Leonardo da Vincis Fälle: Nochmal drei Abenteuer, Band 4-6 - Alfred Bekker - E-Book
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Leonardo da Vincis Fälle: Nochmal drei Abenteuer, Band 4-6 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Der Umfang entspricht 360 Taschenbuchseiten.

Leonardo da Vincis Fälle – Nochmal drei Abenteuer

Da Vincis Fälle 4 bis 6

von Alfred Bekker

INHALT

Leonardo und das Verlies der schwarzen Reiter

Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes

Leonardo und die Bruderschaft des heiligen Schwerts

Alle Teile sind auch einzeln als eBook lieferbar.

Die deutschsprachigen Printausgaben erschienen 2008/2009 im Arena Taschenbuchverlag;

Übersetzungen liegen auf Türkisch, Indonesisch, Dänisch und Bulgarisch vor.

In dem kleinen Dorf Vinci bei Florenz, 1462: Im Gasthof hat sich ein sonderbarer Mann einquartiert. Klar, dass der zehnjährige Leonardo und sein bester Freund Carlo ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Was sind das für merkwürdige Zeichnungen, die er da heimlich anfertigt? Leonardo und Carlo sind sich sicher: Der Mann ist ein Spion! Und der muss unbedingt entlarvt werden! 
Die Serie um den jungen Leonardo da Vinci erschien auf Deutsch zunächst im Arena-Verlag und wurde ins Dänische, Türkische, Bulgarische und Indonesische übersetzt und von der Kritik hoch gelobt. 


Über den Autor 
Alfred Bekker, geboren 1964, begann bereits als Kind zu schreiben. Seinen ersten Roman verfasste er im Alter von 14 Jahren. Neben über 300 Romanen in unterschiedlichen Genres, hat er Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben. Er lebt mit seiner Familie in Nordrhein-Westfalen.

Cover: Steve Mayer

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Leonardo da Vincis Fälle: Nochmal drei Abenteuer, Band 4-6: Cassiopeiapress Junior

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2015.

Leonardo da Vincis Fälle – Nochmal drei Abenteuer

Da Vincis Fälle 4 bis 6

von Alfred Bekker

INHALT

Leonardo und das Verlies der schwarzen Reiter

Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes

Leonardo und die Bruderschaft des heiligen Schwerts

Alle Teile sind auch einzeln als eBook lieferbar.

Die deutschsprachigen Printausgaben erschienen 2008/2009 im Arena Taschenbuchverlag;

Übersetzungen liegen auf Türkisch, Indonesisch, Dänisch und Bulgarisch vor.

Neu durchgesehene Fassung

© 2008, 2009 by Alfred Bekker

© 2010, 2012, 2015 der Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Ein CassiopeiaPress E-Book

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Der Umfang dieses Ebook entspricht 342 Taschenbuchseiten.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Copyright-Seite

Band 4

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Band 5

1.Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Band 6

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Band 4

Leonardo und das Verlies der schwarzen Reiter

––––––––

Inhalt

1. Kapitel: Das Wespennest

2. Kapitel: Der Kampf der Lumpensammler

3. Kapitel: Das Wasserzeichen der Medici

4. Kapitel: Meister Andrea in der Klemme

5. Kapitel: Auf der Spur der Maskierten

6. Kapitel: Auf zu Flavios Mühle!

7. Kapitel: Der Mann mit dem schwarzen Bart

8. Kapitel: Die Bande

9. Kapitel: In Gefangenschaft

10. Kapitel: Befreiung aus dem Krötenkeller

11. Kapitel: Der hohe Herr

12. Kapitel: Hinter Schloss und Riegel

1. Kapitel

Das Wespennest

„Wir sollten hier schleunigst verschwinden, Leonardo!“

„Sei still, Carlo!“

Der zehnjährige Carlo schluckte. Das summende Geräusch wurde immer lauter und bedrohlicher.

Sein Freund Leonardo hatte sich einem Wespennest genähert, das sich in einer baufälligen Scheune befand. Schon seit dem Frühjahr hatte Leonardo immer wieder die anderthalb Stunden Fußmarsch zwischen dem Dorf Vinci und der alten Scheune auf sich genommen, um das Wespennest zu beobachten. In dieser Zeit hatte er gesehen, wie die Wespen es nach und nach aufgebaut und dazu das Holz der morschen Scheune benutzt hatten.

Das Nest hatte ungefähr den Durchmesser eines Kinderkopfs und bestand aus einem Material, das die Wespen offenbar aus dem Holz bildeten, das sie mit ihren winzigen Beißwerkzeugen von den Bretterwänden der Scheune kratzten. Die Stellen, wo sie sie sich bedient hatten, waren deutlich zu sehen. Feine Späne wurden in den Löchern hinterlassen.

Was Leonardo besonders interessierte war das Material, aus dem das Nest bestand.

Vor ein paar Jahren hatte er einmal ein verlassenes Nest gesehen, das sein Onkel auf dem Dachboden gefunden hatte. Das Material hatte sich angefühlt wie...

Papier!

Das war ihm vor kurzem wieder eingefallen, weil sein eigener Papiervorrat völlig aufgebraucht war. Leonardo hatte in den letzten Wochen so viele Einfälle gehabt, die unbedingt festgehalten werden mussten, dass er auch schon alle Rückseiten oder Lücken voll gezeichnet hatte. Einfälle für fantastische Maschinen aller Art waren das. Mit Kanonen bestückte Luftschiffe, Schiffe, mit denen man unter Wasser reisen konnte, aber auch ganz praktische Dinge, wie zum Beispiel einen Bratenwender, der den Braten über dem Feuer gleichmäßig drehte, damit es keine angebrannten Stellen gab.

Aber wenn Wespen Papier machen konnten, ließ sich das ja vielleicht irgendwie ausnutzen!

Leider besaß sein Onkel das Wespennest von damals nicht mehr, sodass man nicht ausprobieren konnte, ob es sich vielleicht auseinanderfalten oder in Stücke schneiden ließ, die man beschriften konnte.

Mit einem Ast, den sich Leonardo im Wald gesucht hatte, stieß er das Nest an.

Das Summen wurde lauter.

„Die werden ärgerlich!“, meinte Carlo.

„Ich muss sehen, wo der Eingang ist!“, meinte Leonardo. „Außerdem ist es schon spät im Jahr! Die meisten Wespen müssten längst tot sein!“

„Diese offenbar nicht, das hörst du doch!“, widersprach Carlo. „Soweit ich weiß, kann man Wespen mit Rauch oder Wasser vertreiben – aber nicht dadurch, dass man gegen ihr Nest klopft!“

„Aber wenn ich Rauch oder Wasser einsetze, verdirbt das Papier, aus dem ihr Nest besteht – und genau das brauche ich doch! Und zwar so schnell wie möglich!“

„Klingt für mich nicht gerade überzeugend!“

Carlo wich bis zum offen stehenden Scheunentor zurück.

„Die paar Wespen, die noch im Bau sind, werden sich schnell vertreiben lassen“, glaubte Leonardo und klopfte noch einmal gegen die papierartige Außenhülle des Wespennestes. Natürlich tat er das so vorsichtig, dass nichts beschädigt wurde. Schließlich wollte er das Material ja noch benutzen.

Die erste Wespe kam aus dem Bau heraus.

Der Eingang lag im Schatten, so dass man ihn nicht genau sehen konnte. Eine zweite Wespe folgte, dann eine dritte und eine vierte... Ehe Leonardo sich versehen hatte, griffen ihn mindestens ein Dutzend der äußerst gereizten Insekten an. Sie umschwirrten seinen Kopf. Leonardo fuchtelte wild mit den Armen und schlug mit dem Stock um sich. Natürlich traf er damit keine der Wespen.

Panisch um sich schlagend rannte er zum Scheunentor hinaus. Carlo hatte bereits Reißaus genommen.

„Ich hab’s dir ja gesagt!“, hörte Leonardo seinen Freund rufen – aber im Moment klang das für ihn wie aus weiter Ferne.

Die Wespen schienen von überall her anzugreifen. Ihr wütendes Summen wurde immer lauter.

„Zum Bach!“, rief Carlo. „Zum Bach!“

In der Nähe der Scheune befand sich ein Bach, der später in den Fluss Arno mündete. Leonardo rannte auf den Bach zu, während eine der Wespen unter sein Hemd geraten war und zustach.

Die Insekten umschwirrten ihn immer noch.

Leonardo erreichte das Ufer des Baches und warf sich einfach ins Wasser.

Dann ruderte er mit den Armen und spritzte um sich, bis er der Überzeugung war, die kleinen Angreifer vertrieben zu haben. Carlo stand noch am Ufer und fuchtelte nun auch mit den Armen herum. Die Wespen ließen ihre Wut jetzt an ihm aus.

„Spring doch!“, rief Leonardo.

Genau das tat Carlo dann auch in höchster Not. Als er untertauchte, ließen die Wespen von ihm ab.

Er kam wieder an die Oberfläche und schüttelte sich wie ein nasser Hund, der sein Fell trocknen wollte.

„Alles wegen dir!“, prustete Carlo. „Du hättest auf mich hören sollen!“

„Ja, ja, du hast natürlich alles vorher gewusst!“, knurrte Leonardo.

„Natürlich! Das weiß doch jedes Kind, dass man nicht mit einem Stock in einem Wespennest herumstochern kann!“

„Sie haben mich gestochen!“, stellte Leonardo fest. Er fand mehrere rote Stellen – vor allem an den Armen – die jetzt mehr und mehr anschwollen.

Leonardo kühlte sie im Wasser.

Carlo untersuchte sich und atmete dann erleichtert auf. „Nichts abbekommen!“, stellte er fest.

Sie stiegen beide triefnass aus dem Wasser. Leonardo lief barfuß, aber Carlo trug Schuhe und die quietschten jetzt bei jedem Schritt. So setzte er sich und schüttete das Wasser aus ihnen heraus. „Das wird Ärger geben, wenn ich so nach Hause komme“, meinte er. „Was glaubst du wohl, wie teuer diese Schuhe waren!“

In dem Dorf Vinci, aus dem die beiden Freunde stammten, war Carlo eine Ausnahme, denn die meisten anderen Kinder trugen im Sommer keine Schuhe. Aber Carlos Vater war Kaufmann und reich genug, um es sich leisten zu können, dass sein Sohn die Schuhe auch im Sommer abnutzte.

„Lass uns in die Sonne gehen, damit wir trocknen“, schlug Leonardo vor.

„Ein toller Vorschlag!“

„Weißt du vielleicht einen besseren? Lass uns auf die Höhenwiese gehen. Bis zum Abend scheint da die Sonne hin und wahrscheinlich sind wir bis dahin auch wieder trocken!“

„Wir vielleicht“, gab Carlo zu. „Aber meine Schuhe nicht.“

„Da fällt uns sicher auch noch was ein...“

„Eine gute Ausrede wäre nicht schlecht. Du hast doch immer so tolle Einfälle, Leonardo! Vielleicht kannst du dir bei dieser Sache ja auch mal ein bisschen Mühe geben und deinen Grips anstrengen. Schließlich hast du mich ja in den ganzen Schlamassel hineingezogen.“

Pitschnass liefen sie zur Höhenwiese, wo die Sonne auch am Abend noch am längsten schien. Man konnte von dort aus die ganze Umgebung überblicken.

Das Gras war ziemlich braun und vertrocknet. Außerdem hatten wohl Schafe die Wiese vor kurzem erst abgegrast, sodass an vielen Stellen schon der Boden zum Vorschein kann. Leonardo und Carlo fanden schließlich einen Platz, an dem sie sich niederlassen konnten. Leonardo betastete vorsichtig die Wespenstiche, die er davongetragen hatte. Die schwollen jetzt immer mehr an und schmerzten, wenn man sie nur leicht berührte.

„Selber schuld“, sagte Carlo. „Wie kann man auch nur so bescheuert sein und Wespen reizen?“

„Ich dachte, einen Versuch wäre es wert!“

„Na ja, du siehst ja jetzt, was du davon hast!“

„Danke! So mitfühlend wünscht man sich Freunde!“, erwiderte Leonardo.

„Hast du vielleicht auf mich Rücksicht genommen? Die Wespen haben mich genauso angegriffen! Für die waren wir nämlich beide die Angreifer, die ihr Heim vernichten wollten!“

„Du hast ja nichts abbekommen!“, hielt Leonardo seinem Freund entgegen.

„Ja, aber das ist reine Glücksache gewesen!“

Ein wenig schimpften sie sich noch gegenseitig an.

Dann herrschte eine ganze Weile Schweigen. Leonardos Gedanken waren schon gar nicht mehr bei dem Wespennest. Nur die schmerzenden Stiche erinnerten ihn immer wieder daran. Ansonsten dachte er über die Bratenwendemaschine nach, die er zu konstruieren versucht hatte. Ein Windrad sollte durch die vom Feuer aufsteigende Warmluft angetrieben werden und den Bratenspieß drehen. Je heißer das Feuer, desto schneller drehte sich dann der Spieß, sodass es eigentlich nicht mehr vorkommen konnte, dass der Braten anbrannte.

Aber es hatten sich beim Bau des Bratenwenders Schwierigkeiten ergeben, die Leonardo nicht vorhersehen konnte. Erstens war sein Großvater, bei dem er lebte, ärgerlich gewesen, weil Leonardo den Bratenspieß an sich genommen und im dreckigen Pferdestall damit herumgebastelt hatte und zweitens war das Windrad, das er aus Holz gefertigt hatte, zu schwer gewesen. Es drehte sich einfach nicht, weil der warme Luftzug nicht stark genug war.

Ich werde mir da etwas anderes überlegen müssen!, ging es Leonardo durch den Kopf. Umso wichtiger war es, endlich Papier aufzutreiben, um seine Gedanken festhalten zu können.

„Sag mal, warum war es denn eigentlich so wichtig, die Wespen aus dem Nest zu vertreiben?“, fragte Carlo schließlich, nachdem eine ganze Weile keiner der beiden Jungen auch nur ein einziges Wort gesagt hatte. Aber inzwischen schien Carlos Zorn über den Vorfall mit den Wespen verraucht zu sein.

„Das habe ich dir doch erklärt“, erwiderte Leonardo – noch immer ein bisschen gereizt. „Ich brauche unbedingt Papier. Aber das ist im Augenblick nur schwer zu bekommen und dazu noch unglaublich teuer und mein Großvater hat gesagt, ich müsste sparsamer damit umgehen. Aber inzwischen habe ich nun wirklich schon jeden noch so kleinen Schnipsel mit irgendetwas voll gezeichnet.“

„Und wenn du von den alten Zeichnungen etwas wegradierst?“, fragte Carlo. „Ist das keine Lösung?“

Leonardo seufzte.

„Was soll das denn bitteschön für eine Lösung sein?“, fragte er. „Ich müsste mich dann ja entscheiden, welche von meinen Ideen ich vernichte und welche ich aufbewahre.“

„Na ja, wenn es keine andere Möglichkeit gibt?“

„Ich könnte mich da einfach nicht entscheiden“, glaubte Leonardo.

„Das ist doch ganz einfach“, erwiderte Carlo. „Du lässt die guten Ideen auf den Blättern drauf und radierst die weniger Guten weg.“

Leonardo lachte heiser auf. „Ja, wenn das mal so einfach wäre! Wie kann ich denn wissen, ob eine Idee, die mir heute vielleicht nicht so wichtig zu sein scheint, nicht in ein paar Jahren genau das ist, was ich brauche?“

„Tja, das kann ich dir natürlich auch nicht sagen“, gestand Carlo. „Wie wär's, wenn du mich das auswählen lässt?“

„Ganz bestimmt nicht“, schüttelte Leonardo den Kopf. „Nein, wegradieren kommt nicht in Frage. Stattdessen muss ich irgendwo neues Papier her bekommen!“

„Mein Vater sagt, dass Papier im Moment überall knapp ist“, sagte Carlo. „Selbst in Florenz kann man es zurzeit nur schwer bekommen.“

„Und woran liegt das?“, fragte Leonardo.

„Weil die Papiermühlen mit der Herstellung nicht nachkommen. Darum ist auch der Preis so hoch.“

2. Kapitel

Der Kampf der Lumpensammler

Die Sachen der beiden Jungen waren zwar noch nicht richtig trocken geworden, aber sie entschieden schließlich, wieder zurück nach Vinci zu gehen. Als sie den Weg nach Empoli erreichten, begegnete ihnen ein Mann mit einem großen Handkarren, den er im Schweiße seines Angesichts die Straße entlang schob.

Diese Straße führte etwas bergauf, sodass der Weg ziemlich anstrengend für ihn war.

Als er Leonardo und Carlo bemerkte, zuckte der Mann mit dem Karren zuerst zusammen, so als würde er sich sehr erschrecken. Doch im nächsten Moment wirkte er erleichtert. Er hielt an, ließ den Karren einen Moment lang los und reckte die Arme. Dann rieb er sich die Schultern, die ihn offenbar schmerzten.

Er war groß und kräftig, hatte einen dunklen Bart und trug ein Gewand aus grauem Leinen, das mehrfach geflickt war. Dieses Gewand reichte ihm bis zu den Knien. Darunter ragten eng anliegende Hosen hervor. Seine Schuhe wirkten schon sehr stark abgelaufen.

Er war ganz gewiss kein reicher Mann, erkannte Leonardo sofort. Eher wirkte er wie ein Bauer aus der Umgebung.

„Habt ihr mich vielleicht erschreckt!“, stieß der Mann hervor. „Wieso schleicht ihr euch auch so an, dass ein normaler Reisender schon denkt, dass ihn jemand überfallen will!“

„Es tut mir sehr leid, wenn wir dich erschreckt haben“, sagte Leonardo.

„Das war nicht unsere Absicht.“

Leonardo sah, dass der Karren mit lauter Lumpen beladen war. Der Mann musste also einer jener Lumpensammler sein, die von Dort zu Dorf zogen und die Kleider mitnahmen, die so zerschlissen waren, dass man sie beim besten Willen nicht mehr ausbessern konnte.

Der Mann blickte sich um und sah zurück – so als erwartete er, dass ihm jemand folgte.

Dann musterte er Leonardo und Carlo nacheinander eingehend. Er runzelte die Stirn. „Was für ein Bad habt ihr denn genommen?“

„Wir sind... ins Wasser gefallen“, meinte Leonardo. Es war ihm wohl einfach zu peinlich, die wahre Geschichte zu erzählen.

„Da ihr sowieso schon nass seid, macht es euch ja vielleicht nichts aus, etwas zu schwitzen, Jungs.“

Leonardo und Carlo sahen sich etwas ratlos an.

Was mochte der Lumpensammler damit bloß meinen?

Aber noch ehe einer der beiden Jungen genauer nachfragen konnte, kam der wunderliche Mann zur Sache, nachdem er sich noch einmal ziemlich nervös umgesehen hatte. „Ihr zwei seht doch ganz kräftig aus... Ich bin nämlich ziemlich in Eile und bräuchte ein paar starke Jungs, die mir dabei helfen, den Karren so schnell wie möglich zur neuen Papiermühle von Andrea1 di Marco zu bringen.“

Dass Papier aus Lumpen gemacht wurde, hatte Leonardo schon gehört. Und da in letzter Zeit der Bedarf an Papier so hoch war, schossen die Papiermühlen wie Pilze aus dem Boden. „Du kommst aus Vinci“, schloss Leonardo.

Der Lumpensammler zuckte mit den Schultern. „Na und? Ist doch gleichgültig, wo ich zuletzt gewesen bin. Lumpen werden überall gesammelt.“

„Ja, aber der Lumpensammler, der nach Vinci kommt, ist jemand anderes. Er heißt Martino und ich kann mir nicht vorstellen, dass er es dulden würde, wenn ein fremder Lumpensammler in seinem Bezirk sammelt.”

„Martino?“, fragte der Lumpensammler „Den kenne ich gut. Sein Bezirk ist so groß, dass er die Arbeit gar nicht mehr allein schaffen kann. Darum helfe ich ihm. Aber wenn diese Ladung Lumpen nicht schnell genug in Andrea di Marcos Papiermühle ist, dann bekomme ich großen Ärger! Die Produktion läuft dort Tag und Nacht und die Zahnräder, die die Lumpen zu Brei zerstampfen, stehen nur noch am heiligen Sonntag still, weil der Bischof darauf bestanden hat! Sonst würde Andrea den Betrieb wohl auch noch am Feiertag laufen lassen und nicht einmal während der heiligen Messe unterbrechen, wenn es allein nach ihm ginge!”

„Aber wenn doch so viel in Andrea di Marcos Papiermühle gearbeitet wird – dann verstehe ich nicht, wieso Papier im Moment so knapp ist wie schon lange nicht mehr!“, meinte Leonardo.

Der Lumpensammler zog die Augenbrauen zusammen und in der Mitte seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche. „Es ist keine Zeit dafür, dass ihr mir Löcher in den Bauch fragt! Helft ihr mir oder nicht? Ihr bekommt die Hälfte von dem, was Andrea mir für die Ladung Lumpen zahlt!“

Leonardo und Carlo wechselten einen kurzen Blick. Aber die Entscheidung war eigentlich schon gefallen.

„Warum nicht?“, meinte Leonardo und dachte, dass er sich von seinem Anteil vielleicht in der Papiermühle ein paar Bögen kaufen konnte. Carlo rieb sich die Hände. „Das kann ja so schwierig nicht sein!“, glaubte er.

Also fassten die beiden Jungen kräftig mit an und sorgten dafür, dass der Karren schnell den Berg hinaufkam. Nachdem sie den Kamm der Anhöhe überwunden hatten, ging es bergab und dementsprechend leichter – aber die nächste Steigung war schon in Sicht.

Dann kamen sie durch ein Waldstück. Rechts und links der Straße befanden sich knorrige Bäume und das Plätschern von Wasser war zu hören.

„Ich hoffe, es ist nicht mehr allzu weit bis zur Papiermühle!“, stöhnte Carlo, denn er war schon ziemlich geschafft.

Leonardo ging es nicht anders.

„Ein Stück müsst ihr noch durchhalten“, sagte der Lumpensammler. Plötzlich zuckte er zusammen. Er wandte den Kopf, als er im dichten Unterholz zwischen den Bäumen ein Knacken hörte. Stimmen waren zu hören und im nächsten Moment sprangen fünf Männer aus den Büschen hervor. Sie waren mit Knüppel bewaffnet und versperrten den Weg. Der Karren blieb stehen und der Lumpensammler wirbelte herum.

„Ein Überfall!“, rief er.

„Du kannst ja weglaufen!“, rief einer der Männer mit den Knüppeln. „Aber der Karren mit den Lumpen bleibt hier!“

Aus den Büschen kam noch ein weiterer Mann hervor. Leonardo erkannte ihn. Es war Martino – jener Lumpensammler, den man ansonsten in Vinci und Umgebung mit seinem Karren umherziehen sehen konnte.

„Da staunst du, was Ludovico?“, rief Martino. „Man hat mir in Vinci gesagt, dass bereits ein anderer Lumpensammler dort war und alles bis zum letzten Lappen eingesammelt hat! Nichts wäre für mich geblieben!“

Der Lumpensammler namens Ludovico hob abwehrend die Hände.

„Hör zu, Martino, ich...“

„Nein, jetzt hörst du mir zu, Ludovico! Verschwinde, bevor meine Freunde und ich dir eine Tracht Prügel geben, die du nicht vergisst!“

Einer der Männer mit den Knüppeln meldete sich zu Wort. „Wir sollten ihn ordentlich verdreschen, sonst macht der das immer wieder!“

„Dafür wird man euch bestrafen!“, meinte Ludovico. „Ein Überfall auf einen ehrbaren Lumpensammler! Wie niederträchtig!“

„Nein, du bist es, der im Unrecht ist!“, erwiderte Martino.

„Du Dieb!“, schimpfte Ludovico.

„Nein, du bist der Dieb, denn diese Lumpen gehören in Wahrheit mir! Sie komme aus meinem Bezirk. Es steht dir frei, dir ein eigenes Gebiet zu suchen, aber in dieser Gegend hast du nichts verloren!“

„Du Hund!“, schimpfte Ludovico.

Während Martino an den Karren herantrat, in den Lumpen herumwühlte, blickte er Leonardo und Carlo an, die regungslos dastanden.

„Leonardo! Carlo!“, rief Martino. „Ihr helft so einem Dieb? Da solltet ihr euch schämen!“

„Er hat behauptet, dass er dir hilft und in deinem Auftrag unterwegs ist!“, sagte Leonardo.

„Ein Lügner ist er! Aber wir haben ihn ja noch stoppen können, bevor er sich vom Papiermüller bezahlen lassen konnte.“ Martino wandte das Gesicht noch einmal in Ludovicos Richtung. „Hast wohl gedacht, wenn du ein paar Ahnungslose zum Schieben engagierst, bist du schnell genug bei Andreas Mühle! Aber da hast du die Rechnung ohne uns gemacht!“

Martino packte Ludovico am Kragen. Aber der wehrte sich. Er versetzte Martino einen Stoß und im nächsten Moment stürzten beide zu Boden, rollten übereinander und kämpften miteinander. Ludovico versetzte Martino einen Schlag und stieß ihn grob zurück. Dann rappelte er sich auf und rannte davon, so schnell ihn seine Füße tragen konnten.

„Los hinterher!“, rief einer der Knüppelträger.

Aber Martino schüttelte den Kopf. Ihm schoss das Blut aus der Nase und so brauchte er einen Moment, bis er sprechen konnte. „Lass ihn laufen! Wichtiger ist jetzt, dass die Lumpen zur Mühle kommen.“

Ludovico stolperte inzwischen und wäre um ein Haar zu Boden gegangen. Nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Er taumelte vorwärts, drehte sich dabei halb herum und hetzte dann weiter vorwärts.

„Wir hatten wirklich keine Ahnung“, beteuerte Carlo.

„Das glaube ich euch sogar“, meinte Martino. „Aber vielleicht könnt ihr mir ja trotzdem helfen.“ Er wandte sich an die anderen. „Das gilt auch für euch! Jeder, der mir hilft den Karren zu ziehen, bekommt am Ende eine Kupfermünze! Ehrenwort!“

„Wir sind deine Freunde, Martino“, hielt einer der Männer Martino empört entgegen. „Aber wenn du es übrig hast!“ Er deutete auf die Lumpen. „Immerhin hat der Kerl ja fleißig gesammelt – das muss der Neid ihm lassen!“

„Ja – nur leider waren das Klamotten, die er gar nicht hätte sammeln dürfen“, knurrte Martino. „Ganz im Ernst – ich wäre froh, wenn ihr mich alle bis zur Papiermühle begleitet – denn wer weiß, was diesem Ludovico noch einfällt, um die Lumpen doch noch an sich zu bringen!“

Leonardo und Carlo halfen kräftig mit, den Karren voranzubringen und auch die anderen Männer ließen sich diese Gelegenheit, um etwas Geld zu verdienen, nicht nehmen.

Eigentlich hatte Leonardo angenommen, dass sich die Mühle ganz in der Nähe befand.

Aber da hatte er sich erheblich verschätzt. Es dauerte noch fast anderthalb Stunden, bis sie die Mühle tatsächlich erreichten – und vorher mussten sie mehrere Anhöhen mit recht steilen Hängen überwinden. Aber da alle kräftig mit anfassten und sich abwechselten, ging es sehr rasch voran.

Schließlich tauchte in der Ferne eine Wassermühle auf. Sie lag am Ufer des Flusses Arno. Schon von weitem war ein hämmerndes, ratterndes Geräusch zu hören.

„Das muss die Lumpenstampfe sein!“, meinte Leonardo. Martino nickte. „Ganz genau! Du hast schon mal etwas davon gehört?“

„Ja, mein Vater ist Notar und hat für Andrea di Marco den Kaufvertrag aufgeschrieben, als er die Mühle übernommen hat“, berichtete Leonardo.

„Da hat er mir davon erzählt.“

„Der gute Andrea... Er hat genau das Richtige getan, als er diese Getreidemühle in eine Papiermühle umgewandelt hat“, meinte Marino.

„Und weiß Gott, wenn ich das nötige Geld hätte, um mir eine Mühle leisten zu können, dann würde ich das auch tun! Dabei kann man nichts verkehrt machen! Seit es den Buchdruck gibt, steigt der Bedarf an Papier von Jahr zu Jahr!“ Martino zuckte mit den Schultern. „Aber für einen wie mich bleibt nur das Lumpensammeln.“

„Beklag dich mal nicht, Martino!“, meinte einer der Männer, die ihm dabei geholfen hatten, Ludovico den Lumpenkarren abzujagen. „Du hast doch ein gutes Auskommen – und einen ganzen Bezirk für dich allein, in dem die Lumpen sammeln kannst! Nicht jeder hat es so gut wie du!“

Die anderen murmelten zustimmend.

Das große Mühlrad drehte sich und trieb über Zahnräder das Stampfwerk an. Dutzende von Hämmern zerstampften die Lumpen, bis sie völlig auseinanderfaserten.

Andrea di Marco war ein breitschultriger Mann mit dickem Bauch und einem schwarzen, buschigen Schnauzbart.

Er trug eine ziemlich verdreckte Schürze und hatte eine laute, dröhnende Stimme, mit denen er die Lehrlinge und Gesellen auf Trab hielt, die in der Papiermühle arbeiteten.

Sein Gesicht hellte sich auf als er den Karren mit Lumpen sah.

„Was sehen meine Augen? Eine ganze Ladung mit Lumpen! So viele, dass sie fast vom Karren fallen! Ich hatte schon befürchtet, in zwei Tagen den Betrieb vorübergehend einstellen zu müssen, weil einfach nicht genug Rohstoff da ist! Aber du hast mich gerettet, Martino!“ Er klopfte Martino wohlwollend auf die Schulter und musterte dann dessen Freunde und die beiden Jungen. „Aber du hattest ja auch viele Helfer, wie ich sehe. Ich weiß nicht, warum mir die anderen Sammler in letzter Zeit so wenig bringen... Und auch du bist ja später dran als normalerweise!“

„Es wird auch immer schwieriger, genug Lumpen zu bekommen!“, meinte Martino. „In den kleinen Dörfern wohnen einfache Menschen, die sich nicht jedes Jahr neue Kleider kaufen und die alten wegwerfen können!“

„Ja, ja, du hast recht“, nickte Andrea di Marco. „Es sagen alle, dass es schwieriger wird – und wenn man bedenkt, dass mir noch mein Urgroßvater erzählte, wie selbst bei reichen Leuten die Kleidung sogar vererbt wurde, weil sie so kostbar war, dann kann man sich kaum vorstellen, dass überhaupt noch genügend Lumpen bei den Leuten vorhanden sind!“

„Warum nehmt Ihr nicht einen preiswerteren Rohstoff, Meister Andrea!“, meldete sich Leonardo zu Wort.

Andrea di Marco stemmte sie kräftigen Arme in die Hüften und sah den Jungen stirnrunzelnd an.

„Was bist du denn für ein Naseweis?“, fragte er. „So ein Knirps und denkst, etwas von der Papierherstellung zu verstehen?“

Leonardo deutete eine Verbeugung an und erwiderte: „Mein Name ist Leonardo da Vinci...“

Meister Andrea lachte laut auf. „Leonardo aus dem Dorf Vinci – das beeindruckt mich natürlich stark!“, spottete er.

„Ihr solltet ihn nicht unterschätzen“, mischte sich Martino ein. „Er ist der Sohn des Notars Ser Piero D’Antonio, der Euch den Kaufvertrag für die Mühle aufsetzte!“

„Ah“, murmelte Meister Andrea nun, und es war ihm jetzt sichtlich peinlich, dass er sich so über Leonardo lustig gemacht hatte. „Nichts für ungut, aber darüber, ob man nicht aus preiswerteren Materialien Papier herstellen könnte, zerbrechen sich bereits viele Erwachsene den Kopf –

und sind bisher zu keinem vernünftigen Ergebnis gekommen.“

„Warum nehmt Ihr nicht einfach Holz, Meister Andrea?“, fragte Leonardo.

„Wie kommst du ausgerechnet auf Holz, Junge?“

„Weil die Wespen aus Holz ein ganz ähnliches Material herstellen wie Papier und daraus ihre Nester machen. Wieso sollte das nicht auch den Menschen möglich sein? Auf jeden Fall ist Holz leichter zu beschaffen als Lumpen. Da man es ohnehin zerhacken muss, bis es zu einem faserigen Brei wird, kommt es auf die Qualität ja nicht so an und man könnte vielleicht sogar die Sägespäne und andere Abfälle von den Tischlereien umsonst bekommen!“

„Ein seltsamer Gedanke, den du da hast, mein Junge... Jetzt schlage ich erstmal vor, dass die Lumpen in die Mühle getragen werden!“

3. Kapitel

Das Wasserzeichen der Medici

Jeder raffte einen Haufen mit Lumpen vom Karren, um ihn in die Mühle zu tragen. Auch Leonardo und Carlo beteiligten sich daran. Meister Andrea di Marco führte sie ins Innere der Mühle. In einem großen Bottich luden sie die Lumpen ab. Dieser Bottich war etwa eine Handbreit mit Wasser gefüllt, sodass sich die Stofffetzen nach und nach voll sogen. Leonardo ließ den Blick durch die Mühle schweifen. Ein unbeschreiblicher Lärm herrschte hier, der vor allem durch die Lumpenstampfe verursacht wurde. Die Räder drehten sich knarrend und ließen die hammerartigen Holzzinken auf die Lumpen hernieder sausen, sodass sie langsam aber sicher zerstampft wurden.

Nicht hundert Menschen hätten Kraft und Ausdauer genug gehabt, um die Räder dauernd zu bewegen. Aber die Kraft des Flusses reichte dazu aus. Über ein großes Schöpfrad wurde sie auf die Lumpenstampfe übertragen.

Nach und nach wurde aus den zerstampften Lumpen ein feuchter, milchiger Brei, den man nun weiterverarbeiten konnte. Von allem, was Leonardo hier sah, hatte er schon gehört, aber es war das erste Mal, dass er wirklich dabei war.

Ein Schöpfgeselle tauchte ein Sieb in den Brei und hob es hoch und übergab es an den Gautscher. Der löste später das entstandene Blatt aus dem Rahmen des Siebs und legte es auf ein Stück Filz. Darauf wurde ein weiteres Stück Filz gelegt und darauf kam das nächste Blatt. Das ging so lange, bis man einen hohen Stapel zusammen hatte. Der Filz war dazu da, das Wasser aus dem Papier zu saugen. Aber das reichte noch nicht, um die Blätter wirklich trocken zu bekommen. Dazu steckte man den ganzen Stapel – man nannte ihn einen „Pauscht“ – in eine Spindelpresse, die wie ein riesiger Schraubstock aussah. Dort wurde der letzte Rest an Feuchtigkeit herausgedrückt. War das geschehen tauchte man Blatt für Blatt in ein Bad aus Tierleim. Sonst wäre das Papier sofort zerrissen, wenn jemand mit einer spitzen Feder oder einem Bleistift etwas härter über die Oberfläche kratzte.

Zuletzt wurden die Papierbögen dann noch einmal einzeln zum Trocknen aufgehängt und geglättet. Dabei wurden dann auch gleich die nicht so gut gelungenen Blätter aussortiert.

Andrea di Marco bezahlte Martino für die gelieferten Lumpen – und Martino gab seinen Helfern wie versprochen jeweils eine Kupfermünze ab.

„Ich verdiene kaum noch was!“, maulte er und einer der Männer, die ihm geholfen hatten, dem unrechtmäßigen Lumpensammler den Karren wegzunehmen, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Dafür hast du deinen eigenen Lumpenbezirk verteidigt und dir damit für die Zukunft deinen Lebensunterhalt erhalten!“

Aber Martino war da weniger zuversichtlich. „Wartet nur ab, die Lumpen werden noch so knapp werden, dass unsereins am Ende gezwungen ist, die Wäsche von den Leinen zu stehlen!“

Leonardo wandte sich nun an Meister Andrea und hielt ihm seine Kupfermünze hin. „Wie viel Papier bekomme ich dafür?“, fragte er. Andrea lächelte. „Du willst mir Papier abkaufen? Ich fürchte, du bekommst dafür noch nicht einmal ein einziges Blatt!“

„Wieso das denn nicht? Dass Papier wertvoll und zurzeit auch knapp ist, ist mir ja durchaus klar, aber ich glaube kaum, dass Ihr Eure Papiere mit Silber durchwirkt habt!“

„Oh, sag das nicht, Junge!“, erwiderte Andrea. „Ich habe hier schon eigenhändig Papier mit Safran eingefärbt, weil eine feine Dame aus Florenz unbedingt auf gelbem Briefpapier schreiben wollte. Und Safran ist ja schon beinahe so wertvoll wie Silber...“

„Trotzdem! Ein paar Blätter werde ich doch für meine Kupfermünze erwerben können!“, meinte Leonardo. „Knappheit hin oder her! Von diesen hier zum Beispiel...“

Leonard nahm ein Blatt von einem Stapel herunter, die bereits fertig waren.

„Vorsicht!“, rief Meister Andrea völlig außer sich. „Leg es wieder hin! Ich hoffe, du hattest saubere Finger!“

Leonardo erschrak, weil Meister Andrea ihn dermaßen heftig angefahren hatte. Einen Moment stand er starr vor Schreck da. Meister Andrea trat auf ihn zu und nahm ihm das Blatt ab. Dann hielt er es ins Licht. „Scheint noch in Ordnung zu sein!“, atmete er auf.

„Was ist denn mit diesem Papier?“, fragte Leonardo verwundert.

„Wir haben es im Auftrag der der Medici-Bank in Florenz hergestellt“, erklärte Meister Andrea. Er hielt das Blatt noch einmal etwas höher. „Siehst du das Wasserzeichen?“

Leonardo sah ein kunstvoll verschnörkeltes M durch das Papier schimmern. Darunter Umrisse, die eine befestigte Stadt sein mochten. Vermutlich war Florenz gemeint.

„Das sieht fantastisch aus!“, stieß Leonardo hervor.

„Es ist das Wasserzeichen der Familie Medici. Und dieses Papier ist etwas ganz besonderes, auch wenn man es ihm vielleicht auf dem ersten Blick nicht ansieht! Man nimmt es nämlich für die Wechsel und Schuldscheine, die die Bank der Medicis ausstellt!“

„Mein Vater sagt, dass ein Schuldschein der Medici Bank so gut ist wie ein Haufen Silbermünzen!“, meinte Leonardo. Kaufleute benutzten diese Schuldscheine beinahe wie Geld – nur, dass diese Banknoten, wie man sie auch nannte, den Vorteil hatten, nicht so viel zu wiegen wie eine Kiste mit Gold-oder Silbermünzen und man sie einfach leichter transportieren konnte. Das machten sich viele Kaufleute zu Nutze.

Meister Andrea nickte und legte das Blatt wieder auf den Stapel.

„Normalerweise versehen wir das gesamte Papier aus unserer Herstellung mit dem Wasserzeichen unserer Mühle. Aber das Papier für die Medici Bank ist eine Ausnahme. Schließlich kann jeder, der eine Banknote dieser Bank in den Händen hält schon am Wasserzeichen erkennen, ob dieser Schuldschein echt sein kann!“

„Dann lasst mich wenigstens etwas von den Blättern kaufen, die nach dem Trocknen aussortiert werden, weil sie nichts geworden sind!“, schlug Leonardo vor. Bei diesen Blättern war zumeist der Rand nicht gerade geraten und franste aus. Manchmal waren aber auch in der Mitte Löcher entstanden. Und bei den Blättern der Medici-Bank war natürlich besonders wichtig, dass das Wasserzeichen deutlich zu sehen war.

„Nein, die alten Blätter brauchen wir auch. Die kommen wieder in den Lumpenbrei hinein und werden von neuem verarbeitet!“

„Aber, wenn ich Euch doch nur ein paar davon abkaufen würde – dann bräche doch nicht gleich die Produktion zusammen!“

Andrea seufzte. „Du verstehst es noch immer nicht, Junge! Im Moment können wir an niemand anderes Papier verkaufen als an die Medici Familie! Sie haben vertraglich das Vorkaufsrecht!“

Leonardo seufzte schwer. „Ein Vertrag, den wahrscheinlich mein Vater ausgehandelt und niedergeschrieben hat! Das hat man nun davon...“

Einer der Lehrlinge kam mit einem Korb voller Ausschuss-Papier daher, das aus den unterschiedlichsten Gründen einfach nicht gut genug war, um verwendet zu werden. Ein Bogen fiel ihm von dem reichlich überfüllten Korb herunter und segelte auf den Boden. Andrea stieß Leonardo an. „Nimm dir das da... Um der Zusammenarbeit mit deinem Vater willen – und deine Kupfermünze lass stecken! Bewahre sie dir gut auf für etwas anderes, was du dir kaufen willst!“

„Danke!“

Das ließ sich Leonardo nicht zweimal sagen. Er nahm den Bogen Papier in die Hand. Er war an den Seiten ausgefranst und das Wasserzeichen der Medici war nur sehr undeutlich zu sehen. Leonardo faltete das Blatt zusammen und steckte es unter seine Kleidung.

In diesem Moment wurde grob die Tür aufgestoßen.

Maskierte Gestalten drangen in die Mühle. Waffen klirrten, Schwerter wurden gezogen. Hier und sah man auch Armbrüste und Arkebusen. Das waren einfache Gewehre, die man auch Hakenbüchsen nannte. Der Geruch einer brennenden Lunte durchdrang den Raum. Einer der Eindringlinge zog an dem großen Metallhaken seiner Arkebuse. Die Lunte am Vorderende des Hakens kam dadurch ans Pulver und im nächsten Moment ertönte ein ohrenbetäubender Knall, der selbst das Hämmern der Lumpenstampfe übertönte. Pulverdampf zog durch die Mühle und ein Kerzenleuchter, der an einer Kette von der Decke hing, krachte zu Boden. Carlo riss Leonardo ein Stück zur Seite. Dort, wo der Junge gerade noch gestanden hatte, schlug der Leuchter zu Boden. Die Kerzen brachen aus ihren Halterungen und in der Decke befand sich ein Loch so groß wie eine Männerfaust.

„Keine Bewegung!“, rief der Schütze. Er schien der Anführer der Gruppe zu sein und trug einen weiten Umhang, der fast bis zum Boden reichte. Das Gesicht war wie bei seinen Komplizen mit einem Tuch maskiert, das bis unter die Augen reichte. Da er seine Lederkappe tief in die Stirn gezogen hatte, waren nur die Augen sichtbar.

„Niemand rührt sich von der Stelle oder es knallt noch einmal! Aber dann reißt es jemandem den Kopf ab!“ Zwar konnte der Schütze selbst nicht mehr schießen, bevor er seine Waffe umständlich nachgeladen und vor allem auch eine neuer Lunte am Haken befestigt hatte – aber es gab noch zwei weitere Maskierte, die mit Arkebusen ausgerüstet waren unter den Eindringlingen. Auch an ihren Waffen glommen die Lunten. Anderthalb bis höchstens zwei Minuten dauerte es, bis so eine Lunte verschmort war und erlosch. Wenn man in dieser Zeit nicht geschossen hatte, musste man ein neues Stück Lunte am Haken befestigen und anzünden.

„Los, verteilt euch!“, rief der der Anführer. Seine Stimme klang heiser und rau.

„Was wollt Ihr von mir?“, fragte Andrea di Marco, dessen Gesicht kreideweiß geworden war.

Einer der anderen Maskierten – er trug einen Hut mit Federbusch – trat auf die Lumpenstapfe zu und hielt dem Gesellen, der die Lupen hineinwarf, die Spitze seines Schwertes an den Hals. „Abschalten!“

Der Geselle schluckte und drückte einen großen Hebel herunter. Dadurch wurden die Zahnräder der Lumpenstampfe vom Wasserrad getrennt und die Hämmer hörten auf zu schlagen. Es wurde endlich still im Raum.

Alle starrten auf die Maskierten, die sich im Raum verteilten. Der Anführer deutete auf die Spindelpresse und schnippste mit den Händen. Einer der beiden anderen Arkebusenschützen eilte hinzu und richtete seine Waffe auf das Gerät. Die Lehrlinge, die dort gerade einen weiteren Stapel aus frisch geschöpftem Papier und Filzeinlagen zusammengedrückt hatten, wichen angstvoll zurück.

„Ein Schuss in die Spindelpresse und du kannst deine Produktion für lange Zeit einstellen!“, rief der Kerl mit dem Federhut und lachte dabei gehässig.

Andrea die Marco schüttelte den Kopf. An den Anführer gerichtet flehte er: „Nur das nicht! Dann können wir unsere Aufträge nicht erfüllen und man wird Schadenersatz von mir verlangen!“

„Wir wollen die Form für das Wasserzeichen der Medici!“, forderte der Anführer. „Na los, Meister, gib sie heraus! Keine fünfzig Herzschläge mehr und mein Freund da vorne wird die Arkebuse abfeuern, bevor die Lunte verlischt!“

Einen Moment lang herrschte Stille.

Andrea wandte sich an die Gesellen am Schöpfbecken.

„Gebt es ihm!“, sagte er.

Die Formen für die Wasserzeichen fertigte man aus Draht. Sie lagen im Schöpfsieb und sorgten dafür, dass dort, wo der Draht war, das Papier am Ende dünner wurde. Wenn man den Bogen dann ins Licht hielt, war das Wasserzeichen sichtbar.

„Na los, Matteo, worauf wartest du!“, fauchte Andrea einen der Gesellen an. Der Angesprochene hob sein Sieb und nahm die Wasserzeichen-Form heraus. Er streckte den Arm aus und einer der Maskierten riss sie ihm aus der Hand. Dann wurde sie an den Anführer weitergereicht.

Aber dieser warf die Form einfach nur zornig auf den Boden. „Ich will nicht das Wasserzeichen, mit dem die Familie Medici ihr Briefpapier ziert, sondern das andere... Das Besondere... Du weißt schon: Das, auf dem die Banknoten und Schuldscheine ausgestellt werden! Wird’s bald?“

In diesem Moment krachte der Schuss der Arkebuse los und fuhr in die Spindelpresse. Holz splitterte.

„Nein, nicht doch!“, schrie Andrea.

„Wir zerstören dir auch noch die Zahnräder, die die Lumpenstampfe antreiben!“, kündigte der Anführer an.

„Gebt ihm, was er fordert“, sagte Andrea, dessen Gesicht jetzt jegliche Farbe verloren hatte.

Aber keiner der Lehrlinge und Gesellen rührte sich.

So ging Andrea selbst zum Schöpfbecken, nahm die Drahtform aus einem der Siebe heraus und gab sie dem Anführer.

„Gerade noch rechtzeitig!“, lachte der dritte Arkebusenschütze, benetzte Daumen und Zeigefinger mit Speichel und löschte damit zischend die Lunte seiner Waffe.

„Jetzt nichts wie weg hier!“, rief der Anführer.

Einer seiner Komplizen spießte mit seinem Schwert ein paar Lumpen aus dem Lumpenbottich auf. „Wir sollten die Form einwickeln, damit sie geschützt ist und nicht verbiegt!“

So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die Männer wieder aus der Mühle. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, war das Wiehern von Pferden zu hören. Und Stimmen. Offenbar hatten draußen noch ein paar Männer gewartet, deren Aufgabe es gewesen war, auf die Pferde aufzupassen.

Leonardo rannte quer durch die Mühle zu einem der Fenster, während von draußen bereits der Hufschlag der davon preschenden Reiterschar zu hören. Die Fensteröffnung war mit einem Leinentuch verhangen, denn Glas war dem Papiermüller offenbar zu teuer. Leonardo riss das Tuch zur Seite und sah den Reitern nach. Aber viel mehr als eine sich entfernende Staubwolke vermochte er nicht mehr zu erkennen.

„Die sind über alle Berge“, hörte er Carlo sagen, der ihm gefolgt war. Leonardo nickte.

„Das fürchte ich auch“, nickte er.

4. Kapitel

Meister Andrea in der Klemme

Meister Andrea war außer sich vor Verzweiflung. Er rang nach Atem und lief dunkelrot an, so sehr regte ihn dieser Überfall auf. „Was soll ich denn jetzt tun?“, zeterte er. „In drei Tagen kommt jemand von der Medici Bank, um die Papierlieferungen abzuholen – und dann muss ich natürlich die Form für das Wasserzeichen wieder abgeben! Nicht auszudenken, was geschieht, wenn ich sie nicht vorweisen kann.“ Er wirbelte herum.

„Matteo! Enrico! Denkt doch auch mal darüber nach, was wir tun können!“ Er fuhr sich mit der flachen Hand über seine Glatze und schloss dann für einen Moment die Augen. Schließlich schüttelte er in stummer Verzweiflung den Kopf.

„Am Besten Ihr geht nach Florenz und wendet Euch an die Stadtwache!“, sagte Martino. „Wenn hier Räuber ihr Unwesen treiben, dann wird man sich dort schon dafür interessieren. Schließlich gehört die ganze Gegend zur Republik Florenz...“

Meister Andrea lachte heiser auf. „Daran denkt man in Florenz allerdings nur, wenn es darum geht, Steuern einzutreiben!“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das geht nicht. Cosimo de’ Medici ist der Stadtherr von Florenz und gleichzeitig gebietet er über die Medici Bank. Die Stadtwache würde ihm doch sofort berichten, dass das Wasserzeichen gestohlen wurde und es damit möglich ist, Schuldscheine und Banknoten der Medici Bank zu fälschen.“

„Aber dazu bräuchte man nicht nur Papier mit dem richtigen Wasserzeichen, sondern auch noch das Siegel der Bank!“, mischte sich Leonardo ein.

Aber sich im Moment zu Wort zu melden, war ein Fehler, wie der Junge schon im nächsten Moment feststellte.

„Glaubst du vielleicht, diese Banditen haben die Drahtform nur aus Spaß gestohlen, du kleiner Schlaumeier? Die werden schon wissen, was sie damit anfangen können und wie sie es am Ende hinbekommen, dass alles perfekt aussieht! Aber du weißt natürlich alles besser – genauso wie du auch viel besseres Papier machen kannst als jemand wie ich, der ein Meister in dieser Zunft ist! Holz statt Lumpen – dass ich nicht lache!“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

Leonard erschrak darüber, wie der Papiermüller ihn anschimpfte. Martino trat neben ihn und legte Leonardo eine Hand auf die Schulter.

„Er meint es nicht so“, raunte er.

„Ich bin ruiniert!“, murmelte Meister Andrea vor sich hin. „Nie wieder wird die Medici Bank oder irgendjemand sonst, der in Florenz etwas zu sagen hat, bei mir Papier mit Wasserzeichen machen lassen...“

Carlo sagte inzwischen leise an Leonardo gerichtet: „Lass uns jetzt am Besten gehen, Leonardo. Die Sache wird hier ziemlich ungemütlich und Meister Andrea hat offenbar ziemlich schlechte Laune...“

„Kann ich ihm nicht mal übel nehmen“, flüsterte Leonardo zurück. Meister Andrea wandte sich nun an Martino und seine Freunde.

„Wie wär’s, wenn ihr mir helft?“, fragte er. „Ich zahle euch ein halbes Vermögen, wenn ihr es schafft, die Wasserzeichen-Form wieder zurückzubeschaffen bevor ein Abgesandter der Medici Bank hier auftaucht – was spätestens in drei Tagen der Fall sein wird! Na, was ist?

Habe ich jetzt eure Hilfe?“

Martino und seine Freunde wechselten ein paar Blicke. Sie drucksten herum.

„Diese Männer sind bewaffnet und gut ausgerüstet. Da könnten wir ohnehin nichts ausrichten, Andrea.“

„Ganz meine Meinung“, ergänzte einer der Männer, die Martino geholfen hatten, den falschen Lumpensammler davonzujagen. „Mit Knüppeln und Fäusten kann man doch nicht gegen Arkebusen und Schwerter kämpfen! Außerdem ist die Bande bestimmt längst über alle Berge. Schließlich waren sie beritten und wenn wir ihnen zu Fuß folgen würden...“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung und schüttelte anschließend den Kopf. „Ich glaube, das hätte wenig Sinn.“

Ein zustimmendes Geraune war von den anderen zu hören. Diese Feiglinge!, dachte Leonardo. Um einen einzelnen und auch noch unbewaffneten Mann zu verjagen, der in Martinos Bezirk Lumpen gesammelt hat, sind sie mutig genug gewesen - und jetzt trauen sie sich nicht.

„Ihr könnt mich doch nicht im Stich lassen!“, rief Andrea di Marco.

„Wenn ihr mir helft, die Kerle zu stellen, dann gebe ich euch mehr Geld, als ihr armen Schlucker je in einem Leben besessen habt! Das ist für mich immer noch billiger, als wenn ich in drei Tagen dem Beauftragten der Medici-Bank sagen muss, dass man mir die Wasserzeichen-Form weggenommen! Dafür hafte ich mit meinem Vermögen! Ich verliere die Mühle, wenn ich Schadenersatz zahlen muss...“

„Würdet Ihr mir einen Stapel Papier überlassen, wenn ich Euch helfe?“, fragte Leonardo.

Alle blickten in seine Richtung.

Sowohl Martino und seine Freunde, als auch die Gesellen und Lehrlinge in der Mühle. Wenn die Lage nicht so furchtbar ernst gewesen wäre, hätten sie jetzt wahrscheinlich grinsen müssen. Aber angesichts der Leichenbittermiene, die Andrea di Marco aufgesetzt hatte, ließen sie das besser.

„Einen Stapel Papier?“ Meister Andrea lachte. „Wie bescheiden! Du kannst auch zwei oder drei Stapel bekommen und dir meinetwegen die Bögen einzeln aussuchen, sollte es dir tatsächlich gelingen, dieser Bande das Handwerk zu legen.“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Bleibt nur die Kleinigkeit zu bedenken, dass du ein kleines unbewaffnetes Würstchen bist und wir es mit einer Bande Bewaffneter zu tun haben – soweit ich es erkennen konnte, wohl alles erwachsene Männer. Aber bitte! Dieses unwesentliche Problem sollten niemanden abschrecken!“

„Ich werde Euch beim Wort nehmen, Meister Andrea“, versprach Leonardo.

Meister Andrea verdrehte die Augen. „Wie weit ist es gekommen, dass ein ehrlicher Papiermüller, der in eine Zwangslage geraten ist, einzig und allein von einem verrückt gewordenen Kind Hilfe angeboten bekommt!“, stieß er wütend hervor und sein Gesicht nahm dabei eine dunkelrote Farbe an.

„Das ist doch verrückt“, sagte Carlo als sie auf dem Weg nach Hause waren. Irgendwo in der Ferne schlug eine Kirchturmuhr achtmal und das bedeutete, dass es höchste Zeit wurde.

Eigentlich hätten sie längst zurück in Vinci sein sollen. Aber so sehr Carlo seinen Freund auch dazu antrieb, sich zu beeilen, er hatte einfach keinen Erfolg damit. Leonardo sprach nämlich den ganzen Weg über fast ausschließlich darüber, wie man der Bande vielleicht auf die Spur kommen könnte. Dann blieb er manchmal sogar stehen und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, wenn er Carlo etwas zu erklären versuchte.

„Erst habe ich mir gedacht, man müsste den Hufspuren folgen. Aber das ist eigentlich überflüssig. Es ist doch sonnenklar, wohin das Wasserzeichen gebracht wird. Na? Kommst du auch drauf?“

„Keine Ahnung, Leonardo.“

„Na zu einer anderen Wassermühle. Wohin denn sonst? Dieses Wasserzeichnen besitzt doch nur dann einen Wert, wenn es in Papier eingearbeitet wird! Also muss ein Wassermüller in der Umgebung mit den Halunken zusammenarbeiten – oder er wird von ihnen unter Druck gesetzt und dazu gezwungen!“

„Leonardo...“

„Mein Vater kennt viele der Wassermüller in der Umgebung. Und dein Vater beliefert viele von ihnen mit Waren! Also müssten wir dich morgen eine Liste der Wassermühlen zusammenbekommen, die in Frage kämen.“

Carlo seufzte genervt. Seiner Meinung nach kam es auf etwa ganz anderes an. Schließlich unterbrach Carlo Leonardos Redefluss. „Jetzt sei doch mal einen Moment lang still!“, forderte er.

„Kann es sein, dass du gar nicht richtig mitdenkst?“, fragte Leonardo.

„Ich mache mir hier Gedanken darüber, wie wir diese Banditen überführen können und du bist noch nicht mal bei der Sache!“

Carlo verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein sehr ernstes Gesicht.

„Leonardo, ich gebe ja zu, dass du wahrscheinlich schlauer bist als ich und manchmal Sachen redest, von denen ich nichts verstehe“, sagte er.

„Aber im Moment bist eindeutig du es, der hier etwas nicht kapiert hat!“

Leonard blieb stehen und sah Carlo verwundert ab.

So hatte sein Freund noch nie mit ihm geredet.

„Wovon sprichst du eigentlich, Carlo?“