Lichtgezeiten - Gregory Benford - E-Book

Lichtgezeiten E-Book

Gregory Benford

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Beschreibung

Welches Überlebenskapital hat der Mensch?

Im Zentrum der Galaxis befindet sich ein riesiges Schwarzes Loch, das unerbittlich Sonnen verschlingt. In dieser unheimlichen Sternenwelt flieht eine kleine Schar Menschen vor einem übermächtigen Feind: künstliche Intelligenzen, die in Roboterkörpern stecken und gnadenlos Jagd auf organische Lebensformen machen. Die Menschen schaffen es, ein anderes Sonnensystem zu erreichen, in dem sie eine überlegene Zivilisation finden. Doch die interessiert sich zunächst nicht für diese Primitivlinge ...

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GREGORY BENFORD

LICHTGEZEITEN

»CONTACT«-ZYKLUS

Vierter Roman

INHALT

Widmung

Erster Teil – Abrahams Stern

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

Zweiter Teil – Sternschwärmer

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Dritter Teil – Eine Frage des Impulses

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

Vierter Teil – Gefährliche Menschen

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Fünfter Teil – Kosmische Saat

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Epilog – Fahren mit der Flut

Dieser Roman ist für

zwei Träumer bestimmt,

die allem zum Trotz recht

behalten haben:

CHARLES N. BROWN

und

MARVIN MINSKY

ERSTER TEIL

*

1. Kapitel

Der Captain liebte es, draußen auf der Hülle des Raumschiffs spazieren zu gehen.

Dies war der einzige Ort, an dem er sich wirklich allein fühlen konnte. In Innern der »Argo« gab es stets ein Rascheln von Bewegungen, Reibereien zwischen Leuten, die seit zwei Jahren in dem engen, wenn auch zugegebenermaßen angenehmen Raum eines Sternenschiffs eingeschlossen waren.

Noch schlimmer war es, dass ihn, wenn er sich im Innern befand, immer jemand behelligen konnte. Es war besser, wenn die Sippe ihn am frühen Morgen in Ruhe ließ. Das hatte er ihnen klarmachen müssen. Er hatte sorgfältig eine kleine Legende aufgebaut, wonach er unmittelbar nach dem Aufwachen schlecht gelaunt wäre. Dies begann sich auszuzahlen. Wenn es auch noch vorkommen mochte, dass Kinder ihn bestürmten und mit einer Frage herausplatzten, so war doch später immer ein Erwachsener in der Nähe gewesen, um das lästige junge Volk abzuwimmeln.

Killeen hasste Notlügen – er war morgens nicht mehr reizbar als zu jeder anderen Tageszeit –, aber nur so konnte er sich wohl einen privaten Freiraum schaffen. Wenn er draußen war, rief ihn niemand über die Sprechanlage des Schiffs an. Und natürlich würde es auch kein Schiffsoffizier wagen, durch die Schleuse zu gehen, um mit ihm zusammenzukommen.

Und jetzt gab es einen noch viel triftigeren Grund, nicht herauszukommen. Wenn man sich auf der Hülle bewegte, bot man ein besseres Ziel für die stets wachsamen Augen von oben.

Hier draußen. Killeen hatte so sehr über die Probleme nachgedacht, mit denen er konfrontiert war, dass er, wie schon oft, völlig versäumt hatte, die Aussicht zu bewundern. Oder ihre feindliche Begleitung zu orten.

Als er den Kopf hob, um all diese Flut von Licht einströmen zu lassen, war sein erster Eindruck der eines brodelnden, von Wolken verhangenen Himmels. Er wusste, dass das eine Illusion war, dass es da überhaupt keinen Planetenhimmel gab und dass der polierte Rumpf der »Argo« keinen Horizont darstellte.

Aber der menschliche Geist beharrte bei den als Kind erlernten Vorstellungen. Die leuchtenden Farbmuster in Blau und Rosa, Elfenbein und Orange waren keine Wolken im herkömmlichen Sinne. Ihre Phosphoreszenz rührte von ganzen Sonnen her, die sie verschlungen hatten. Sie bestanden nicht aus Wasserdampf, sondern aus kunterbunten Schwärmen zusammenprallender Atome. Diese sandten Licht aus, weil sie durch die Sterne, deren Strahlung sie abdeckten, übermäßig angeregt waren.

Und seinerzeit auf Snowglade hatte kein Himmel je von der eingefangenen Energie geflimmert, die zwischen diesen Wolken launisch aufblitzte. Killeen sah, wie nahe einem großen orangefarbenen Fleck ein blauheißer Strahl erschien, dessen wabbelnde Kurven wie geplatzte Würstchen dicker wurden. Das Ding rollte sich zusammen, ballte sich wie eine träge Schlange zu funkelnden Furchen und zerbarst in gespenstisch zerquälte Teile.

Konnte dies das Wetter der Sterne sein? Snowglade hatte unter einem Klima gelitten, das jäh schlimm werden konnte; und Killeen nahm an, dass dies in unvergleichlich größerem Maßstab zwischen Sonnen zutreffen könnte. Da er nicht wusste, wie Planeten Wetter erzeugen oder das komplexe Muster von Gezeiten und Strömungen in Luft und Wasser, bedeutete es für ihn keinen großen Sprung zu vermuten, dass für die wilden Lebensäußerungen der Sterne ein ähnliches Mysterium gelten könnte.

Durch diesen Himmel bahnte sich ein Unheil seinen Weg. Hinter ihnen drehte sich die karmesinrote Scheibe des Fressers als ein großes bissiges Maul. Es fraß ganze Sonnen und rülpste heiße Gase aus. Bei dem Flug der »Argo« von Snowglade hatten sie mit hereinströmendem und auftreffendem Staub zu kämpfen gehabt, von dem sich das Monster ernährte. Seine große Scheibe war am Rande wie kandierter Zucker und wurde zum Zentrum hin rötlicher. Weiter innen wirbelte es leuchtend gelb, und noch weiter drinnen lebte noch eine blauweiße Wildheit, ein stabiler Feuerball.

Wenn er nach vorn schaute, konnte Killeen im großartigsten Ausmaß die Struktur sehen, die sich nach Aussage seiner Aspekte dort befinden musste. Die ganze Galaxis lauerte wie ein silbriges Gespenst hinter den finsteren Staubbändern. Sie war wie der Fresser eine Scheibe, aber unvergleichlich größer. Killeen hatte alte Bilder von den Regionen jenseits des Zentrums gesehen – ein Meer von Sternen. Aber dieses Meer zeigte keine Wellen und Wirbel. Hier durchzogen Gezeiten des Lichts den Himmel, als ob irgendein Gott sich das Zentrum als letztes schimmerndes Kunstwerk erwählt hätte. Ihr Zielstern drehte sich vor ihnen, ein Stäubchen in wütendem Sturm; und all ihre Hoffnung richtete sich nun auf ihn.

Und in diesem Gebrodel befand sich ihr Feind.

Er kniff die Augen zusammen, um ihn zu finden. Die »Argo« näherte sich dem Rand einer kohlschwarzen Wolke. Das entfernte Mechano-Vehikel befand sich wahrscheinlich dort irgendwo in der Finsternis. Abrahams Stern kämpfte sich aus der massiven Hülle heraus. Bald würde die »Argo« durch die Wolkenfetzen blicken und seine Planeten erkennen können.

Killeen durchfuhr eine Idee; aber er verdrängte sie, fasziniert von dem Spektakel, das ihn umgab. Der Himmel betätigte sich mit geriffelten und schuppigen Leuchtkaskaden – wie schimmernde Tiere, die in tiefschwarzer See versinken.

Er fragte sich nach den Chancen, dass allein sein Auftauchen hier draußen das Mechano-Vehikel reizen könnte, ihn mit einem Bolzen zu durchbohren. Niemand wusste das; und eben darum musste er, der paradoxen Logik der Führerrolle folgend, es tun.

Killeen hatte sein Ritual der Außenbordspaziergänge vor einem Jahr begonnen, auf das Drängen eines seiner hauptsächlichsten Aspekte hin, einer Persönlichkeit namens Ling. Dieser hoch geachtete und respektierte Aspekt war ihm in einer feierlichen Zeremonie in dem Zentralsaal der »Argo« von der Sippe übergeben worden. Ling war der letzte richtige Kapitän eines Sternschiffs im Chip-Inventar der Sippe gewesen. Der mikrominiaturisierte Geist hatte einen Vorläufer der »Argo« befehligt und Anlass zu aufregenden, wenn auch oft unglaublichen Seemannsgarnen gegeben.

Ja, und wenn du meinem Rat folgst, ist das lohnend.

Durch den Gedanken an Ling war die entschlossene, kapitänsmäßige Stimme in Killeens Geist aufgeklungen. Er gestattete sich ein skeptisches Stirnrunzeln. Ling griff es auf.

Du hast diese Außenspaziergänge zusätzlich benutzt, angesichts des Feindes deine persönliche Ruhe und Gelassenheit zur Schau zu stellen.

Killeen sagte nichts. Sein missmutiger Zweifel würde schließlich zu Ling durchsickern, wie die Nachwehen eines Gewitters. Er ging ruhig weiter und vergewisserte sich stets, dass seine Stiefel magnetisch fest auf der Schiffshülle hafteten, ehe er das nächste Bein freimachte. Aber selbst wenn er sich durch einen Tritt vom Schiff löste, bestand gute Aussicht dafür, dass seine niedrige Flugbahn ihn zu einer Strebe oder Antenne weiter am Heck führen würde. Damit könnte er die Peinlichkeit vermeiden, die er oft empfunden hatte, als er mit dem Ritual begonnen hatte. Fünfmal hatte er sich gezwungen gesehen, sich mit Hilfe einer am Ende mit einem Magneten versehenen Wurfleine zurückzuziehen. Er war sicher, dass die Mannschaft das mit angesehen und kräftig gelacht hatte.

Jetzt legte er Wert darauf, diese Leine nicht griffbereit am Gürtel zu tragen. Er bewahrte sie in einer Tasche am Bein auf. Jeder, der ihn von den großen Agrarfeldern aus beobachtete, würde sehen, wie ihr Captain ohne erkennbare Sicherheitsleine zuversichtlich über die breiten Wölbungen der »Argo« marschierte. Wenn schwierige Zeiten kommen sollten, wäre es angenehm, den Ruf unerschütterlichen Vertrauens in seine Fähigkeiten zu genießen.

Killeen drehte sich so um, dass er die blassgelbe Scheibe von Abrahams Stern vor sich hatte. Schon seit Monaten wussten sie, dass er das Ziel ihrer jahrelangen Fahrt war – ein Stern so ähnlich wie der von Snowglade. Shibo hatte ihm gesagt, dass auch er von Planeten umkreist würde.

Killeen hatte keine Ahnung, was für Planeten das sein würden oder ob sie seiner Sippe eine Zuflucht bieten könnten. Aber das automatische Programm von »Argo« hatte sie hierher geführt aufgrund von Kenntnissen, die viel älter waren als ihre Ahnen. Vielleicht wusste das Schiff gut Bescheid.

Auf jeden Fall ging die lange Ruhepause der Sippe zu Ende. Eine Zeit der Heimsuchungen stand bevor. Und Killeen musste sicher sein, dass sein Volk gerüstet war.

Er merkte, dass er eine schärfere Gangart eingeschlagen hatte und die Schiffshülle kaum berührte. Seine Gedanken trieben ihn voran, ungeachtet des lauten Schnaufens in dem engen Helm. Der widerliche Moschusgeruch seines Schweißes ließ ihn die Nase rümpfen; aber er ging weiter. Diese Übung war gewiss gut; aber sie hielt auch seine Gedanken von der unsichtbaren Bedrohung da oben fern. Noch wichtiger – der scharfe Schritt machte ihm den Kopf frei zum Nachdenken, ehe er den offiziellen Tag begann.

Disziplin war sein wichtigstes Anliegen. Mit Lings Hilfe hatte er gedrillt und unterrichtet in dem Bemühen, die alten Geheimnisse der »Argo« auszuloten und seine Offiziere zu tüchtigen Raumfahrern zu machen.

So war seine Rolle zwiespältig: Captain einer Besatzung, die zugleich seine Sippe war – ein Umstand, der in der Erinnerung keines Zeitgenossen vorkam. Er hatte nur den nüchternen Rat seiner Aspekte oder die weniger bedeutenden Gesichter, um ihn zu leiten. Alte Stimmen aus Zeitaltern, die durch viel mehr Disziplin und Macht gekennzeichnet waren. Jetzt war die Menschheit ein zerzaustes Relikt, das um sein Leben rannte in den Winkeln einer riesigen Maschinenzivilisation, die das gesamte Zentrum der Galaxis umspannte. Sie waren wie Ratten in den Wänden.

Die Führung eines Raumschiffs war eine ganz andere Aufgabe als das Manövrieren über den kahlen, verwüsteten Ebenen des fernen Snowglade. Die Sippen hatten seit Jahrhunderten Verhaltensregeln angegeben, die nominell auf die Besatzung eines Schiffs abgestellt waren; aber diese Jahre unterwegs hatten gezeigt, wie groß die Lücke war. Killeen hatte keine Ahnung wie seine Leute sich bei einem harten Zusammentreffen mit sofortiger Tapferkeit und Präzision bewähren würden.

Ebenso wenig wusste er, was sie tun müssten. Die trüben Welten, die Abrahams Stern umkreisten, könnten ungeheure Gefahren oder ein sanftes Paradies in sich bergen. Sie waren von einer Maschinenintelligenz unbekannter Motivation, der Mantis, auf diesen Kurs gebracht worden. Vielleicht hatte die weitverstreute, bunt zusammengesetzte Intelligenz der Mantis sie zu einem der wenigen für Menschen bewohnbaren Planeten im galaktischen Zentrum geschickt. Oder vielleicht hatten sie einen Ort als Ziel, der den höheren Absichten der Mechano-Zivilisation dienlich war.

Killeen biss sich ärgerlich auf die Lippe, als er die Runde um das Heck der »Argo« machte und sich wieder der Mitte des Schiffs zuwandte. Sein Atem ging stoßweise; und wie immer hätte er sich gern die Stirn abgewischt.

Er hatte das Schicksal der Sippe aufs Spiel gesetzt in der Hoffnung, dass vor ihnen eine bessere Welt läge als das träge, besiegte Snowglade. Bald würden die Würfel fallen, und er würde Bescheid wissen.

Er schnaufte mächtig, als er um die vorgewölbten Biobereiche bog – riesige Blasen, die wie mächtige, zerquetschte Körper von Parasiten über die glatten Konturen der »Argo« herausragten. Drinnen liefen an den opaleszierenden Wänden Tautropfen herab wie schimmernde Juwelen, nur um die Stärke eines Fingers vom scharfen Vakuum getrennt. Grüne Zweige drängten sich hie und da gegen die ausgedehnten Wände – ein Anblick, der Killeen zuerst erschreckt hatte, bis er begriff, dass das gummiartige, aber gläserne Material den Druck lebendiger Substanz vertrug, ohne zu zersplittern. Trotz des wilden Pflanzenwuchses im Innern bestand nicht die Gefahr eines Lecks. Die »Argo« hatte ein Gleichgewicht erreicht zwischen den unablässigen Anforderungen des Lebens und den ebenso mächtigen Bedürfnissen von Maschinen. Eine solche Harmonie hatte die Menschheit auf Snowglade nie erreicht.

Während er um die langen, gekrümmten Wände der Biobereiche schlich, schaute hie und da ein verschwommenes Gesicht zu ihm heraus. Ein weibliches Mitglied der Besatzung hielt bei der Obsternte inne und winkte ihm zu. Killeen dankte mit einem knappen Gruß. Sie hing mit dem Kopf nach unten, da die Gewächshausblasen nicht an der Rotation der »Argo« teilnahmen.

Für die Frau musste sein reflektierender Anzug so aussehen, als ob ein spiegelnder Mann unmöglich lange Schritte im Zeitlupentempo ausführte, wobei er Beinkleider aus dem Metall der Schiffshülle trug und ein Hemd anhatte, das einen verrückten Wirbel von verzerrten Wolken und Sternen bildete. Sein Anzug stammte aus den alten Beständen der »Argo« und war erstaunlich gut imstande, sowohl die Hitze wie auch die Kälte des Weltraums abzuhalten. Er hatte einmal gesehen, wie ein junger Offizier unvorsichtigerweise darin mit dem Rücken in eine Gasflamme geraten war und keine Spur der glühenden Hitze durch das silbrige Material empfunden hatte.

Sein Ling-Aspekt bemerkte:

Ein reflektierender Anzug ist auch eine gute Tarnung vor unserem Mechano-Begleiter.

Diese Bemerkung besagte, dass der Aspekt wieder einige Besorgnis empfand. Killeen entschloss sich, auf eine Konversation einzugehen. Damit könnte er wohl leichter das undeutliche Gefühl abschütteln, welches ihn fast des Bewusstseins beraubte. »Neulich hast du mir gesagt, dass das Ding überhaupt nicht an mir interessiert wäre.«

Das glaube ich immer noch. Es ist über uns gekommen, als ob es angreifen wollte; aber seit mehr als einer Woche hält es auf parallelem Kurs friedlich Distanz.

»Es scheint aber bewaffnet zu sein.«

Gewiss, aber es schießt nicht. Darum habe ich dir geraten, deine Außenspaziergänge wie gewohnt fortzusetzen. Der Besatzung wäre jede Zurückhaltung aufgefallen.

Killeen knurrte: »Extrarisiko ist dumm.«

Nicht in diesem Falle. Ich kenne die Stimmungen der Besatzung, besonders bei Gefahr. Lass dich von mir warnen! Ein Commander muss seinen Leuten in den Todesgefahren des Krieges Hoffnung einflößen. Darum erheben sich immer wieder die ewigen Fragen: »Wo ist unser Anführer? Ist er zu sehen? Was hat er uns zu sagen? Teilt er unsere Gefahren?« Wenn du auf dem Schiffsrumpf der Gefahr die Stirn bietest, schaut deine Mannschaft mit Respekt zu.

Killeen grinste bei den pompösen Tönen von Ling. Er erinnerte sich daran, dass Ling viel größere Schiffe als die »Argo« befehligt hatte. Und einige Leute schauten tatsächlich durch die beschlagenen Fenster der Biozonen auf ihren Captain.

Dennoch wurmte ihn die Schulmeisterei von Ling. Als ihm Lings Chip eingesetzt wurde, hatte er etliche kleinere Gesichter eingebüßt, weil in den Schlitzen seines oberen Rückgrats nicht genügend Platz gewesen war. Ling war in einem alten fünfeckigen Chip von Übergröße eingebettet und hatte sich sowohl wörtlich wie in übertragenem Sinne als Schmerz im Nacken erwiesen.

Killeen blickte noch einmal auf die fließende Strahlung, die sich in dem aufgewühlten Himmel gabelte. Da – sah er es. Der entfernte Fleck blieb vor einer dahinter verlaufenden Leuchterscheinung fest stehen. Er beobachtete den winzigen Punkt einige Zeit lang und schüttelte dann enttäuscht die Faust.

Gut. Die Mannschaft mag einen Kapitän, der das ausdrückt, was sie alle empfinden.

»Verdammt, es ist das, was ich empfinde!«

Natürlich. Darum sind derartige Gesten so wirksam.

»Ist bei dir denn alles berechnet?«

Nein – aber du wolltest lernen, Kapitän zu werden. Dies ist der Weg dazu.

Killeen verbannte Ling ärgerlich in sein Unterbewusstsein. Andere Aspekte und Gesichter begehrten freigelassen zu werden, um sich in den Vorderlappen seines Gehirns kurz zu erfrischen. Obwohl die ausgehungerten inneren Präsenzen einen leichten Schimmer von Killeens Empfindungen mitbekommen hatten, verlangten sie nach mehr. Dafür hatte er jetzt aber keine Zeit. Der flüchtige Gedanke entglitt ihm, und er erkannte, dass er einem Teil der Gereiztheit gegenüber Ling Raum gegeben hatte.

Wenn die Mannschaft schon bei der Ernte war, dann merkte Killeen, dass er sich ein wenig zu lange herumgetrieben hatte. Er benutzte absichtlich nicht die Zeitangabe auf seinem Anzug, da das Ding uralt war und seine Symbole ein verwirrendes Durcheinander von zu vielen Daten boten, die für seinen ungebildeten Verstand unlesbar waren. Stattdessen befragte er das System im Schiffsinnern. Die Anzeige stotterte eine nutzlose Informationsflut aus und sagte ihm dann, dass er fast eine Stunde lang unterwegs gewesen war. Er wusste nicht ganz genau, wie lange eine Stunde dauerte; aber über den Daumen gepeilt war es genug.

Er schraubte die Luftschleuse auf, schickte sich an hineinzugehen, warf noch einen letzten Blick auf die Aussicht – und unwillkürlich kam ihm die Idee.

Geschwind überdachte er sie, erwog alle ihre Nuancen und kam zu der Überzeugung, dass er recht hatte.

Er musterte den Himmel und sah den Kurs, den die »Argo« in dem sich allmählich lichtenden Dunkel des Wolkenschattens nehmen würde. Falls es sein müsste, würde der Ausblick für eine Navigation nach Sicht ausreichen.

Er passierte rasch die axiale Schleuse und die enge Dampfduschkabine in Schwerelosigkeit und war binnen weniger Minuten wieder in den spiralig gewundenen Korridoren.

2. Kapitel

Killeen leitete den Angriff von der Schiffshülle aus selbst – nicht so sehr wegen Lings Windbag, sondern weil er draußen ein besseres Gespür für die Lage zu haben glaubte.

Also stand er bei Sonnenaufgang mit Hilfe seiner magnetischen Stiefel fest da draußen.

Es war kein allmähliches Aufkommen des Sonnenlichts über einem rotierenden Horizont oder eine anwachsende Gloriole. Stattdessen erschien diese falsche Morgendämmerung als ein allmählich zunehmender Lichtschein – gesehen durch ein sich bauschendes und abschwächendes Netzwerk.

Killeen hatte festgestellt, dass die »Argo« die letzte Wand zusammengeballten Staubes passieren würde, die Abrahams Stern vor ihnen verbarg. Der Sonnenschein würde stark aufleuchten, wenn sein Schiff das Mechano-Vehikel nahezu abschattete, das sie auf der Fahrt zu dem Stern eskortierte.

»Ich verstehe immer noch nicht, warum das Mechano-Vehikel nicht reagieren sollte«, ließ sich Cermo vom Kontrollraum hören.

»Das wird es aber. Fragt sich nur, wie rasch.«

Killeen fühlte sich entspannt und fast euphorisch. Nach einer Woche ärgerlicher und anstrengender Bemühungen hatte er sich festgelegt. Wenn sie in das innere System um Abrahams Stern eintraten mit einem bewaffneten Mechano-Vehikel neben sich, würde ein einziger rascher Befehl von irgendwoher die »Argo« auslöschen. Besser, jetzt ranzugehen. Sollte sich das als unmöglich erweisen, würde man es nun erfahren.

Er suchte den bewölkten Himmel nach einem einzelnen Objekt ab.

»Annäherung auf geplantem Kurs«, sendete Gianini. Diese junge Frau hatte Jocelyn für Probleme der Mechanos ausgesucht. Killeen entsann sich, dass sie aus der Rook-Sippe kam und gut qualifiziert war. Es war eine von ihm geübte Standardpraxis, dass er es seinen Leutnanten überließ, für bestimmte Aufgaben selbst Leute auszusuchen; denn sie kannten viel besser als er die Finessen der Begabung und Veranlagung. Gianini hatte seinerzeit auf Snowglade mit Mechanos gekämpft, sich bewährt und war zweimal verwundet worden.

Und Killeen entdeckte einen weit entfernten Punkt, der braun und gelb funkelte, als Abrahams Stern durch die Wolkenhülle drang, die über seiner Schulter ein Viertel des Himmels ausfüllte. Die brodelnde Masse war dünner geworden und hatte dabei ihre Farbe von Ebenholzschwarz zu trübem Grau verändert. Fetzen von Sternlicht durchdrangen den Raum rings um die »Argo«. Und Gianini eilte auf das Mechano zu, wobei sie sich des plötzlichen Helligkeitsanstiegs in ihrem Rücken bediente, um ihr Näherkommen zu tarnen.

Eine Taktik. Ein Trick. Ein Leben.

Ein unvermeidliches Risiko, weil das Mechano zu weit entfernt war für ihre Waffen, die für Kämpfe am Boden gedacht waren. Die »Argo« selbst hatte keine Waffen oder Verteidigungsmöglichkeiten.

»Ich werde sie mit Mikrowelle und Infrarot treffen und dann zu stärkeren Mitteln übergehen.« Gianinis Stimme war ruhig und klang fast unbekümmert.

Killeen wagte nicht zu antworten und hatte Cermo angewiesen, keine Sendungen von der »Argo« zuzulassen, um nicht die Aufmerksamkeit des Mechanos in Richtung des Schiffs zu lenken. Andererseits konnten Gianinis nach hinten gerichtete Sendungen das Mechano-Vehikel nicht alarmieren.

So, wie sie es berechnet hatten, begann Abrahams Stern matt aufzuleuchten. Durch Killeens Helm drangen Strahlen und erzeugten gelbe Reflexe auf seinem faltigen Gesicht. Er merkte, dass er vergebens die Fäuste ballte und wieder entspannte.

Er dachte: Tu es jetzt! Jetzt!

– Feuer! –

Er strengte sich an, konnte aber keine Veränderung erkennen – weder in dem Punkt, den Gianini abgab, noch bei dem dunklen Punkt, wo sich das Mechano vor dem blauen Hintergrundleuchten einer Molekülwolke abzeichnete.

– Ich kann keine Wirkung erkennen. –

Killeen zog eine Grimasse. Er hätte gern einen Befehl erteilt, sei es auch nur, um seine innere Spannung abzubauen. Aber was sollte er sagen? Vorsichtig sein? Ein stupides, nichtssagendes Geschwätz. Und schon das Senden könnte sie gefährden.

– Kommt sehr rasch heran. –

Gianini war jetzt ein matt werdender gelber Fleck, der sich einer unbestimmten Dunkelheit näherte. Aktionen im Weltraum waren von einer unheimlichen, totenstillen Art, die Killeen entnervte. Der Tod raste ballistisch in die zarten Hüllen, welche feuchtes Leben bargen.

Hinter ihm schwoll das Sternenlicht an, blitzte auf und warf harte Schatten auf die Hülle der »Argo«. Er fühlte, wie leer und unfruchtbar der Weltraum war, wie er menschliches Handeln in seinen unendlichen Weiten aufsog. Gianini war ein einsamer Punkt in einer Fülle unzählbar vieler ähnlicher sinnloser Punkte.

Er schüttelte den Gedanken ab und lechzte danach, etwas zu tun, loszurennen, zu brüllen und zu schießen inmitten eines plötzlich aufgekommenen Gefechtes, das er fühlen konnte.

Aber über ihm verschmolzen die Punkte in tiefster Stille. Das war alles. Keine Glut, nichts Festes, keine sichere Realität.

Blendendes Sonnenlicht überflutete den Schiffskörper rings um ihn. Er blinzelte in den Himmel und versuchte, in den stechenden Strahlen einen Sinn zu entdecken.

– Na, wenn das nicht alles zum Teufel gehen lässt. –

Was?, dachte er. Sein Herz machte einen Sprung, als er Gianinis Stimme hörte; aber ihre langsamen, fast lässigen Worte besagten nichts.

– Dies Ding ist entmannt worden. Ruiniert. Alle die Antennen und Beiboote, die wir in Großaufnahme gesehen haben. Sie entsinnen sich? Deren ganze Energiequelle ist weggepustet. Hier funktioniert nichts mehr außer ein paar Antriebsaggregaten und einem Zentralgehirn. Ich vermute, dass dies es auf unsere Bahn gelenkt hat. –

Killeen fühlte, wie ein lange zurückgehaltener Atemzug aus seiner Brust drängte. Er wagte einen Sendespruch. »Sind Sie sicher, dass es nicht schießen kann?«

– Nein. Irgend etwas hat es total erwischt. Hier ist ein richtiges Durcheinander. –

»Also hauen Sie ab!«

– Wollen Sie, dass ich das Zentralgehirn demoliere? –

»Ja. Setzen Sie eine Sprengung an!«

– Bin gerade dabei. –

In Killeens Ohren kreischte ein schrecklicher Stromstoß, ein langes, hohes, oszillierendes Gedröhn, als eine elektrische Ladung in den Raum hinausdrang und als unfreiwillige Antenne wirkte, während brutale Kraft durch sie hindurchströmte.

»Gianini! Gianini! Antworten Sie doch!«

Nichts. Das klingende Gewinsel ging zu tieferen Frequenzen über, ein abebbendes Klagelied – und war vorbei.

»Cermo! Spur verfolgen!«

– Kriege nichts herein. – Cermos Stimme war fest und ruhig und wirkte völlig unerschütterlich.

»Verdammt – das Zentralgehirn.«

– Vermute, es handelte sich um eine Zündmine? –

»Muss wohl.«

– Immer noch nichts. –

»Verdammt!«

– Vielleicht hat die Explosion nur ihr Nachrichtengerät blockiert. –

»Hoffen wir es! Lassen Sie nachprüfen!« Cermo gab einem Besatzungsmitglied Anweisung, dem Mechano-Vehikel nachzuspüren. Aber der Mann fand Gianini, wie sie neben dem manövrierunfähigen Schiff schwebte. Ihre Geräte explodiert und ihr Körper schon kalt und steif im unerbittlichen Vakuum des Weltraums.

3. Kapitel

Killeen marschierte steif durch die gekachelten Korridore der »Argo«, mit einem Gesicht so starr wie deren Wände. Die Operation gegen das Mechano war ein Erfolg gewesen in dem Sinne, dass eine mutmaßliche Bedrohung des Schiffs eliminiert war. Sie hatten die Sprengladung ausgelöst, die Gianini dort angebracht hatte, und diese hatte das Vehikel in Fetzen gerissen.

Aber in Wirklichkeit hatte gar keine echte Gefahr bestanden, und Killeen hatte bei dieser Entdeckung ein weibliches Mitglied der Besatzung verloren.

Wenn er ihr Gespräch im Geist an sich vorüberziehen ließ, war er sicher, dass er nicht mehr hätte sagen oder tun können. Aber das Ergebnis war das gleiche – eine Sekunde der Nachlässigkeit, eine sinnlose Annäherung an das Zentralgehirn des Vehikels, hatte Gianini das Leben gekostet. Und hatte die Bishop-Sippe um ein weiteres unersetzliches Mitglied verkleinert.

Da sie weniger als zweihundert zählten, befanden sie sich gefährlich nahe am Minimalbereich von Genotypen, die eine Kolonie brauchte. Jede weitere Verminderung würde künftige Generationen durch genetische Mängel absinken lassen.

Soviel wusste Killeen, ohne auch nur eine Ahnung von den wissenschaftlichen Grundlagen zu haben. Die Computer der »Argo« enthielten sogenannte ›DNA-Datenbasis Operationen‹. Es gab ein biotechnisches Laboratorium. Aber die Sippe hatte keine Aspekte, die Gene manipulieren konnten. Fundamentale Bioingenieurmethoden waren nur am Rande nützlich. Er selbst hatte weder Zeit noch gar Lust, sich mehr um solche Probleme zu kümmern.

Aber Gianini, die er verloren hatte –, er konnte nicht so einfach die Erinnerung an sie aufgeben, indem er in ihr nur einen wertvollen Träger genetischer Information sah. Sie war lebensprühend, schwer arbeitend und begabt gewesen – und jetzt gab es sie nicht mehr. Man hatte sie vor einem Jahr auf Chips gespeichert, so dass ihre Fähigkeiten als ein gespenstisches Erbe weiterlebten. Aber dieser ihr geisterhafter Aspekt würde vielleicht erst in Jahrhunderten wieder zum Leben erweckt werden.

Killeen würde sie nicht vergessen. Er konnte es nicht.

Als er steif seine täglichen Rundgänge aufnahm, die durch den Angriff verspätet waren, zwang er sich, die düsteren Gedanken abzuweisen. Dafür war später noch Zeit.

Du handelst weise. Ein Commander kann Gewissensbisse empfinden und seine eigenen Befehle in Frage stellen; aber das sollte nie vor den Augen seiner Besatzung geschehen.

Killeen biss die Zähne zusammen. Ein scharfer, galliger Geschmack kam ihm in den Mund und wollte nicht verschwinden.

Sein Ling-Aspekt war bei alledem eine gute Führerin. Aber er mochte nicht jene ruhige, sichere Art, wie der alte Captain die Regeln des Führertums darlegte. Die Welt war komplexer und mehr von finsteren Gegenströmungen erfüllt, als Ling je zulassen wollte.

Du hegst zu viele Vermutungen. Ich habe alle Gezeiten kennen gelernt, von denen du getrieben wirst, als ich noch im Fleisch existierte. Aber das sind oft Hindernisse und keine Hilfen.

»Ich werde meine ›Hindernisse‹ behalten, kleiner Aspekt!«

Killeen schob Ling beiseite. Er musste jetzt eine wichtige Rolle spielen, und der kleine Chor von Mikro-Geistern, der deutlich nach ihm rief, konnte keine Hilfe sein. Er war Lings Rat gefolgt und hatte sich entschieden, trotz des Dramas beim Angriff die reguläre Schiffsordnung beizubehalten. Die Rückkehr zur alltäglichen Routine, als ob solche Vorfälle zum normalen Verlauf im Leben eines Schiffs gehörten, würde die Besatzung beruhigen.

Darum hatte er Cermo angewiesen, wie geplant weiterzumachen. Erst jetzt wurde ihm klar, was das bedeutete.

Killeen umrundete eine Ecke und ging zu der offenen Bucht, wo die Leute der Frühwache warteten. Auf halbem Wege dorthin begrüßte ihn Cermo mit: »Stunde der Bestrafung, Sir?«

Killeen enthielt sich einer bitteren Miene und nickte, eingedenk der Beleidigung tags zuvor.

Cermo hatte ein weibliches Besatzungsmitglied im Maschinensektor erwischt. Ohne mit dem Kapitän Rücksprache zu nehmen, hatte Cermo sie – ein sehniges, schwarzhaariges Weib namens Radanan – ohne Umstände in die Biozone gezerrt und sein Vergnügen über den Fang laut kundgetan. Die Sache war an die Öffentlichkeit gedrungen, ehe Killeen eine Gelegenheit fand, auf andere Weise damit fertig zu werden. Er war gezwungen, seinen Offizier im Namen der Disziplin zu decken. Sein Ling-Aspekt hatte ihm diesen Grundsatz eingebläut.

»Ja. Weitermachen!«

»Ich hätte ihr noch mehr verpassen können, wissen Sie.«

»Ich sage: Weitermachen!«

Er war fest entschlossen, während normaler Schiffsoperationen möglichst wenig mit seinen Offizieren zu sprechen. Er war wie ein Trinker, der sich nicht zutraut, Maß zu halten. Immerhin gab er sich bei Sippentreffen etwas lockerer. Dort waren ihm Beredsamkeit und sogar feierliche Sprache dienlich. Er wusste, dass er kein besonders guter Redner war und um so besser wirkte, je kürzer er sich fasste. Als die »Argo« sich diesem Sternsystem genähert hatte, war er immer wortkarger geworden. Es gab Tage, an denen die meisten Besatzungsmitglieder von ihm nur ein kurzes »ah-mmm« zu hören bekamen, wenn er sich bei einem offenkundigen Versagen scharf räusperte.

Während sie sich zur Mittelachse begaben, setzte Killeen eine steinerne Miene auf. Er schämte sich seiner Abneigung, Bestrafungen beizuwohnen. Er wusste, dass die Bestrafung eines Besatzungsmitgliedes ein Zeichen eigenen Versagens war. Er hätte das Fehlverhalten abfangen müssen, ehe es so weit kam. Aber nachdem es einmal passiert war, gab es keine Umkehr.

In diesem Falle hatte Radanan versucht, während des Bremsmanövers in die dröhnenden Gefahren des Maschinensektors einzudringen. Das allein hätte eine leichte, wenn auch unglaublich dumme Verfehlung sein können. Als Cermo sie aber ertappte, hatte sie sich wütend gesträubt und einige befreundete Leute aus der Nähe angeschrien, um eine kleine Meuterei anzuzetteln.

Ein weiser Kapitän übt strengere Gerechtigkeit als diese.

Sein Ling-Aspekt äußerte das unaufgefordert. Killeen murmelte vor sich hin: »Sie hat bloß geschrien und geflucht. Das ist alles. Und sie war blöd genug, Cermo auf die Palme zu bringen.«

Meuterei ist ein Kapitalverbrechen.

»Nicht auf der ›Argo‹.«

Sie wird andere aufstacheln und Hass beibehalten …

»Sie hat etwas zu essen gesucht, nur eine geringfügige …«

Du wirst die Kontrolle darüber verlieren, wenn …

Killeen ließ das selbstgerechte Gebell des Aspektes verstummen.

Offenbar hatte Radanan versucht, irgend etwas Besonderes zu ergattern, obwohl Killeen sich nicht vorstellen konnte, was sie zu finden erwartet hatte. Gewöhnlich ertappte man Leute beim Klauen von Nahrung – eine Folge der strengen Rationierung, die Killeen vor nunmehr einem Jahr eingeführt hatte.

Die Besatzung nahm eine etwas strammere Haltung an, als Killeen herzukam. Radanan befand sich im Mittelpunkt eines großen Kreises, da es sich um eine Angelegenheit sowohl des Schiffs wie der Sippe handelte. Sie blickte trübsinnig nach unten. Ihre Augen schienen schon begriffen zu haben, was die Handschellen bedeuteten, die sie an einem Tau festhielten.

Cermo brüllte das Urteil. Zwei Matrosen standen schon bereit, um Radanan an den Armen festzuhalten, falls sie sich der Bestrafung entwinden sollte. Mit starrem Blick sah sie zu, wie Cermo das kurze, schimmernde Eisen brachte.

Killeen zwang sich, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Er musste seine Anordnungen durchsetzen, sonst würde man keinem seiner Worte Glauben schenken. Und er machte sich auch keine Vorwürfe. Die Frau war nicht besonders intelligent. Ursprünglich hatte sie der Rook-Sippe angehört.

Durch Stammesbeschluss waren alle, die für den Aufbruch in der »Argo« auserwählt waren, neu eingeordnet, so dass sie eine neue Sippe bildeten, die sich aus den Bishops, Rooks und Kings formiert hatte. Man hatte beschlossen, weiter die Benennung Bishop zu gebrauchen; und Killeen war nie klar geworden, ob das eine Anerkennung für ihn, einen Bishop, war, oder einfache Bequemlichkeit.

Auf jeden Fall, als er jetzt zusah, wie das harte Eisen die Hinterbacken der Radanan traf, hielt er es für unwahrscheinlich, dass ein Weib, welches so töricht war, sich auf der Suche nach irgend etwas in gefährliches Gebiet zu wagen, von einer Prozedur wie Auspeitschen einen Nutzen haben würde. Aber Tradition war nun einmal Tradition. In dieser ungeheuren Finsternis hatten sie wenig mehr, an das sie sich halten konnten.

Als Strafe seitens der Sippe gab es ein Dutzend Hiebe mit dem Eisen, die einzeln von einem Midshipman gezählt wurden. Und als Strafe seitens des Schiffs noch zwölf mehr. Radanan hielt bei den ersten sechs starr still und begann dann zu zucken und mit zusammengebissenen Zähnen zu japsen. Killeen hätte Lust gehabt, sich abzuwenden, zwang sich aber, an etwas anderes zu denken, während Cermo bis zum zwanzigsten Schlag kam.

Dann brach sie auf dem Deck zusammen.

»Schluss damit!«, sagte Killeen energisch, und die schreckliche Prozedur war vorbei. Die Frau war hingefallen und hing jetzt an den Handgelenken. Damit war jedes Maß überschritten, das er dulden konnte; und es gab ihm das Recht, vier Schläge früher abbrechen zu lassen.

Er bemühte sich, etwas zu sagen. »Ah-mmm. Sehr gut, Leutnant Cermo. Nun zur Tagesordnung!«

4. Kapitel

Er ging missmutig durch die blinkenden Korridore, welche den Lebensbereich mit der zentralen Spiralachse verbanden. Den Ärger, den er über sich selbst empfand, konnte er nicht exakt formulieren. Er wusste, dass er gegenüber der Verhängung notwendiger Strafen hätte abgehärtet sein müssen. Außerdem hätte er mit Geschick einen Weg finden müssen, sich der ihm durch Cermos rasche Aktion aufgezwungenen Lage zu entziehen.

Ein leichter Fäkaliengeruch stieg ihm in die Nase. Er eilte vorbei. Das ganze dritte Deck war hermetisch abgeschlossen. Aber trotzdem war hier etwas Rieselschlamm in die Ventilation gesickert, den die Besatzung irgendwie nie ganz beseitigte. Das Problem hatte vor einem Jahr mit verstopften Toiletten angefangen. Reparaturversuche hatten die Ventile und Hilfsmotoren beschädigt. Der Unrat hatte sich über des dritte Deck ausgedehnt, bis Arbeitskommandos die Luft wegblieb, sie ohnmächtig wurden und es ablehnten hineinzugehen. Killeen hatte sich gezwungen gesehen, das Deck abzuschotten und damit Wohnräume und Werkstätten einzubüßen.

Gereizt fragte er seinen Ling-Aspekt: »Bist du wirklich sicher, dass du dich überhaupt nicht weiter an Rohre und dergleichen erinnern kannst?«

Lings Antwort war unerschüttert:

Nein. Ich habe dich oft genug informiert, dass ich bei den Kampftruppen ausgebildet wurde, nicht bei den Ingenieuren. Hättest du nicht dumme Leute daran herummurksen lassen …

»Mir stehen keine ingenieurmäßigen Kenntnisse darüber zu Gebote, weder auf Chips noch lebendig. Du weißt doch so viel, warum kannst du nicht …?«

Wenn du das Flussdiagramm des Schiffes durchsiehst …

»Kann ich nicht! Viel zu kompliziert. Das ist, als ob man herausbringen will, was eine Frau denkt, indem man alle Haare auf ihrem Kopfe zählt.«

Selbst ein Schiff wie dieses, so weit fortgeschritten es ist gegenüber solchen, wie ich sie befehligt habe, erfordert einige Intelligenz für den Betrieb. Wenn du die Lehrgänge einführen würdest, die ich schon längst empfohlen habe …

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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