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Scheich Shalef fühlt sich zu der jungen Reporterin Kristi so stark hingezogen wie noch zu keiner anderen Frau. Und seit sie in seinem Palast auf ihren Bruder, der verschwunden ist, wartet, wird die Versuchung für Shalef immer größer. Doch er weiß: Kristi ist keine Frau für eine Affäre …
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Seitenzahl: 188
IMPRESSUM
Liebe mich 1001 Nacht erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Helen Bianchin Originaltitel: „Desert Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1120 - 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Franziska Schröder
Umschlagsmotive: shutterstock_Viorel Sima
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733713096
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Kristi vollendete ihr Make-up, trat vom Spiegel zurück und betrachtete sich prüfend. Sie wollte die Aufmerksamkeit eines bestimmten Mannes erregen, und deshalb hatte sie sich mit besonderer Sorgfalt zurechtgemacht. Zweifellos würde sie das Interesse vieler Männer auf sich ziehen, aber das war unwichtig.
Sie hatte ein Kleid aus indigoblauer Rohseide gewählt, dessen einfacher Schnitt ihre Brüste und die schlanke Taille betonte und, wenn sie sich bewegte, einen flüchtigen Blick auf ihre Schenkel freigab. Elegante Pumps vervollkommneten ihre Erscheinung.
Kristis Haar war kastanienbraun und fiel in dichten Locken auf ihre Schultern. Ein geschicktes Make-up hob die großen goldgesprenkelten haselnussbraunen Augen hervor, das fein geschnittene Gesicht und den sinnlichen Mund. Eine zierliche Goldarmbanduhr, ein Armband und kleine Ohrstecker waren alles, was sie an Schmuck trug.
Zufrieden griff Kristi nach ihrem Abendmantel und ihrer Handtasche und verließ die Hotelsuite.
Draußen winkte ihr der Portier ein Taxi herbei. Kristi stieg ein, nannte dem Fahrer eine Adresse in Knightsbridge und lehnte sich dann gedankenvoll in den Sitz zurück, während das Taxi sich in den Verkehr einfädelte.
Den Entschluss, nach London zu fliegen, hatte Kristi allein gefasst. Sowohl die australischen als auch die englischen Beamten hatten ihr davon abgeraten und gemeint, dass durch einen Ortswechsel nichts gewonnen sei. „Warten Sie ab, und lassen Sie die Leute ihren Job tun.“
Aber Kristi war es leid gewesen, noch länger zu warten und Tag für Tag immer wieder dasselbe zu hören. Sie wollte, dass endlich etwas geschah, und vielleicht würde Scheich Shalef bin Youssef Al-Sayed etwas unternehmen können. Vor über einem Jahr war durch seine Mitwirkung bei Verhandlungen in einer ähnlichen Situation eine Geisel freigelassen worden. Die Hoffnung, ihn überreden zu können, seinen Einfluss geltend zu machen, um ihren Bruder freizubekommen, hatte Kristi genügt, den nächsten Flug nach London zu buchen und in einem Hotel abzusteigen.
Seit zwei Wochen war sie jetzt hier, aber ihre Anrufe waren abgeblockt und ihre Faxe ignoriert worden. Kristi hatte sogar die Büroräume des Scheichs aufgesucht. Ohne Erfolg. Es war einfach nicht an den Mann heranzukommen, seine Privatsphäre wurde vor unwillkommenen Störungen rigoros abgeschirmt.
Nun bot sich die Gelegenheit, den Scheich auf gesellschaftlicher Ebene kennenzulernen. Das hatte sie ihrer langjährigen Freundschaft mit Georgina Harrington zu verdanken, der Tochter eines ausländischen Diplomaten, mit der sie zusammen im Internat gewesen war. Kristi war klar, dass sie ohne die Hilfe Sir Alexander Harringtons nie eine Einladung zu der Soiree heute Abend erhalten hätte.
Die Entscheidung, dass statt Georgina Kristi Sir Alexander begleiten solle, war durch ein Telefonat mit der Sekretärin des Scheichs herbeigeführt worden. In dem Fax, das sie gleich darauf geschickt hatten, hatten sie ihm mitgeteilt, dass Georgina sich einen Virus eingefangen habe und nicht kommen könne. Ob Scheich Shalef bin Youssef Al-Sayed etwas dagegen habe, wenn stattdessen eine langjährige Freundin, Kristi Dalton, siebenundzwanzig Jahre alt, Georginas Platz einnehmen würde? Aus Sicherheitsgründen hatten sie ihm noch weitere Einzelheiten mitgeteilt, und am nächsten Tag war die Bestätigung zusammen mit der Einladung gefaxt worden.
Die Straßen, durch die das Taxi fuhr, glänzten nass im Licht der Scheinwerfer. Offensichtlich hatte es kürzlich geregnet. Das Wetter im winterlichen London war etwas ganz anderes als das der südlichen Hemisphäre, und für einen Moment dachte Kristi sehnsuchtsvoll an Australien, an Sonne, strahlend blauen Himmel und an die Sandstrände der tropischen Küste von Queensland.
Das Taxi hielt vor Sir Alexanders eleganter dreistöckiger Wohnung. Kristi bezahlte den Fahrer, und Minuten später wurde sie in den Salon geführt, wo man ihr ein Glas Fruchtsaft reichte.
„Du siehst fantastisch aus, Schatz“, bemerkte Georgina mit ehrlicher Bewunderung, und Sir Alexander schloss sich dem Kompliment sofort an.
„Danke“, sagte Kristi und lächelte etwas geistesabwesend.
Von den nächsten Stunden hing so viel ab. In Gedanken hatte Kristi genau durchgespielt, wie sie sich verhalten und was sie sagen würde, bis aus der Fantasie fast schon Wirklichkeit geworden war. Fehler durfte es nicht geben.
„Ich habe Ralph angewiesen, um halb fünf mit dem Wagen vorzufahren“, teilte Sir Alexander Kristi mit. „Sobald du ausgetrunken hast, wollen wir gehen, meine Liebe.“
Kristi spürte, wie ihre Nervosität wuchs, versuchte aber, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen, als Georgina sie kurz umarmte.
„Viel Glück! Ich rufe dich morgen an, und dann essen wir zusammen zu Mittag.“
Sir Alexanders Auto war ein alter Rolls-Royce und der Mann, der ihn steuerte, ein geschätzter Bediensteter und schon seit so vielen Jahren bei der Familie Harrington, dass keiner mehr sagen konnte, wie viele es genau waren.
„Es ist nicht viel Verkehr auf den Straßen, Sir“, sagte Ralph, als er losfuhr. „Ich schätze, dass wir in einer Stunde das Herrenhaus des Scheichs in Berkshire erreicht haben werden.“
Die Fahrt hat genau drei Minuten weniger gedauert, stellte Kristi fest, als sie vor einem massiven Eisentor hielten, das von zwei Sicherheitsleuten bewacht wurde.
Ralph holte die Einladung und ihre Ausweise hervor, und nachdem das Tor geöffnet worden war, lenkte er den Rolls zum Haupteingang, wo sie von einem weiteren Sicherheitsmann empfangen wurden.
„Miss Dalton. Sir Harrington. Guten Abend.“
Für ein ungeschultes Auge mochte der Mann wie einer der Lohndiener aussehen, denn in Anbetracht der Gesellschaft heute Abend gab es gute Gründe, ein Mobiltelefon in der Hand zu haben. Doch nach den Informationen, die Kristi über seinen Dienstherrn gesammelt hatte, war sie sich sicher, dass der Mann ein Pistolenhalfter unter seinem Jackett trug und sich in der Kunst des Schießens auskannte.
Drinnen nahm ein Butler ihnen die Mäntel ab, und die Hausdame führte Sir Alexander und Kristi zu den anderen Gästen in einen Raum, den man nur als luxuriös bezeichnen konnte. Das vielfach gebrochene Licht prächtiger Kristallleuchter erhellte den Saal, goldene Spiegel und echte Kunstwerke schmückten die mit Seidentapeten versehenen Wände, und die französischen Möbel waren antik.
„Ich lasse Ihnen von einem der Ober etwas zu trinken bringen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen?“, bat die Hausdame und entfernte sich.
Ein üppiges Buffet bot den Gästen eine reichhaltige Auswahl der köstlichsten Speisen, und uniformierte Serviererinnen machten die Runde mit Tabletts voller exquisiter Hors-d’œuvres.
Die Musik, die im Hintergrund spielte, ging in dem Stimmengewirr fast unter, und Kristi lächelte höflich, als Sir Alexander sie mit der Frau eines englischen Lords bekannt machte, die ihrem Gatten kürzlich einen lang ersehnten Sohn geschenkt hatte.
Kristis Blick schweifte durch den Raum, und sie registrierte mit flüchtigem Interesse die anderen Gäste. Schwarzer Abendanzug, weißes Hemd und schwarze Fliege waren für die Männer ein Muss. Einige der Frauen trugen Designerkleider, wie Kristis erfahrenes Auge erkannte, Frisur und Make-up waren von professioneller Hand gemacht.
Ein Mann, dessen stattliche Erscheinung sich von allen übrigen abhob, erregte Kristis Aufmerksamkeit: Scheich Shalef bin Youssef Al-Sayed.
Die Fotos in den Zeitungen und Hochglanzmagazinen wurden ihm nicht im Entferntesten gerecht, denn in natura gingen eine Kraft und eine sinnliche Ausstrahlung von ihm aus, die einen nicht losließen. Er hatte einen durchtrainierten Körper und markante Gesichtszüge. Das dunkle, gepflegte Haar und die olivfarbene Haut verrieten seine väterliche Abstammung.
Aus der Presse wusste Kristi, dass er der Sohn eines arabischen Prinzen und einer Engländerin war – einer Frau, die, so hieß es, einer islamischen Trauung zugestimmt habe, die aber nie außerhalb Saudi-Arabiens vollzogen worden sei. Nach einem kurzen Aufenthalt im Palast ihres Mannes war sie wieder nach England zurückgekehrt, und obwohl sie einem sehnlichst erhofften Sohn das Leben geschenkt hatte, hatte sie sich standhaft geweigert, in ein Land zurückzugehen, wo Frauen sich den Männern zu unterwerfen hatten und bei einer vorhandenen Ehefrau an zweiter Stelle rangierten.
Doch das Liebesverhältnis mit seiner englischen Ehefrau hatte der Prinz während seiner vielen Besuche in London fortgeführt. Nach ihrem frühen Tod hatte der Vater den zehn Jahre alten Shalef mit sich nach Hause genommen und ihn in sein arabisches Erbe eingeführt.
Jetzt, Ende dreißig, hatte sich Shalef bin Youssef Al-Sayed mit seinen unternehmerischen Fähigkeiten international Respekt unter seinesgleichen verschafft, und seit dem Tod seines Vaters war sein Name ein Synonym für großen Reichtum geworden.
Kein vernünftiger Mensch wird ihn zum Feind haben wollen, dachte Kristi. Hinter seiner weltläufigen Fassade verbargen sich Rücksichtslosigkeit und Härte.
Als spürte er Kristis Musterung, wandte er den Kopf, und ihre Blicke trafen sich.
Alles um sie her schien aus ihrem Blickfeld zu schwinden, Kristi nahm nur noch ihn wahr, spürte überdeutlich seine Gegenwart, und eine Gänsehaut überlief sie.
Noch nie hatte ein Mann sie so durcheinandergebracht. Es war eine höchst beunruhigende Erfahrung. Bei jedem anderen Mann hätte sie sich gleichgültig gegeben und wäre den kaum verhohlenen, abschätzenden Blicken mit offener Herausforderung begegnet, doch bei Shalef bin Youssef Al-Sayed konnte sie sich einen solchen Luxus nicht leisten.
Für den Bruchteil einer Sekunde entdeckte sie einen Anflug von Spott in seiner Miene, aber dann wurde seine Aufmerksamkeit auf einen Mann gelenkt, der ihn mit der ernsten Ehrerbietung des unsicheren Menschen begrüßte.
Die Körpersprache war ein wesentlicher Bestandteil von Kristis Ausbildung als Fotografin gewesen, und da sie sich bewusst dafür entschieden hatte, eher die positiven als die negativen Seiten ihrer Kunden zu betonen, hatten ihr solche Fotos in den frühen Jahren ihrer Tätigkeit im Fotostudio ihrer Eltern am Double Bay den Lebensunterhalt gesichert.
Noch immer beobachtete Kristi Shalef bin Youssef Al-Sayed. Ihr Interesse war rein beruflicher Natur – zumindest redete sie sich das ein, als sie seine Kopfhaltung wahrnahm, die Bewegung seiner sinnlichen Lippen, während er sprach, den durchdringenden Blick seiner Augen. Auf einen weniger aufmerksamen Beobachter wirkte er völlig entspannt, doch Kristi bemerkte die Spannung in seiner Haltung, eine verborgene Kraft, die ungebändigt und daher äußerst gefährlich war.
Kristi lief ein Schauer über den Rücken. Shalef bin Youssef Al-Sayed als Feind zu haben wäre tödlich.
„Kristi.“
Beim Klang ihres Namens drehte sie sich um und lächelte Sir Alexander an.
„Darf ich dir Annabel und Lance Shrewsbury vorstellen.“ Er sagte das in einem so überaus höflichen Ton, dass Kristi sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. „Kristi Dalton, eine liebe Freundin aus Australien.“
„Australien!“, rief Annabel in einem Tonfall, als sei das Land auf der Landkarte kaum auszumachen. „Ich bin fasziniert. Leben Sie da draußen auf einer Farm?“
„Ich wohne in Sydney“, klärte Kristi sie auf. „Eine Stadt mit rund vier Millionen Einwohnern.“ Ironisch fügte sie hinzu: „Die Farmen sind mehrere Millionen Hektar groß.“
„Du meine Güte!“ Annabel staunte. „Millionen Hektar?“
„Genau“, bestätigte Kristi ernst. „Um die Zäune zu kontrollieren und das Vieh zu überwachen, werden Flugzeuge oder Hubschrauber eingesetzt.“
Annabel schauderte. „All der rote Schmutz, die Hitze und die Schlangen. Ich könnte dort nicht leben, meine Liebe.“ Hilflos hob sie die Hände mit den rot lackierten Fingernägeln, die farblich genau mit dem rot geschminkten Mund übereinstimmten.
Dreißig, vielleicht fünfundvierzig Jahre alt, mit einem wohlhabenden Mitglied der Aristokratie verheiratet, und geboren, um einzukaufen, fasste Kristi im Stillen zusammen, zugleich bemüht, nicht unnachsichtig zu sein.
„Sir Alexander.“
Beim Klang der tiefen, sanften Stimme durchlief Kristi ein Schauer, und sie drehte sich langsam um, um ihren Gastgeber zu begrüßen.
Sein Hemd war aus feinster Baumwolle, der Abendanzug saß wie angegossen, und jetzt, aus der Nähe, atmete sie den frischen Duft von Seife ein, der sich mit dem exklusiven Duft seines Eau de Cologne vermischte.
Ungewollt fiel ihr Blick auf seinen Mund. Sie betrachtete den Schwung seiner Lippen und fragte sich unwillkürlich, wie es wohl sein mochte, seinen Mund auf ihrem zu spüren. Du lieber Himmel, spottete eine innere Stimme, das hängt ganz von seiner Laune ab.
Shalef bin Youssef Al-Sayed hatte etwas Rücksichtsloses an sich, das bedrohlich und anziehend zugleich wirkte. Er war ein Mann, der eine große Anziehungskraft auf Frauen ausübte, sich aber nur von wenigen zähmen lassen würde.
Anscheinend konnte er ihre Gedanken lesen, denn Kristi sah, wie seine grauen Augen – die Farbe war das einzige sichtbare Merkmal, das auf seine mütterlichen Ahnen hinwies – amüsiert funkelten.
„Miss Dalton.“
„Scheich bin Al-Sayed“, begrüßte Kristi ihn förmlich.
Sekundenlang verweilte sein Blick auf ihrem Haar, ehe er prüfend ihre Gesichtszüge musterte.
Es war lächerlich, sich eines jeden Atemzugs, eines jeden Pulsschlags so deutlich bewusst zu sein. Kristis Augen blitzten vor verhaltenem Zorn, und es kostete sie große Mühe, ihn zu zügeln, umso mehr, als sie Shalef bin Youssef Al-Sayeds Heiterkeit bemerkte, bevor er sich Sir Alexander zuwandte.
„Georgina fühlt sich nicht wohl, wie ich höre?“
„Nein. Sie hat mich gebeten, Ihnen ihre Entschuldigung zu übermitteln“, antwortete Sir Alexander. „Sie ist tief enttäuscht, heute Abend nicht dabei sein zu können.“
Shalef bin Youssef Al-Sayed neigte den Kopf. „Hoffen wir, dass sie sich schnell erholt.“ Er ging weiter und sprach mit einer Frau, die ihn mit unverhohlener Zuneigung begrüßte.
„Möchten Sie noch etwas trinken?“, fragte ein Ober.
Kristi, die das Gefühl hatte, als hätte sie ein Marathonrennen hinter sich, zwang sich, ruhig zu atmen. Die unaufdringliche Anwesenheit des Obers war eine angenehme Ablenkung für ihre überreizten Nerven, und sie stellte ihr leeres Glas auf das Tablett.
„Ja, bitte, aber nur Mineralwasser, ohne Eis.“ Sie wollte einen klaren Kopf behalten und ihre Sinne nicht durch Alkohol benebeln.
„Soll ich dir etwas zu essen holen, meine Liebe?“, fragte Sir Alexander. „Mehrere Gäste drängen schon zum Buffet.“
Kristi hakte sich bei ihm ein und lächelte. „Wollen wir uns zu ihnen gesellen? Ich habe Hunger.“ Das war eine glatte Lüge, aber das brauchte Sir Alexander nicht zu wissen.
Das Angebot an Gerichten war überwältigend. Es gab heiße und kalte Speisen, verschiedene Salate, gedünstetes Gemüse, geräucherten Lachs, Meeresfrüchte, Geflügel, Lammbraten und in dünne Scheiben geschnittenes Beefsteak. Die Auswahl an Desserts hätte die erlesensten Restaurants Londons beschämen können, und die köstlichen Eiskreationen zeugten von den künstlerischen Fähigkeiten des Kochs.
Kristi nahm sich zwei Scheiben geräucherten Lachs, kleine Portionen von verschiedenen Salaten, einen Löffel Kaviar und stellte sich dann an die Seite.
Wie viele Gäste heute Abend wohl anwesend sind? überlegte Kristi. Fünfzig? Oder mehr? Da es unmöglich war, sie alle zu zählen, versuchte sie es erst gar nicht.
Sir Alexander wurde von einer Dame der Gesellschaft mit Beschlag belegt, die, nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, etwas sehr Wichtiges mit ihm besprechen wollte.
„So ganz allein, chérie? Welch eine Sünde!“
Kristi drehte sich ein wenig, um sich den Mann anzusehen, der sie mit unverkennbar französischem Akzent angesprochen hatte. Er war groß und schlank und lächelte amüsiert.
„Erlauben Sie mir, während wir essen, mit Ihnen zusammen zu sein?“
Sie zuckte die Schultern. „Warum nicht? Wir sind beide zu Gast hier.“
„Ich würde Sie gern näher kennenlernen“, betonte er.
Kristi sprach fließend Französisch, denn sie hatte sowohl Französisch als auch Italienisch studiert und ihre Sprachkenntnisse durch einen einjährigen Aufenthalt in den beiden Ländern noch vervollkommnet.
„Wenn es um Freunde geht, bin ich sehr wählerisch, Monsieur.“ Sie lächelte bezaubernd. „Vielleicht ist es schade, dass ich nicht so lange in London bleiben werde, um einen neuen Freund zu gewinnen.“
„Da ich viel reise, könnten wir uns leicht wiedertreffen.“
Seine Beharrlichkeit amüsierte Kristi. „Das glaube ich kaum.“
„Wissen Sie denn nicht, wer ich bin?“
„Da wir uns erst noch miteinander bekannt machen müssen, ist das schlecht möglich“, erwiderte Kristi beiläufig.
„Enchanté, chérie.“ Seine dunklen Augen funkelten, als er Kristis Hand ergriff und an die Lippen hob. „Jean-Claude Longchamp d’Elseve.“ Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und wartete auf eine Reaktion. Als die ausblieb, lächelte er spöttisch. „Ich kann nicht glauben, dass Sie nicht wissen, welche Bedeutung meine Familie in Frankreich hat.“
„Tatsächlich?“
Jean-Claude war eine amüsante Abwechslung und klug genug, das auch zu schätzen zu wissen. „Ich meine das ernst.“
„Ich auch, Jean-Claude“, versicherte sie.
„Sie wollen mir Ihren Namen nicht sagen. Soll das heißen, dass Sie mich zurückweisen?“ Das Funkeln in seinen Augen strafte seinen gekränkten Ton Lügen.
„Können Sie mit einer Zurückweisung nicht gut umgehen?“, fragte Kristi.
Er lachte leise. „Das passiert mir so selten, dass es etwas Neues für mich ist.“
„Da bin ich aber froh. Ich würde ungern Ihre Gefühle verletzen.“
Jean-Claude, der ihre Hand immer noch festhielt, strich jetzt sacht mit dem Daumen über ihr Handgelenk. „Vielleicht können wir noch einmal von vorn anfangen. Gehen Sie mit mir essen?“
„Die Antwort ist immer noch die gleiche.“
„Es wird nicht schwer für mich sein, herauszufinden, wo Sie wohnen.“
„Tun Sie das bitte nicht“, warnte Kristi ihn ernst.
„Warum nicht?“ Er zuckte vielsagend die Schultern. „Bin ich ein so unangenehmer Genosse?“
Kristi entzog ihm ihre Hand und lächelte. „Durchaus nicht. Ich habe nur keine Zeit. Mein Terminkalender ist voll.“
Jean-Claude machte ein nachdenkliches Gesicht. „Sie wollen mich wirklich auf Gedeih und Verderb einer anderen Frau ausliefern?“
„Ich bin sicher, dass Sie damit fertigwerden.“
„Schon möglich, aber vielleicht will ich das gar nicht.“
„Das ist Ihr Vorrecht“, stimmte sie ihm zu. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen. Ich sollte mich wieder zu Sir Alexander gesellen.“
Jean-Claude verbeugte sich leicht. „Au revoir, chérie.“
Kristi hatte ihr Essen kaum angerührt, und jetzt hatte sie keinen Appetit mehr. Sie reichte den Teller einer vorbeigehenden Serviererin.
Kristi hatte Sir Alexander schnell gefunden, doch da er in ein Gespräch mit einem vornehm aussehenden Gast vertieft war, wollte sie nicht stören.
„Champagner?“
Kristi warf einen kurzen Blick auf das Tablett, das die Serviererin in den Händen hielt. Vielleicht sollte sie wirklich ein Glas trinken, so nervös, wie sie war. Aber sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Sie brauchte einen starken schwarzen und süßen Kaffee. Entschlossen ging sie zum Buffet, an dessen einem Ende uniformierte Mädchen heiße Getränke ausschenkten.
Die Tasse in der Hand trat Kristi zur Seite und nippte an ihrem Getränk. Da sie sich ganz auf ihr Vorhaben konzentrierte, schmeckte sie es kaum.
Sekunden später lag ihre Tasse auf dem Teppich, und die heiße Flüssigkeit lief ihr über die Brust. Dass das so wehtun würde, hätte sie nicht gedacht.
„Oh! Welch ein Missgeschick, meine Liebe! Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Die besorgte Stimme erregte die Aufmerksamkeit der Hausdame, die sie bei ihrer Ankunft begrüßt hatte. Sie war sofort zur Stelle und führte Kristi hinaus.
„Im Bad neben der Küche haben wir eine Erste-Hilfe-Ausrüstung“, erklärte sie und geleitete Kristi in einen funktionell eingerichteten Raum am Ende des Flurs. „Wenn Sie bitte Ihr Kleid ausziehen, dann kühle ich die Haut mit einer kalten Kompresse.“
Kristi folgte der Aufforderung, ließ das ruinierte Seidenkleid auf den Boden fallen und stand still da, während die Gastgeberin die Brandwunde kühlte und etwas Salbe auftrug.
„Ich werde Ihnen einen Bademantel bringen und dafür sorgen, dass sich jemand um Ihr Kleid kümmert.“
Die Frau entfernte sich, und Kristi hoffte, dass sie schnell zurückkommen würde, denn trotz der Zentralheizung war es kalt im Raum. Sie fror in ihrem Spitzen-BH und dem winzigen Slip.
Kristi biss sich auf die Lippe. Nun, da sie ihren Plan ausgeführt hatte, kamen ihr Zweifel, ob er funktionieren würde. Die Chance, dass Scheich bin Al-Sayed höchstpersönlich nach ihr sehen würde, war äußerst gering. Aber schließlich war sie Gast in seinem Haus. Müsste er sich da nicht schon aus Höflichkeit nach ihrem Befinden erkundigen?
Die Wunde brannte fürchterlich, obwohl die Gastgeberin sie gut versorgt hatte. Ein dicker roter Striemen zog sich von der Brust bis zum Bauch hinunter. Kristi war selbst überrascht, dass eine Tasse heiße Flüssigkeit sich so weit ausbreiten konnte.
Die Tür wurde aufgestoßen, und Kristi blickte erschrocken auf, als Shalef bin Youssef Al-Sayed auf der Schwelle erschien, in der Hand einen weißen Frotteemantel.
Kristi zitterte, als er eintrat und die Tür hinter sich schloss. Instinktiv hob sie die Hände, um ihre Brüste zu bedecken.
„Hier. Ziehen Sie das besser an. Es wäre bedauerlich, wenn Sie sich zu Ihrer Verletzung auch noch eine Erkältung zuziehen würden.“
Der Raum schien auf einmal viel zu klein zu sein, nun, da Shalef bin Youssef Al-Sayed anwesend war. Einen Moment lang war Kristi wie gelähmt und sich ihrer spärlichen Bekleidung schmerzlich bewusst.
„Danke.“ Sie nahm den Bademantel entgegen, schlüpfte schnell hinein und band ihn fest zu.
„Rochelle hat mir versichert, dass die Verbrennung – wenn auch sicherlich schmerzhaft – nicht so ernst sei, dass ein Arzt gerufen werden müsste. Da Ihr Kleid aus Seide ist, wird es eine Reinigung vielleicht nicht überstehen. Kaufen Sie sich ein neues, und schicken Sie mir die Rechnung.“
„Das wird nicht nötig sein“, sagte Kristi steif.
„Ich bestehe darauf.“ Er schaute ihr direkt in die Augen, und Kristi fiel es schwer, seinem Blick standzuhalten.
„Es war nur ein Missgeschick und allein meine Schuld.“ Kristi hasste die Wirkung, die Shalef bin Youssef Al-Sayed auf sie ausübte. Es war schon schlimm genug in einem Raum voller Menschen gewesen, aber jetzt, da sie allein mit ihm war, war es geradezu beängstigend.
Er kniff die Augen zusammen. „Sie lehnen es ab, sich ein teures Kleid ersetzen zu lassen?“
„Ich will nicht mit Ihnen streiten.“
Shalef bin Youssef Al-Sayed steckte eine Hand in die Hosentasche. Dabei klaffte das tadellos geschnittene Jackett auseinander und gab den Blick auf ein blütenweißes Hemd frei. Es war ein Leichtes, sich darunter eine muskulöse Brust mit dunkel gekräuselten Haaren vorzustellen.
„Was genau wollen Sie dann, Miss Dalton?“, fragte er.
Seine Worte enthielten eine kaum verhüllte Unterstellung. Kristi hob das Kinn und blickte ihn mit funkelnden Augen an.
Shalef bin Youssef Al-Sayed lächelte ohne jeden Humor. „Den ganzen Abend habe ich gespannt darauf gewartet, was Sie wohl anstellen werden, um meine Aufmerksamkeit zu erregen.“ Spöttisch verzog er die Lippen. „Dass Sie sich selbst verletzen würden, darauf wäre ich nie gekommen.“
Kristi spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. „Wie können Sie es wagen …“
„Schon gut, Miss Dalton“, fiel Shalef bin Youssef Al-Sayed ihr ins Wort. „Nachdem Sie ein zweites Mal mit meinem Büro telefoniert hatten, habe ich Nachforschungen anstellen lassen.“
Er führte die Schulen auf, die sie besucht hatte, nannte die Ausbildungen, die sie abgeschlossen hatte, die Namen ihrer Eltern und die Ursache ihres tödlichen Unfalls. Er wusste, wo sie wohnte, welchen Beruf sie ausübte, und er zählte alle Vermögenswerte auf, die sie geerbt hatte.