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Liebe im dunklen Schattenreich: Mystic Thriller Großband 3 Romane 1/2022 von Alfred Bekker, Carol East, Frank Rehfeld Über diesen Band: Dieser Band enth#lt folgende Romane: Herrin des Geisterfeuers (Carol East) Gefangen in der Albtraumwelt (Frank Rehfeld) Kreuzfahrt ins Schattenreich (Alfred Bekker) Vivian reist zu ihrem Onkel nach Horror-Parcs. Sie freut sich darauf, denn ihr Onkel ist Hauptaktionär des in Bau befindlichen Parks und hat ihr den Werbeauftrag für das Objekt verschafft. Abgesehen davon, dass es eine große Verantwortung ist, ist es auch eine große berufliche Chance für die Anfängerin. Als sie jedoch im Park ankommt, erzählt ihr Onkel von sich häufenden Unfällen und einem alten Indianerfluch. Kurz nach ihrer Ankunft kommt sogar einer der Arbeiter zu Schaden.
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Seitenzahl: 393
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Liebe im dunklen Schattenreich: Mystic Thriller Großband 3 Romane 1/2022
von Alfred Bekker, Carol East, Frank Rehfeld
Über diesen Band:
Dieser Band enth#lt folgende Romane:
Herrin des Geisterfeuers (Carol East)
Gefangen in der Albtraumwelt (Frank Rehfeld)
Kreuzfahrt ins Schattenreich (Alfred Bekker)
Titelseite
Liebe im dunklen Schattenreich: Mystic Thriller Großband 3 Romane 1/2022
Copyright
Herrin des Geisterfeuers: Mitternachtsthriller
Gefangen in der Albtraumwelt
Gefangen in der Albtraumwelt
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About the Publisher
Mysteriöser Krimi: Kreuzfahrt ins Schattenreich
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Kreuzfahrt ins Schattenreich
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About the Author
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Vivian reist zu ihrem Onkel nach Horror-Parcs. Sie freut sich darauf, denn ihr Onkel ist Hauptaktionär des in Bau befindlichen Parks und hat ihr den Werbeauftrag für das Objekt verschafft. Abgesehen davon, dass es eine große Verantwortung ist, ist es auch eine große berufliche Chance für die Anfängerin. Als sie jedoch im Park ankommt, erzählt ihr Onkel von sich häufenden Unfällen und einem alten Indianerfluch. Kurz nach ihrer Ankunft kommt sogar einer der Arbeiter zu Schaden.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / COVER STAVE MAYER nach Motiven von Pixabay
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Carol East
Herrin des Geisterfeuers: Mitternachtsthriller
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Herrin des Geisterfeuers: Mitternachtsthriller
Carol East
Es war nur ein Traum. Davon war Carla Pensington jedenfalls überzeugt. Und es war nicht ihr erster Traum in dieser Art, obwohl sie anderseits zu wissen glaubte, daß es ihr das erste Mal überhaupt bewußt war, nur zu träumen.
In diesem Traum war die vorherrschende Farbe Rot! Das hieß, es gab eigentlich gar keine andere Farbe. Die ganze Welt war rot.
Sie lag auf dem Rücken. Deutlich spürte sie das Bett unter sich. Auch die Bettdecke über sich. Als sie sich jedoch aufrichtete, glitt ihr Körper glatt durch die Decke hindurch, als wäre sie überhaupt kein Widerstand. Gerade so, als würde sie aus Luft bestehen.
Jetzt saß sie im Bett - in ihrem Bett, wie sie glaubte.
Wo denn sonst?
Sie schaute sich um. Dieses Rot war nicht einheitlich. Es war auch nicht starr. Da schälten sich Konturen heraus, unterscheidbar durch unterschiedliche Rotschattierungen. Und dieses Rot... bewegte sich. Es war ein kaum merkliches Quirlen um sie herum, als wäre dieses Rot... lebendig!
Etwas krampfte sich um ihre Kehle, wie eine eiskalte Hand. Sie tat alles, um den immer schlimmer werdenden Alpdruck zu überwinden. Aber das mißlang gründlich. Das Rot verängstigte sie. Am liebsten wäre sie geflohen. Aber wohin?
Ihre ängstlichen Hände verkrallten sich im Bettlaken. Ja, sie konnte es deutlich spüren. Es war gegenständlich und im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. Aber ihr Oberkörper ragte durch die Bettdecke hindurch, als sei diese alles andere als gegenständlich.
Ein Widerspruch, der ihre Angst nur noch schürte. Sie konnte nicht mehr anders: Sie öffnete den Mund zu einem gellenden Schrei der Verzweiflung.
Doch aus ihrem Mund kam kein Ton, sondern nur ein Schwall von... Rot!
Eine Wolke, die sich vor ihr aufblähte, durch ihren eigenen, stumm bleibenden Schrei genährt, und träge auseinander wabberte wie ein schleimiges Wesen.
Carla zitterte jetzt wie Espenlaub und hielt es in ihrem Bett nicht mehr aus.
Verzweifelt schaute sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Wenn sie in ihrer Panik die Gegenstände, die sich nur durch Schattierungen im Rot von ihrer Umgebung unterschieden, richtig deutete, befand sie sich nach wie in ihrem eigenen Zimmer. Zumindest gab es dort die gleiche Anordnung von Gegenständen. Sogar die Deckenlampe schien genauso zu sein.
Die Deckenlampe?
Es war nur eine eher fixe Idee, aber diese gab ihr neue Kraft.
Sie federte aus dem Bett. Ihre nackten Füße landeten auf dem Boden. Aber sie spürte keine Kälte, wie es normal gewesen wäre. Schließlich lag draußen ihr geliebtes London tief im frühwinterlichen Nebel, und dort, wo die Ostwinde ungehindert durch die Straßen und Gassen blasen konnten, war es sogar teilweise gefroren, aber Empfindungen wie Kälte gab es nicht in diesem alles beherrschenden Rot. Genauso wenig wie Töne. Denn Carla hörte nicht nur ihren eigenen Schrei nicht, geschweige denn ihren Atem, ja, sie hörte überhaupt nichts. Als sei sie über Nacht taub geworden.
Der Lichtschalter jedoch war genau dort, wo er hingehörte. Sie fand ihn auf Anhieb und hieb darauf, wie sie es sonst auch immer übermütig tat.
An der Lampe veränderte sich etwas. Nein, es flutete kein Licht auf, sondern das Rot an dieser Stelle wurde heller, und diese Helligkeit löste sich von der Lampe und kroch durch den Raum. Sie verbreitete sich im Schneckentempo und würde irgendwann auch Carla erreicht haben.
Es erschreckte sie zusätzlich, und deshalb wich sie unwillkürlich aus, nicht mehr daran denkend, daß sie der Wand mit dem Lichtschalter den Rücken zugekehrt hatte. Sie sieß gegen die Wand, doch diese konnte sie nicht aufhalten. Ehe sich Carla versah, versank sie darin wie in einem zähen Brei aus blutigem, ekelerregenden Rot.
Ihr Schrei wurde zur aus dem Mund puffenden roten Wolke, bis ihr die Sicht abgeschnitten wurde, denn sie war durch die Wand hindurch und fiel auf der anderen Seite rücklings zu Boden.
Dieser Boden fühlte sich weich und nachgiebig an, und Carla war auf einmal überzeugt davon, daß sie auch ihn einfach hätte durchstoßen können, hätte sie es nur gewollt.
Schleunigst rappelte sie sich auf, damit dies nicht geschehen konnte.
Sie schaute auf ihre nackten Füße - rote Konturen in einem roten Brei, der sie rundum einhüllte.
Sie wollte weinen, aber keine Tränen verließen ihre Augen. Das konnte sie nicht sehen und nicht fühlen, sondern sie wußte es einfach.
Hatte sie wirklich ihr Bett verlassen? Stand sie wirklich im Flur vor ihrem Zimmer? War sie wirklich einfach so durch die Wand neben der Tür gefallen, an der Stelle, wo sich der Lichtschalter befand?
Dies alles ist nur ein Traum! hämmerte es in ihr. Das kann keine Wirklichkeit sein. Die Wirklichkeit ist nicht rot, und dort geschehen auch nicht solch unheimliche Dinge.
Gott, wieso träume ich denn überhaupt so etwas Schreckliches? Wieso wache ich nicht einfach auf?
Sie schloß die Augen und konzentrierte sich. Vielleicht, wenn sie sich bemühte? Vielleicht konnte sie es dann erzwingen, aufzuwachen?
Es wurde nur noch schrecklicher, denn mit geschlossenen Augen konnte sie die blutrot quirlende Umgebung nach wie vor wahrnehmen!
Sie richtete ihren Blick gegen die Wand. Nur als Experiment. Sie wollte hindurchsehen - und konnte es.
Sie sah die rote Kontur ihres Bettes. Die Bettdecke lag über dem Bett.
Ja, gewiß, sie hatte sie ja nicht zurückgeschlagen, um sich aufzurichten.
Ihre Augen weiteten sich, denn sie sah etwas in dem quirlenden Rot, was erst recht unmöglich erschien: Die Bettdecke lag nicht flach, wie es sich bei einem leeren Bett so gehörte, sondern... sie wölbte sich auf, als wäre darunter... ein Körper. Dieser Körper jedoch zeichnete sich nicht ab durch seinen Kontrast im Rot, sondern Carla konnte ihn nur erkennen, weil er die Decke hochbeulte. Das war ja gerade so, als... würde sie eigentlich noch dort liegen, schlafend, träumend.
Ich träume - und sehe mich selbst!, stellte sie erschüttert fest. Erzählten das nicht oft auch Leute, die man als gerade erst gestorben wieder ins Leben zurückrufen konnte? Daß sie ihren Körper verlassen und auf sich selbst herabgeschaut hatten?
Bin ich denn jetzt... tot? fragte sie sich unwillkürlich.
Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie. Den Anblick der aufgewölbten Bettdecke, der Eindruck, das könnte nur ihr eigener Körper sein..., das ertrug sie nicht mehr länger. Sie wandte den Kopf und schaute den Flur entlang.
Wie in Trance setzte sie sich in Bewegung. Sie schritt in Richtung Fenster. Von dort aus konnte man tief in den Hinterhof des großen Mietshauses im Londoner Westend schauen, in dem sie mit ihren Eltern lebte. Carla war kein so blutjunges Mädchen mehr, hatte die Zwanzig bereits überschritten, aber nach einer total enttäuschenden Beziehung war sie wieder in den Schoß der kleinen Familie zurückgekommen. Ihre Eltern waren froh darum. Sie selber sah das mit eher gemischten Gefühlen. Sie fühlte sich eigentlich zu erwachsen, um bei ihren Eltern zu wohnen, aber wenn sie ihnen sagen würde, daß sie lieber zu ihrem jetzigen Freund ziehen würde, wäre ihre Enttäuschung viel zu groß. Ihre Eltern sorgten sich um ihr Wohlergehen. Sie mochten zwar den Freund, aber andererseits befürchteten sie nur wieder eine weitere Enttäuschung. Obwohl Carla selber fest überzeugt war davon, daß ihr Peter anders war als ihr früherer Freund. Ben hatte nur sich selbst, seine eigenen Belange gekannt und von Carla beinahe sklavische Anpassung gefordert. Das hatte Carla nicht auf Dauer mit sich machen lassen und war regelrecht von ihm weggeflohen, um zu ihren Eltern zurückzukehren.
Kurz ging ihr das alles durch den Kopf, während sie dahinschritt, bis zu dem Fenster.
Es gab keine Gardinen, die ihre Sicht nach draußen behindern konnten. Es gab nur dieses Rot, diesseits und jenseits des Fensters.
Sie wollte eigentlich stehenbleiben, aber sie schritt ohne eigenes Zutun einfach weiter, gegen das Fenster, durch das Fenstersims hindurch...
Carla verlor draußen das Gleichgewicht und sauste in die Tiefe. Bis zum Boden des Hinterhofes waren es mindestens zehn Meter. Das konnte kein Mensch mit heilen Knochen überleben.
Auch diesmal blieb ihr Schrei stumm und erzeugte nur eine davonstiebende rote Wolke, die hinter ihrem fallenden Körper zurückblieb, im alles beherrschenden Rot.
Bis zum unvermeidlichen Aufschlag.
*
Ihr gellender Schrei zerfetzte die Stille. Sie schrie aus Leibeskräften, daß es bestimmt im halben Haus zu hören war.
Bis jemand erschrocken rief: "Gott, Kind?"
Ihre Mutter, Edith Pensington! Sie stand in der sich öffnenden Tür, und ihre Augen waren nicht minder weit aufgerissen als die der total verwirrten und verängstigten Carla.
Zögernd kam sie näher. Nur zwei Schritte. Dann stoppte sie. Das Grauen, das sich in der Miene ihrer Tocher widerspiegelte, ließ sie ihren Schritt zügeln. So plötzlich, als würde die Mutter gegen eine unsichtbare Wand laufen. Noch niemals in ihrem ganzen Leben hatte sie soviel Entsetzen im Gesicht eines Menschen gesehen. Und jetzt so etwas bei ihrer eigenen, geliebten Tochter!
Carlas Schrei riß ab. Nicht wegen dem beruhigenden Anblick ihrer Mutter, obwohl deren Miene fast soviel Entsetzen widerspiegelte wie ihre eigene: Carla hörte auf zu schreien, weil sie atmen mußte. Nur deshalb.
Und während sie tief die Luft einsog, wurde ihr bewußt, daß dies in ihrem blutroten Alptraum völlig gefehlt hate: Das Atmen nämlich!
Ihr Blick fiel auf die Deckenlampe. Das Licht brannte. Dabei war sie hundertprozentig sicher, daß sie es vor dem Zubettgehen ausgeschaltet hatte. Das tat sie immer gleich: Erst die Nachttischlampe anknipsen, dann die Deckenbeleuchtung mit dem Schalter neben der Tür ausschalten.
Nachttischlampe?
Sie schaute jetzt darauf. Wieso war sie im Traum nicht auf die Idee gekommen, diese einzuschalten, und war gleich zur Tür gelaufen, trotz ihres Entsetzens?
Einfach vergessen! konstatierte sie im stillen und schaute wieder ihre Mutter an.
"Hast du...?" Sie benötigte einen weiteren Anlauf, um den Satz zu vollenden: "Hast du das Licht angeknipst, Mom?" Carla deutete auf die Deckenlampe.
Ihre Mutter verstand anscheinend die Frage gar nicht. Sie schüttelte den Kopf, aber Carla war nicht sicher, ob sie damit die Frage verneinte.
Endlich kam wieder Bewegung in ihre Mutter. Sie lief auf ihre Tochter zu, packte sie und drückte sie fest an sich.
"Gott, Kind, was ist denn passiert? Ich habe mich ja so erschrocken. Dieser schreckliche Schrei, als ob der Teufel persönlich..." Sie brach ab.
"Tut mir leid, Mom, daß ich dir die Nachtruhe geraubt habe."
"Ach was, ist doch kein Problem. Du weißt doch selber, wenn dein Vater auf Nachtdienst ist, schlafe ich sowieso nicht. Ich wälze nich nur die ganze Nacht lang unruhig hin und her. Ohne ihn schlafe ich einfach nicht ein. Ich habe das nie gelernt - nicht in all den Jahren, die wir nun schon zusammen sind. Dabei hatte er doch schon immer Wechselschichten. Diese verflixte Nachtschicht..."
Sie schob Carla auf Armlänge von sich weg und musterte ihr Gesicht. Das Grauen war aus diesem gewichen, aber das beruhigte die Mutter nur halbwegs.
"Gott, Kind, was ist dir denn widerfahren?"
Carla haßte es, wenn ihre Mutter sie "Kind" nannte. Sie war eine erwachsene Frau. Wann endlich kapierten das ihre Eltern? Andererseits wußte sie, daß es nicht böse gemeint war. Ganz im Gegenteil. Deshalb hätte sie es niemals ihrer Mutter gegenüber angesprochen und ertrug es jedesmal mit tapferer Geduld.
"Schlecht geträumt - sehr schlecht sogar!"
"Das kannst du laut sagen!" Ihre Mutter nickte heftig. "Gott, Kind, das habe ich noch nie zuvor erlebt - soviel Entsetzen in der Miene eines Menschen. Du warst gar nicht wiederzuerkennen."
Carla dachte an das blutige Rot ihres Traumes und schüttelte sich unwillkürlich.
Kein Wunder, dachte sie - gemünzt auf das, was ihre Mutter gesagt hatte.
Laut meinte sie leichthin: "Ach was, Mom, mache dir keine Sorgen. Ich glaube halt nicht, daß ich jemals so schlecht geträumt habe, und ich hoffe sehr, daß ein solcher Traum mich nie mehr heimsucht. Aber ansonsten..."
Wie wahr, wie wahr, fügte sie in Gedanken hinzu: Schlecht geträumt wie nie.
Zumindest nicht, daß sie sich wirklich erinnerte. Vielleicht bildete sie es sich ja nur ein, daß sie von dem blutigen Rot schon einmal geträumt hatte, ohne daß es ihr dabei so bewußt gewesen war wie dieses Mal? Aber wenn schon, kam es ihr dennoch so vor, als sei es diesmal wesentlich schlimmer gewesen als vordem. Eben weil sie sich des Traumes stets bewußt gewesen war?
Und sie hoffte tatsächlich, daß sie niemals mehr einen solchen Traum haben würde. Dabei spürte sie tief in sich die nagenden Zweifel. Nein, mehr noch als nur Zweifel, denn es war fast Gewißheit: Sie war beinahe sicher, daß dieser Traum sie wieder heimsuchen würde, wieso auch immer.
Was habe ich denn eigentlich verbrochen? Wieso widerfährt das ausgerechnet mir? fragte sie sich verzweifelt.
Der Mutter sagte sie natürlich nichts. Sie nahm sich fest vor, mit keiner Menschenseele überhaupt darüber zu reden. Auch nicht mit ihrem Freund Peter. Wie sollte der jemals für so einen Traum Verständnis haben? Welchen Sinn hatte ein solcher denn überhaupt? Ja, hatte man denn jemals davon gehört, daß jemand von solchen Träumen geplagt wurde?
Ich bin die einzige, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wieso! dachte Carla, nach wie vor verzweifelt.
"Was hast du denn geträumt, Kind?" erkundigte sich prompt die Mutter. Das war ja zu erwarten gewesen. "Man sagt, es wird leichter, wenn man darüber spricht. Dann merkt man selber, daß es nur ein dummer Traum war, so absurd, wie nur Träume sein können. Und dann fällt es einem leichter, darüber hinwegzukommen."
Ach, Mom, du hast ja überhaupt keine Ahnung! dachte Carla ketzerisch und antwortete laut: "Ich kann mich nicht erinnern."
"Gar nicht?"
"Gar nicht, Mom!" log Carla, weil sie es sich vorgenommen hatte. Normalerweise hätte sie ihre Mutter niemals belogen. Aber in diesem speziellen Fall... Was würde denn ihre eigene Mutter von ihr glauben? Dieses blutige, ekelhafte Rot... Vielleicht würde ihre Mutter annehmen, daß die eigene Tochter dabei war, verrückt zu werden? Schrieb man solch grausige Träume denn nicht kranken Gehirnen zu?
Ich bin nicht krank, nein! beruhigte sich Carla selber. Aber sie war sich gar nicht so sicher, ob sie damit auch wirklich richtig lag.
Das erschreckte sie noch einmal zutieft: Muß ich einen Psychiater aufsuchen? Verliere ich den Verstand? Werde ich vielleicht sogar zur Gefahr für die Menschen, die mich lieben?
Sie nahm sich vor, dies nicht zu verdrängen und im Auge zu behalten, denn eines wollte sie ganz sicher nicht: zur Gefahr werden.
Aber als sie in sich hineinlauschte, war da keine Veränderung zu spüren. Sie war dieselbe wie immer. Außer daß sie der Traum enorm aufgewühlt hatte. Aber das würde vergehen.
Bis zum nächsten Traum in dieser Art! fürchtete sie.
Ihr Blick fiel jetzt an der Mutter vorbei wieder auf die brennende Deckenlampe. Wer hatte sie eingeschaltet? Eine Frage, die noch nicht beantwortet war. Die Mutter, um nach ihr zu sehen, vom Schrei angelockt? Oder hatte das Licht bereits vorher gebrannt, bei ihrem Erwachen, als jener schreckliche Schrei sich von ihren Lippen gelöst hatte?
Sie wußte es einfach nicht mehr.
"Hast du das Licht eingeschaltet?" fragte sie noch einmal bang.
Ihre Mutter schaute sie verständnislos an.
"Welches Licht?"
"Na, die Deckenbeleuchtung!" Carla deutete mit dem Kinn in die Richtung.
Ihre Mutter schaute auch kurz hin.
"Nein", sagte sie bestimmt, "das Licht hat gebrannt, als ich zu dir kam."
"Ganz sicher?"
"Ja, natürlich, Kind! Ich habe das Licht unter der Tür hindurchschimmern sehen und darauf verzichtet, im Flur das Licht einzuschalten. Ich bin sofort aus dem Bett, als du geschrieen hast und war wie der Blitz bei dir."
"Danke, Mutter", sagte Carla mechanisch. Ihre Augen hatten sich wieder geweitet. Wenn sie so sicher war, dass sie das Licht vor dem Zubettgehen ausgeschaltet hatte: Wer hatte es dann wieder eingeschaltet? Sie selbst? Wann?
Sie überlegte. Nein, das war nur ein Traum gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Sie war nicht wirklich aufgestanden und zum Lichtschalter gelaufen.
Aber vielleicht doch? Als Traumwandlerin?
Sie fand sonst keine mögliche Erklärung für das Phänomen.
Carla machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Ach, lassen wir das! Nur schade, daß ich mich asolut nicht mehr an den Traum erinnern kann. Du hast recht, da würde es mir leichter fallen, über diesen Schreck hinwegzukommen."
"Und wie fühlst du dich jetzt überhaupt?" fragte die besorgte Mutter.
"Mach dir keine Sorgen, Mom, mir geht es wieder gut. Du kannst ruhig wieder zurück in dein Zimmer. Aber laß bitte das Licht brennen. Ich möchte jetzt nicht in der Dunkelheit liegen."
Obwohl es nie so richtig dunkel wurde in ihrem Zimmer. Die Übergardinen ließen zwar keine Blicke von draußen durch, aber London war eine Millionenstadt und wurde niemals richtig dunkel. Es sei denn, der Strom würde eine Nacht lang ausfallen, aber genau das hatte Carla noch niemals erlebt. Zumindest nicht in der Gegend, wo sie mit ihren Eltern wohnte.
Ihre Mutter wollte nicht gehen. Sie hatte viel zu viele Sorgen wegen dem Alptraum, der noch einmal kommen könnte, um ihre geliebte Tochter zu erschrecken. Aber Carla wollte allein sein - allein mit sich und ihren Gedanken. So lange die Mutter bei ihr war und sie nicht in Ruhe ließ, konnte sie nicht richtig nachdenken. Carla wollte wissen, was für ein seltsamer Traum das gewesen war. Er war völlig anders gewesen als man sich Träume im allgemeinen vorstellte.
Und noch ein Umstand war von großer Wichtigkeit: Sie war sich inzwischen völlig sicher geworden, daß sie in der Tat nicht zum ersten Mal von diesem blutigen Rot geträumt hatte. Aber es war das erste Mal, daß sie sich daran nach dem Erwachen erinnerte. Genauso wie es das erste Mal gewesen war, daß es ihr während des Traumes bewußt gewesen war, nur zu träumen.
*
Es hatte einiger Überredungskunst bedurft, die Mutter wieder loszuwerden. Carla hatte das durchgezogen, obwohl ihr die Mutter mit ihrer deutlich zur Schau getragenen Sorge dabei ehrlich leid tat. Aber es ging nicht anders. Sie wollte nicht nur allein sein, sondern sie MUSSTE! Es drängte alles in ihr danach.
Deshalb atmete sie regelrecht erleichtert auf, als sich hinter der Mutter die Tür schloß. Endlich allein. Endlich konnte sie ungestört über alles nachdenken.
Ob ihr das wirklich die Chance gab, hinter das Rätsel zu kommen?
Sie sank seufzend in die Kissen zurück.
Eine neue Erkenntnis: Dieses unwiderstehliche Drängen in ihr, allein zu bleiben: Kam das wirklich von ihr selber? War es wirklich nur der Wunsch, ungestört nachdenken zu wollen? Wäre es nicht logischer - und auch besser! -, die Zeit weiterhin mit der Mutter zu verbringen, bis sie innerlich wieder völlig zur Ruhe gekommen war?
Als würde es eine Art fremde Macht geben, die sie zu diesem Handeln gezwungen hatte.
Aber wieso? Aus welchem Motiv heraus?
Im nächsten Moment beantwortete sich diese Frage von selbst. Sie hatte nicht den Willen, sich dagegen zu wehren: Der Alptraum kam zurück, so plötlich und intensiv, daß sie zu keinerlei Gegenwehr kam, und als sie mitten drin war im Traum, war es sowieso zu spät. Sie hatte es das erste Mal nicht geschafft, diesem blutigen Rot zu entkommen, und würde es auch jetzt nicht schaffen.
Sie richtete sich auf. Das war genauso wie beim letzten Mal: Ihr Körper glitt einfach durch die Bettdecke hindurch.
Carla verließ ihr Bett.
Als sie neben dem Bett stand, drehte sie sich zögernd um und schaute dorthin, wo sie gerade noch gelegen hatte.
Die Konturen waren eindeutig: Da lag ein Körper: Sie selbst lag da! Als wäre es nur ihr Geist, der sich vom Körper gelöst hatte, um vollends einzutauchen in dieses entsetzliche, erschreckende Rot.
Sie schrie wieder, ohne sich dessen bewußt zu sein. Erst als sie die von ihrem Mund wegstiebende rote Wolke sah, wurde es ihr klar, und sie unterdrückte den lautlosen Schrei.
Ihr Blick ging zum Fenster. Dort unten war der Hinterhof, mindestens zehn Meter tiefer. Ein harter Betonboden. Als sie das letzte Mal hinabgestürzt war, hatte das sogleich zu ihrem Erwachen geführt. Und wenn sie es jetzt wiederholte?
Sie brauchte allen Mut, der ihr in diesem Zustand noch zur Verfügung stand, um ihre Schritte zum Fenster zu lenken. Sie stoppte nicht, als sie es erreichte, sondern ging einfach weiter.
Ein eher geringfügiger Widerstand des Fensters und des Fenstersimses. Sie glitt hindurch, kam auf die andere Seite, befand sich unversehends über dem drohenden Abgrund, der prompt an ihr zerrte und sie stürzen ließ.
Sie raste dem tödlichen Aufprall entgegen und schrie unwillkürlich. Wie das letzte Mal, und mit genau dem gleichen Ergebnis: Stumm und nur bemerkbar anhand der blutroten Wolke, die aus ihrem Mund fetzte und träge über ihr zurückblieb.
Nur eines war anders: Sie erwachte diesmal nicht, sondern sie prallte auf... und drang tief in den Boden ein wie in eine Masse aus zähflüssigem roten Brei.
Sie machte verzweifelt Schwimmbewegungen, die jedoch von diesem Brei erheblich behindert wurden. Das panische Strampeln, das dabei herauskam, nutzte ihr nichts. Ganz im Gegenteil: Sie sank nur noch tiefer.
Gewaltsam zwang sie sich zu mehr Beherrschtheit. Sie hörte auf zu strampeln und wurde prompt von allein nach oben getragen. Es ging zwar langsam in dieser zähflüssigen Umgebung, aber dann hatte sie es geschafft: Sie lag auf dem Rücken mitten im Hinterhof und starrte in einen blutigen Himmel, an dem es keine Sterne gab, auch keinen Mond. Das war nur einheitliches, erschreckendes, schockierendes Rot, das niemand ertragen konnte. Deshalb stand Carla schleunigst auf und richtete ihren Blick in die Runde.
Es war der Hinterhof, ganz eindeutig. Drüben waren die Müllcontainer des ganzen Blocks. Der Hof war relativ gepflegt. Die Hausverwaltung achtete akribisch darauf. Sie waren hier schließlich im Westend von London, nicht im Eastend. Obwohl es für jemanden, der in einer Mietskaserne zu wohnen gezwungen war, ansonsten keinen Unterschied machte.
Sie ging unwillkürlich in die Richtung des Durchgangs, der hinaus auf die Straße führte. Dort war auch der Eingang, von wo aus sie über die Treppe hinauf in ihr eigenes Stockwerk zurückkehren konnte.
Aber warum sollte sie zurückkehren? Was nutzte es ihr?
Wenn sie erwachte, war es egal, wo sie sich innerhalb des Traumes befunden hatte. Davon war sie überzeugt. Denn beim letzten Mal war sie in den Hinterhof gestürzt und vor dem Aufprall erwacht - in ihrem eigenen Bett!
Ich liege sowieso noch dort, schlafend, träumend. Dies hier ist keine Wirklichkeit, kann es auch gar nicht sein!
Das ging ihr immer wieder durch den Kopf und half ihr, die um Vorherrschaft kämpfende Panik zu unterdrücken.
Einfach weitergehen, durch den Durchgang hindurch auf die Straße...
Eine Seitenstraße, zur nachtsschlafenden Zeit wenig befahren. Autos standen am Straßenrand geparkt, erkennbar durch ihre Konturen im blutigen Rot.
Wie eine Nachtwandlerin ging Carla weiter, ohne bestimmtes Ziel. Eigentlich war es egal, ob sie jetzt die Straße hinunter oder hinauflief. Oder etwa nicht? Irgendwie drängte es sie auf einmal in eine bestimmte Richtung.
Sie lauschte in sich hinein. War da nicht ein unbestimmbares Locken und Sehnen?
Sie wollte sich dagegen wehren, doch wozu eigentlich? Immer wieder mußte sie sich klar machen, daß dies hier keine Wirklichkeit war. Sie war nicht auf der Straße, sondern sie lag im Bett - träumend. Das blutige Rot war erschreckend und total eklig, aber es war Bestandteil nur eines Traumes. Es hatte ihr kein Leid zugefügt bisher und war eigentlich gar nicht gefährlich für sie.
Bis jetzt jedenfalls nicht!
Carla ließ das Locken und Sehnen zu und bechleunigte jetzt sogar ihre Schritte, bis sie fast rannte. Immer auf dem Bürgersteig die Straße entlang, mit einem für sie selber unbekannten Ziel, aber von einer Macht getrieben, die genauso wenig faßbar erschien wie alle anderen Umstände dieses Alptraums, der anscheinend kein Ende mehr nehmen wollte.
Sie stieß sich probehalber kräftiger ab... und segelte mehrere Meter frei durch die Luft, als hätte sie kaum Gewicht.
Ach was, egal, redete sie sich ein. Wenn ich schon keine Chance habe, aus diesem Alptraum zu erwachen, dann will ich wenigstens wissen, was mich so lockt. Vielleicht erfahre ich dort sogar den Grund für diesen schrecklichen Alptraum?
Die nächsten Schritte waren eher ein flacher Flug, der sie wie mit den Siebenmeilenstiefeln aus dem Märchen immer schneller einem noch unbekannten Ziel entgegenfliegen ließ. Jeder einzelne kräftige Schritt bescherte ihr inzwischen einen Flug von mindestens dreißig Metern.
Auch als die Straßen belebter wurden: Sie flog durch fahrende Autos hindurch. Wenn sie von einem Auto erfaßt wurde, machte ihr das nicht das Geringste aus. Sie raste im Sauseschritt weiter - und irgendwie begann die Sache ihr sogar Spaß zu machen. Wenn nur nicht dieses alles erfüllende und alles bestimmende eklige Rot gewesen wäre...
Und dann wurde das Rot auf einmal strahlend hell und so intensiv, wie sie es bisher noch nicht erlebt hatte. Das ließ ihren Schritt stoppen. Ohne jegliche Verzögerung stand sie von einem Augenblick zum anderen auf der Stelle und schaute nach vorn.
Dies hier war ihr Ziel, und es es sah gerade so aus, als würde alles Rot... genau von hier kommen. Dies war die Quelle von allem. Von hier floß es mächtig nach allen Richtungen, erfüllte die ganze Welt diesseits des Alptraums.
Die Autos unterwegs, die durch sie hindurchgefahren waren, Passanten, die sie einfach ignoriert hatten: Niemand hatte sie überhaupt wahrgenommen. Sie war für alle anscheinend unsichtbar gewesen.
Bisher hatte es sie nicht gewundert. Sie hatte es mit der Tatsache verknüpft, eben einen unlogischen Traum zu erleben. War denn in Träumen nicht alles möglich? Aber so eindringlich und irgendwie trotz aller fantastischer Umstände real wirkend hatte sie ansonsten noch niemals einen Traum erlebt. Es sei denn, er war genauso blutigrot gewesen...
Und dies hier war die Quelle von alledem? Vom ersten Traum in diesen Art an?
Nein, nur jetzt! kam ihr die Erkenntnis, ohne daß sie zu sagen vermochte, woher sie diese überhaupt gewonnen hatte.
Sie starrte auf das mächtig erstrahlende und quirlende Rot und bemerkte jetzt erst, daß es dort hektische Aktivitäten gab. Große Fahrzeuge, wie sie anhand ihrer Kontoren sah. Menschen, die hantierten. Irgend etwas spritzte dabei in dieses Rot hinein und versuchte, es aufzuhalten, diesen stetigen Strom der die Welt übergießenden und durchdringenden Röte zu unterbinden. Vergeblich, wie Carla deutlich sah.
Sie ging näher heran - und die Erkenntnis traf sie wie der berüchtigte Keulenschlag: Dies war ein Großfeuer - und die Feuerwehr war dabei, das Feuer zu löschen. Aber ohne Erfolg bisher.
Und sie dachte an ihren Vater, der heute im Nachtdienst war: Ihr Vater war von Beruf... Feuerwehrmann!
Sie schrie unwillkürlich seinen Namen, obwohl kein Laut von ihren Lippen kam, sondern nur eine davonstiebende rote Wolke. Und dann lief sie los, mitten in diese blutende, rote Lautlosigkeit hinein.
*
Das Rot war das reinste Inferno. Obwohl es lautlos blieb, glaubte Carla das Brüllen und Donnern der alles vernichtenden Flammen zu hören. Sie konnten ihr nichts anhaben, nicht das Geringste, und doch brannte unwillkürlich die Haut von unvorstellbarer, grausamer Hitze.
Ja, dies alles konnte ihr nichts anhaben: Nicht in ihrem eigenen Traum, der sie zwar unentrinnbar beherrschte, aber in dem sie nicht völlig hilflos war, wie sie inzwischen aus Erfahrung wußte.
Sie hatte keine Ahnung, woher dieser innere Drang kam, aber sie mußte tiefer in das Inferno hinein. Als würde darin die Ursache, der Grund für ihren Alptraum zu finden sein.
Nicht ihr erster Traum in dieser Art war das. Sie mußte sich das immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Aber noch niemals war ein Traum dieser Art so eindringlich gewesen und noch niemals zuvor hatte sie daran einen so großen persönlichen Anteil erhalten. Sonst war sie lediglich passive Beobachterin geblieben, doch jetzt handelte sie - wörtlich genommen.
Das grelle Rot, das gierig nach ihr leckte, ließ sie im wahrsten Sinne des Wortes kalt. Sie drang langsam tiefer hinein und schaute in die Runde.
Das Rot schaffte es nicht, ihre Sicht zu behindern, wenn sie es nicht wollte. Sie schaute hindurch - und weiter vorn erkannte sie eine Art Hohlraum.
Ein ganzer Häuserblock brannte lichterloh. Die Feuerwehr blieb draußen und hatte keine Chance, wie es aussah. Und in diesem Hohlraum... bewegte sich etwas.
Ein Mensch?
In einer seltsamen Mischung aus Neugierde und Scheu näherte sich Carla. Sah es denn nicht gerade so aus, als sei diese Person Mittelpunkt von allem, von der ganzen durch die Farbe Rot bestimmten Alptraumwelt?
Es war ein Mensch, wie sie anhand der Konturen zweifelsfrei sah, und dieser Mensch konnte sie nicht wahrnehmen, genauso wenig wie die Passanten und Autofahrer auf dem Weg hierher. Er rannte verzweifelt umher, aber das hatte nichts mit ihr zu tun: Dieser Mensch befand sich in einer tödlichen Falle. Nein, er hatte nicht das Feuer verursacht, sondern sie sah undeutlich, dass er typisch gekleidet war wie ein Feuerwehrmann. Hatte er zu einer Art Voraustrupp gehört und hatte das Feuer ihm den Rückweg abgeschnitten?
Er war jedenfalls zum Tode verurteilt. Bei diesem Inferno hatte er höchstens noch Sekunden zu leben.
Carla erreichte ihn mit dem nächsten Gedanken - und griff nach ihm! Sie wollte nicht, daß der Feuerwehrmann in den Flammen starb. Sie wollte ihn beschützen, irgendwie, wollte nicht, daß das Feuer eine Chance hatte.
Und es gelang ihr sogar!
Es war war wie ein Wunder: Carla nahm ihn in die Arme, und ihre eigene Immunität gegen das feurige Inferno ging auf den vordem Wehr- und Schutzlosen über.
Das gab ihr Mut. Sie hob den Mann spielend leicht hoch. Da half ihm kein Strampeln und keine erschrockene Gegenwehr. Und dann ging sie gemeinsam mit ihm den Weg zurück, mitten durch dieses Inferno des Feuers, bis sie beide es hinter sich hatten und der Feuerwehrmann befreit war. Dann erst ließ sie von ihm ab und wandte sich der Quelle des Rot wieder zu.
Sie wollte nicht, daß es sich weiter ausbreitete und am Ende vielleicht den ganzen Stadtteil in Schutt und Asche legte. Wie viele Menschen würden dadurch obdachlos werden? Ganz zu schweigen von den Armen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachten und dabei zu Tode kamen.
Sie breitete weit die Arme aus, als wollte sie sich Flügel verleihen, und ging erneut gegen das Inferno an.
Das zweite Wunder geschah: Von ihr ausgehend, wich das Inferno zurück. Das tat dies, als würde allein Carlas Geste es schon erschrecken und als müsste es vor ihr fliehen.
Carla wurde mutiger in ihrem Vorgehen und beschleunigte ihren Schritt.
Eine Schneise entstand, in der es zwar nach wie vor blutrot pulsierte und quirlte, aber das Inferno zurückgedrängt war.
Carla begann zu laufen. Sie lief den ganzen brennenden Block ab: Hin und her.
Während hoch über ihr das Inferno blieb, gelang es Carla, die Basis von allem zu neutralisieren: Hier gab es kein Inferno des Feuers mehr.
Währenddessen hielten die Feuerwehrmäner nach wie vor ihre Wasserschläuche in den Großbrand hinein. Jetzt, wo die Basis gelöscht war, gelang es ihnen endlich, Herr der Lage zu werden.
Carla sah es und zog sich zufrieden zurück.
Sie hielt Auschau nach dem Mann, den sie gerettet hatte, aber da in dem quirlenden Rot alle gleich aussahen, konnte sie ihn nirgendwo mehr entdecken.
Das war nicht weiter schlimm. Sie freute sich darüber, daß sie ihm wenigstens hatte helfen können.
Diese Freude ließ sie beinahe vergessen, in welchem Alptraum sie steckte und wie sehr sie das eklige Rot nach wie vor erschreckte.
Und dann wachte sie wieder auf...
*
Eine kleine Weile lag sie ruhig in ihrem Bett und starrte an die Decke, vergeblich bemüht, ihre chaotischen Gedanken zu ordnen. Das gelang ihr natürlich nicht.
Auf einmal öffnete sich beinahe zaghaft die Tür ihres Schlafzimmers.
Carla schaute hinüber. Ihre Mutter tauchte im Türspalt auf, das schnurlose Telefon noch in der zitternden Hand. Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes völlig aufgelöst.
Carla vergaß die Nachwirkungen ihres Alptraums und sprang aus dem Bett.
"Um Gottes Willen, Mom, was ist denn passiert?"
"Ich - ich bin soeben angerufen worden. Hast du es nicht klingeln hören?"
"Nein, Mom. Aber was...?" Sie konnte den Satz nicht vollenden, sondern dachte unwillkürlich wieder an ihren Vater, den Feuerwehrmann.
Die Erinnerung an den Alptraum kehrte gleichzeitig zurück.
Carla schwindelte es. Sie hätte beinahe den Boden unter den Füßen verloren, aber dann sah sie wieder den Zustand, in dem sich ihre Mutter befand, und lief ihr entgegen, um sie in ihre Arme zu schließen.
"Beruhige dich doch erst mal, Mom, und erzähle mir, was passiert ist."
"Dein - dein Vater..." Ihre Mutter brach schluchzend ab. "Seit ich ihn kenne, leide ich unter seinem Job. Ich habe immer solche Angst um ihn. Deshalb kann ich ja auch nicht schlafen, wenn er im Nachtdienst ist. Und jetzt..."
"Was war denn jetzt?" rief Carla, das Schlimmste vermutend.
"Sie haben mich angerufen. Es gab ein Großfeuer in einem anderen Stadtteil. Dein Vater... ist vor Ort im Einsatz. Er - er wurde vom Feuer eingeschlossen und dann..."
"Um Gottes Willen, was ist mit ihm geschehen?" Carla schrie es jetzt regelrecht.
"Er konnte sich wie durch ein Wunder retten. Sie haben gesagt, auf einmal war er außerhalb des Feuerinfernos und sei auf sie zu gestolpert. Sie haben ihn sofort medizinisch versorgt. Außer ein paar harmlosen Brandverletzungen und einer leichten Rauchvergiftung ist ihm nichts widerfahren. Noch während sein Kollege mir das berichtete, kam dein Vater selbst ans Telefon. Er hat mir gesagt, es sei alles in Ordnung mit ihm, und wir sollten uns keine Sorgen machen. Das Feuer hätten sie jetzt auch im Griff. Er müsse nur noch ins Krankenhaus, um die Rauchvergiftung behandeln zu lassen. Morgen kommt er schon wieder heim."
"Er - er wurde wie durch ein Wunder gerettet?" vergewisserte sich Carla und hielt den Atem an: Ihr Traum!
"Er weiß selber nicht, was ihm widerfuhr. Er war völlig abgeschnitten von der Außenwelt, und seine Kollegen haben sich vergeblich bemüht, das Feuer zu dämmen. Es gab nicht den geringsten Ausweg. Gerade als er schon mit seinem Leben abgeschlossen hatte, tat sich anscheinend doch rein zufällig eine Lücke auf, und er konnte fliehen."
"Das hat er gesagt?"
"Ja, Kind, das hat er. Ach, ich bin ja so froh, daß er Glück gehabt hat. Aber wenn ich daran denke, was hätte passieren können..." Sie schluchzte wieder laut.
Carla hielt ihre verzweifelte Mutter ganz fest.
"Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Er hat einen gefährlichen Job, ja, aber er wird es auch noch weiterhin überleben. Andere haben einen völlig ungefährlichen Job irgendwo im Büro und werden unterwegs vom Auto überfahren. Richtig ungefährlich ist das Leben für niemanden!"
Seltsame Worte, die sie zum Trost ihrer Mutter fand. Das paßte gar nicht zu ihr. Aber es hatte sich etwas entscheidend verändert: Sie hatte sich verändert. Durch den blutroten Alptraum.
Sie konnte sich an jedes Detail ganz genau erinnern - und sie war inzwischen hundertprozentig sicher, dass ihr Vater nicht durch einen Zufall überlebt hatte. Nein, sie selbst, die eigene Tochter, hatte ihn gerettet, im letzten Moment, selber gefangen in einem blutroten Alptraum!
Ja: Dieses erschreckende Rot. Dieser Alptraum, der so unerträglich gewesen war, wie etwas nur unerträglich sein konnte... Immerhin: Er hatte es ihr ermöglicht, ihrem Vater das Leben zu retten.
Aber wenn sie das jemandem gesagt hätte, wäre sie nicht nur auf Unglauben gestoßen. Am Ende würde man sie gar in die Psychiatrie stecken. Es war ja auch in der Tat absolut unglaubwürdig. Sie hätte es selber nicht glauben können, hätte sie es nicht persönlich erlebt.
Ist es wirklich ein Fluch, daß ich diesen Alptraum hatte, oder ist es nicht vielmehr... ein Segen?
Angesichts dessen, daß sie auf diese Weise so positiv hatte Schicksal bei ihrem Vater spielen können, überwog im Moment ihre Meinung, es könne sich nur um einen Segen handeln. Doch tief in ihrem Herzen regten sich berechtigte Zweifel.
Dieses eine Mal hatte sie ein für sie wichtiges Menschenleben gerettet. Aber wenn es einen weiteren Alptraum gab: War sie auch da die Retterin oder würde sie eher als das Gegenteil in Erscheinung treten?
Und was war mit ihr selber? Wenn sie jetzt häufig solche Alpträume bekam: Wie endete das mit ihr? Wurde sie irgendwann von den blutroten Alpträumen so sehr beherrscht, daß sie zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war? Um letztlich sogar für immer und ewig in diesem Alptraum gefangen zu bleiben?
Sie hatte große Angst davor, sehr große. Deshalb konnte sie sich nur noch halbwegs über die Rettung ihres Vaters freuen.
Ach, wie gern hätte sie mit ihrer Mutter darüber gesprochen. Diese hatte stets vollstes Verständnis für sie aufgebracht, für alles, was sie mit ihr besprochen hatte. Aber in diesem speziellen Fall... Und das konnte Carla ihr noch nicht einmal verübeln.
Sie tätschelte beruhigend die Schultern ihrer Mutter, nicht ohne Wirkung. Sie sagte auch beruhigende Worte wie: "Wirst sehen, morgen ist Vater wieder putzmunter, und wir können über alles nur noch lachen." Auch das wirkte positiv auf die Mutter.
Obwohl diese einmal sagte: "Mir wäre es am liebsten, er würde sich einen anderen Job suchen."
Carla sagte darauf lediglich, was ihre Mutter sowieso selber wußte: "Das geht nicht. Sein Job bei der Feuerwehr, das ist sein Leben. Er wollte schon immer nur das Eine: Menschen aus der Not helfen."
Auch wenn es ihn diesmal selber in tödliche Not gebracht hat! fügte sie in Gedanken hinzu, verständlicherweise ohne ihre Mutter an diesen Gedanken teilhaben zu lassen.
Doch dann kam der nächste Gedanke: Und ich, als deine Tochter, werde alles tun, um dir auch in Zukunft zumindest einen Teil der Bedrohung zu nehmen, sofern es in meiner Macht steht. Dafür nehme ich gern in Kauf, solche blutigroten Alpträume zu durchleben.
Gern?
Nein, das war nicht die ganze Wahrheit. Da machte sie sich echt etwas vor.
Am Ende überwog dennoch die Freude, daß ihr geliebter Vater überlebt hatte...
*
Der Rest der Nacht war sozusagen gelaufen. Die beiden Frauen konnten angesichts der Umstände kein Auge mehr zutun. Sie setzten sich in das Wohnzimmer, und Carlas Mutter redete ununterbrochen davon, wie froh sie wäre, ihr Mann würde endlich mit diesem gefährlichen Job aufhören.
Carla ließ sie reden, obwohl sie ihre Mutter so gar nicht kannte. Normalerweise sprach sie nie davon, wie sehr sie der Job ihres Mannes störte. Nun, nach dieser schrecklichen Nacht...
Carla erwies sich einfach als gute Zuhörerin. Mehr konnte sie für ihre Mutter auch gar nicht tun. Dabei kamen ihr durchaus eigene Gedanken: Sie sah vor ihrem geistigen Auge dieses wabernde, glutende Rot, die Quelle von allem Rot, das ihren Alptraum beherrscht hatte. Die Welt wurde regelrecht davon durchflutet. Dann war sie näher gekommen, hatte schließlich ihren Vater entdeckt in einer aussichtslosen Situation. Ohne überhaupt zu wissen, daß es sich um ihren Vater handelte.
Wieder kehrte das Bild zurück, als wäre der Brandherd die Quelle von allem Übel und nicht nur ein schlimmer Großbrand.
Plötzlich wurde ihr heiß und kalt zugleich. Einerseits mußte es eine Ursache für diesen Alptraum geben. Andererseits hatte sie dieser Ursprung regelrecht angelockt. Sie hatte letztlich nicht widerstehen können und sich beeilt. Sie war so schnell es ging zum Ort des Geschehens. Wäre sie nur Sekunden später dorthin gekommen, hätte sie für ihren Vater nichts mehr tun können. Aber so hatte es gerade noch gereicht.
Das eine hing mit dem anderen zusammen. Für Carla war das inzwischen überdeutlich. Aber ein Großbrand konnte doch wohl nicht Meilen entfernt einen Alptraum auslösen? Wann hatte man denn jemals von so etwas gehört?
Andererseits: Hatte man denn schon jemals von so einem blutigroten Alptraum gehört?
Carla schüttelte heftig den Kopf, wie um so all diese chaotischen Gedanken loszuwerden, die sowieso keine Klärung bringen konnten. Ganz im Gegenteil: Dadurch schienen die Rätsel nur noch größer und unlösbarer zu werden.
Ihre Mutter sah ihr Kopfschütteln und bezog dies auf ihre letzten Worte, obwohl Carla gar nicht mehr zugehört hatte und deshalb nicht wußte, was ihre Mutter zuletzt gesagt hatte.
"Bist du denn nicht meiner Meinung, Kind?"
"Tut mir leid, ich habe gerade nicht zugehört. Mein Kopfschütteln bezog sich auch nicht auf dich."
"Worauf denn sonst?"
Carala schaute sie forschend an. Dann sagte sie: "Der Alptraum heute nacht, der mich schreiend erwachen ließ... Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich geträumt habe, aber es muß ganz schrecklich gewesen sein oder hast du mich schon jemals so erlebt?"
"Nein, habe ich nicht." Plötzlich schlug ihre Mutter die Hand vor den Mund und rief erschrocken: "Meinst du denn, der Alptraum hatte etwas mit deinem Vater zu tun? Hast du etwa von dem Unglück geträumt? Hast du im Schlaf geahnt, daß es gefährlich für ihn werden würde?"
"Deshalb habe ich den Kopf geschüttelt: Nein, ich denke, es war Zufall."
"Aber man hat doch schon davon gehört, daß Leute so eine Ahnung hatten, von Dingen, die dann wirklich eingetroffen sind."
Carla machte eine wegwerfene Handbewegung und meinte leichthin: "Alles Unsinn, glaube mir. So etwas gibt es nicht!"
Und blutigrote Alpträume normalerweise auch nicht, in denen man seinem Vater in der Realität das Leben rettet! fügte sie in Gedanken hinzu. Ja, normalerweise nicht! Und doch bin ich sicher, daß es genauso war und nicht anders...
Das Telefon ging in diesem Moment. Beide schauten hinüber.
"Dein Vater!" vermutete Edith Pensington, Carlas Mutter, und lief schon hinüber, ehe Carla daran denken konnte, abzuheben.
Die Mutter meldete sich bang, doch dann sagte sie: "Moment, ich gebe sie dir!" Sie nickte Carla zu: "Es ist Peter, dein Freund."
Carla stand auf und kam zu ihr, um das schnurlose Telefon zu übernehmen. "Ja?"
"Ich habe soeben in den Frühnachrichten erfahren, daß es einen Großbrand gegeben hat. Ist dein Vater nicht Feuerwehrmann?"
"Ja, ist er", antwortete Carla knapp. "Und bevor du fragst: Ja, er war mit dabei - und es hätte ihn beinahe selber das Leben gekostet. Wie durch ein Wunder kam er diesmal noch davon. Wir sitzen hier und sind völlig aufgewühlt."
"Um Gottes Willen, Carla!" rief Peter ensetzt. "Deshalb bist du so komisch? Na, kein Wunder! Herrjeh, das ist ja wirklich ein gefährlicher Job. Da möchte keiner mit ihm tauschen. Aber andererseits: Was würden wir denn tun, wenn es solche mutigen Männer nicht gäbe, die im Ernstfall für uns alle ihr Leben riskieren?"
"Ein Mut, der den Hinterbliebenen am Ende auch nichts mehr nützt", kommentierte Carla bitter, aber dann erinnerte sie sich daran, daß ihre Mutter zuhörte und daß sie mit solchen Worten deren Bedenken und Sorgen nur noch mehr schürte. Deshalb fügte sie rasch hinzu: "Aber du hast recht: Es muß solche mutigen Männer geben, und es liegt an den Angehörigen und allen, die mit solchen Männern verbunden sind, ebenfalls tapfer zu sein. Sozusagen für den guten Zweck."
"Weise Worte", meinte Peter, doch es klang brüchig. Er schien sich jetzt selber ehrlich Sorgen zu machen. "Ich habe auch nicht deshalb angerufen, weil ich sensationslüstern bin, sondern weil ich mich sorgte."
"Ich weiß, Peter, entschuldige, daß ich so komisch war zu dir. Es hat nichts mit deiner Person zu tun, aber ich bin durch dies alles übernächtigt und so. Du verstehst?"
"Wie geht es denn deinem Vater jetzt? Hat er denn alles gut überstanden?"
"Ja, hat er. Harmlose Brandverletzungen, hieß es. Inzwischen ist er im Krankenhaus und wird auf seine leichte Rauchvergiftung behandelt. Wahrscheinlich kommt er im Laufe des Tages schon heim."
"Wenn du nichts dagegen hast, komme auch ich hinzu: Ich denke mal, die Wiedergeburt muß gefeiert werden. Schließlich ist dein Vater ein Held."
"Nein, weniger gut, Peter. Zwar gut gemeint, aber ich glaube nicht, daß Mutter davon begeistert wäre."
"Wovon?" erkundigte diese sich prompt.
Carla klärte sie auf: "Peter meint, das wäre Anlaß für eine Party, weil Vater ja wirklich ein großer Held sei."
"Nun, warum nicht?" sagte ihre Mutter überraschenderweise. "Wir sollten deinem Vater wirklich zeigen, wie sehr wir uns darüber freuen, ihn heil zurückzubekommen!"
"Also gut, einverstanden!" seufzte Carla in den Telefonhörer. "Komm vorbei. Wir stoßen gemeinsam an. Aber keine große Party, sondern sozusagen eine Feier im kleinen Kreis."
"Herrjeh, und dann muß dein Vater uns haarklein erzählen, wie er denn nun dieser Hölle entronnen ist."
"Wieso, das klingt ja gerade, als wüßtest du mehr?"
"Nun, ich sagte doch: Ich weiß es aus den Frühnachrichten. Dabei meine ich Fernsehen, nicht Radio. Ich habe den Flimmerkasten immer an, wenn ich frühstücke. Das bereitet mich auf den Tag vor. Aber das weißt du doch..."
"Fernsehen?" echote Carla alarmiert.
"Ja, die haben gezeigt, was passiert ist!"
"Wie bitte?" Zu mehr war Carla nicht fähig. Es grenzte für sie an ein Wunder, daß sie diese beiden Worte überhaupt über die Lippen gebracht hatte.
"Ja", bekräftigte Peter: "Ein Kamerateam war vor Ort. Das sah schrecklich aus. Und dann kam die Meldung, daß einer der Feuerwehrmänner von diesem Inferno eingeschlossen wurde und keine Chance hatte, zu entkommen. Die Kamera zeigte es ganz genau: Der Feuerwehrmann erschien plötzlich vor der Flammenwand, wie aus dem Nichts. Er sei quasi unversehrt entkommen, hieß der verdatterte Kommentar. Die Kameraleute wollten sich natürlich sofort auf den Mann stürzen, doch dies wurde von seinen Kollegen erfolgreich verhindert. Es hieß danach, daß der Gerettete leider zu keinem Kommentar bereit sei und sich sowieso zur Zeit im Krankenhaus befände. Und das war dein Vater, wirklich dein Vater? Dann drücke ich ihm die Daumen, daß das Fernsehen das nicht herauskriegt, sonst ist bei euch daheim die Hölle los."
"Das ist ja schrecklich!" In der Tat: Für Carla war diese Nachricht schlimmer noch als ihr blutigroter Alptraum. Das, was geschehen war, im Bild festgehalten? Wenn sie sich vorstellte, daß hier Fernsehteams auftauchen würden, um ihren Vater mit Fragen zu bombardieren, die dieser gar nicht beantworten konnte...