Let's live – Wie das Tanzen uns im Leben stark macht - Renata Lusin - E-Book

Let's live – Wie das Tanzen uns im Leben stark macht E-Book

Renata Lusin

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Beschreibung

Renata und Valentin Lusin sind ein Traumpaar – auf der Tanzfläche wie im Leben. Die beiden beliebten Profitänzer strahlen pure Lebensfreude aus und verzaubern damit immer wieder ihr Publikum: Tanzen ist ihr Leben und ihr Leben wie ein gemeinsamer Tanz. Doch neben Erfolgen und Glücksmomenten erleben die beiden auch Rückschläge, gezeichnet von Schmerz, Wut und Trauer. Völlig offen und authentisch erzählen sie, wie sie es als (Tanz-)Paar immer wieder schaffen, sich zu motivieren, zu kämpfen und ihre Leidenschaft lebendig zu halten. In ihrem Buch gewähren sie tiefe Einblicke in ihr Leben und zeigen, wie sie mit kühlem Kopf und warmem Herz durchs Leben tanzen. Mit zahlreichen ganz persönlichen Fotos von Renata und Valentin, die Einblicke in ihre bewegte Lebensgeschichte geben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Renata und Valentin

Lusin

mit Franziska Kucera

Let’s live

Wie das Tanzen uns im Leben stark macht

Renata und Valentin

Lusin

mit Franziska Kucera

Let’s live

Wie das Tanzen uns im Leben stark macht

Von Gänsehaut-Momenten, Leidenschaft und der puren Lust aufs Leben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2025

© 2025 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Frank Martin Siefarth, DiE WORTSTATT

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildung: Luisa-Ulyana Kazakbaev, luk-photography.com

Satz und Layout: Kerstin Stein

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0659-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98922-071-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Das kleinste Team der Welt

Wenn Sport und Kunst verschmelzen

Erfolge genießen – Rückschläge überwinden

Leben im Rampenlicht

Körper in Bewegung

Tanzend die Welt entdecken

Vom Tanzsaal auf die Showbühne

Das Leben weiter tanzen

Danke

Persönliches und Erfolge

Die Autoren

Für Stella

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ihr dieses Buch in den Händen haltet, ist für uns ein Traum in Erfüllung gegangen. Wie oft saßen wir bei einem Essen zusammen und schwelgten in den Erinnerungen der vergangenen fast 22 Jahre, die wir nun schon zusammen leben und tanzen. Dabei waren nicht nur unsere Freunde, sondern auch wir selbst immer wieder überrascht, was wir als (Tanz-)Paar schon alles er- und durchlebt haben. Nicht nur einmal fiel dann der Satz: »Eigentlich sollte darüber ein Buch geschrieben werden!«

Lange dachten wir aber, für ein autobiografisches Buch zu jung zu sein. Außerdem hatten wir das Gefühl, zunächst eine Art Abschluss finden, ein Kapitel in unserem Leben schließen zu müssen. Erst als unsere Tochter Stella auf die Welt kam und wir eine eigene Familie gründeten, sahen wir den richtigen Zeitpunkt gekommen.

Während das Buch entstand, tauchten wir noch einmal sehr intensiv in unsere eigene Abenteuerreise ein. Dabei waren wir verblüfft, wie doch alle Aspekte und Entscheidungen unseres bisherigen Lebens von der frühen und bis heute lodernden Leidenschaft, dem Tanzen, geprägt sind. Und uns wurde noch einmal anders bewusst, dass unser Leben nicht immer im Takt war. Umso dankbarer sind wir, dass wir unsere guten wie auch schlechten Zeiten noch einmal reflektieren und in diesem Buch nun festhalten konnten.

Wir werden oft gefragt, was das Geheimnis unserer langjährigen »bewegten« Beziehung ist. Ein einfaches Patentrezept haben wir nicht. Wir haben einfach nie aufgegeben, sondern hielten auch in Krisenzeiten an unseren Träumen, vor allem aber an uns selbst fest – und arbeiteten gemeinsam daran, die schwierigen Phasen zu überwinden. Wir hoffen, dass wir mit unseren Erzählungen in diesem Buch auch euch inspirieren und für die eine oder andere Situation Kraft geben können.

Renata und Valentin

Kapitel 1

Das kleinste Team der Welt

»Iiih, nein, ich tanze mit keinem Jungen!« Entrüstet stand ich mit meinen sechs Jahren vor meiner Mutter, die mich zu einer Tanz-AG für Kinder gebracht hatte. Erst in diesem Moment realisierte ich, dass ich mit einem Jungen in meinem Alter tanzen musste. »Nie im Leben«, schimpfte ich, »dazu habe ich keine Lust!« Irgendwie hatte ich das mit den zwei verschiedenen Geschlechtern schon verstanden und das ging mir einfach zu nah. Da half auch kein Überredungsversuch meiner Mutter – ich wollte nicht tanzen.

Renata erinnert sich, als wäre es gestern gewesen, wie sie in ihrer Heimatstadt Kasan – die gut 800 Kilometer östlich von Moskau an der Wolga liegt – zum ersten Mal zum Paartanz sollte. In Russland ist es üblich, Kinder schon im frühen Alter in einen Verein zu geben, wo die unterschiedlichsten Kurse angeboten werden. Da der klassische Paartanz Renata anfangs nicht gefiel, probierte sie ein paar Jahre andere Aktivitäten wie Ballett, Malen, Sticken und Klavierspielen aus. Ihr Großvater aber liebte das Tanzen und es war sein größter Wunsch, dass Renata es noch einmal versuchte. Also fing sie mit zehn Jahren – für russische Verhältnisse schon relativ spät – doch noch mit dem Tanzen an. Große Unterstützung erfuhr Renata dabei auch von ihrer Großmutter, die sich um gute Trainer sowie Tanzpartner für ihre Enkelin bemühte. Sie stellte die für Renatas Karriere benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung und verkaufte dafür sogar ihre Datscha, ein Wochenendhaus im Wert von mehreren tausend Euro. Das Tanzen war daher bei Renata von Anfang an von einer hohen Professionalität geprägt. Das ging sogar so weit, dass sie bereits in jungen Jahren für ihre Tanzkarriere die Heimat und ihre Eltern und Freunde verließ.

Mich motivierte nicht das Zusammensein mit Freunden oder anderen Kindern. Ich war von Anfang an sehr ehrgeizig und wollte – wie in der Schule – immer die Beste sein. In Russland gilt man mit zehn Jahren schon als ziemlich erwachsen. Es wird viel Disziplin erwartet und der Tanzunterricht läuft sehr streng ab. Ich hatte sieben Privatstunden in der Woche, da war kein Platz für Quatsch und Blödelei. Ich habe auch nie in einer Kinderklasse getanzt, ich bin sofort bei den Junioren eingestiegen.

Als ich 13 Jahre alt war, befand meine Familie, dass Kasan für meine Karriere nicht mehr genug Optionen zu bieten hatte. Und so ließ mein Opa alles hinter sich und zog mit mir nach Moskau. Auch dort stand der Konkurrenzgedanke immer sehr im Vordergrund. Zwar begann ich mich ein bisschen für Jungs zu interessieren – mein damaliger Tanzpartner fand mich sehr hübsch, er war schon zwei bis drei Jahre älter und flirtete mit mir. Aber der Tanzpartner war eher Mittel zum Zweck, um selbst aufzusteigen. Es gab kein Teamgefühl. Die Devise war immer: »Du tanzt mit ihm, damit du selbst besser wirst.«

In Russland ist es üblich, dass wohlhabendere Familien den Partner oder die Partnerin des eigenen Kindes mitfinanzieren, wenn sie als besonders talentiert gelten und sich ihre Familien den Unterricht nicht leisten können – allerdings nur so lange, wie sie das eigene Kind mit ihren Fähigkeiten vorwärtsbringen. Immer dann also, wenn Renatas Eltern oder ihre Großmutter der Meinung waren, sie hätte mit ihrem Können den aktuellen Tanzpartner überholt, suchten sie ihr einen neuen. Im Alter zwischen 10 und 16 Jahren hatte Renata deshalb insgesamt zwölf Partner.

Einer ihrer ersten Partner, noch zu Hause in Kasan, wohnte sogar bei ihrer Familie. Ihre Großmutter hatte ihn aus Sibirien kommen lassen, rief Renata in die zweite Etage ihres Hauses, wo sie bereits mit dem Jungen wartete, und forderte sie zu einem Probetanz auf. Eigentlich gab es aber gar nichts mehr zu »probieren«, denn die Entscheidung war längst gefallen und der Junge bereits eingezogen. Renata hatte aber auch selbst sehr klare Vorstellungen und Ansprüche an ihre Tanzpartner.

In Moskau hatte ich kurze Zeit einen Partner, der mir aber überhaupt nicht gefiel. Er hatte keinerlei Ehrgeiz und guckte immer so gelangweilt. Das nervte mich dermaßen! Und als er dann auch noch bei einem Tanz die Choreografie vergaß, bin ich ihm mit meinem Schuhabsatz mit voller Kraft auf den Fuß getreten, damit er nicht mehr mit mir tanzen wollte – was auch so kam. Er verstand meinen »Wink mit dem Zaunpfahl«, und rief schließlich nach der Tanzstunde meinen Opa an: »Entschuldigung, ich würde gerne nicht mehr mit Renata tanzen.«

Ich war schon immer unglaublich temperamentvoll und ehrgeizig. Wenn mir etwas nicht passte, sorgte ich dafür, dass es sich änderte – auch mit solchen Aktionen. In Moskau stritt ich mit jedem einzelnen Partner, den ich hatte, und mein Opa sagte nach gefühlt jedem Training zu mir: »Renata, dein Charakter ist eine Katastrophe, halt doch bitte endlich mal deinen Mund!« Mein armer Opa! Hoffentlich hat er nicht wegen mir schon vier Herzinfarkte gehabt.

Aber es war auch für mich eine schwierige Zeit. Ich steckte mitten in der Pubertät, war weit weg von meinen Eltern und ging mit meinem Opa durch all die Phasen eines jungen Mädchens: die Veränderung des Körpers, die erste Periode, das erste Verliebtsein – und das alles eingebettet in den leistungssportlichen Tanzunterricht. Erst Valentin konnte mich zügeln, aber auch das brauchte seine Zeit ...

Valentin verbrachte seine ersten Lebensjahre ebenfalls in Russland. Er stammt aus einer sehr musischen Familie und besuchte in seiner Geburtsstadt St. Petersburg ebenfalls eine Tanz-AG. Außerdem ging er zum Klavierunterricht.

Valentins Urgroßmutter war Deutsche. 1995, als er acht Jahre alt war, emigrierte seine Familie dann als Spätaussiedler nach Düsseldorf. Um ihrem Sohn in der neuen Heimat möglichst schnell eine feste Struktur zu bieten, nahmen Valentins Eltern alles verfügbare Geld zusammen und kauften ihm ein gebrauchtes Klavier, obwohl sie nur in einer Einzimmerwohnung lebten. Valentin hatte nämlich großes Talent, und so nahm er schon bald an Jugend musiziert-Wettbewerben bis zur Bundesebene teil. Aber auch das Tanzen geriet nicht in Vergessenheit, nach etwa einem Jahr begann er, zusätzlich zu den täglichen Klavierstunden, jeden zweiten Tag zum Tanztraining zu gehen. Mit der Zeit merkte Valentin aber, dass ihm das Einstudieren von klassischen Musikstücken immer weniger Spaß machte, während er das Tanzen stets im Kopf hatte und sich besonders auf das Training zusammen mit Gleichaltrigen freute. Also entschied er sich, das professionelle Klavierspielen aufzugeben und sich dafür ganz dem Tanzen zu widmen.

Ich liebte von Anfang an das Zusammensein mit anderen Kindern. Die Gruppendynamik beim Tanzunterricht faszinierte mich. Schon in Russland freute ich mich jedes Mal sehr auf das Tanztraining, weil ich wusste: Dort treffe ich meine Freunde, dort kann ich ein bisschen aus der strengen russischen Schule ausbrechen. Und ich gab schon immer gerne den Klassenclown, ich mochte es einfach, im Zentrum zu stehen, die Aufmerksamkeit der anderen auf mich zu ziehen und mich zu präsentieren – was in der Regelschule natürlich bestraft wurde, sich jedoch im Tanzunterricht aber auf einmal richtig gut machte, weil ich der Mutige war, der vortanzen wollte. Und wenn du da Späßchen machen und dich bewegen konntest, war das natürlich schon von Vorteil. Natürlich war meine erste Trainingsphase in St. Petersburg trotzdem von viel Disziplin geprägt und auch hier durfte ich nicht übertreiben. Aber ich fühlte mich da wirklich gut aufgehoben.

In Deutschland war es dann ähnlich: Ich erinnere mich noch gut an eine Phase, in der mir das Training unglaublich viel Spaß machte, gerade weil es ein Gruppentraining gab und ich das Tanzerlebnis in der Gruppe liebte. Wir hatten zwei sehr junge Trainer und ich konnte meinen Drang zur Kreativität voll ausleben und einfach Kind sein. Und dann kam plötzlich der Moment, als ich realisierte: Hier sind ja viele Mädels um mich herum, einige davon hübsch und auf eine besondere Art reizend!

DAS Großereignis war von da an der Abschlussball des Vereins, für den alle Kinder und Jugendlichen als Gruppe, aber auch schon im Paar etwas einstudierten. Die Mädchen machten sich schon richtig zurecht, und als am späteren Abend der »freie« Tanz begann, war es immer sehr spannend, wer wohl mit welchem Mädchen tanzen würde und wie lange. Da ist noch gar nichts passiert, aber es war ein erstes Flirten auf kindliche Art. Ich entdeckte einfach das Interesse am anderen Geschlecht. Es war aber nicht immer die eigene Tanzpartnerin und es gab auch keine erste große Liebe, bevor Renata meine Tanzpartnerin wurde.

Renata ist Valentins dritte Tanzpartnerin. Zuvor war er bereits sehr erfolgreich mit einer deutschen und mit einer ukrainischen Tänzerin. Als die direkte Vorgängerin von Renata von einem Tag auf den anderen zurück in die Ukraine ging, machte sich Valentins Mutter 2003 auf die Suche nach einer neuen Partnerin – auch in internationalen Foren. So stieß sie auf die Annonce von Renatas Mutter, die für ihre Tochter ebenfalls einen neuen Partner suchte. Renata war zu diesem Zeitpunkt wie Valentin 16 Jahre alt, hatte gerade ihre Schule beendet und ihre Familie konnten es sich leisten, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ihre Karriere voranzutreiben. Schon beim ersten Telefongespräch sagten sie prompt zu: »Renata kann in einer Woche für ein Probetraining in Düsseldorf sein.« Valentin beeindruckte diese hohe Professionalität in dem jungen Alter sehr.

Ich war fast ein wenig überrumpelt und dachte nur: »Wow! Dieses Mädchen lebt in Russland – weit weg –, aber sie ist in einer Woche zum Probetraining da und bereit, auch hier zu leben!« Ich war sehr aufgeregt und wollte natürlich wissen, wie Renata aussieht. Ich suchte im Internet nach Fotos von ihr und fand auch welche, da Renata bereits in ein paar Magazinen abgebildet war – neben dem Tanzen modelte sie ein wenig. Sie war ein sehr hübsches Mädchen, absolut mein Typ, und ich verliebte mich schon direkt in ihr Foto. So erwartete ich voller Vorfreude ihr Ankommen.

Bei uns in der Moskauer Wohnung gab es kein Internet. Ich hatte nur in einer russischen Tanzzeitschrift ein kleines Foto gesehen, auf dem Valentin bei einer Weltmeisterschaft in Moskau zu sehen war. Er hatte schwarze Haare und ich dachte mir etwas traurig: »Aha, okay, ein Südländer, der ist ja so komplett nicht mein Typ.«

Als das Foto entstand, haben meine damalige Tanzpartnerin und ich schon sehr hochklassig trainiert. Irgendwann überlegten wir uns, wie wir noch besser punkten könnten. Und da kam ich als Fünfzehnjähriger auf die Idee, mir die Haare schwarz zu färben, um einen Kontrast zu den blonden Haaren meiner Partnerin zu setzen – ich hatte ja schon immer diese aschblonde »Niemandslandfarbe«.

Als wir dann im Juni 2003 – in normalen Klamotten – am Düsseldorfer Flughafen ankamen, bugsierte mich meine Mama als Erstes in eine Toilette und packte ein schickes Outfit mit Mütze und hohen Schuhen aus, damit ich für die Familie Lusin gut aussah. Das war krass, wie sie das organsiert hatte! Als ich in die Wartehalle hinaustrat, sah ich Valentin zum ersten Mal in echt vor Augen. Er hatte ein rotes Muskelshirt an und eine schwarze Sonnenbrille auf, die er bis zu Hause nicht ablegte. Ich dachte mir: »Okay, schwarze Haare, aber eine ganz tolle Figur, eine richtige Taille und schöne Schultern.« Als er dann in seinem Zimmer endlich die Sonnenbrille abnahm und ich zum ersten Mal seine blauen Augen sah, war es Liebe auf den ersten Blick! Ich war hin und weg.

Am nächsten Tag sind wir dann erst einmal zusammen ins Schwimmbad gegangen und ich machte Renata mit meinen Freunden bekannt. Renata stellt das gerne so dar, dass ich sie direkt »abchecken« wollte. Aber das war nicht mein Gedanke. Es war tatsächlich ein sehr heißer Tag und der Schwimmbadbesuch hatte sich einfach angeboten. Aber natürlich waren da schon ganz viele Schmetterlinge im Bauch, es schwirrte einfach etwas in der Luft. Das spürten auch meine Freunde, die mit der Zeit auch alle Renatas enge Freunde wurden.

Und dann massierte mich Valentin dort im Schwimmbad, unternahm also doch die ersten Annäherungsversuche. Es war eine tolle Massage und ich dachte mir nur: »Wow, was für ein Junge!« – Aber das war auch die erste und letzte richtige Massage in 21 Jahren. Nur ein einziges Mal während der Schwangerschaft, als ich ihn um eine Fußmassage bat, legte er ganz kurz seine Hände an und meinte aber sogleich wieder: »Reicht, fertig. Reicht, oder!?«

Am zweiten Tag nach meiner Ankunft – an meinem Geburtstag – waren wir bei ihm zu Hause allein im Wohnzimmer. Er saß auf einem Sessel und ich auf dem Sofa. Plötzlich sagte er zu mir: »Ich mag Mädchen, die so ein bisschen dirty sind. Bist du dirty?« Und ich: »Ja, ich bin dirty«. Daraufhin witterte Valentin seine Chance: »Würdest du mich küssen?« Und ich: »Okay.« Von dem Moment an waren wir zusammen.

Im Mittelpunkt ihres Lebens stand für Renata und Valentin dennoch weiterhin die Tanzkarriere und ihr Tagesablauf folgte von Beginn an einer strengen Taktung: Valentin ging zur Schule und Renata zu ihrem Deutschkurs, mittags trafen sie sich zum Essen, machten Hausaufgaben und gingen anschließend gemeinsam zum Training in den nahegelegenen Verein. Doch dort mussten sie feststellen, dass das Tanzen miteinander gar nicht gelang: Die beiden kamen aus zwei völlig unterschiedlichen Schulen und es fühlte sich für sie zunächst überhaupt nicht gut an. Renata argumentierte immer: »Aber in Russland muss man so tanzen!« Und: »In Russland muss man das so machen!« In Russland würde man so schwingen. Und Valentin konterte: »Nein, hier schwingt man aber so!« Er wollte das eine und sie das andere. Renata hatte einen starken Willen und ganz bestimmte Vorstellungen, war aber nun in Valentins Welt und in seinem Training gelandet und die beiden mussten sich miteinander arrangieren.

Trotz dieser Schwierigkeiten entschieden sie sich nach dem Absolvieren des Probetrainings dennoch sehr bewusst dafür, ihre Karriere gemeinsam fortzusetzen. Es mochte zwar tänzerisch noch nicht funktionieren, aber ihre Gefühle füreinander und die Begeisterung der Trainer für sie wegen ihrer Ausstrahlung und ihrer Frische als Tanzpaar überzeugte sie. Einen Schreckensmoment gab es für Valentin aber noch.

Wir sprachen vor den anderen nicht über uns als Liebespaar, durch unsere Blicke und unser Verhalten war es jedoch für alle offensichtlich. Nach ein paar Wochen zog Renata sich dann plötzlich komplett zurück: Sie gab mir zur Begrüßung keinen Kuss, hielt meine Hand nicht mehr. Einfach so, ohne Begründung, von jetzt auf gleich. Und ich war mittlerweile schon wirklich verliebt! Ich ertrug das eine Woche, dann hielt ich es nicht mehr aus und fing an nachzubohren: »Hey, was ist denn? Warum? Was ist los?« Renata ging aber nicht darauf ein, bis ich sie klipp und klar fragte: »Sind wir jetzt zusammen oder nicht?« Und endlich antwortete sie: »Doch, schon, wir sind zusammen.« Erst Wochen später erfuhr ich ganz nebenbei, dass ihr Verhalten auf ein Gespräch mit unserem Trainer zurückging, der ihr gesagt hatte: »Wenn ihr wirklich Erfolg haben wollt, dann könnte euch das private Zusammensein im Weg stehen.« Denn wir würden Gefahr laufen, andere Interessen zu entwickeln, anstatt ins Training zu gehen. Und das hatte Renata – die nun mal nach Deutschland gekommen war, um Erfolg zu haben und Weltmeisterin zu werden – so verunsichert, dass sie glaubte, wir dürften nicht zusammen sein. Zum Glück ließ sie sich aber vom Gegenteil überzeugen.

Die vielen Kabbeleien beim Tanzen hörten trotzdem nicht so schnell auf. Renata und Valentin mussten sich teilweise sehr zwingen, diszipliniert zu trainieren. Es gab viel Schubserei und Zerrerei und es flogen durchaus auch Gläser oder Schuhe ... Viele Trainings zogen sie wortlos miteinander durch, weil sie glaubten, es wäre besser zu schweigen und einfach nur stupide Übungen durchzuziehen. Besonders das erste halbe Jahr war schwierig und Valentins Vater kam immer mit zum Training, damit sie die Zeit »unbeschadet« überstanden. Immerhin schafften sie es, den Streit nicht ins Private und mit nach Hause zu nehmen, sondern im Training zu lassen. Heute sieht Renata mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf diese Zeit zurück.

Renata in Tanzpose mit ihrem geliebten Opa im Jahr 2015

2003 frisch verliebt im ersten gemeinsamen Spanienurlaub und bei der ersten Weltmeisterschaft in China

Auf das Tänzerische und das Training bezogen gingen wir wirklich durch eine Hölle. Ich war sehr impulsiv. Zu impulsiv. Irgendwann diktierte mir Valentin deshalb einen Vertrag, den ich handschriftlich verfassen und unterschreiben musste:

»Ich, Busheeva Renata, gebe mein Wort, dass ich nie Valentin schlagen oder stark schubsen werde. Egal, wie stark er mich beleidigt oder ich ihn, dürfen wir uns nicht gegenseitig physisch angreifen. Wenn ich es mache, dann sind wir nicht mehr privat zusammen. Dieser Vertrag gilt bis zum Schluss unserer Tanzkarriere.«

Von da an rissen wir uns beide mehr zusammen. Neben meinem starken Charakter tat ich mich aber auch lange mit dem Team-Gedanken schwer: Ich hatte in Russland ein sehr ich-bezogenes Training und auch von den Trainern wurde mir nie vermittelt, dass man nur als Team etwas erreichen kann. Es dauerte lange, bis ich von dem ständigen »ICH muss besser werden« wegkam und den Teamgedanken greifen konnte. Das war erst so mit 19 Jahren. Ein Schlüsselmoment war, dass Valentins Vater irgendwann zu mir sagte: »Renata, das bringt doch nichts! Warum vergleicht ihr euch immer, wer besser von euch ist? Ihr seid doch ein Team!«

Natürlich gab es auch sehr viele positive Momente und Erlebnisse: Renata imponierte es sehr, dass Valentin ihr Konter gab und nicht einknickte. Sie waren beide sehr ehrgeizig und wollten unbedingt nach vorne. Und so waren sie trotz aller Differenzen von Anfang an sehr erfolgreich und gewannen noch im August 2003 in der Amateurklasse den Bonner Sommerpokal, bei dem sich die Tanzpaare in lateinamerikanischen Tänzen und Standardtänzen messen. Außerdem gefiel es Renata in Deutschland sehr gut. Valentin entpuppte sich als perfekter Fremdenführer und zeigte ihr Düsseldorf und die Umgebung. Außerdem schaffte er es, sie schnell in seinen Freundeskreis zu integrieren. Ein großer Vorteil war, dass viele Freunde von Valentin – wie auch er selbst – Russisch sprachen und ihre Kommunikation dadurch nicht eingeschränkt war.

Bei der Siegerehrung einer Landesmeisterschaft in Renatas und Valentins Heimverein TSC Düsseldorf Rot-Weiss e. V.

Als Renata 18 Jahre alt wurde, zog sie bei den Lusins aus und in eine eigene Wohnung. Vielleicht auch durch diesen Schritt in das Erwachsenenleben beeinflusst, zeichnete sich ein Wendepunkt in ihrem komplizierten und streitvollen Verhältnis als Tanzpaar ab: Auf einmal wurde ihnen bewusst, dass beide ihre jeweiligen Eltern immer in ihre Auseinandersetzungen mit hineinzogen, erinnert sich Valentin.

Wenn wir uns stritten, rief ich Renatas Mutter an und beklagte mich: »Sie hat sich wieder so und so benommen«. Und Renata petzte an meine Eltern: »Er hat das und das zur mir gesagt!« Das führte dann immer wieder dazu, dass sich unsere Eltern einmischten und alles am Ende nur noch komplizierter wurde. Plötzlich wurde mir klar: Wir sind ein Team, wir sind jetzt erwachsen und wir müssen unsere Konflikte selbst miteinander klären! Von dem Moment an begannen wir, mehr miteinander zu kommunizieren, und das wirkte sich letztendlich auch positiv auf das Training aus.

Was uns – im Training wie auch privat – unheimlich weiterbrachte, war außerdem ein Trainingslager mit Maximiliaan Winkelhuis, bei dem wir auch einen Persönlichkeitstest mitmachten. In den Ergebnissen fanden wir uns zu hundert Prozent wieder und konnten sie richtig gut für uns umsetzen. Die Quintessenz war, dass Renata und ich zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen haben – in unseren eigenen Worten gesprochen bin ich das Wasser und Renata das Feuer –, wir aber zum jeweils anderen Extrem streben. Gleichzeitig meiden wir die gleichen uns unangenehmen Persönlichkeiten. Und damit verstanden wir endlich, dass wir beide uns selbst und auch den anderen nicht verbiegen und verändern, aber uns durch das jeweilige Streben zum anderen gegenseitig sehr bereichern können. Diese Erkenntnis schweißte uns als Team so richtig zusammen. Wir gingen von da an sehr viel reflektierter an unser Handeln und Training heran. Ich lernte immer mehr, Renatas starkes Temperament zu akzeptieren und es sogar als eine Art »Waffe« für unseren Erfolg einzusetzen.

Trotz aller Meinungsverschiedenheiten und charakterlichen Unterschiede kam es für die beiden nicht zuletzt wegen ihrer privaten Beziehung auch nie ernsthaft infrage, sich als Tanzpaar zu trennen. Renata lernte, öfter nachzugeben und sich mehr zurückzunehmen. Das widerstrebte ihr zwar immer noch häufig, aber dafür konnten sie im Training durchtanzen und ihr tänzerisches Niveau kontinuierlich weiterentwickeln. Und sie akzeptierten ihre jeweiligen Rollen, die im Tanzsport nun einmal traditionell festgelegt sind: Der Herr führt und die Dame folgt. Darauf basieren das Wesen und die gesamte Technik des Paartanzes.