātmaja sind feinstoffliche Ursachen, die das individuelle Bewusstsein (die Jīvātman) beeinflussen. Sie werden direkt durch das Sanchitta Karma eines Menschen hervorgerufen und können sich als genetische Störungen manifestieren.

22.Karmaja-Ursachen sind jene, die sich hauptsächlich aufgrund von vergangenem oder aktuellem Karma äußern. Unser menschliches Leben ist Karma Vipāka, die postdigestive Wirkung des unverdauten Karma früherer Leben. Prarabdha Karma, die für dieses Leben bestimmten Aktivitäten, sind die Ursache aller gegenwärtigen Leiden. Äußert sich jemand lieblos über einen anderen hinter seinem Rücken und verfügt über viel ungelösten Ärger, kann der Betreffende eine Leberschädigung bekommen. Das Āyurveda sagt, dass jemand, der Essen stiehlt, schließlich an Anorexie erkranken kann, während einer, der Gold stiehlt, Hautkrankheiten entwickeln mag. Die Leute denken vielleicht, dass dies Aberglaube ist, aber es sind tiefe Wirkungen des Karma.

Die Sinnesorgane und Handlungsorgane sind an allem Karma beteiligt, das wir ausführen. Wird eine Tätigkeit durch vorhandenes Bewusstsein gut verdaut, wird sie zu Intelligenz. Wenn die Handlung nicht verstanden wird, wird sie unvollständig verdaut. Der postdigestive Effekt von unverdautem vergangenem Karma besteht in der Schaffung von Samskaras (Eindrücken oder Tendenzen) und diese hinterlassen eine Narbe, die man Khāvaigunya (schwacher Bereich im Körper) nennt. Dadurch leidet ein Mensch. Auf praktischer Ebene erzeugen schlechte Gewohnheiten wie das Trinken von Alkohol und Zigaretten- oder Marihuanarauchen schlechtes Karma. Diese Handlungen rufen einen bestimmten Khāvaigunya und karmische Krankheiten hervor.

23.Prajñāpārādha steht für intellektuelle Schmähung oder nicht auf die Intelligenz des Körpers hören. Ihr Körper sagt Ihnen, was richtig und was falsch ist. Angenommen, Sie machen viel Yoga und am nächsten Tag tut Ihr Körper weh. Sie sollten auf Ihren Körper hören und ausruhen. Doch viele Leute sagen sich: „Nein, ich muss mich noch härter antreiben“, und statt ein erleuchteter Yogi zu werden, werden sie ein Rogi (Patient) mit Ischias oder Arthritis.

Prajñā heißt Buddhi oder Intellekt. Wir haben Zellintelligenz, Gewebe-Intelligenz und systemische Intelligenz. Der Körper spricht seine eigene Sprache. Ein Student des Āyurveda sollte sich der Reaktionen des Körpers einfühlsam bewusst sein. Falls Sie gut beobachten, teilt Ihnen Ihr Körper mit, was Sie essen sollten und was nicht. Da liegt z.B. eine Pizza vor Ihnen, doch Ihr Körper sagt Ihnen: „Das ist nichts für dich.“ Trotzdem riecht es herrlich und sieht lecker aus, und vielleicht sitzt da ein Freund und sagt: „Komm schon, nur ein Stück“, also essen Sie die Pizza. Dann reagiert Ihr Körper. Das ist Prajñāpārādha.

Der Verstand ist sowohl ein kognitives, als auch Bewegungsorgan. In der täglichen Wahrnehmung besteht ein Kontakt zwischen dem Objekt, den Sinnen und dem Geist (Manas), der die Wahrnehmungen zum Intellekt (Buddhi) trägt. Wenn Prajñā (Buddhi) durch tamasische und rajasische Qualitäten vernebelt ist, sind die Informationen falsch. Dann besteht keine Zusammenarbeit und Synchronisation zwischen den drei Funktionen des Verstandes: Dhī (Buddhi oder Intellekt), Dhruti (Gedächtnis) und Smruti (Erinnerung). Dies führt zu falscher Sinneswahrnehmung und Prajñāpārādha. Man könnte in der Dämmerung ein Seil sehen und es für eine Kobra halten. Das Buddhi zieht den falschen Schluss und folgert, dass es eine Schlange ist.

Prajñāpārādha ist verantwortlich für Emotionen wie Hass, Neid, Eifersucht, Ärger, Furcht, Angst, Kummer und egotistisches Handeln. Dies erfolgt aufgrund von Selbstsucht, Verlangen, Gier, Konkurrenz, Hass und Neid. Das nennt man Adharma, also unredliche Taten. Prajñāpārādha wird weiter unterteilt in körperlich, verbal und mental. Dazu gehören körperlicher Missbrauch, verbale Beleidigungen und psychologische Manipulation.

Rauchen und Überessen sind gute Beispiele für Prajñāpārādha. In beiden Fällen wissen die Menschen, dass es schlecht ist, doch sie hören nicht auf die Intelligenz des Körpers. Sagt der Körper, dass er nicht hungrig ist, aber Sie sehen auf die Uhr und es ist die normale Essenszeit, essen Sie vielleicht etwas, obgleich der Körper nicht hungrig ist. Dies führt zum Aufbau von Toxinen und kann letztlich ernstliche Probleme hervorrufen. Wir schaffen unsere eigenen Leiden und Krankheiten, weil wir nicht auf den Körper hören.

In den ersten beiden Phasen der Krankheit (siehe Abschnitt Samprāpti), erschaffen die Doshas intelligente Bedürfnisse, die eine Abneigung gegen die Ursache der Unausgeglichenheit darstellen. Ab dem dritten Stadium der Krankheit, wenn die Intelligenz von Jāthara Agni von den unausgeglichenen Doshas besiegt wurde und Āma gebildet ist, haben Menschen pervertierte Bedürfnisse, denn die Toxine haben die Zellintelligenz angegriffen.

24.Asātmya Indriya Arthasamyoga umfasst drei Kategorien von Missbrauch der Sinne.1

Indriya

(Sinn)

Hīna Yoga

(Unterversorgung)

Ati Yoga

(Überversorgung)

Mithya Yoga

(Falsche Versorgung)

Hören

Sehr sanfte Geräusche, leise Stimme

Sehr laute Geräusche

Harsche Geräusche, Beschimpfung, verleumderische Bemerkungen hören

Berührung

Selten berührt werden

Konstante Berührung

Sehr heiß, kalt oder aggressiv

Sehen

Bedeckte Augen oder Blindheit

Helles Licht

Eine gewaltsame oder unangenehme Szene ansehen

Geschmack

Geschmackloses Essen

Starke Aromen

Reizende Substanzen

Geruch

Sehr schwache Gerüche, übermäßig rein

Sehr starke Gerüche

Starke, unangenehme Gerüche

Selbst Hīna Yoga kann einen Menschen extrem krank machen. Man bestraft z.B. Verbrecher, indem man sie allein in einen dunklen Raum sperrt, wo es weder Geräusche noch Licht gibt. In dem Fall erhalten die Sinne keinerlei Reize, was eine schreckliche Bestrafung ist.

25.Parināma Hetu sind Ursachen, die mit der Zeit zu tun haben. Dazu gehören Faktoren, die fürs Altern, jahreszeitliche Einflüsse und die Wirkungen der unterschiedlichen Verdauungsstadien verantwortlich sind. Die Körper-Doshas verändern sich ständig und diese Änderungen können ausreichen, um ein Dosha in den Krankheitsverlauf zu stoßen und sich in einer voll ausgebildeten Krankheit zu äußern. Langzeitige Strahlenbelastung oder chemische Substanzen können Krebs oder eine andere Erkrankung herbeiführen, falls beim Betroffenen sich bereits ein oder mehrere Doshas in der Prasara (dritten) Krankheitsphase befinden.

26.Parya Varana sind Umweltursachen wie Umweltverschmutzung.

27.Rutuja sind Ursachen, die mit den Jahreszeiten zu tun haben. Man teilt sie in zwei Kategorien:

Vyāpannarutu sind Ursachen passend zur Jahreszeit, wie z.B. Erkältungen im Frühling oder Sommer-Durchfall.

Avyāpannarutu sind Ursachen, die nicht der Jahreszeit entsprechen, z.B. eine Sommererkältung oder Durchfall im Winter.

28.Annaja sind Ursachen der Ernährung. Es gibt fünf Hauptkategorien:

Etwas essen, das ungünstig für die eigenen Doshas ist

Zu wenig essen

Überessen

Emotionales Essen

Unverträgliche Nahrungskombination

29.Krumija sind Ursachen wie Bakterien, Parasiten, Viren und Pilze. Pneumokokken können Lungenentzündung auslösen, Staphylokokken dagegen eine Staphylokokkeninfektion, Tuberkelbazillen können Tuberkulose hervorrufen, syphilitische Bakterien wiederum Syphilis usw. Parasiten wie Fadenwürmer, Madenwürmer, Spulwürmer, Bandwürmer, Amöben und Giardia, Candida und andere Hefen und Viren erzeugen besondere Erkrankungsarten.

30.Vyavasāyaja sind Berufsrisiken. Beispielsweise können Maler, die bleihaltige chemische Farben verwenden, eine Bleivergiftung bekommen. Arbeiter, die über lange Zeiträume in der Sonne arbeiten, können Sonnenbrand und Hautkrebs entwickeln. Minenarbeiter, die Kohlenstaub einatmen, erkranken an der Staublungenkrankheit.

31.Abhigata sind Ursachen, die mit Trauma einhergehen, das den Körper und den Geist angreifen kann.

32.Aushadhajā Vyādhi sind iatrogene Störungen.

Außerdem besitzen bestimmte Krankheiten genetische Faktoren, die als deren Hauptursache angesehen werden. Sie werden von den Großeltern auf die Eltern und von diesen auf die Kinder übertragen. Zu solchen Krankheiten zählen Diabetes und Hämophilie. Eine allgemeine Einteilung von Krankheit wird in Kapitel 3 näher besprochen.

Pūrva Rūpa

Pūrva Rūpa bedeutet vorausgehende Zeichen und Symptome oder die ersten Symptome, die einer Krankheit vorausgehen. Sie sind Symptome einer möglichen, zukünftigen Krankheit, die als Warnglocke agieren, aber nicht unbedingt selbst eine Krankheit darstellen. Laut Charaka sind Pūrva Rūpa „avyakta nakshat,“ d.h. unvollständig manifestiert, milde Zeichen und Symptome einer späteren Krankheit. Sie zeigen vielleicht keine erkennbare Verletzung oder auch nur, welche Qualität oder Qualitäten eines Dosha verschlimmert sind.

Wenn z.B. jemand allgemeine Gliederschmerzen, Gähnen, überhöhte Tränenbildung und einen leichten Kopfschmerz hat, ist das ein Zeichen von beginnendem Fieber oder einer Grippe. Trotzdem sagen diese Warnsymptome Ihnen nicht, welche Art von Fieber. Das liegt daran, dass wir zwar das Dosha oder die Doshas kennen, die daran beteiligt sind, doch nicht wissen, welches Dhātu (Gewebe) davon betroffen sein wird, daher erkennen wir nicht, welche Qualitäten des Dosha auf das Dhātu wirken werden.

Wir können oft die Entwicklung einer Krankheit aufhalten, wenn wir die Pūrva Rūpa einer bestimmten bevorstehenden Krankheit erkennen. Das Āyurveda hat Pūrva Rūpa für fast jede Krankheit aufgelistet, daher sollten Studenten des Āyurveda stets nach diesen Pūrva Rūpa Ausschau halten. Auf das Beobachtungsvermögen wird in Kapitel 4, Trividha Pariksha, näher eingegangen.

Im Allgemeinen geht ein Betroffener mit Pūrva Rūpa nicht zum Arzt, sondern wartet, bis sich Rūpa (Hauptanzeichen und Symptome) zu manifestieren beginnt. Fast jede Krankheit hat Pūrva Rūpa, doch gewöhnlich ignoriert der Patient sie. Wer auf den Körper hört, beachtet die Warnsymptome und, falls wir die Störung in dieser Phase erwischen, können wir das Problem wirksam und einfach behandeln.

Tabelle 1: Kategorien von Nidāna oder Hetu (Ursachen)

1. Nija oder Abhyantara: Innerlich, entsteht im Inneren des Körpers oder wird selbst hervorgerufen

2. Āgantu oder Bāhya: Äußerlich, entsteht außerhalb des Körpers

3. Sannikrushta: Sofortig, schnell wirkend

4. Viprakrushta: Fern, langsam wirkend

5. Pradhāna: Wesentlich, stark, spezifisch

6. Vyabhicāra: Vielfältig, divers

7. Gauna: Sekundär oder falsch

8. Dosha Hetu: Reizt das Dosha, z.B. löst scharfes Essen erhöhtes Pitta aus

9. Vyādhi Hetu: Ruft eine bestimmte Krankheit hervor, z.B. erzeugt Rauchen Lungenkrebs

10. Ubhaya Hetu: Provoziert Dosha und die Krankheit, z.B. wird Gicht durch Kamelreiten und Cayenne essen erzeugt

11. Vyañjaka Hetu: Reizt nur ein oder mehrere Doshas

12. Utpādaka Hetu: Schließt den Krankheitsverlauf ab

13. Prakruta Hetu: Passt zur Umgebung (Jahreszeit oder Örtlichkeit)

14. Vaikruta Hetu: Passt nicht zur Umgebung (Jahreszeit oder Örtlichkeit)

15. Anubandhya: Primäre Krankheit, wo bestehende Krankheit eine neue auslöst, z.B. wird Erkältung zu einer Bronchitis

16. Anubandha: Sekundäre Krankheit oder Komplikationen, z.B. führt Bronchitis zur Lungenentzündung

17. Sāma Dosha: Dosha mit Āma (Toxine oder Stoffwechselabfälle)

18. Nirāma Dosha: Dosha ohne Āma (Toxine oder Stoffwechselabfälle)

19. Sharīraja: Körperliche Erkrankungen

20. Mānasika: Nervenleiden

21. Ātmaja: Krankheiten des Bewusstseins oder genetische Störungen

22. Karmaja: Durch vergangenes Karma

23. Prajñāpārādha: Nicht auf die Intelligenz hören

24. Asātmya Indriya Artha Samyoga: Die untragbare Vereinigung von Sinnen und Objekt, z.B. Hīna Yoga, der unvollständige Einsatz der Sinne, Ati Yoga, der übermäßige Nutzen der Sinne, Mithyā Yoga, der falsche Einsatz der Sinne

25. Parināma Hetu: Zeitbedingt

26. Parya varana: Umweltursachen

27. Rutuja: Jahreszeitliche Leiden. Vyāpannarutu: Zur Jahreszeit passend und Avyāpannarutu: Nicht jahreszeitlich

28. Annaja: Ernährungsbedingt, z.B. unpassend zu eigenen Doshas essen, zu wenig essen, Überessen, emotionales Essen und unvereinbare Nahrungsmittelkombinationen

29. Krumija: Bakterien, Parasiten, z.B. Würmer, Amöben, Toxoplasma, Plasmodium (löst Malaria aus), Viren, Pilze, einschließlich Hefen, z.B. Candida albicans

30. Vyavasāyaja: Berufsrisiken

31. Abhigata: Trauma

32. Aushadhajā Vyādhi: Iatrogene Störungen

Die Pūrva Rūpa von Fieber (Jvara) sind Unwohlsein, allgemeine Gliederschmerzen, geringer Appetit, Kopfschmerzen, abwechselnde Gefühle von Heiß und Kalt, Gänsehaut, schmerzende Haare, Tränenbildung (Tränen) und konstantes Gähnen. Diese Symptome deuten an, dass derjenige wohl bald Fieber bekommt. Knacken und Knallen der Gelenke und steife Gelenke am Morgen sind die Pūrva Rūpa von Arthritis. Das Āyurveda sagt, dass, wenn ein Mensch eine Gänsehaut bekommt, während der letzte Tropfen Urin durch den Harnleiter läuft, ist dies Pūrva Rūpa von Diabetes.

Vor einem Durchfall hat jemand oft Verstopfung, Blähungen und Gasansammlung im Bauch und danach kommt der Durchfall. Vor einem Herzinfarkt äußern sich bei einem Menschen Herzrasen, Atemlosigkeit bei Anstrengung, schwankende Brustschmerzen, die auch in die Schulter usw. ausstrahlen können. Statt eine Kontrolluntersuchung durchführen zu lassen, behalten die meisten Leute eine ungesunde Lebensweise bei, essen Cheeseburger usw. Eines Tages hat dann der Betroffene vielleicht einen schweren Herzinfarkt, bricht zusammen und muss rasch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Menschen leben in der Zukunft, aber niemand lebt in der Gegenwart in seinem Körper.

Falls eine Person ein juckendes Muttermal hat, sollte sie sofort zum Arzt gehen. Dieser Juckreiz ist ein Pūrva Rūpa von Hautkrebs oder Melanom. In ähnlicher Weise könnte ein Knoten in der Brust Pūrva Rūpa von Brustkrebs sein. Es macht keinen Sinn, zu warten bis der Knoten hart und metastasiert ist und erst dann zum Arzt zu gehen. Doch sehr wenige Patienten suchen einen Arzt in der Pūrva-Rūpa-Phase auf und die meisten Ärzte verstehen dieses Konzept über vorausgehende Symptome auch nicht vollauf.

Wenn abends die Körpertemperatur steigt, Schmerzen im Schulterblatt, allgemeine Gliederschmerzen und Erschöpfung auftreten und während dem Essen jemand das Gefühl hat, Haare zu essen, ist das ein Zeichen von Tuberkulose. Vor einer Blaseninfektion träumen Frauen häufig von einem brennenden See, doch zumeist vergessen sie es wieder. Der Körper versucht einem mitzuteilen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es besteht vielleicht ein Drang zum Wasserlassen, aber derjenige ist sich dessen wohl nicht bewusst. Vor einem Schlaganfall empfindet ein Betroffener vielleicht ein Kribbeln und Taubheit in den Fingern, ein Gefühl der Schwere in den Gliedmaßen und hat hohen Blutdruck.

Bestimmte Erkrankungen können selbst die Vorzeichen und Symptome einer ernsteren Krankheit sein. Wiederholte Erkältungen, Kongestion oder Husten können zu Bronchitis führen, während chronisches Niesen, eine laufende Nase und Verschleimung Grippe oder Asthma zur Folge haben können. Durchfall ist ein Pūrva Rūpa von chronischer Dysenterie. Pūrva Rūpa kann in Form eines Traumes, von Warnsymptomen sowie Sinnes- und Körperwahrnehmungen auftreten. Das Āyurveda rät, sich immer an die Bedeutung von Pūrva Rūpa zu erinnern.

Rūpa

Rūpa sind die Hauptanzeichen und Symptome einer Krankheit, die sich während der fünften (vyakti) Krankheitsphase äußern. Vyakti ist die Phase der Manifestation einer Krankheit. Die unvollständigen Symptome von Pūrva Rūpa kommen im Rūpa vollends zum Ausdruck. Die ersten zwei Stufen finden im Magen-Darm-Trakt statt, doch danach verlässt das Dosha das Verdauungssystem und bewegt sich durch den Körper, bis es einen schwachen Ort findet, in den es eindringen und sich niederlassen kann. In der Vyakti oder Manifestation beeinträchtigen die Qualitäten eines Dosha jedes Dhātu, jeden Srotas oder jedes Organ, wo es eingedrungen ist. Die scharfe Qualität von Pitta kann z.B. das Knochengewebe angreifen und scharfen Schmerz auslösen, während die trockene Qualität von Vāta Trockenheit der Gelenke erzeugt, was zu Knacken und Knallen führt. Das nennt man Dūshya und es resultiert in der Ausprägung von Rūpa, den Hauptanzeichen und Symptomen.

Die vielen Synonyme von Rūpa umfassen Samsthāna (Syndrom der gesammelten Zeichen und Symptome), Vyañjanam (anzeigende Symptome), Lingam (Zeichen, Symbole, Eigenschaften), Lakshanam (Haupt- oder wesentliche Zeichen), Chinna (Symbole oder Fingerabdrücke der Krankheit) und Ākruti (Formen der Krankheit). Man nennt das Ākruti, denn wenn die Qualitäten der Doshas die Qualitäten eines Dhātu angreifen, offenbaren die Zeichen und Symptome die Form der Krankheit.

Im Rūpa werden nicht nur die unvollständigen Zeichen und Symptome von Pūrva Rūpa vervollständigt, sondern es treten auch zusätzliche Zeichen und Symptome in Erscheinung, die bisher nicht zu beobachten waren. Wenn Sie hinter einem Berg Rauch aufsteigen sehen, wissen Sie, dass dort ein Feuer ist, doch erst, wenn Sie auf die andere Seite des Berges gehen, können Sie das Feuer auch tatsächlich sehen. Dort erkennen Sie die spezifischen Qualitäten des Feuers und was genau es verbrennt. Der Rauch ist Pūrva Rūpa, aber das Feuer ist Rūpa.

Rūpa kann ein Dosha, zwei oder drei Doshas betreffen. Krankheit wird definiert als die Verbindung von Dosha und Dhātu und besteht aus komplexen biochemischen, funktionellen und strukturellen Veränderungen. Diese Wechsel erzeugen Rūpa. Rūpa kommt teilweise von den Doshas und zum Teil aus den Dhātus sowie den Upadhātus.

Ein klassisches Beispiel von Rūpa lässt sich im Fall von Fieber (Jvara) beobachten. Die Hauptmerkmale von Fieber sind blockierte Schweißdrüsen, die mangelndes Schwitzen verursachen, ein Anstieg der Körpertemperatur, Hitze in Geist und Sinnen und allgemeine Gliederschmerzen und Steifheit. Bei Jvara vom Pitta-Typ besteht sehr hohes Fieber mit Reizbarkeit und gerötetem Aussehen. Diese Symptome sind sehr genau zu beobachten, sobald sich die Krankheit voll manifestiert hat.

Eine eingehende Erörterung der Rūpa eines jeden Dosha finden Sie in Kapitel 10.

Upashaya

Upashaya heißt therapeutischer Versuch oder Lenkung und wurde zu diagnostischen Zwecken in der klinischen Kunst des alten Āyurveda eingesetzt. „Aushadha anna vihāranam upayogam sukhavaham“ bedeutet Medizin, Ernährungsweise und Lebensgewohnheit lassen sich als erklärende Therapie einsetzen. Aushadha ist Medizin, Anna ist Essen oder Ernährung und Vihāra bedeutet gesunde Lebensweise oder Lebensart. Wenn ein Mensch unklare Symptome hat, an denen möglicherweise zwei oder drei Doshas beteiligt sind, kann es schwierig werden, die Art der Störung zu bestimmen. In dieser Situation empfiehlt das Āyurveda den Einsatz von Upashaya.

Ein einfaches Beispiel von Upashaya sind unbestimmte Bauchschmerzen und -auftreibung. Legen wir eine warme Rhizinusölpackung auf den Bauch und das lindert den Schmerz, lässt dies eine Vāta-Störung erkennen. Falls sie den Schmerz verschlimmert, handelt es sich um ein Pitta-Problem. Noch ein Beispiel ist hohes Fieber, das verschärftes Pitta ist. Setzt man Sutshekara (eine im Handel erhältliche Kräutermischung) ein und sie hilft nicht oder der Zustand verschlimmert sich, zeigt dies an, dass es ein Pitta-Fieber vom Nirāma-Typ (ohne Toxine) ist. Wenn Sutshekara die Symptome verschwinden lässt, ist es ein Pitta-Fieber vom Sāma-Typ (mit Toxinen). Ein drittes Beispiel ist Asthma. Man kann jemanden mit diesem Leiden alle zehn Minuten Süßholztee trinken lassen. Bei Bronchialasthma erfahren die Symptome sofortige Erleichterung. Im Fall von Herzasthma hilft das gar nichts.

Mit Upashaya können wir eine eindeutige Diagnose stellen. Wenn Upashaya Erleichterung verschafft, heißt es Sātmya (Verträglichkeit). Falls es die Symptome nicht lindert, handelt es sich um Asātmya (Unverträglichkeit), d.h. es kann entweder allergische Reaktionen hervorrufen oder bei den Symptomen einfach nicht helfen.

Es gibt drei Methoden, Upashaya anzuwenden: Medizin (Aushadha), Ernährungsweise (Annam) und Lebensstil (Vihāra). Es gibt auch zwei breite Kategorien von Upashaya: Viparīta, also antagonistische Behandlungen, und Tadarthākari, die synergetisch sind.

Antagonistische Behandlungen2

Hetu Viparīta Aushadha ist Medizin, die der Ursache entgegenwirkt. Beispielsweise tritt Fieber (Jvara) mit Erkältung, Starre und Schüttelfrost aufgrund der kalten Qualität von Kapha und Vāta auf. Natürlich ist ein Medikament gut, das Kapha und Vāta entgegenwirkt. Daher ist trockener Ingwer die beste Medizin, um die verursachenden Faktoren eines Kapha-Vāta-Fiebers zu behandeln, obgleich es nicht antipyretisch ist. Das bedeutet, es senkt nicht das Fieber, aber ist gegenüber der Ursache antagonistisch und wirkt somit effektiv.

Hetu Viparīta Annam ist Nahrung, die der Ursache entgegenwirkt. Wenn ein Mensch ein Vāta-Kapha-Fieber hat, kann man weichen gekochten Reis mit wärmenden Gewürzen verabreichen. Dies lindert die Ursache, aber beseitigt nicht direkt das Fieber.

Hetu Viparīta Vihāra ist eine mögliche Lebensweise, die der Ursache entgegenwirkt. Hat jemand also ein Vāta-Kapha-Fieber, besteht ein klassischer Vihāra darin, in der heißen Sonne zu sitzen, das behandelt die Ursache, jedoch nicht das Fieber.

Vyādhi Viparīta Aushadha sind Arzneimittel, die eine entgegengesetzte Wirkung auf eine bestimmte Krankheit haben. Im Fall von Durchfall unterbinden die Kräuter Patha oder Kutaja sofort den Durchfall. Ähnlich ist Khadira eine spezifische Medizin für Ekzem oder Psoriasis, während Kurkuma es für Diabetes ist.

Vyādhi Viparīta Annam ist Essen, das der Krankheit entgegenwirkt. Nehmen wir wieder das Beispiel Durchfall: Man kann hier Reis mit frischem Joghurt, rote Linsensuppe oder gekochten Apfel mit einem Teelöffel Ghee und einer Prise Muskat geben. Das gilt besonders für eine Durchfallerkrankung, egal welche Doshas beteiligt sind.

Vyādhi Viparīta Vihāra ist eine Entscheidung über die Lebensführung, die der Krankheit entgegenwirkt. Im Fall von Durchfall ist der beste Vihāra, sich auszuruhen, zu lesen und zu entspannen und gleichzeitig viel Wasser zu trinken.

Ubhaya Viparīta Aushadha (auch Hetu Vyādhi Viparīta Aushadha genannt) sind Arzneimittel, die antagonistisch auf Ursache und Krankheit wirken. Wenn z.B. durch übermäßiges Reisen eine Schwellung (Shota) vom Vāta-Typ besteht, kann es zu einer Stockung des Blutes kommen. Die beste Arznei ist Dashamūla-Tee oder Dashamūla Arishta (fermentiertes Präparat). Vāta ist die Ursache, die Schwellung ist die Krankheit und Dashamūla lindert Vāta und die Schwellung. Ein weiteres Beispiel ist Vāta-Arthritis, wo man mit Mahānārāyana-Öl massieren und ein Ingwer-Backpulver-Bad nehmen kann, um den Schmerz zu beruhigen und die Ursache zu mildern, die verstärktes Vāta-Dosha ist.

Ubhaya Viparīta Annam ist Nahrung, welche die Ursache einer Störung und der Krankheit selbst behandelt. Im Beispiel oben hilft es, die Vāta-Schwellung zu verringern, indem man Wassermelone isst, da sie harntreibend und Vāta lindernd ist.

Ubhaya Viparīta Vihāra ist eine Aktivität innerhalb der Lebensweise, die sich um Ursache und Krankheit kümmert. So lässt sich eine Vāta-Schwellung bessern, wenn man die Beine hochlegt, das entleert die Venen und hilft so der Krankheit und beschwichtigt überschüssiges Vāta.

Behandlungen mit ähnlichen Mitteln3

Hetu Tadarthākari Aushadha ist Medizin, die der Ursache qualitativ ähnelt. Das kann eine sehr intensive Behandlung sein. Hat jemand beispielsweise eine Eiterbeule mit entzündlicher Schwellung, rät das Āyurveda dazu, einen heißen Umschlag oder eine Pitta anregende Paste namens Agaru anzuwenden, um die Ursache von hohem Pitta zu kurieren. Diese Behandlung sorgt dafür, dass das Furunkel reift und dann leicht geöffnet und entleert werden kann.

Hetu Tadarthākari Annam ist Essen, das der Ursache qualitativ ähnelt. Im Fall einer durch Pitta verursachten Eiterbeule sind heiße und scharfe Lebensmittel eine Behandlung, die in diese Kategorie gehört.

Hetu Tadarthākari Vihāra ist eine Lebensführungsalternative, die der Ursache qualitativ ähnelt. Das angesprochene Pitta-Furunkel lässt sich erfolgreich durch ein heißes Bad mit Ingwerpulver behandeln, wonach man den Eiter einfach entleeren kann.

Vyādhi Tadarthākari Aushadha ist Medizin, die der Krankheit qualitativ ähnelt. Verabreichen Sie bei durch Kapha herbeigeführter Übelkeit Süßholz- oder Vacha-Tee, um Erbrechen auszulösen und damit das übermäßige Dosha abzubauen.

Vyādhi Tadarthākari Annam sind Lebensmittel, die der Krankheit qualitativ ähneln. Im Beispiel der Übelkeit kann reichhaltiges Essen die Übelkeit steigern, aber in Erbrechen und Erleichterung der Symptome münden. Gleichermaßen kann bei akutem Durchfall (Atisāra) mit Toxinen Milch eine gute Therapie sein, obgleich es ein Laxativ ist. Man sollte im Sāma-Stadium von Durchfall nie stopfende Nahrungsmittel oder Kräuter geben, wenn mit dem Stuhl Toxine ausgeschieden werden. Stattdessen beschleunigt man den Durchfall durch Verabreichung von Milch oder Pflaumensaft, um die Toxine zu beseitigen.

Vyādhi Tadarthākari Vihāra ist eine Handlung in der Lebensweise, die der Krankheit qualitativ ähnelt. Bei Übelkeit führt man Erbrechen herbei, indem man die Zunge reibt und einen Würgreflex auslöst. Das erzeugt die Symptome der Störung (Übelkeit), aber das resultierende Erbrechen erleichtert das Problem sofort.

Ubhaya Tadarthākari Aushadha sind Medikamente, die der Ursache und der Krankheit qualitativ ähneln. In den meisten Fällen von Leber- oder Gallenblasenstauung aufgrund von hohem Pitta, wozu auch kleine Gallensteine (Reiskorngröße) gehören, kann man am frühen Morgen eine Leberspülung verabreichen, die aus Olivenöl, Zitronensaft und Cayennepfeffer besteht. (Ein Ultraschall zeigt die Größe der Gallensteine.) Diese Spülung regt die Gallenblase an und erhöht das Pitta so deutlich, dass es große Mengen angesammelter Galle lösen und die Gallensteine ausspülen kann. In vergleichbarer Weise verabreicht man oft Schlangengift als medizinisches Gegenmittel, wenn eine Person von einer Schlange gebissen wird.

Ubhaya Tadarthākari Annam