Liebe mich! Liebe mich! - Barbara Dunlop - E-Book

Liebe mich! Liebe mich! E-Book

Barbara Dunlop

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Beschreibung

Ist Robin nur in das kanadische Nest Forever zurückgekehrt, um den breitschultrigen Pferdezüchter Jake verrückt zu machen? Ihr sinnliches Lächeln weckt seine wildesten Fantasien. Und dann liegt sie in seinen Armen. Aber ist ihr bebendes Verlangen echt? Kurz bevor das erotische Vorspiel beide zum Höhepunkt bringt, gesteht sie ihm, was sie wirklich plant: Sie will ein Kind von ihm! Jake ist wie vom Donner gerührt: Robin liebt ihn nicht. Sie braucht ihn nur als Erzeuger ihres Babys. Wütend verlässt er sie. Aber als sie ihn am nächsten Tag wieder so süß anlächelt, verraucht sein Zorn. Wird er ihr ihren Wunsch doch erfüllen?

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Seitenzahl: 203

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IMPRESSUM

Liebe mich! Liebe mich! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2001 by Barbara Dunlop Originaltitel: „Forever Jake“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANYBand 992 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright

Umschlagsmotive: Natalia Babok / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733745547

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Noch nicht einmal auf eine Samenbank kann frau sich heutzutage verlassen! dachte Robin Medford und stopfte die neueste Ausgabe des England Journal of Medicine in ihren Lederrucksack. Dann sah sie aus dem Fenster des kleinen Wasserflugzeugs, das Kurs auf Forever nahm. Wie üblich überflog der Pilot die kleine Stadt, die zwischen einem bewaldeten Berghang und dem träge dahinfließenden Fluss lag, der der Stadt den Namen gegeben hatte. Robin konnte die Fahnen auf dem Rathaus sehen, die in der Nachmittagsbrise flatterten.

Sie lehnte sich seufzend in ihrem Sitz zurück. Erstaunlich, wie viele Fehler auch heute noch in der Reproduktionsmedizin gemacht wurden, sofern man dem Artikel in der medizinischen Fachzeitschrift glauben durfte. Da konnte man es ja direkt mit der Angst bekommen.

In den letzten drei Tagen hatte Robin sich intensiv mit diesem Thema befasst und war jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass das für sie nicht der richtige Weg war. Das schränkte ihre Möglichkeiten, ein Kind zu bekommen, zwar ein, änderte aber nichts an ihrem Plan.

Dann musste sie eben auf die altmodische Art und Weise schwanger werden. Sie musste irgendeinen vielversprechenden Mann finden, sich genau ihre empfängnisbereite Zeit ausrechnen und dann mit ihm schlafen. Das sollte eigentlich nicht zu schwierig sein.

Damals vor zwei Jahren mit Juan Carlos in dem Basislager kurz vor ihrem Aufstieg auf den Edelrich in den Schweizer Alpen hatte es ja auch ganz gut geklappt, wenn die Erfahrung auch nicht gerade umwerfend gewesen war. Ehrlich gesagt waren ihre Recherchen zum Thema „Fortpflanzung“ sehr viel aufregender gewesen als der Sex mit Juan.

Warum sollte sie wegen eines Babys nicht noch einmal mit einem Mann schlafen? Natürlich nicht mit Juan. Zum einen lebte er am anderen Ende der Welt, zum anderen war er viel zu eingebildet und würde womöglich glauben, dass sie ihn doch liebte, wenn sie wieder bei ihm auftauchte.

Der Pilot flog eine letzte Schleife, ging herunter und landete auf dem Fluss. In Gedanken machte Robin die Landung mit, denn sie hatte einen Flugschein für die kleine Beaver. Aber sie war schon lange nicht mehr geflogen, und noch länger war sie nicht mehr in der kleinen Stadt gewesen, in der sie aufgewachsen war.

Fünfzehn Jahre war es her, dass sie die Schule und die kleine Stadt verlassen hatte, um ein aufregenderes Leben kennenzulernen. Sie war entschlossen gewesen, nicht in der Einöde dreihundert Meilen nördlich des Alaskahighways zu versauern.

Und was sie sich vorgenommen hatte, hatte sie auch erreicht. Sie hatte viel von der Welt gesehen und beruflich viel Erfolg gehabt. In gewisser Weise schloss sich nun der Kreis, indem sie wieder nach Hause kam.

Schnell nahm Robin die Ohrschützer ab und strich sich das lange Haar zurück. Die kleine Maschine glitt auf dem Wasser dahin und näherte sich jetzt dem Anleger.

Forever. Die Stadt war von Bergleuten gegründet worden und hatte später mit dem Tourismus ihr Geld verdient. Außerdem stellte man in Forever Möbel aus dem Holz einer berühmten Birkenart her, die in den nahe gelegenen Bergen wuchs. Die Straßen sahen immer noch staubig aus und die Häuser verwittert. Eintausendneunhundertfünfzig Menschen lebten in Forever, geprägt von der Abgeschiedenheit und der sie umgebenden Wildnis.

Das Flugzeug stieß jetzt gegen den mit Gummireifen abgefederten Anleger, und Robin löste den Anschnallgurt. Die Tür wurde aufgestoßen, und Robin bereitete sich innerlich auf den Ansturm der Mücken und Fliegen vor. Sie war überrascht, wie sehr sie sich freute, die kleine Stadt wieder zu sehen. Was für ein Gesicht ihre Großmutter wohl machen würde, wenn ihre Enkelin plötzlich vor ihr stand? Ihre Großmutter wurde fünfundsiebzig, und alle Kinder und Enkelkinder würden an ihrem Ehrentag da sein.

Fünf Tage würde Robin in Forever bei ihrer Familie bleiben, dann musste sie ihren neuen Job bei Wild Ones Tours in Toronto antreten. Sie freute sich auf diese fünf Tage, war aber sicher, dass sie das verschlafene Nest nach den fünf Tagen auch gern wieder hinter sich lassen würde.

Forever lag wirklich sehr isoliert und war über eine Straße nicht zu erreichen. Die Einwohner benutzten entweder Boote oder Wasserflugzeuge als Verkehrsmittel, oder sie blieben, wo sie waren. Es gab keinen Flugplatz und keine Eisenbahn.

Robin lächelte kurz. Fünf Tage waren wirklich mehr als genug. Denn sie hatte ja ganz bestimmte Pläne, und dafür musste sie unter Menschen kommen, genauer gesagt unter Männer. Männer, die intelligent und gesund waren und verrückt nach Sex.

Sie musterte den Piloten, als er ihr auf den schwankenden Ponton half. Er war ein bisschen zu klein. „Danke.“ Robin lächelte ihn an und schwang den Rücksack über ihre Schulter.

Dass die Sache mit der Samenbank viel zu viele Risiken barg, hatte auch Vorteile. Im Grunde war es doch viel sinnvoller, den Vater seines Kindes auch als Person kennenzulernen. Im Gespräch und durch Beobachtung konnte man einen Mann sehr viel besser einschätzen als durch das reine Aktenstudium in einer Samenbank.

Robin legte die Hand auf den Bauch und musste lächeln. Mt zweiunddreißig war sie durchaus noch im gebärfähigen Alter, und außerdem würde sie einen tollen Job in einer schönen Stadt haben. Sie hatte sich bereits bei einer sehr guten Agentur, die Kindermädchen vermittelt, und einem exzellenten Kindergarten auf die Warteliste setzen lassen.

So weit war alles gut vorbereitet. Jetzt brauchte sie nur noch den richtigen Mann für – sagen wir mal – zwanzig Minuten.

Jake Bronson hörte, dass der Motor der kleinen Beaver langsamer wurde und schließlich ganz abstarb. Er hatte sich in eine Nische zwischen das Fireweed Café und den Eisenwarenladen gedrückt, schob sich den Stetson jetzt tief in die Stirn und versuchte, sich möglichst unsichtbar zu machen.

Jake war eigentlich kein Feigling, aber seit sein Freund Derek Sullivan diese alberne Heiratsanzeige für ihn aufgegeben hatte, betrachteten die Frauen von Forever ihn als Freiwild. Nicht, dass sie ihn wirklich heiraten wollten, zumindest konnte er sich das nicht vorstellen.

Deshalb war er ziemlich sicher, dass die drei Heiratsanträge von letzter Woche nicht ernst gemeint waren. Aber Annie Miller, die gerade die Hauptstraße herunterkam, sah so entschlossen aus, dass ihm ganz elend wurde. Und ihr Sommerkleid war viel zu hübsch für einen ganz normalen Sonnabendnachmittag.

Jake hatte keine Lust, zum Gespött der ganzen Stadt zu werden.

Er stand stocksteif da und wagte kaum zu atmen. Plötzlich hörte er neben sich ein tiefes Grollen. Schnell wandte den Kopf. Um Himmels willen, Dweedle-Dumb! Der riesige wolfsähnliche Husky stand nur einen Meter entfernt und starrte ihn mit seinen gelben Augen an.

Dweedle-Dumb wirkte sehr viel eindrucksvoller, als sein alberner Name vermuten ließ. Er beherrschte die Straßen von Forever uneingeschränkt, und seine Artgenossen flohen vor ihm, wenn er nur einmal kurz die Lefzen hochzog. Jake dachte kurz daran, ihn wegzuscheuchen. Aber der Versuch wäre sinnlos. Denn der Einzige, der mit Dweedle-Dumb umgehen konnte, war sein Besitzer, der Schmied der Stadt.

„Dweedle-Dumb, sitz! Aber sofort!“

Der scharfe Befehl war Musik in Jakes Ohren.

„Wo drückst du dich denn herum, Jake?“ Patrick Moore kam näher und trat zu seinem Hund, der jetzt gehorsam auf den Hinterläufen saß und seinen Herrn anbetend ansah.

Jake legte schnell den Finger auf die Lippen und wies mit dem Kopf auf Annie, die nur noch fünfzig Meter entfernt war.

Patrick reckte den Hals und spähte auf die Straße. Dann ging ein breites Grinsen über sein Gesicht, und sein Körper bebte vor unterdrücktem Lachen. „Die hat sich ja so aufgedonnert“, flüsterte er.

„Genau das beunruhigt mich ja“, sagte Jake.

„Hab gehört, dass sie heute Morgen ihren berühmten Heidelbeerkuchen gebacken hat. Meinst du, sie will damit Eindruck auf dich machen?“

„Sie will mich gar nicht beeindrucken, sie will mich lächerlich machen!“ Jake senkte den Kopf und hoffte, dass der breitkrempige Hut seine Wangen, die verdächtig rot geworden waren, verdeckte.

„Sie dreht sich um!“, flüsterte Patrick durchdringend.

„Kommt sie auf uns zu?“ Jake wagte nicht hoch zu blicken.

„Nein, sie geht in Richtung Anleger. Donnerwetter!“

„Was ist?“

„Das ist mal was fürs Auge!“

„Was denn?“ Jake riskierte einen schnellen Blick die Straße entlang.

„Hätte nichts dagegen, wenn jemand wie die auf meine Anzeige antworten würde.“ Patrick zog den Bauch ein und steckte sich das karierte Hemd in die Hose.

„Du hast gut reden, du hast ja keine Anzeige in der Zeitung.“ Jake kniff die Augen zusammen, weil die helle Sonne ihn blendete. Das konnte doch nicht wahr sein! Eine große schlanke Blonde begrüßte Annie mit einer herzlichen Umarmung. Sie trug enge Jeans und eine Jeansjacke über einem weißen Hemd.

Selbst aus dreißig Meter Entfernung konnte Jake sehen, dass sie ein wunderschönes Profil hatte. Ihr helles Haar glänzte in der Sonne, und ihr strahlendes Lachen schien selbst die staubigen Straßen zum Glitzern zu bringen. Sekundenlang wünschte Jake sich geradezu, sie hätte auf die Anzeige geantwortet.

Das war natürlich lächerlich. Denn in Dereks Anzeige hatte nicht gestanden, wo dieser Jake lebte, der eine Frau suchte. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendeine Superfrau aus einer großen Stadt herausfand, wo „Alaska Jake“ lebte, war nahezu gleich null.

Patrick strich sich das Haar zurück. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass Annie solche Freundinnen hat.“

„Willst du rübergehen?“ Jake lehnte sich gegen die Wand, schob die Daumen in seine Gürtelschlaufen und kreuzte die Füße, die in staubigen Stiefeln steckten. Wohlgefällig betrachtete er die schlanken Hüften und den kleinen runden Po der Blonden.

„Das werde ich wohl tun.“ Patrick richtete sich entschlossen auf. „Kommst du mit?“

„Nein, du kannst sie haben.“ Jake tat so, als interessierte die Frau ihn nicht, obgleich es wohl Jahre her war, seit er jemanden wie sie hier in der Stadt gesehen hatte. Er wollte erst einmal hören, was man heute Abend im Fireweed Café über diese mysteriöse Frau zu sagen hatte.

Außerdem konnte es gut sein, dass Annie immer noch ein Auge auf ihn geworfen hatte. Auf keinen Fall wollte er sich freiwillig dem Gespött der Stadt ausliefern, auch nicht dadurch, dass er Interesse für die schöne Fremde zeigte. Die Leute würden sich schlapplachen.

Bei dem Gedanken schauderte es ihn. Nein, er würde jetzt auf seine Ranch zurückfahren und die neue Koppel für die Hengste fertig einzäunen, wie er es vorgehabt hatte.

Irgendjemand hämmerte in der Nachbarschaft. Robin hob den Kopf. Sie hatte sich auf die hintere Veranda des elterlichen Hauses zurückgezogen, weil ihr Schwager seinen Kindern vorlesen wollte und ihre Großmutter sich zu ihrem täglichen Nachmittagsschlaf hingelegt hatte.

Robin war überrascht, wie groß ihre drei Neffen geworden waren, seit sie sie das letzte Mal Weihnachten gesehen hatte. Normalerweise sah sie sie zwei Mal im Jahr. Ein Mal zu Weihnachten in Prince George, wo ihre Schwester wohnte und die Familie zu einem sehr traditionellen Weihnachtsfest zusammenkam, und ein Mal während der Sommerferien. Aber dieses letzte halbe Jahr waren die drei Jungen besonders schnell gewachsen.

Sie lächelte und ließ sich auf einen der Liegestühle nieder. Ihre Großmutter sah allerdings immer noch so aus wie früher. Als sie sie vorhin zur Begrüßung umarmt hatte, hatte Robin sich wieder wie eine Achtzehnjährige gefühlt.

Auch das Haus hatte sich nicht verändert. Und der Garten sah aus wie immer. Robin blickte über den großen Gemüsegarten ihrer Mutter hinweg zu der neuen Scheune hinüber, die auf dem Land der Nachbarn stand.

Wann waren die Bronsons eigentlich aus Forever weggezogen? Solange der alte Bronson nebenan gelebt hatte, hatte der Garten grauenhaft ausgesehen, vollgestellt mit alten rostigen Autos und anderem Gerümpel. Die neuen Besitzer hatten da gründlich aufgeräumt, hatten sich ein schönes zweistöckiges Holzhaus gebaut und bauten Hafer an für die vielen Pferde, die auf den weiß umzäunten Koppeln grasten.

Wer auch immer die Ranch gekauft hatte, eins war sicher: Er hatte Geld. Aber warum zog so jemand in ein verschlafenes Nest wie Forever?

Plötzlich fuhr Robin aus ihren Gedanken hoch. Ein Mann mit nacktem Oberkörper war um die Ecke der Scheune gebogen, und sie hielt unwillkürlich den Atem an. Der Mann hatte einen breiten Ledergürtel um die schmalen Hüften geschlungen, in dem verschiedene Werkzeuge steckten. Seine muskulöse Brust glänzte vor Schweiß, und er trug einen Hammer in der Hand. Sein Gesicht konnte Robin nicht erkennen, weil die Krempe seines Stetson es verdeckte.

Wahnsinn! dachte sie. Wenn sie nicht einen Vater für ihr Kind suchen würde, sondern einfach nur tollen Sex haben wollte, wäre dies genau ihr Typ.

Sie beobachtete ihn gespannt, wie er sich über den Zaun beugte und mit drei kräftigen Hammerschlägen einen langen Nagel einschlug. Dann richtete er sich wieder auf, steckte den Hammer in den Werkzeuggürtel und schob den Hut aus der Stirn.

Jacob Bronson.

Robin erstarrte. Ihr stockte der Atem. Sie hatte nicht erwartet, Jacob jemals wieder zu sehen.

Plötzlich verharrte er in der Bewegung, wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hatte. Dann kniff er die Augen zusammen und blickte in ihre Richtung.

Er konnte sie bestimmt nicht sehen, denn sie saß im Schatten der Markise. Und selbst wenn, würde er sie nicht erkennen, nicht aus hundert Metern Entfernung und nach fünfzehn Jahren.

Warum spürte sie dennoch den Blick seiner blauen Augen so deutlich, als stünde er direkt vor ihr? Robin schloss die Augen, als könnte sie sich so gegen die Erinnerungen wehren, die sie überkamen.

Dabei hatte sie geglaubt, dass sie die demütigenden Erinnerungen für immer tief in sich verschlossen hatte, seit sie vor fünfzehn Jahren in die kleine Beaver gestiegen war, um die Stadt zu verlassen. Und nun genügte schon ein einziger Blick auf den Mann, der damals Zeuge ihrer Demütigung gewesen war, und sie sah alles wieder vor sich, als sei es gestern gewesen.

Doch all das war vor über fünfzehn Jahren geschehen, an dem Abend vor ihrer Abschlussfeier an der Highschool. Wie es Tradition war, hatten sich die einundzwanzig Schüler der Abschlussklasse am Fluss versammelt, um kurz vor Sonnenuntergang nackt hineinzuspringen.

Diese bestimmte Stelle am Flussufer lag zwölf Meilen von der Stadt entfernt und war nur über eine unbefestigte Straße zu erreichen, die vom Fluss her gut einzusehen war. So konnte man sicher sein, von ungebetenen Besuchern nicht überrascht zu werden.

Robin hatte sich schließlich auch überwunden und war mit ihren Freundinnen zu der kleinen Bucht marschiert, wo üblicherweise die Mädchen ins Wasser gingen. Die meisten ihrer Freundinnen fanden nichts dabei, nackt ins Wasser zu springen, aber Robin war die ganze Sache sehr peinlich gewesen. Doch dann hatten die Mücken und Bremsen sie so gepeinigt, dass sie sich schnell ausgezogen und sich in das eiskalte Wasser gestürzt hatte.

Ein Mädchen nach dem anderen war um die kleine Halbinsel herumgeschwommen, denn in der Nebenbucht badeten die jungen Männer. Robin konnte den hellen Feuerschein des Lagerfeuers sehen, und das Lachen und Kreischen der Mädchen drangen zu ihr hinüber. Als schließlich auch noch ihre Freundin Annie die Halbinsel umrundete, war Robin ganz allein. Sie watete in dem eisigen Wasser und umklammerte ihre kalten Schultern. Was sollte sie tun? Sie konnte sich doch nicht die ganze Nacht hier verstecken.

Alle schienen sich wunderbar zu amüsieren. Offenbar nutzten die Jungen die Situation nicht aus. Hin und wieder konnte Robin einen leuchtend bunten Ball oberhalb der Baumwipfel sehen.

Sie schwamm schnell zu der Spitze der Halbinsel, um kurz einmal um die Ecke zu spähen. Was die wohl machten? Vielleicht konnte sie sich irgendwie unauffällig unter die anderen mischen.

An dieser Stelle hingen einige dichte Büsche bis ins Wasser. Robin hielt sich an den Zweigen der Büsche fest und sah um die Ecke. Dahinten war Rose, und Seth und Alex bespritzten sie mit Wasser. Annie und drei andere Mädchen vergnügten sich im flachen Wasser nahe dem Ufer.

Autsch! Das war eine Mücke. Robin schlug sie weg und schaute um sich. Offenbar befand sie sich mitten in einem Mückenschwarm. Sie schlug um sich, tauchte dann unter und schwamm weiter hinaus. Als sie hochkam, um Luft zu holen, schwirrte der Mückenschwarm immer noch um sie herum. Wieder tauchte sie und entfernte sich weiter von der Spitze der kleinen Halbinsel.

Erst als sie das Gefühl hatte, die Lungen würden ihr platzen, kam sie wieder an die Oberfläche. Sie schnappte nach Luft und keuchte. Die Mücken waren nicht mehr zu sehen, aber sie hörte auch keine Stimmen mehr. Schnell sah sie sich um. Die Strömung hatte sie erfasst und weit von den kleinen Buchten weggetragen. Robin fluchte leise vor sich hin. Wäre sie bloß zu Hause geblieben!

Entschlossen kraulte sie gegen die Strömung an. Sie war eine gute Schwimmerin, dennoch kam sie kaum voran. Dichter am Ufer würde die Strömung sicher weniger stark sein, dafür gäbe es dort wieder reichlich Mücken.

Etwas kratzte ihren Fuß. Robin schrie auf. Es war nur ein Zweig, der sich von den Büschen am Ufer losgerissen hatte. Vorsichtig tastete sie nach unten, ob sie Grund hatte. Aber als sie den schlickigen Boden berührte, nahm sie den Fuß schnell wieder hoch. Wenn es hier nun Blutegel gab …

Robin wollte einen Bogen schwimmen und entfernte sich dabei erneut etwas weiter vom Ufer. Auf einmal hielt wieder ein Zweig ihren Fuß zurück, und sie versuchte, sich mit einer heftigen Bewegung freizumachen. Ihr Knöchel schmerzte bei der schnellen Drehung, aber der kräftige Ast ließ sie nicht los. Sie holte tief Luft, tauchte und wollte den Fuß mit den Händen befreien. Doch auch das gelang nicht. Offenbar hing sie in der Krone eines entwurzelten Baumes fest, der jetzt im Fluss lag.

Prustend kam sie wieder hoch. Sollte sie um Hilfe rufen?

Und dann? Im Nu wäre sie von acht jungen Männern umringt, die sich ein Vergnügen daraus machen würden, sie, nackt, wie sie war, zu befreien. Bloß das nicht!

Wie lange es wohl dauerte, bis man an Unterkühlung starb? Unsinn, ihre Fantasie ging mit ihr durch. Oder hatte sie schon Halluzinationen, weil ihr Hirn vereiste?

Wieder tauchte Robin unter und versuchte erneut, ihren Fuß zu befreien. Erfolglos. Sie kam wieder an die Oberfläche und keuchte.

„Kann ich dir helfen?“

Sie schrie auf und entdeckte Jacob Bronson ganz in ihrer Nähe.

Ausgerechnet Jacob, dachte sie. Dieser schlaksige Junge, der immer die Schultern hängen ließ und die Zähne kaum auseinander bekam. Seine Eltern gehörten zu den Ärmsten der Stadt. Seine Jeans war immer zu kurz, und er fehlte oft beim Unterricht, weil er seinem Vater auf dem Feld helfen musste, das Mr. Bronson überheblich „meine Ranch“ nannte.

„Also …“ Robin wusste nicht, was sie sagen sollte. Es war offensichtlich, dass sie Hilfe brauchte. Aber sie glaubte nicht, dass Jacob die Situation ausnutzen würde. Man nannte sie allgemein die Eisprinzessin, weil sie die Jungen immer auf Abstand hielt. Im Grunde fühlte sie sich den anderen jedoch nicht überlegen, sondern hatte einfach Angst. Doch das war jetzt ganz egal. Sie brauchte Hilfe, auch wenn das bedeutete, zu ertragen, dass neugierige Hände ihren nackten Körper berührten.

Aber lieber nur einer ohne Publikum, dachte Robin. Dazu noch einer, der nicht viel sagte. Obwohl sie ziemlich sicher war, dass Jacob in diesem Fall sein Schweigen brechen und es überall herumerzählen würde. Aber ihr blieb nichts anderes übrig, sie war auf ihn angewiesen.

Sie lachte nervös und blickte ihm in die dunkelblauen Augen. Er lachte nicht und sah sie auch nicht lüstern an. Er schien sich lediglich Sorgen um sie zu machen.

„Ja, bitte“, stieß sie schließlich leise hervor.

Jacob tauchte, und seine Hände schlossen sich sanft um ihren Knöchel. Mit dem Gesicht berührte er beinahe ihren Bauch.

Sie starrte in den hellen Abendhimmel, an dem gerade die blasse Mondsichel sichtbar wurde, und versuchte, nicht daran zu denken, was da unter Wasser passierte.

Jacobs Wange stieß gegen ihren Bauch, und sie sog scharf die Luft ein. Vorübergehend ließ der Druck auf ihren Knöchel nach, dann schnellte der Ast wieder zurück. Robin zuckte zusammen. Au, das tat weh!

Jacob kam an die Oberfläche. „Entschuldigung.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ist schon gut.“ Er wollte möglichst vorsichtig mit ihr umgehen, das merkte sie. Sie starrte auf seine nackte Brust. Wenn das alles doch bloß schon vorbei wäre!

Er presste kurz die Zähne zusammen. „Ich … ich meine, ich muss …“

„Was?“ Hoffentlich wollte er nicht jemanden zu Hilfe rufen!

„Also, es ist so …“ Verlegen strich er durch sein stoppelkurzes Haar, „ich muss die Arme um dein Bein legen …“

„Na und?“ Sie war erleichtert, dass er nicht für eine große Zuschauerschar sorgen wollte. Wahrscheinlich würde Annie sich sowieso allmählich Sorgen machen und sie suchen. „Schnell! Mach schnell!“

„Gut. Tut mir leid.“ Er tauchte.

Sie fühlte seine kräftigen Arme an – nein, zwischen ihren Beinen! Robin riss die Augen auf.

Jetzt stieß er mit der Schulter gegen ihre Oberschenkel. Ein Schauer überlief sie. Es fühlte sich an wie …

Robin schloss die Augen, weil sie plötzlich ein ganz eigenartiges Ziehen zwischen den Schenkeln verspürte, so stark, wie sie es noch nie erlebt hatte. Es war fast so, als sehne sie sich danach, dort zärtlich berührt zu werden. Sie spürte Jacobs Finger um ihren Knöchel, seine Schulter rieb ihren Bauch. Und als er schnell nach oben kam, um Luft zu holen, streifte sein Körper sie in voller Länge.

Jacob schüttelte sich das Wasser aus dem Haar und starrte auf das dicht bewachsene Ufer. Wassertropfen hingen in seinen dichten Augenwimpern, und sie errötete. Unwillkürlich teilte sie die Lippen.

Sie wollte, dass dieser Augenblick anhielt, dass Jacob sie wieder berührte, wollte wieder seine Haut an ihrer Haut spüren.

Bevor er wieder tauchte, sah er ihr tief in die Augen. Diesmal war er nicht darum bemüht, sie möglichst nicht zu berühren. Im Gegenteil. Mit seinen kräftigen Händen strich er über ihre Beine, und seine Schultern und sein Brustkorb rieben sich immer wieder an ihren Oberschenkeln.

Sie fühlte eine süße Schwäche, und ohne nachzudenken, umklammerte sie seine muskulösen Schultern. Plötzlich fühlte sie sich sicher. In dieser Situation, nackt, hilflos und an Jacob Bronson gelehnt, fühlte sie sich so sicher und geborgen wie noch nie in ihrem Leben.

Unter seiner schäbigen Kleidung hatte sich ein schlanker muskulöser Männerkörper verborgen, und sie musste ihm einfach über den Oberarm streichen. Sie spürte, dass sein Bizeps sich unter ihrer Hand wölbte. Gleichzeitig presste Jacob die Wange an die Innenseite ihres abgespreizten Schenkels.

Robin hielt den Atem an.

Ihr Knöchel kam frei.

Während er langsam wieder nach oben kam, strich sie unablässig über seinen Arm. Wieder schüttelte er sich das Wasser aus dem Haar und sah sie dann an. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass er bereits einen kräftigen Bartwuchs hatte, ganz anderes als die anderen Jungen in ihrer Klasse mit ihrem spärlichen Kinnbärtchen.

Er legte ihr die Arme um die Taille und hob sie leicht aus dem Wasser, sodass ihre Brüste zu sehen waren. Obwohl er wie gebannt auf ihre Brüste blickte, machte sie keinerlei Anstalten, sie zu verbergen. Er wollte sie küssen, das merkte sie ganz genau.

Langsam beugte er den Kopf. Unwillkürlich kam sie ihm entgegen. Dann spürte sie seinen Mund und öffnete die Lippen, und sofort presste er sie an sich und drang mit der Zunge weiter vor.

Sie legte ihm die Arme um den Nacken und schlang die Beine um seine Taille. Noch nie hatte sie ein solches Begehren verspürt, die heiße Sehnsucht, weiter zu gehen und sich ganz hinzugeben.

Jacob hob den Kopf, und sie seufzte leise vor Enttäuschung, als sie seine Lippen nicht mehr spürte. Er küsste kurz ihren Hals und umfasste ihren festen Po.

„Robin …“ Er keuchte leise.

„Ja“, flüsterte sie.

Er strich ihr über das nasse Haar und zog ihren Kopf an seine Schulter. „Das möchtest du doch gar nicht.“