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E-Book-Only Kurzroman
Vince Haven und Sadie Hollowell wollen sich endlich das Ja-Wort geben, und ihre Hochzeit soll das Event des Jahres in Lovett, Texas, werden. Unter den Geladenen: Becca Ramsey, die weiß, dass sie dem Bad Boy Nate Parrish so fern wie möglich bleiben sollte. Doch das Fest der Liebe hat nicht nur das Brautpaar in seinem Bann ...
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Seitenzahl: 113
Inhalt
Vince Haven und Sadie Hollowell wollen sich endlich das Jawort geben, und ihre Hochzeit soll das Event des Jahres in Lovett, Texas, werden. Unter den Geladenen: Becca Ramsey, die weiß, dass sie dem Bad Boy Nate Parrish so fern wie möglich bleiben sollte. Doch das Fest der Liebe hat nicht nur das Brautpaar in seinem Bann …
Weitere Informationen zu Rachel Gibson sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.
RACHEL GIBSON
Liebe ist für alle da
Übersetzt von Antje Althans
Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel»I do« bei Avon Impulse,an imprint of HarperCollins Publishers, New York.
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Deutsche Erstveröffentlichung Januar 2017Copyright © der Originalausgabe 2015 by Rachel Gibson Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München Umschlagmotiv: © FinePic®, München Redaktion: Sigrun ZühlkeMR · Herstellung: Str.ISBN: 978-3-641-18720-0V001www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz
Dies ist ein Roman. Personen, Orte und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Kapitel 1
Mit dreiundzwanzig hatte Rebecca Ramsey ihre Passion gefunden. Ihre Liebe. Ihre künstlerische Berufung. Während manche Künstler mit Ölfarben, Stoffen oder Ton arbeiteten, arbeitete Becca mit Haaren. Während andere junge Frauen ihres Alters noch studierten und herauszufinden versuchten, was sie mit ihrem Leben anstellen sollten, hatte Becca ihres von vorn bis hinten durchgeplant. Seit sie vor ein paar Jahren ihre Ausbildung am Institut für Kosmetologie in Amarillo abgeschlossen hatte, arbeitete sie eifrig daran, ihre Passion zu vervollkommnen. Ihre Liebe. Ihre Kunst. Becca konnte gut schneiden und fönen, war fantastisch, wenn es um Strähnchen, Ombré Hair, Peek-A-Boo und Dip-Dye Hair ging, doch bei Hochsteckfrisuren war sie eine wahre Meisterin. Von einfachen Chignons bis hin zu komplizierten Catwalk-Frisuren samt Zweigen, Vögeln und Fontänen – ihre Kreationen waren nicht zu übertreffen.
Natürlich bestand in Amarillo, Texas, wo sie lebte und arbeitete, nur begrenzt Bedarf an Catwalk-Frisuren und sechzig Meilen weiter nördlich in der Kleinstadt Lovett, aus der sie stammte, überhaupt keiner. Andererseits waren sie hier in Texas, wo festliche Frisuren immer gefragt waren. »Je aufgeplusterter die Frisur, desto näher bei Gott« war im nördlichen Texas nicht nur eine Redensart, sondern eine Art elftes Gebot: »Du sollst toupiertes Haar haben.«
Für Abschlussbälle, Schulentlassungen und ihre Lieblingsdisziplin Brautfrisuren war Becca ständig mit komplizierten Chignons und Stylingprodukten beschäftigt. Sie liebte große Feierlichkeiten, die nach voluminösen Frisuren verlangten, und hegte ehrgeizige Pläne, einmal ihren eigenen Salon zu eröffnen. Die endgültige Entscheidung für einen Namen war noch nicht gefallen, aber es war ja noch genug Zeit, darüber nachzudenken. Sie überlegte, ihm einen einprägsamen Namen wie »Beccas Bob- und Beautyshop« oder »Beccas HairFlair« zu geben. Oder einen noblen wie »Salon B« oder »Creative Hair Design«. Oder etwas Lustig-Flippiges wie »Pony oder Toupet«.
Unter der hellen Junisonne griff Becca über den Sitz ihres VW-Käfers und kramte die Sonnenbrille aus ihrer Coach-Tasche, die auf einem Stapel Hochzeitmagazine lag. Sie zog ihre Katzenaugen-Sonnenbrille auf, als wäre sie Audrey Hepburn, und justierte die Sonnenblende. Wie an den meisten Sonntagnachmittagen herrschte kaum Verkehr auf dem Weg von Amarillo nach Lovett, bis auf vereinzelte Trucks mit einem Angelboot im Schlepp und ein paar Quads.
Becca war die Strecke schon so oft gefahren, dass sie sie in- und auswendig kannte und die Wiesen und die Windräder kaum wahrnahm, die sich im leichten Wind bewegten. Mit dem rechten Vorderreifen bretterte sie über ein totes Gürteltier, während sie sich an die Salonnamen zu erinnern versuchte, die ihr gestern vor dem Einschlafen eingefallen waren. Manchmal kamen ihr die besten Ideen, kurz bevor sie einnickte, wie die Retro-Aschenputtel- und Kristallleuchter-Hochfrisuren, die vor ihrem geistigen Auge erschienen waren und die sie dann für ihr Portfolio perfektioniert hatte.
Gestern Abend war ihr »Spitzensalon« wie ein toller Name vorgekommen, aber jetzt, bei Tageslicht und klarerem Verstand betrachtet, klang er eher nach Luxusbordell.
Becca fuhr langsamer und nahm die Ausfahrt nach Lovett. Erst letzte Woche war die hier ansässige Fotografin Daisy Parrish in Lily Belles Schönheits- und Frisörsalon gekommen, in dem Becca arbeitete, um Aufnahmen von Beccas neusten genialen Hochzeitsfrisuren zu machen. Da Daisy und Lily, die Besitzerin des Salons, Schwestern waren, gewährte Daisy allen Salon-Mitarbeiterinnen einen großzügigen Rabatt. Beide Schwestern waren auf ihre Art schön und talentiert, Daisy mit ihrer Kamera und Lily mit dem Schönheitssalon. Sie waren so stilvoll und schienen so glücklich zu sein, dass es schwerfiel, der alten Klatschgeschichte Glauben zu schenken, sie hätten sich vor Jahren im »Gas and Go« geprügelt.
Becca hatte keine Zeit für Klatsch und Tratsch und war viel zu beschäftigt, um sich über eine Schlägerei in einem Tankstellen-Shop Gedanken zu machen. Becca war damals noch in die Mittelstufe gegangen, und in letzter Zeit hatte sie keine Gerüchte mehr über die Schwestern gehört. Aber sie wohnte jetzt auch schon seit einem Jahr in Amarillo und hörte nicht mehr jedes Mal beim Tanken oder beim Frühstück im »Wilden Kojoten« die neusten Geschichten. Sie bekam nicht viel davon mit, es sei denn, ihre Mutter rief sie an, um sie ins Bild zu setzen. Was allerdings ziemlich oft vorkam.
Aktuell drehte sich in Lovett alles um die Hochzeit von Sadie Hollowell und Vince Haven. Die gesamte Kleinstadt schien in hellem Aufruhr zu sein, weil das Paar sich entschlossen hatte, die Hochzeit nur im engsten Freundes- und Verwandtenkreis auf der JH-Ranch (benannt nach Sadies verstorbenem Vater Clive Hollowell) zu feiern.
Viele in der Stadt waren der Meinung, dass Sadie ihnen eine »große Sause« schuldete, weil die Hollowells sich schon hier niedergelassen hatten, als Lovett nicht mehr als ein Postkutschenstopp mit Kolonialwarenladen gewesen war. Die Ranch war eng mit der texanischen Geschichte verbunden, fast so eng wie Alamo weiter südlich, nur ohne den Unabhängigkeitskrieg, die Belagerung und den Kriegshelden James Bowie.
Insgeheim hätte sich auch Becca eine Hochzeit in ganz großem Stil gewünscht. Nicht, weil sie fand, dass Sadie ihr etwas schuldete, sondern weil sie Brautfrisuren stylte. Eine große Hochzeit wäre ein toller Anlass gewesen, um den Leuten ihre Arbeit zu präsentieren.
In der Stadtmitte hielt Becca an einer roten Ampel und frischte ihren Lipgloss auf. Nach einem kurzen Halt, um die neusten Fotos abzuholen, die Daisy ihr dagelassen hatte, wollte Becca zur JH-Ranch rausfahren, um vor der Zeremonie am nächsten Samstag mit Sadie noch die letzten Details zu besprechen.
Sadie war mehr als nur Beccas neuste Kundin. Sie war die Verlobte von Beccas gutem Freund Vince Haven und hatte sich inzwischen auch mit Becca angefreundet. So sehr, dass Sadie sie nicht nur für ihre Brautfrisur engagiert, sondern auch in die Festplanung einbezogen hatte. Sadie hatte wegen der Blumen, wegen des Hochzeitsbogens und des Kleids der Trauzeugin ihren Rat gesucht.
Vince war ihr dabei gar keine Hilfe gewesen. Seine Lieblingsfarben waren Braun und Dunkelbraun, und beim Thema Blumen verschränkte er die Arme vor der breiten Brust und machte ein mürrisches Gesicht. Auch Sadies Schwester Stella war keine große Hilfe. Stella war mit ihrem eigenen Leben und ihrem eigenen Verlobten beschäftigt, und offen gesagt war sie auch keine Texanerin. Sie verstand genauso wenig wie Vince, dass eine einfache Hochzeit niemals einfach war, und ihr Geschmack tendierte eher zu Leder und Kampfstiefeln als zu Spitze und Satinpumps.
Als die Ampel auf Grün umsprang, fuhr Becca los und überholte einen alten Pick-up, der ihr zu langsam war. Sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie musste neue Kunden gewinnen, Geld verdienen und wurde von einer Braut erwartet, die die neusten Fotos der Hochsteckfrisuren sehen wollte, die Daisy für ihr Portfolio gemacht hatte.
Es war gut, dass Sadie Becca als Hilfe engagiert hatte, denn auch wenn Becca das niemals laut ausgesprochen hätte, war Sadie nicht besonders gut im Planen von Feierlichkeiten, ebenso wenig wie die Eventplanerin, die sie angeheuert hatte. Vinces Schwester Autumn war zwar Hochzeitsplanerin, lebte aber in Seattle und konnte nicht viel mehr tun, als aus knapp dreitausend Kilometer Entfernung Ratschläge zu erteilen.
Becca fuhr langsamer und bog auf das Gelände von »Parrish American Classics« ein. Die Firma, die Oldtimer restaurierte, war geschlossen. Sie stellte den VW-Käfer in der Nähe des Eingangs ab. Daisy war übers Wochenende mit ihrer Familie zum Bootfahren am Lake Meredith, hatte ihr jedoch versprochen, ihr das Portfolio in den Briefkasten der Firma ihres Ehemanns zu legen.
Die Nachmittagssonne funkelte auf den Gläsern von Beccas Sonnenbrille, als sie aus dem Wagen stieg und den großen Briefkasten neben dem Eingang erblickte. Die meisten Hochzeitsgäste waren entweder Sadies Verwandte oder Vinces Kumpel vom Militär. Zwei von diesen Kameraden, die Zwillingsbrüder Blake und Beau Junger, hatte Becca kurz kennengelernt. Die beiden waren Riesenkerle, irgendwie Furcht einflößend, und sahen einander so ähnlich, dass es schon unheimlich war.
Der Lärm des Straßenverkehrs und ein Schwall Hardrock-Musik aus der Ferne dröhnten in Beccas Ohren, während sie die Hand in den Briefkasten schob. Als sie nichts fühlte, stellte sie sich auf die Spitzen ihrer T-Strap-Wedges und spähte hinein. Er war leer.
Sie rüttelte an der Haustür des Firmengebäudes, die zwar klapperte, aber nicht nachgab. Sie klopfte, rief ein paar Mal »Hallo« und folgte dann dem Radau der Heavy-Metal-Musik um das Gebäude herum. Die hölzernen Keilabsätze ihrer Häkelsandalen klapperten über den Beton. Sie hatte siebzig Mäuse für die Schuhe hingeblättert, eine verschwenderische Ausgabe für eine Frau mit knappem Budget, aber sie hatte der Farbe einfach nicht widerstehen können: Scarlet Tango.
Ihr letzter Freund hatte immer behauptet, Frauen, die auf Rot standen, trügen auch keine Slips, aber Toby Ray hatte vieles behauptet, als wäre es eine Tatsache statt eine seiner hirnlosen Erfindungen. Niemand hätte Toby Ray je für einen scharfsinnigen Denker gehalten, aber frau war mit einem Typen auch nicht wegen seines Verstandes zusammen.
Beccas Schatten folgte ihr, als sie das Gebäude umrundete, und die warme Junibrise wehte den Saum ihres weißroten Sommerkleids hoch. Der leichte Wind spielte mit ein paar Strähnen ihrer mittelblonden Haare, die mit perfekt platzierten Strähnchen der Farbtiefe 9 aufgehellt waren. Der schwere Drum-Beat und der schreiende Gesang schmerzten in ihren Ohren, als ihr Blick auf einem glänzend roten Cabrio landete, das schräg hinter der Werkstatt parkte. Auf dem kirschfarbenen Lack flimmerten winzige Sonnenlichtexplosionen und tanzten über die vorderen Kotflügel bis zu den spitzen Heckflossen. Auf der hohen Motorhaube prangte ein Cadillac-Emblem. Das hier war Texas, wo dicke Trucks und Cadillacs gefahren wurden, doch abgesehen von einer Limousine oder vielleicht einem der extralangen Leichenwagen des »Bestattungsinstituts/Krematoriums Alden« war dies das längste Auto, das Becca je gesehen hatte. Manche mochten einen Oldtimer erblicken, wenn sie es sahen, aber Becca sah nur eine Angeberkarre, und wenn es einen Wagen gab, in dem sie niemals gesehen werden wollte, dann wäre es eine auf Hochglanz polierte Angeberkarre mit »Tuck’n-Roll«-Ledersitzen.
Auf dem Boden neben den Weißwand-Vorderreifen lag ein iPod samt Beats-Lautsprecher, und unter dem gewaltigen Kühlergrill und der Stoßstange ragte ein Paar Beine hervor. Beine, die vermutlich einem Mann gehörten. Einem Mann in einer verwaschenen Jeans und grauen Vans. In Lovett, Texas, trugen Männer Justin-Boots. Keine Skaterschuhe. Es war irgendwie irritierend. Als hätte jemand heimlich einen Toyota Prius in die Cadillac-Ranch geschmuggelt.
Sie sah sich um und ging an dem langen Wagen und den Skaterschuhen vorbei weiter zu dem zweistöckigen Wohnhaus etwa hundert Meter hinter der Werkstatt. Es sah frisch gestrichen aus, war weiß mit grüner Einfassung und hatte gelbe Blumenkästen. Die Blumenkästen waren leer, und die Haustür stand offen.
Becca klopfte mehrmals an die Fliegengittertür, doch wie schon vorne meldete sich niemand. Als sie durchs Fliegengitter in das dunkle Innere spähte, erkannte sie die Umrisse eines Sofas, einen bequem aussehenden Fernsehsessel und einen Großbildfernseher. »Ist jemand da?« Als sie immer noch keine Antwort bekam, ging sie wieder zurück zum Vorderkotflügel des Cadillacs.
»Hallo«, rief sie über die grauenvolle Musik hinweg.
Statt einer Antwort drang unter dem Wagen eine tiefe Männerstimme hervor, die jetzt zur Musik mitsang, wenn man diesen Radau denn als Musik bezeichnen wollte. Es war eher Körperverletzung aus hämmernden Gitarren, Schlagzeug und motherfuck dies und motherfuck das. Die Stimme unter dem Wagen klang noch schlimmer als die des Schreihalses von Leadsänger, was Becca eigentlich für unmöglich gehalten hätte. Kurzerhand stöpselte sie den iPod aus, beugte sich unter die Kühlerhaube, legte die Hände trichterförmig um den Mund und rief: »Hallo!« Unter dem Wagen ertönte ein dumpfer Schlag, als hätte jemand auf eine Wassermelone eingeprügelt, sowie ein lautes »Scheiße« samt Klirrgeräuschen von Werkzeugen, die auf den Beton aufschlugen.
Becca zog die Nase kraus und flüsterte: »Autsch.« Als sie sich wieder aufrichtete, hörte sie ein schmerzvolles Stöhnen, gefolgt von ein paar saftigen Flüchen, dann kamen zwei ölverschmierte Hände zum Vorschein und umfassten die glänzende Stoßstange. Unter den Ölflecken auf dem Handrücken war der Kopf eines Feuer speienden chinesischen Drachen zu sehen. Schließlich rollte auf einem Brett mit quietschenden kleinen Rädern der Rest des Mannes unter dem Wagen hervor. Erst lange Beine, dann ein Nietengürtel und ein verdrecktes weißes T-Shirt über einem flachen Bauch, dann feste Unterarme und muskulöse Schultern. Der Arm des Mannes war von dem restlichen Drachenkörper umschlungen, der Drachenschwanz verschwand unter dem Ärmel seines T-Shirts. Die markante Kinnpartie war mit dunklen Bartstoppeln übersät, die Mundwinkel zeigten missgelaunt nach unten. Ganz zum Schluss kamen Augen in der Farbe eines klaren texanischen Himmels zum Vorschein und blickten zu ihr auf. Wütend glitzernde blaue Augen mit dunklen Wimpern unter dunklen Brauen. Ein noch wütender aussehender flammender roter Fleck auf der Stirn schien mit jeder Sekunde noch röter zu werden.
Trotz des zornigen Gesichtsausdrucks und der schrecklichen Beule, des abscheulichen Nietengürtels und des geschmacklosen Tattoos sah er so absurd sexy aus, dass Becca förmlich dahinschmolz. »Du bist nicht draußen am See?«, stieß sie mit plötzlich trockener Kehle hervor.
»Sieht man doch.« Er rieb sich mit der ölverschmierten Hand die Beule. »Kann ich was für dich tun?«
»Ja.« Sie kannte Typen wie ihn. Typen, die immer gut aussahen, egal ob in engen T-Shirts mit Jeans oder Sonntagsanzug mit Krawatte. Typen, die einen ansahen und einem den Atem raubten. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Typen wie ihn gehabt. Heiße Typen mit coolen Namen wie Tucker, Slade oder Toby Ray. Oder in diesem Fall Nathan Parrish.
»Willst du den Rest der Klasse nicht teilhaben lassen?«
»Was?« Sie kannte Nate nicht persönlich. Er war drei Jahre vor ihr mit der Highschool fertig gewesen, aber sie musste ihn auch nicht persönlich kennen, um über seine Lebensgeschichte Bescheid zu wissen. Alle in Lovett wussten darüber Bescheid.
»Was willst du denn?« Er setzte sich auf, und sie trat einen Schritt zurück.
Ach so! »Fotos. Ich soll meine Fotos abholen.«
Er rappelte sich auf und zog ein schmutziges blaues Stück Papierhandtuch aus der Gesäßtasche seiner Jeans. »Meine Mutter ist nicht hier«, erklärte er, während er sich die Hände abwischte.
Trotz ihrer hohen Absätze war er gut einen Kopf größer als sie, und sie trat noch einen Schritt zurück. Er roch nach Öl und Schweiß. Sie hätte angewidert sein sollen. »Ich weiß. Sie hat gesagt, sie würde sie mir im Briefkasten hinterlegen.« Ja, sie hätte angewidert sein sollen, aber sie hatte schon immer eine Schwäche für Typen wie ihn. Gut aussehende Typen mit handwerklicher Begabung. Typen, die sich von netten Mädchen wie ihr Geld für Benzin, Miete oder Essen schnorrten. Oder mit Flittchen wie Lexie Jane Johnson zur Doppeldecker-Party in »Rowdy’s Roadhouse« gingen.
Er wischte sich die Zwischenräume seiner langen Finger sauber, während ihm ein klarer Schweißtropfen vom stoppeligen Kiefer über den Hals lief. »Hast du im Kasten nachgesehen, bevor du hierher zurückgekommen bist und das Kabel aus meinem iPod gerissen hast?«