Liebe zwischen den Zeiten - Cornelia Härtl - E-Book

Liebe zwischen den Zeiten E-Book

Cornelia Härtl

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Beschreibung

Wenn dein Wunsch in Erfüllung geht … und du dich plötzlich 300 Jahre in der Vergangenheit befindest
Der fesselnde Zeitreise-Roman in den wildromantischen Highlands

Valerie wäre lieber in Aspen Ski gefahren, als Weihnachten auf dem Landsitz ihrer Familie in den schottischen Highlands zu verbringen. Mit Blick auf eine Sternschnuppe wünscht sie sich spontan, von der Feier verschont zu bleiben. Und so nimmt ihr Leben als verwöhnte Tochter aus reichem Haus ein abruptes Ende: Ihr Wunsch geht in Erfüllung – und zwar anders als sie denkt. Denn plötzlich befindet sie sich 300 Jahre in der Vergangenheit auf dem Anwesen des Earl of Bathermore in Schottland. Und dort ist es alles andere als glamourös. Valerie muss unbedingt wieder in ihre Zeit zurück – wäre da nicht der Highlander mit den braungrünen Augen, der ihr Herz höher schlagen lässt. So eilig hat sie es dann doch nicht, oder?

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Werkes Zwischen den Zeiten – Verliebt in den Highlands.

Erste Leser:innenstimmen
„Eine humorvolle und romantische Zeitreise-Geschichte.“
„Der Liebesroman vor der Kulisse Schottlands war super unterhaltsam und bringt einen auch zum Nachdenken darüber, was wirklich wichtig ist.“
„Vom rich kid zum Aschenputtel – sehr lustig und berührend.“
„Ich hatte großen Spaß dabei, Valerie zu begleiten, wie sie sich plötzlich als Magd durchs Hofleben schlagen muss.“

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 350

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Über dieses E-Book

Valerie wäre lieber in Aspen Ski gefahren, als Weihnachten auf dem Landsitz ihrer Familie in den schottischen Highlands zu verbringen. Mit Blick auf eine Sternschnuppe wünscht sie sich spontan, von der Feier verschont zu bleiben. Und so nimmt ihr Leben als verwöhnte Tochter aus reichem Haus ein abruptes Ende: Ihr Wunsch geht in Erfüllung – und zwar anders als sie denkt. Denn plötzlich befindet sie sich 300 Jahre in der Vergangenheit auf dem Anwesen des Earl of Bathermore in Schottland. Und dort ist es alles andere als glamourös. Valerie muss unbedingt wieder in ihre Zeit zurück – wäre da nicht der Highlander mit den braungrünen Augen, der ihr Herz höher schlagen lässt. So eilig hat sie es dann doch nicht, oder?

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Werkes Zwischen den Zeiten – Verliebt in den Highlands.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe Oktober 2023

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-749-2 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-795-9

Copyright © 2021, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Zwischen den Zeiten (ISBN: 978-3-96817-424-2).

Covergestaltung: Verena Kern unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © R K Hill, © Martin M303, © Studio Lucky, © Ann in the uk, © Nature Peaceful Lektorat: Claudia Steinke

E-Book-Version 17.05.2024, 14:20:35.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Liebe zwischen den Zeiten

Vorwort der Autorin

Was wäre, wenn … wir einmal auf all die Annehmlichkeiten unseres modernen Lebens verzichten und unseren Lebensunterhalt mit ungewohnter körperlicher Arbeit bestreiten müssten? Oder wir einfach mal in die Vergangenheit reisen könnten? Vielleicht genau dort der Mensch unserer Träume auf uns wartet? Diese Fragen stellten vor einigen Jahren um Silvester herum den Funken dar, der kurz darauf die Geschichte um Valerie und Adrian in meiner Fantasie zum Glühen brachte. 

Valerie war mir sofort präsent: Eine verwöhnte junge Frau, deren Gedanken nur um sich selbst kreisten. Nach einem Sturz wird sie 300 Jahre in die Vergangenheit katapultiert. Als sie wieder zu sich kommt, glaubt sie an einen Scherz ihrer Clique. Erst langsam wird ihr klar, dass sie gefangen ist in einer früheren Epoche. Als Magd steht sie dabei ganz unten in der Hackordnung. Der einzige Lichtblick ist Adrian, der attraktive Wildhüter des Earl, auf dessen Anwesen sie lebt. Dennoch kreisen ihre Gedanken ständig um die eine Frage – gibt es ein Zurück in die Zukunft? 

Beim Schreiben dachte ich oft: Wie würde ich mich in dieser Situation fühlen? Valerie kommt sich selbst dabei näher, als jemals zuvor. Macht Schritt für Schritt eine persönliche und berufliche Entwicklung in der ihr unbekannten Welt. Das gegen etliche Widerstände.

Doch die wichtigste Entscheidung konnte ich ihr lange nicht abnehmen. Falls es einen Weg zurück in die Gegenwart geben sollte – würde sie ihn einschlagen? Trotz ihrer großen Gefühle für Adrian? Es war so, dass ich den Schluss mehrfach umarbeitete und nie zufrieden damit war. Bis etwas Magisches geschah. Wieder einmal saß ich am PC und beschwor diese gefühlvolle Szene herauf. Valerie erschien vor meinem inneren Auge. Sie war erwachsen geworden im Laufe der Geschichte. Und so lebendig, dass letztendlich sie selbst es war, die dieses Kapitel schrieb.

Ich hoffe, Sie schließen Valerie, Adrian und all die anderen Figuren genauso ins Herz, wie ich es tat und wünsche Ihnen magische und romantische Lesestunden mit Liebe zwischen den Zeiten.

Herzlichst

Prolog

Als ich das Kleid sah, wusste ich, dass ich meine Schwester gleich erwürgen würde. Mit dem Strick, der wohl den Gürtel des unförmigen, knöchellangen Teils darstellen sollte, das sie mir aufs Bett gelegt hatte.

»Das sieht ja aus wie ein Kartoffelsack«, rief ich zur offenen Tür. Ivy rumorte nebenan in ihrem Zimmer herum.

»Du gehst nicht auf eine Modenschau, Sister. Sondern zu einem Krippenspiel der besonderen Art«, schrie sie zurück. »Damals haben die Leute keine Designerklamotten angehabt. Die waren froh, wenn sie überhaupt was hatten!« Der letzte Satz kam sehr laut.

Es war Heiligabend und mir stand ein sterbenslangweiliges Weihnachtsfest im Zweitwohnsitz meiner Familie in den Highlands bevor. Schuld war Ivy. Die hatte es geschafft, Mum und Dad zu überreden, den alljährlichen Familien-Skiurlaub in Aspen abzusagen und dafür … was eigentlich zu tun? Ein von Ivy selbst geschriebenes Mini-Theaterstück, das die Umweltzerstörung und die Weihnachtsgeschichte zusammenbrachte, in der Dorfkirche aufzuführen. Ihr Glück, dass der Pfarrer dort nicht so verknöchert war wie sein Vorgänger und sich für diese Idee schnell hatte begeistern lassen.

»So, wie wir leben, tun wir der Welt nicht gut«, predigte Ivy, schon lange bevor es Fridays for Future gab. Nur, was hatte das alles mit mir zu tun? Würde die Welt untergehen, wenn ich in meinem neuen Skidress die Abhänge hinabwedelte? Sicher nicht!

Ich knallte die Tür zu, ging zum Fenster und tippte im Smartphone die Nummer meiner amerikanischen Freundin Blake an. Die meldete sich sofort. Aus mir sprudelte der Frust geradezu heraus. »Stell dir vor, Ivy hat sich doch tatsächlich durchgesetzt mit ihrem Vorschlag, ein sozialkitschiges Kurztheaterstück in der Kirche aufzuführen. Mich hat sie ebenfalls für eine Rolle eingeplant.« Ich hörte selbst, wie sich meine Stimme gefährlich nach oben schraubte, während ich in den tief verschneiten Garten unseres Grundstücks hinausblickte. Rechts von mir schimmerte aus rund zwei Kilometern Entfernung der gelbe Widerschein des beleuchteten Kirchturms durch die Nacht. Auf der anderen Seite verlief die Straße nach dem viel weiter weg liegenden Inverness. Dahinter erstreckte sich Heidelandschaft. Im Sommer blökten hier nicht selten Schafherden. In der vergangenen Nacht jedoch hatte sich eine für diese Gegend ungewohnt hohe Schicht Schnee über alles gebreitet.

Weiße Weihnacht, wer hätte gedacht, dass es das doch noch gibt.

Die beruhigende Stimme am anderen Ende redete davon, dass man sich ja im Januar noch treffen könne. Schnee gäbe es in den Bergen auch dann genug, meinte Blake. Ich musterte mit trübem Blick mein Zimmer. Alles rot, schwarz, silberfarben. Sehr stylisch, sehr cool. Die Innenarchitektin hatte ganze Arbeit geleistet. Dabei erinnerte unser Landsitz von außen eher an ein kleines Anglesey Abbey. Meinen Vater hatte es schon vor langer Zeit ein Vermögen gekostet, den alten und zugigen Kasten so herrichten zu lassen, dass es innen auch im Winter behaglich war. Ich liebte das Haus durchaus, wäre gerade jetzt aber noch lieber woanders gewesen.

»Du verstehst nicht. Meine Eltern wollen gar nicht fliegen, nicht dieses, nicht nächstes Jahr. Meine ökologisch bewusste Schwester hat sich auch da durchgesetzt. Unser CO2 Abdruck sei schon riesig genug. Das nicht verbrauchte Geld will sie karitativen Einrichtungen spenden.«

Blake fand das in Ordnung. Auch ihre Familie, sagte sie, spende immer wieder größere Summen. Das gehöre in den USA zum guten Ton. Immerhin sei ihre Familie ja reich genug. Und deine auch, schwang in Blakes Worten mit.

Geschenke würde es am morgigen Tag auch keine geben. Lediglich den traditionellen Truthahn und Plumpudding. Am Nachthimmel huschte etwas Helles vorbei. Eine Sternschnuppe, die aussah, als würde sie einen Salto am dunklen Firmament schlagen, bevor sie mit einem letzten Aufleuchten aus meinem Sichtfeld verschwand.

»Ich wünschte, ich könnte diesen Abend woanders verbringen. Ganz woanders«, seufzte ich.

Blake lachte leise auf. »Süße, man muss immer das Beste aus den Dingen machen. Denk dran, wie viele Menschen sich jedes Jahr darum schlagen, in eurer Gegend ihren Urlaub zu verbringen.«

Sie hatte gut reden. Sie musste nicht so ein blödes Kleid anziehen.

Missmutig beendete ich das Gespräch, zählte noch einmal kurz auf meinem Instagramprofil die Herzchen für meinen letzten post (»Champagner fürs Christkind!«, hatte ich unter ein Foto von mir mit einem Haarreif voll goldener Sterne geschrieben) und warf dann das Handy mit Schwung aufs Bett.

Verstand mich denn zurzeit gar niemand mehr?

»Du bist oberflächlich«, warf mir meine Schwester immer wieder vor. »Es gibt ein Leben ohne Must-Have-Pieces, soziale Medien und Luxusreisen.«

»Leben nennst du das? Pah! Da würde ich mich lieber umbringen.«

Inmitten von herumliegenden Designerklamotten, die auf Designermöbeln verteilt waren, stiefelte ich durch mein Zimmer. Das in weniger betuchten Kreisen als 3-Zimmer-Wohnung durchgegangen wäre. Das war mir durchaus bewusst. Dennoch … ich hasste das Gefühl, die Weihnachtstage nicht mit Snowparty und meinen Freundinnen verbringen zu können.

»Freu dich doch über die Zeit, die du hier mit deiner alten Mädelsclique zusammen sein kannst«, hatte Ivy gemeint, als sie mich über den geänderten Plan unterrichtet hatte. Möglicherweise hatte ihre Stimme dabei etwas schnippisch geklungen.

Seufzend blickte ich auf die Uhr und erhob mich. Es war Zeit, sich umzuziehen. Ich griff nach dem taubenblauen Kleid aus grobem Leinen. »Das kratzt bestimmt«, murmelte ich dabei. Ivy hatte darauf bestanden, dass alle Mitwirkenden in Klamotten auftraten, die einer früheren Zeit zuzurechnen waren. Das Material war so hart, dass ich das Kleidungsstück sofort wieder auszog. Zudem schien es nicht gerade gut zu wärmen. Und war es in Kirchen nicht immer kalt? Vorsichtshalber streifte ich mir lange Skiunterwäsche über. Angora und Seide, ein Traum, der nach meinem aktuellen Lieblingsparfüm von Dior duftete. Ein bisschen Trost tut gut in diesen Zeiten.

Danach schlüpfte ich erneut in das unförmige Kleidungsstück. Ich sah aus wie ein Kartoffelsack. Nope, so würde ich nirgendwohin gehen. Nicht einmal Ivy und meinen Eltern zuliebe zu einem Weihnachtsspiel in unserer kleinen Kirche. Ich kramte im Schrank herum und zog das Kleid gleich darauf an der Taille mit einem weichen, cognacfarbenen Ledergürtel zusammen. Darunter ein Paar knallblauer Leggins, dazu die neuen Doc Martens, die sahen cooler aus als die merkwürdigen Schuhe, die Ivy mir ausgesucht hatte. Mein Handy summte, gerade als ich mir die Lippen schminkte. Mit einem zartrosa Gloss natürlich, der das bescheidene Gesamtbild nicht stören würde.

Eislaufen. Morgen. 15 Uhr?

Claire, meine BFF hier, seit wir fünf Jahre alt waren.

Ja! Freu!

textete ich zurück, bevor ich mich rückwärts aufs Bett plumpsen ließ. Schon einen Augenblick später schnellte ich wieder nach oben. Wenn schon mit meiner Homebase-Clique in der schottischen Provinz, dann wenigstens mit Champagner! Im Keller meiner Eltern lagen etliche Flaschen, ich würde eine davon holen und vorsorglich kühlen. Ich angelte eine Strickjacke aus einem Berg von Klamotten und zog sie über, im Keller war es stets arschkalt, bevor ich auf den Flur hinaustrat und schnupperte. Bereits seit meiner Ankunft roch es im ganzen Haus nach frisch gebackenen Keksen.

»So ein Unsinn, das ganze Personal nach Hause zu schicken«, knurrte ich, weil ich ausnahmsweise meine Koffer hatte selbst auspacken und meine Klamotten hatte selbst bügeln müssen. Ganz still war es, denn unsere Eltern glühten bei Bekannten im naheliegenden Dorf mit Eggnog und Portwein vor und würden erst in der Kirche zu uns stoßen.

»Ivy?« In ihrem Zimmer war sie nicht. Ich nahm die geschwungene Treppe zum Erdgeschoss und steckte den Kopf durch die Küchentür. Im Ofen buk Shortbread, zwei Bleche mit Walnusshäufchen standen zum Auskühlen auf der Arbeitsplatte. Obwohl ich normalerweise Kohlenhydrate mied, war der Duft einfach zu verlockend. Ivy war nirgends zu sehen. Ich mopste mir zwei der Plätzchen und schob sie schnell in den Mund.

Köstlich! Nicht zu süß und irgendwie – herzhafter, als ich gedacht hatte.

Unwillkürlich zollte ich meiner jüngeren Schwester Respekt für deren Backkünste. Und weil ich jetzt auf den Geschmack gekommen war, aß ich noch drei weitere Nusshäufchen, bevor ich meinen Weg in den Keller fortsetzte.

Der größte Teil unserer Kellerräume war hell und gefliest, in einem davon befand sich der Weinkeller meines Vaters. Von jedem Frankreichaufenthalt und jeder Reise nach Italien oder Österreich brachten unsere Eltern etliche Kisten mit, die sie dann hier lagerten. Dazu kamen Dutzende Flaschen Champagner. Weil das Licht über mir nervös flackerte – vermutlich ging die Röhre gleich kaputt – schnappte ich mir die nächstbeste Flasche vom Regal. Ich wollte bereits zurück zur Treppe gehen, als ich aus dem Augenwinkel heraus einen Lichtstreifen am hinteren Ende des Gewölbes erblickte, der mir merkwürdig vorkam. Ich ging zurück und durchquerte den halbrunden Durchgang, der zum ältesten Teil des Kellers führte. In einen Bereich, den unser Urgroßvater (oder war es der Ur-Urgroßvater gewesen?) beim Bau des Hauses in seinem ursprünglichen Zustand gelassen hatte. Dort, wo früher Kartoffeln, Äpfel und Eingemachtes gelagert worden waren, befanden sich jetzt ein paar morsche Holzregale, voll mit leeren, blinden Gläsern und bauchigen Flaschen. Links daneben führte eine niedrige Holztür, der ich bisher nie Beachtung geschenkt hatte, in den ehemaligen Kohlenkeller. Der wurde schon lange nicht mehr genutzt und ich fragte mich, warum jetzt die Tür dorthin halb offen stand? Durch diesen schmalen Spalt fiel ein mattes Licht.

»Ivy? Bist du da drin?« Niemand antwortete. Ich griff die Champagnerflasche fester und ging auf die Tür zu. Raschelte da drin etwas? Hatten wir etwa Mäuse? Unwillkürlich verzog ich den Mund. Ich mochte keine Tiere, sie flößten mir Unbehagen ein, und Mäuse standen seit jeher ganz oben auf der Liste der Lebewesen, die ich nicht leiden konnte. Vorsichtig zog ich die Tür weiter auf und blinzelte verwirrt, als ich sah, was sich dahinter verbarg. Zwei Hochbeete, über denen Lampen baumelten. Vorsichtig ging ich weiter in den Raum hinein, um nachzusehen, was sich in den Holztrögen verbergen mochte. Überrascht hielt ich inne, als ich es sah.

Pilze? Seit wann züchten wir hier Pilze?

Die Lampen über den Trögen summten leise. Ich stand davor und versuchte, mir ein Bild davon zu machen, was das alles hier zu bedeuten hatte. Dann schnippte ich in Gedanken mit den Fingern. Das musste eines der Ökoprojekte meiner Schwester sein. Vielleicht ein Schulprojekt? »Wir und der Pilz im biologischen Einklang mit unserem Planeten?«

Oder aber … Mein Gedankengang brach mittendrin ab, als habe ihn jemand mit einer Schere durchschnitten. Einer der Pilze schien nämlich plötzlich zu atmen. Gebannt beugte ich mich über ihn. Tatsächlich! Der Hut bewegte sich wie die Brust eines Menschen. Und dann veränderte er auch noch seine Farbe. Das Senfgelb wurde zu einem zarten, schimmernden Grün. Dieses wiederum verwandelte sich in eine fluoreszierende Masse. Ich hatte einmal Quallen gesehen, die sich in der Schwärze der Tiefsee wie zart transparente, türkise Schleier bewegt hatten. Genauso sah dieser Pilz jetzt aus. Und nicht nur er. Alle anderen hatten sich ebenfalls verändert. Sie schwankten hin und her, als würden sie einen Tanz aufführen. Mir war das suspekt, ich wollte weg, aber ich konnte nicht. Es war, als seien meine Füße einbetoniert. Erst, als einer der Pilze urplötzlich anfing zu wachsen und in Sekundenschnelle so riesig wurde, dass ich glauben musste, einem ausgewachsenen Kaktus gegenüberzustehen, trieb der Schreck mich an. Eilig trat ich ein paar Schritte zurück. Doch der Kaktuspilz war schneller, seine Arme schnellten nach vorn, auf mich zu. Ich wich aus, stolperte und fiel, für mein Gefühl wie in Zeitlupe, zu Boden. Dort schlug ich mit dem Kopf schmerzhaft hart auf.

Verdammt, was war in den Plätzchen, dachte ich noch. Dann versank ich in tiefer Dunkelheit.

Kapitel 1

Etwas kitzelte meine Nase und ich musste niesen. Himmel! Wonach stank es denn hier? Mühsam kämpfte ich mich aus dem Schlaf. Mir brummte der Schädel. Hatte ich zu viel Schampus getrunken? Oder gar etwas Stärkeres? Meine Lider lagen schwer wie Blei auf den Augen, ich musste mich zwingen, sie zu öffnen. Was ich wahrnahm, ergab kein sinnvolles Bild. Vor mir tanzten Staubflocken in einem Lichtstrahl.

Warum hat niemand meine Gardinen zugezogen?

Ich wollte schon losschreien, das Personal zusammenfalten, als mir einfiel, dass ja gar keines da war. Ivy! Das hatte ich ihr und ihrem sozialen Fimmel zu verdanken. Jemand schnaubte laut in mein Ohr und ich fuhr erschrocken auf.

»Hilfe! Hilfe!«, mein Geschrei klang selbst in meinen Ohren hysterisch. Der Gaul, der vor mir stand, schob bereits wieder sein weiches Maul in mein Haar und knabberte daran herum.

Jetzt nahm ich meine Umgebung deutlicher wahr. Ich befand mich nicht in meinem Zimmer. Ich lag in einer Holzbox, auf einem Haufen Stroh, das mich nicht nur erneut zum Niesen brachte, sondern auch noch verdammt unangenehm in Arme und Beine stach. Winterweißes Licht fiel durch ein winziges Fenster hoch zu meiner Rechten, die Luft war eiskalt und ich begann augenblicklich zu frieren. »Wo bin ich?«, murmelte ich vor mich hin und erschrak Sekunden später zum zweiten Mal heftig, als ein Mann neben mir auftauchte. Hinter ihm hechelte ein Jagdhund mit schwarz-weiß geflecktem, kurzem Fell, der mit einer unangenehm feuchten Nase sogleich an meinen Beinen schnupperte.

»Hast du so geschrien?«, wollte der Fremde wissen und musterte mich stirnrunzelnd. »Was machst du überhaupt hier im Stall?«

Ja, das wüsste ich auch gern. Leicht panisch robbte ich weg von ihm und dem Hund und klaubte mir Strohstängel aus den Haaren, damit der Gaul mich endlich in Ruhe ließ. Ich trug die merkwürdigen Klamotten, also musste das Ganze hier etwas mit der Weihnachtsaufführung zu tun haben. War ich umgekippt, noch bevor es losging? Wenn ja, wo war Ivy, wo waren die anderen? Und wo zum Teufel befand ich mich? Das war doch keine Kirche? Mühsam versuchte ich, mich zu erinnern, was meine Schwester mir über die Aufführung erzählt hatte. Das einfache Leben, darum ging es. Sich klarzuwerden darüber, was wir in unserer Wohlstandsgesellschaft zur Verfügung hatten. Wo andere in prekären Umständen lebten. Nur, dass alle Leute in meinem Bekanntenkreis, die Pferde hatten, nicht gerade zur Unterschicht gehörten. Ich räusperte mich, um die Flocken loszuwerden, die sich in meinen Atemwegen festgesetzt hatten. Ställe, Stroh und Pferde hatte ich noch nie gemocht.

»Mit Dieben machen wir hier kurzen Prozess.« Er trat einen Schritt auf mich zu und stemmte die Arme in die Hüften.

»Sorry«, sagte ich zu dem Typ. »Aber ich weiß grad nicht mehr, wie ich hergekommen bin. Und was sollte ich wohl hier stehlen wollen?«

Er verzog keine Miene.

»Wo ist meine Schwester?«, fragte ich. Seiner derben Kleidung nach – er trug grobe braune Hosen, ein einfaches Hemd mit Schnüren am Verschluss und eine gräuliche Fellweste – spielte er ebenfalls in diesem kurzen Stück mit, da würde er ja wohl wissen, was hier gerade abging.

»Du hast eine Schwester hier bei uns?« Er sah mich verständnislos an, schob aber freundlicherweise das Pferd zur Seite. »Wer ist sie?«

»Die, die das Weihnachtsspiel hier organisiert.«

Er antwortete nicht, dafür sprach sein Blick Bände. Hielt er mich für gaga?

»Ivy«, half ich ihm auf die Sprünge. »Oder Martha-Ivonne.« Unsere Eltern hatten Freude an Doppelnamen entwickelt, nachdem sie mich Valerie-Anne getauft hatten.

Ich musterte ihn. Er war einer dieser Männer, deren Haar ein bisschen zu lang und der Bart ein wenig zu 3-Tage-mäßig war, aber das stand ihm gut, so wie die Robin-Hood-Kluft, die er trug. Nur dieses mottenzerfressene Fell, das er um den Oberkörper trug, sah merkwürdig aus. Aus welchem Theaterfundus der Plunder wohl stammte?

Er würde auch in einem Anzug gut aussehen. Oder in einer Badehose.

Ein ziemlich sexy Bild entstand in meinem Kopf. Ups. Ich musste lachen. Vermutlich war ich schon zu lange Single.

»Martha ist im Haus«, entgegnete er schleppend. Ob er hübsch, aber doof war? So ganz konnte ich mir seine lahme Reaktion nicht erklären.

»Und du solltest besser gehen. Der Earl duldet hier keine Fremden.«

»Der Earl?«

»Aye.«

Hatte ich eine Hörstörung? Mein Kopf funktionierte leider immer noch nicht einwandfrei.

»Hilf mir mal, aufzustehen«, forderte ich ihn auf und streckte ihm die Hand entgegen. Nach einem kurzen Zögern trat er näher, packte mich am Handgelenk und zog mich hoch.

»Puh du stinkst wie ein Iltis. Hat dein Deo versagt?«, konnte ich es mir nicht verkneifen, zu sagen. Er ließ meine Hand los und ich plumpste auf den Boden.

»Hey, spinnst du?«, schrie ich. Er schüttelte den Kopf und trat zwei Schritte zurück.

»Freches Weibsstück«, grummelte er.

Stöhnend erhob ich mich. »Zeig mir einfach, wo das Ganze stattfindet.«

Schwankte ich oder war das der Boden unter meinen Füßen?

»Himmel, wenn ich nicht wüsste, dass ich gar nichts getrunken habe, würde ich meinen, ich hätte den Hangover meines Lebens.« Verzweifelt kramte ich in meiner Erinnerung. Da war der Keller, die Champagnerflasche. Die Tür. Das flackernde Licht. Die Pilze. DIE PILZE!

»Oh Gott, ich glaube, ich habe eine Dosis magic mushrooms gegessen.« Unwillkürlich kicherte ich. Mein Gegenüber sah nicht glücklich drein.

»Bist du auf den Kopf gefallen?«

»Vermutlich ja«, entgegnete ich. Die Erinnerung war so vage und schwammig wie manchmal ein Traum, an den man sich beim besten Willen nur noch in Fetzen erinnern kann.

»Da waren diese Pilze. Sie haben getanzt. Ihre Farbe verändert. Einer wurde auf einmal ganz groß.« Ich deutete mit der Hand ein Stück über den Scheitel des Mannes. »Dann hat er nach mir gegriffen. Ich bin vor Schreck gestolpert und hingefallen.«

Und dann? Nichts mehr. »An mehr kann ich mich nicht erinnern. Also – wo bin ich?«

Ich trat näher zu ihm. Abgesehen vom strengen Körpergeruch war er wirklich attraktiv. Lebendige braungrüne Augen und der Rest sah nach viel Bewegung an der frischen Luft aus.

»Du bist im Stall von Bathermore Castle.«

»Häh?« Was war das denn für ein Witzbold?

»Stall? Ist das Teil des Spiels?«

In einer verständnislosen Geste schüttelte er den Kopf. »Was für ein Spiel meinst du? Eines, bei dem du gefallen bist?«

Jetzt war es an mir, verständnislos zu gucken. War der so schwer von Begriff oder tat der nur so?

»Himmel. Bring mich zu Ivy!« Ich wurde laut. Meine Schwester konnte was erleben. Mich in eine solche Situation zu bringen. Das Pferd neben mir schnaubte bei meinem Geschrei erschrocken auf. Der Mann legte beruhigend seine Hand auf das Hinterteil und sofort war das Tier wieder ruhig.

»Ich bringe dich ins Haus«, sagte er schließlich und gab mir mit einer Geste zu verstehen, ich solle ihm folgen. Nichts lieber als das!

»Aber wehe, du hast mich angelogen. Wegen der Schwester.«

Ich schüttelte erschöpft den Kopf.

»Nein, habe ich nicht. Ich bin übrigens Valerie. Genannt Val.«

Na, hat’s jetzt geschnackelt?

Offensichtlich nicht, sein Blick war fragender als zuvor. Aber wenigstens stellte er sich jetzt ebenfalls mit Namen vor.

»Adrian. Ich bin Wildhüter und Jäger.«

Er befahl dem Hund, sich wieder in seine Ecke zu trollen und winkte mich mit einer Kopfbewegung zur Tür hinaus. Ich folgte ihm, heftig mit den Augen rollend. Der nahm das blöde Spiel ja sehr ernst!

Kapitel 2

Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Als ich nämlich hinter diesem Adrian aus dem Gebäude trat, befand ich mich keineswegs in einer mir bekannten Umgebung. Ein unebener, nur teilweise gepflasterter Hof, umgeben von hohen Mauern, lag zwischen dem Stall und einem zweistöckigen Haus, das mich mit seinen grauen, groben Steinen an die alten Burgen erinnerte, die ich als Teenager gelegentlich mit meinen Eltern besichtigt hatte. Ein paar Hühner flatterten auf, als der Mann vor mir mit festen, weit ausholenden Schritten den Innenhof durchquerte. Aus einer halboffenen Stalltür hörte ich das Muhen einer Kuh. Es war so kalt, dass mein Atem kleine weiße Wölkchen vor meinem Gesicht bildete. Frierend zog ich meine Strickjacke fester um mich und war froh um die Doc Martens, denn der Boden war gefroren und die unebenen Steine eisglatt. Es war heller Tag, was mich irgendwie erschreckte, denn als ich mein Zimmer verlassen hatte, um in den Keller zu gehen, war es draußen bereits dunkel gewesen. Andererseits war der Schnee vom Vorabend verschwunden. Jetzt machte sich der Winter durch dichten Raureif und eisüberzogene Äste bemerkbar.

»Hier herein.« Der Mann hielt mir eine Tür auf und ließ mich hindurchtreten. War ich eben noch von kalter, klarer Luft umgeben gewesen, befand ich mich nun in einem völlig überhitzten, riesigen Raum, in dem dicke Bündel getrockneter Kräuter von der Decke hingen und durch den intensive Essensgerüche zogen. Sofort brach mir der Schweiß aus.

»Martha!«, rief der Mann.

Eine kleine, dicke, heftig schnaufende Frau tauchte aus dem hinteren Teil des Raumes mit einem Korb voller Eier an der Tür zur Küche auf. Sie trug eine helle, unter dem Kinn zusammengebundene Haube, ein graues Kleid mit einem gebauschten, knöchellangen Rock und darüber eine helle Schürze, die schon bessere Tage gesehen hatte und voller Flecken war.

Wo bin ich hier? Sind das die Brüder-Grimm-Festspiele?

»Das ist …«, der Braungekleidete kam nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen.

»Valerie«, ergänzte ich seinen Satz. »Aber Ihr könnt Val zu mir sagen.«

Ich musste grinsen, denn plötzlich wusste ich genau, was hier los war.

»Und dann hätte ich gerne einen Cappuccino und die neue Vogue und zur Feier des Tages ein paar Kohlenhydrate. Brownies oder Salted Caramel Cashew Cookies Ice Cream.« Ich lachte laut auf, bevor ich mich umdrehte, die Hände in die Hüften stützte und schrie: »Und die versteckte Kamera kann rauskommen!«

Keine Reaktion der anderen Anwesenden, wenn man einmal von den verständnislosen Blicken absah, die sich die beiden zuwarfen.

»Äh, also, die junge Frau ist gestürzt«, stammelte der Mann neben mir nun. Er bewegte die Hand mit einer vielsagenden Geste vor dem Gesicht hin und her.

»Ja, ja. Gestürzt. Aber egal, was ihr hier mit mir aufführen wollt. Ich mach jetzt nicht mehr mit.«

Hinter der dicken Köchin betraten nun zwei weitere, wesentlich jüngere Frauen den Raum. Eine hatte schwarzes, unsauber wirkendes Haar. Sie musterte mich aus harten Augen und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Sie trug Holzscheite im Arm, die sie neben einer Feuerstelle ablegte.

»Wo habt ihr nur dieses alte Gelump gefunden?«, murmelte ich beim Anblick eines Ofens mit offener Flamme, auf dem in einem großen Topf etwas vor sich hinköchelte.

»Da müsstet ihr aber einen Feuerlöscher parat haben, oder?« Fragend blickte ich mich um. Jetzt fiel mir auf, dass es im ganzen Raum nicht nur keinen Feuerlöscher, sondern auch keine Lampen und keine Steckdose gab.

Die zweite der neu hinzugekommenen Frauen trug ein eng um den Kopf gebundenes Tuch, unter dem ihr ein langer, kastanienfarbener Zopf über den Rücken fiel. Sie war so schmal, dass der Wassereimer, den sie in der Hand trug, geradezu riesig wirkte. Sie starrte mich aus großen, hellblauen Augen an, bevor auch sie dem Mann und der Köchin fragende Blicke zuwarf.

»Valerie. Genannt Val.« Ich streckte ihr die Hand hin, die sie zögernd ergriff.

»Ich bin Lizzy«, murmelte sie. Ihre Finger waren schwarz, unter den Nägeln zeigten sich Trauerränder und sie roch intensiv nach Schweiß. Ich trat zwei Schritte zur Seite und wiederholte das Begrüßungsritual mit der Dicken und der Frau mit den Holzscheiten, die mir jedoch die Hand nicht gab, sondern lediglich nickte.

»Ich habe sie im Stall bei den Pferden gefunden. Sie sucht ihre Schwester«, stellte der Mann klar. »Sie sagt, das seist du.«

»Nein!«, rief ich aus. »Natürlich ist diese Frau«, ich deutete auf die Dicke, die er angesprochen hatte, »nicht meine Schwester. Ivy!«, rief ich. »Komm endlich raus. Ich habe keinen Bock mehr auf das Spiel.«

In die Stille hinein, die darauf folgte, hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Adrian, Martha und die beiden Frauen warfen sich beunruhigte Blicke zu. Sie spielten ihre Rollen so echt, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.

»Ich muss jetzt gehen. Der Herr will später ausreiten.« Adrian bewegte sich rückwärts zu einer Tür. Er ließ mich dabei nicht aus den Augen.

»Ich bin keine Diebin!«, rief ich ihm zu. Plötzlich wurde mir schwindelig und ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um. Auf einem grob gezimmerten Schemel sank ich nieder.

»Also – jetzt noch einmal zum Mitschreiben. Ich sollte beim Krippenspiel von Ivy, meiner Schwester, mitmachen. Dann bin ich im Keller gestürzt. Danach weiß ich nichts mehr, nur, dass ich im Stroh aufgewacht bin. Keine Ahnung, wer mich in den Stall gebracht hat. Aber jetzt will ich entweder heim oder in die Kirche, um endlich bei diesem Spiel mitzumachen. Heute ist doch Heiligabend.«

Die Dicke scheuchte die beiden Jüngeren, die neugierig näherkamen, zurück an ihre Arbeit.

Adrian zog die Augen zusammen.

»Heiligabend war gestern. Und die nächste Kirche ist im Dorf. Eine Strecke Wegs weg. Und dort findet nichts statt. Nicht gestern, nicht heute, nicht morgen.« Adrian schüttelte leicht den Kopf.

Mir blieb die Spucke weg.

»Trink einen Becher Wasser«, murmelte der Jägersmann. »Ich muss jetzt zu meinem Herrn. Er wartet sicher schon.«

Die dicke Martha brummte etwas und hob ihren Korb. »Ich bereite ihm gleich das Frühstück«, warf sie Adrian zu. Dann wandte sie sich an die Holzscheitfrau. »Und du hole einen Krug Ale aus dem Keller.«

Misstrauisch musterte sie danach mich. »Suchst du Arbeit?«

»Arbeit? Nein, ich studiere ja noch«, entgegnete ich leichthin.

Die Augen der Dicken wurden kugelrund, die Holzscheitfrau prustete hinter vorgehaltener Hand und Adrian trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.

»Sie ist verrückt«, stellte die Frau mit dem Wassereimer fest, bevor sie ihre Last abstellte und nach einer riesigen schwarzen Pfanne griff, die von einem Haken an der Wand hing.

Sie ging zu dem Ungetüm von Eisenherd, nahm ein paar Ringe von der Feuerstelle herunter und stellte die Pfanne auf den Freiraum. Zischend schäumte gleich darauf das Fett auf, das sie reichlich hineingab. Danach schlug sie in aller Seelenruhe ein Dutzend Eier auf. Ich stand auf und trat näher.

»Das ist alles für eine Person?« Fassungslos schüttelte ich den Kopf. »Wenn das keine Cholesterinbombe ist, weiß ich auch nicht«, murmelte ich. »Wer auch immer das essen soll, dem wird kein langes Leben beschieden sein.«

Die Köchin schien jetzt alarmiert, ihr Gesicht lief puterrot an, ihre Augen bewegten sich nervös. »Bringt sie weg«, wandte sie sich an Adrian. »Sie ist nicht ganz richtig im Kopf und kann hier nicht bleiben.«

»Ja, genau«, gab ich der Köchin recht. »Bringt mich weg. Am besten zu meiner Schwester und ihrer Spielschar.« Die hatten ja wohl das Spiel über den Heiligabend hinaus verlängert. Anders konnte ich mir all das hier nicht erklären. So drehte ich mich noch einmal um und rief, indem ich mich um mich selbst drehte, in alle Ecken des Raumes »Ich bin Valerie, der Star dieser Show. Holt mich hier raus. Aber presto.« Mein Kichern klang mir laut in den Ohren. Leider war ich die Einzige, die das lustig fand.

Kapitel 3

Wir standen alle noch in der Küche, als von draußen Schritte auf dem Steinfußboden zu hören waren. Gleich darauf sanken die Frauen in einen Knicks, Adrian senkte den Kopf. Ein Mann in einer Art Uniformjacke über dem Kilt, so altmodisch wie die Kleidung aller um mich herum, betrat die Küche und blickte sich um. Ein herrischer Blick traf mich. »Knie nieder, der Herr des Hauses kommt!«, ranzte mich der Kerl sogleich an.

»Den Hofknicks habe ich grade nicht drauf«, entgegnete ich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Unter seinem harten Blick wurde mir allerdings ein wenig unwohl. Gleichzeitig spürte ich Adrians Hand, die sich auf meine Schulter legte und mich mit Kraft nach unten drückte. Auf eine gewisse Art und Weise knickste ich dadurch also doch und weil er mich in dieser Position festhielt, kam ich nicht mehr hoch. Gleich darauf betrat ein nicht allzu großer, schmächtiger Mann um die Fünfzig den Raum. Er war rothaarig, blass, unscheinbar und schob darüber hinaus einen Schmerbauch vor sich her. Anhand seiner Kleidung konnte man jedoch schnell feststellen, dass er hier wohl derjenige mit der meisten Knete war.

»Martha, erhebe dich«, nuschelte er. Die dicke Köchin ächzte leise beim Aufrichten. Ich hob den Kopf und erntete einen missfallenden Blick.

»Wer ist diese junge Frau? Eine neue Küchenhilfe?« Er trat näher, kraulte dabei seinen fusseligen roten Bart und bedeutete mir mit einer Geste, mich ebenfalls zu erheben. Die Hand verschwand von meiner Schulter, ich stand auf. Der Hausherr betrachtete mich von oben bis unten. Noch bevor jemand seine Frage beantwortet hatte, zwickte er mich in die Wange. »Hübsch anzusehen«. Er drehte sich um. »Lasst sie gleich das Frühstück auftragen, damit ich sehen kann, was sie taugt.«

Ich wollte etwas entgegnen, doch Adrian hatte mich bereits am Oberarm gepackt und zog mich zur Seite. Sein Blick sprach Bände. Halt jetzt bloß den Mund, sagte er mir.

Der Herr des Hauses spazierte zum Herd, wo noch die Pfanne mit den Eiern stand. »Ich glaube, die sind fertig«, stellte er fest und die eine der beiden Mägde beeilte sich, alles vom Feuer zu nehmen.

»Habt ihr noch genügend Fleisch im Haus? Heute Abend will ich meine Jagdfreunde zu einem kleinen Imbiss laden«, wandte er sich inzwischen an Martha.

Während nun die Köchin aufzählte, was noch alles in ihrer Speisekammer lag, machten sich die beiden Mägde daran, das Frühstück weiter vorzubereiten. Eine legte Fladenbrot auf einen Teller, die andere eilte in eine Kammer nebenan und kam mit einem Stück Käse zurück.

»Adrian, folge mir«, befahl der Earl und der ließ mich endlich los und tat, wie ihm geheißen. Nicht, ohne mir noch einen warnenden Blick zuzuwerfen.

»Schickt uns das neue Mädchen«, rief der Earl der Köchin über die Schulter zu, bevor er mit seinem Begleiter verschwand. Mir war leicht schwindelig nach diesem Auftritt, mein Arm schmerzte. Vielleicht war ich in eine Folge von Leben wie vor Hunderten von Jahren geraten? Bloß wie? Hatte ich einen Teil meines Gedächtnisses verloren? Die dicke Köchin schnaufte verärgert.

»Zeig ihr den Weg!«, befahl sie der Magd, die neben der Pfanne stand.

»Ich bin doch keine Servicefachkraft«, wagte ich zu bemerken. Doch jetzt schien niemand mehr von mir Notiz zu nehmen. Der Earl-Darsteller wartete auf sein Frühstück und am Abend wurden Gäste erwartet. Genug zu tun für alle, die in diesem Haushalt beschäftigt waren. Ohne es zu wollen, gehörte jetzt auf einmal auch ich dazu.

»Na gut«, knurrte ich. »Bringen wir dem Herrn sein Frühstück.« Vielleicht würde dieses Spielchen ja noch unterhaltsam.

Kapitel 4

War mir das Auftragen des Frühstücks mit Hilfe von Lizzy, der stilleren der beiden Mägde, noch einigermaßen gelungen – die Herren saßen in einem großen, düsteren und zugigen Raum inmitten von dunklen Möbeln, aber wenigstens in der Nähe eines Kaminfeuers und waren in Gespräche vertieft, die sich um Jagd, Politik und lukrative Geldanlagen drehten, und nahmen daher kaum Notiz von uns – verlief der Rest des Tages eher schrecklich.

»Hier, rupf das«, hatte Martha mir zugerufen, mir dabei ein totes Huhn zugeworfen, dessen Kopf auf dem gebrochenen Hals herumschlenkerte.

Igitt! Diese Sendung, in der ich mich immer noch glaubte, war wohl nicht die, in der die Rosen verteilt werden, sondern der mit den Ekelprüfungen nachempfunden. Still blickte ich auf das tote, nasse Tier in meinem Schoß. Würde es etwas nützen, wenn ich jetzt verkündete, ich sei Vegetarierin? Vermutlich nicht, es entsprach ja sowieso nicht der Wahrheit.

Vorsichtig zog ich ein bisschen an einer der weißen Federn. Sie löste sich erst, als ich fester zog.

»Was ist mit dir? Weißt du nicht, wie man ein Huhn rupft?« Die Köchin stand vor mir, die Fäuste in die Hüften gestützt.

»Nein, das habe ich in der Tat noch nie gemacht«, erwiderte ich. Woraufhin sie mir das Federvieh aus der Hand nahm, um zu demonstrieren, wie das ging. Die weißen Federn flogen nur so durch die Luft und landeten in kleinen Häufchen zu meinen Füßen.

»So macht man das«, beschied mir Martha und ließ das Tier wieder in meinen Schoß fallen. So sehr ich mich auch abmühte, es gelang mir nicht, den Vogel richtig zu rupfen, sodass die stille Magd mir zur Hand ging. Als sie die Haut des Federviehs dann über dem Feuer absengte, wurde mir so übel von dem Geruch, dass ich nach draußen rannte, um mich in einen winternackten Busch zu übergeben.

Wieder zurück in der Küche, durfte ich den Tisch mit Sand scheuern und den Boden mit einem Reisigbesen fegen. Das ging ja noch. Allerdings wurde mir bei der Aktion ziemlich schwummerig. Außer einem Stück Brot hatte ich noch nichts gegessen und mein Magen zog sich zunehmend schmerzhaft zusammen. Dazu kam, dass nichts von dem, was ich tat, den Ansprüchen der Köchin gerecht wurde.

»Das ist nicht sauber genug!«, fuhr sie mich nach einem Blick auf den sandigen Boden an, sodass ich noch einmal fegen musste. Weiter ging’s, ohne dass es besser wurde. Wassereimer schleppen oder die Kühe melken – ich war mit allem überfordert. Noch dazu kam das Gedankenkarussell in meinem Kopf nicht zum Stillstand. Vor den Weihnachtsferien hatte ich mich mit einigen meiner Studienkollegen mal über eine Show in den USA unterhalten, bei der Bewerber*innen mit den aberwitzigsten Aktionen auf Herz und Nieren geprüft wurden. Ich hatte am lautesten gelästert über die Aspiranten. Man merkt doch, wenn man veräppelt wird, lautete meine Devise. Dass man nicht alles mitmachen müsse, hatte ich auch gesagt. Der Gedanke, dass ich diese Situation womöglich gar nicht meiner Familie oder meinen Freunden zu verdanken hatte, sondern dass mich Studienkollegen in dieser Ulkshow untergebracht hatten, bei der es sich womöglich um eine Art Assessment-Center handelte, brachte mich dazu, den ganzen Mist mitzumachen. Sollten sie sich doch schieflachen vor ihren Bildschirmen. Denn dass ich in irgendeiner Weise beobachtet wurde, stand für mich fest. Wobei ich mich fragte, warum so ein Aufwand betrieben wurde. Die Location, die so authentisch wirkte. Die Darsteller, die so echt in ihren Reaktionen waren. Die Kostüme und die Ausstattung. Hier gab es ja noch nicht einmal einen versteckten Winkel, in dem ein Kühlschrank mit Diät-Coke oder Mineralwasser stand. Durst hatte ich, doch als man mir beschied, ich solle mit der Kelle aus dem Eimer schöpfen, winkte ich eilig ab. Der Eimer war nicht sauber, die Kelle hatte bisher jede der anderen Frauen benutzt. Über das hygienische Desaster, das daraus erwuchs, wollte ich erst gar nicht nachdenken. Auch die Toilette – es gab keine –, war ein Thema. Man hatte mich zu einem Lokus im Hof geschickt, einem Plumpsklo, das nicht nur olfaktorisch mehr als gewöhnungsbedürftig war, sodass ich mich einfach hinter einen Strauch gesetzt hatte. In der Hoffnung, wenigstens dabei nicht gefilmt zu werden.

Am Nachmittag kam der Jäger zurück.

»Wie hat sie sich gemacht?«, wollte er von der Köchin wissen. Die brummte etwas und warf mir einen nicht sehr freundlichen Blick zu. Ein Knecht betrat die Küche und verlangte heftig stotternd einen Becher Milch, bevor er mit dem Finger auf mich zeigte.

»Ist da-da-das die neue Magd?«

Der Jäger nickte. Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin nur auf der Durchreise«, verkündete ich. »Sobald der heutige Dreh beendet ist, rufe ich mir ein Taxi und fahre nach Hause.«

Die Köchin schüttelte verständnislos den Kopf.

»Häh?«, machte der Knecht und verschüttete etwas von seiner Milch.

»Sie ist nicht von hier. Redet eine andere Sprache«, erläuterte der Jäger.

»Du kommst aus einem anderen La-La-Land?« Der Stotterer riss die Augen auf.

»Genau. Aus La-La-Land. Und Ryan Gosling ist mein Freund.« Ich lachte herzlich auf bei dieser schönen Vorstellung.

»Wo genau liegt dieses Land?« Das war wieder der Jäger.

Tja, wenn ich das so einfach sagen könnte. Mir war schleierhaft, wohin man mich gebracht hatte.

Scheißspiel.

Vage deutete ich in alle möglichen Richtungen.

»Komm, ich bringe dich dorthin zurück.« Schon ging er voraus, zur Tür hinaus. Ich folgte ihm auf den Innenhof, in den Stall, in dem ich aus meiner Ohnmacht erwacht war. Beim Anblick der Pferde zuckte ich jedoch sofort zusammen. Tiere waren einfach nichts für mich. Weder Kaninchen noch Katzen – sogar Hamster waren mir suspekt. Und nun sollte ich auf ein Pferd steigen? Alles in mir rebellierte. Was blieb mir aber anderes übrig, wenn ich doch wieder zurück wollte?

Kurze Zeit später saß ich, in ein etwas unangenehm riechendes Plaid gehüllt, vor dem Jäger auf dem Pferd. Seine Hände hielten die Zügel, seine Arme hielten mich. Das Tier schritt nicht allzu schnell voran, dennoch krallte ich mich ängstlich in seine wollige, bis fast zum Boden reichende Mähne. Adrian sagte nichts, er hatte mir lediglich erklärt, einen Ort aufsuchen zu wollen, von dem aus ich hoffentlich die Richtung bestimmen könne, die wir einschlagen mussten.

»Dann bringe ich dich zurück. Für mich gibt es um diese Jahreszeit sowieso nicht viel zu tun.«

Ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht auf dem Gaul heimbringen wollte. Das könnte unter Umständen ja ewig dauern. So wie es schien, hatte man mich weit weg von zu Hause ausgesetzt. Außerdem war mir kalt. Lediglich den Rücken wärmte mir der Kerl hinter mir recht gut.

Während wir so dahinritten, wurde mir bewusst, wie ruhig es um uns herum war. Klar, wir befanden uns auf dem Land und nicht mitten in einer Stadt wie Edinburgh mit ihrem steten Grundrauschen. Dennoch kam mir diese Stille so fremd vor, als empfände ich sie in meinem ganzen Leben zum ersten Mal. Außer dem gelegentlichen leisen Zungenschnalzen des Reiters hinter mir, dem Schnauben des Pferdes und den Hufgeräuschen war nichts zu hören. Wir folgten einem schmalen Pfad, der zwischen winterstarren Heidebüscheln und windgebeugten Gräsern entlangführte. Am Horizont zog sich eine zart schneebedeckte, flache Hügelkette entlang, aber weil ich für Landschaften noch nie einen Blick gehabt hatte, – es sei denn, sie dienten als dekorativer Hintergrund für Instagram-Fotos – kam mir der Anblick gleichermaßen vertraut wie fremd vor. Ich blickte nach oben. Das Blau des Himmels war mit Wolken betupft. Kein Kondensstreifen war zu sehen, kein Blinken eines Flugzeugs.

»Was ist dort oben?«, wollte der Jäger wissen.

»Merkwürdigerweise nichts«, entgegnete ich leise. »Nicht einmal ein Flugzeug.«

»Ein … was?« Er zügelte das Pferd und blickte ebenfalls nach oben.

»Ein Flieger. British Airways. Lufthansa. Was auch immer.«

»Du redest in Rätseln«, verkündete er, den Kopf immer noch nach oben gereckt.

»Na, ein Stahlvogel«, versuchte ich es erneut.

Er drehte den Kopf hin und her. »Von so einem Vogel habe ich noch nie gehört. Aber schau, da! Ein Habicht!« Der Raubvogel zog weit oben seine Kreise, es wirkte, als lasse er sich mit dem Wind treiben.

»Hier sieht uns doch keiner! Du kannst aufhören, dieses Spiel zu spielen!«, fauchte ich ihn an. »Oder bist du verkabelt?«

Er senkte den Kopf und blickte mich verständnislos an. »Ich verstehe deine Sprache nicht. Ich denke, wenn du wieder zu Hause bist, wird es dir besser gehen«, erklärte er.

Ja, das denke ich auch. Je eher, desto besser.

Den Rest unseres Ausritts brachten wir schweigend hinter uns.

Kapitel 5