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Was ist deine sexuelle Bestimmung?Wie alle Einwohner Belgrames vertraut Satie vollkommen auf den LeXuS, was ihre Zuordnung angeht. Und doch... Sogar er ist nicht immer zuverlässig. Jetzt ist ihr Schicksal mit dem ihres Partners verbunden. Einem Partner, der sie bis an ihre Grenzen bringt. Sie ist zu allem bereit, um diesem zerstörerischen Leben ohne Ausweg zu entkommen. Zum Glück bleibt ihr eine Möglichkeit: der Praegressus.-
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Seitenzahl: 54
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Virginie Bégaudeau
Übersezt von Lea Kaul
Lust
LeXuS: Satie, der Praegressus - Eine erotische Dystopie
Übersezt von Lea Kaul
Titel der Originalausgabe: LeXuS: Satie, le Praegressus
Originalsprache: dem Französischen
Coverimage/Illustration: Shutterstock
Copyright © 2020, 2021 Virginie Bégaudeau und LUST
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726638943
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Artikel L-8535274 - Absatz L-17
Jeder Einwohner Belgrames hat, unabhängig von seiner Zuordnung, nach seinem dreißigsten Geburtstag das Recht, sich zum Praegressus einzuschreiben Dieser findet jedes Jahr am ersten Sommertag statt.
Eine Bewerbung für den Praegressus gibt einem das Recht, sich endgültig einzuschreiben. Die Einwohner, die zum Casting für den Praegressus eingeladen werden, müssen sich am Tag ihrer Vorladung melden, und riskieren sonst einen Transfer in den Distrikt X.
Ein Sieg beim Praegressus erlaubt es dem Einwohner, seinem Wunschdistrikt zugeordnet zu werden, frist- und bedingungslos.
Kennziffer: 1593
Alias: Satie Wolfgram
Geschlecht: weiblich, identifiziert
Zuordnung: Distrikt II
Diese zweite Explosion scheint entfernter zu sein. Ich höre sie kaum. Ich versuche, sie zu lokalisieren. Im Westen oder im Osten, ich weiß es nicht mehr. Meine Ohren brummeln, wahrscheinlich ist mein Trommelfeld beschädigt. Meine Bluse ist offen, es ist die Uniform der Praegressus-Kandidaten. Ich schaue zu, wie die Menge auf der Tribüne schreit. Ein Podium stürzt ein.
Die dritte Explosion überrascht mich nicht mehr. Ich schaue dem Ereignis zu, regungslos in Mitten meiner Rivalen und neben meinem Mitspieler. Die Zeit bleibt stehen und wir sind dazu gezwungen, aufzuhören und zuzuschauen, wie uns Terroristen die Show stehlen.
Rauch steigt aus dem Podium hervor und dann Feuer. Ich höre mehrere Schüsse, hinter mir, vor mir, überall. Die Schreie in der Arena, in der wir um unsere sexuelle und geistige Freiheit gekämpft hatten, werden lauter. So lange hatte ich auf den Praegressus gewartet, der mich vor dem sicheren Tod retten würde. Ich könnte dem Mann, der mich dazu initiiert hatte, niemals genug danken.
Es ist das größte Ereignis in Belgrame. Das einzige, an dem alle Distrikte teilnehmen. Alle Einwohner konnten sich für den Praegressus bewerben, mit Ausnahme der Beraubten. Nach einem sehr anstrengenden Casting wurden die Kandidaten eine Woche lang geschult und dann in die Arena geschickt. Es findet alles im Distrikt O statt und wird von den Funktionären überwacht. Sie sind die Drahtzieher des Praegressus, der von den Richtlinien der Gründer selbst inspiriert ist. Bis heute weiß man nicht, wann der erste Praegressus stattgefunden hat, und die Einwohner Belgrames können somit selbst schätzen. Aber im kollektiven Unterbewusstsein ist der Praegressus so sehr mysteriös wie gefürchtet. Diejenigen, die ausgesucht wurden, sind zugleich Helden und Märtyrer.
Er gehörte zu den festen Traditionen unserer Stadt und unseres Staates. Und das auch noch während ich beobachte wir er unter den Bomben und den Schüssen zugrunde geht.
Die Sirenen der Stadt hallen in allen Straßen wider. Es war ein Angriff. Der Anfang eines Krieges. Aber völlig niedergeschlagen auf dem Kampffeld stehend habe ich keine Angst mehr.
*
Auf der Brücke der Talgrad Allee schaute ich auf den ruhigen und verführerischen Fluss. Die Sonne ging über Belgrame auf. Ich wusste, dass es mein letzter Sonnenaufgang war. Ich stand hoch oben und war dennoch ruhig, obwohl ich immer unten Höhenangst gelitten hatte. Nein. Es war die Fülle in diesem spätherbstlichen Nebelschleier. Ich konnte jetzt springen und hoffen, ich würde mir etwas brechen oder das Bewusstsein verlieren, um anschließend in aller Ruhe zu ertrinken. Ich konnte auch noch etwas warten. Der Fluss alleine würde meinen schwächlichen Körper in wenigen Momenten besiegen. Ich zählte darauf.
Es gab keine bessere Art dieses Leben hinter mir zu lassen. Ich hatte schon monatelang darüber nachgedacht. Ich hatte, so lange es nur ging, versucht, diese düsteren Gedanken zu kontrollieren. Anfangs verschwanden sie schnell. Doch je länger ich diesen tödlichen Alltag verfolgte, je häufiger und dauerhafter kamen sie zurück. Ich wusste, dass es keine Alternative gab.
Ich war dem Distrikt II zugeordnet worden. Ich war zur Partnerin geworden, und es hatte kaum Zeit gekostet, mich auszubilden. Es war eine Existenz, in der meine Sexualität, genau wie in den anderen Distrikten, kontrolliert wurde. Aber sie war auch an eine einzige Person gebunden, die der LeXuS für mich ausgesucht hatte. Mehr wusste ich nicht, da ich mich nie wirklich für das Leben der Partner interessiert hatte, die mich großgezogen hatten. Ich wusste, dass mich keine der Zuordnungen glücklich gemacht hätte. Ich war ratlos. In nur wenigen Wochen hatte ich viele meiner Anhaltspunkte verloren und mein Treffen mit Fred, meinem Partner, machte die Sache nur noch schlimmer. Im Institut des Distrikts II hatte ich meine ersten Gespräche zur Auswahl abgesessen. Die Funktionäre, die dieses Programm leiteten, stützen sich bei der Entscheidung auf unsere DNA und auf unsere genetische Akte, die die Verwaltung seit unserer Geburt sicher aufbewahrte. Es war die einzige Spur unserer Existenz. Sie fanden den perfekten Partner. Auf dem Formular hatte ich meine sexuelle Orientierung angegeben: heterosexuell, meinen ersten Trieben nach. Man hatte mich immer wieder daran erinnert, dass der LeXuS zelebriert werden musste, dass er zuverlässig war.
Ich trug meine Uniform, mein Haar in einem strikten Dutt zurückgebunden, als ich meinen Termin beim Offizier antrat. Offizier Davis führte mich in ein Sprechzimmer. Fred kam später dazu. Er war ein großer Man, mit kühlen Zügen. Sein voller Bart war perfekt gestutzt und seine Haare waren nach hinten gekämmt. Schon jetzt flößte er mir Furcht ein. Sein Blick hatte etwas Grausames. Was anschließend geschah, ist mir bis heute unklar. Wir mussten viele Tests über uns ergehen lassen, Statistiken, Fingerabrücke und Lügendetektoren. Der LeXuS befand, dass eine zu große emotionale Bindung der Beziehung zwischen Partnern schaden würde. Unsere Rolle war es, zusammen zu leben und die Kinder Belgrames zu erziehen, die Paidi, die im Brutkasten geboren und anschließend bei Partnern einquartiert wurden. Aber es hätte zumindest etwas Zuneigung geben sollen, oder wenigstens eine Spur von Respekt.