Liebeskummer gibt es nicht - Ney Sceatcher - E-Book

Liebeskummer gibt es nicht E-Book

Ney Sceatcher

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Beschreibung

Dein Freund hat einfach Schluss gemacht? Er hat eine Neue? Oder dein Schwarm weiß nicht mal, dass du existierst? Auftritt: Lowa. Lowa ist vielleicht keine Therapeutin, aber mit Liebeskummer kennt sie sich aus wie keine Zweite. Kein Wunder, ihre Mutter ist immer noch nicht über die Trennung von ihrem Vater hinweg und versinkt gerne mal in Melancholie darüber. Daher hat Lowa es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Mitschülerinnen über ihren Herzschmerz hinwegzuhelfen. Sie selbst hält sowieso nichts davon, einem Typen hinterherzulaufen. In ihn reinlaufen, das passiert ihr schon eher. So auch bei Jasper, der mit seinem schelmischen Grinsen und seinen blonden Haaren alles andere als unattraktiv ist. Das Problem: Er ist der Ex von Lowas neuster Kundin. Außerdem eilt sein Ruf als Bad Boy ihm voraus. Bald schon steckt Lowa mittendrin in den Intrigen und Eifersüchteleien, die gebrochene Herzen verursachen können. Und dann wird es sogar kriminell … 

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Die AutorinNey Sceatcher, geboren in der Schweiz, las schon immer gerne aufregende Bücher. Selbst zu schreiben begann sie bereits mit neun Jahren. Damals entstanden ihre Geschichten noch in kleinen Notizbüchern. Heute schreibt sie im Internet und ist schon seit 2014 auf der Seite Wattpad aktiv. Bis jetzt hat sie dort unter dem Namen Ney Sceatcher sechs Bücher veröffentlicht und eine große Anzahl an Lesern gewonnen. Wenn sie nicht gerade schreibt oder Tieren hilft, reist sie in der Welt umher und träumt von aufregenden Abenteuern.

Das Buch

Dein Freund hat einfach Schluss gemacht? Er hat eine Neue? Oder dein Schwarm weiß nicht mal, dass du existierst? Auftritt: Lowa. Lowa ist vielleicht keine Therapeutin, aber mit Liebeskummer kennt sie sich aus wie keine Zweite. Kein Wunder, ihre Mutter ist immer noch nicht über die Trennung von ihrem Vater hinweg und versinkt gerne mal in Melancholie darüber. Daher hat Lowa es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Mitschülerinnen über ihren Herzschmerz hinwegzuhelfen. Sie selbst hält sowieso nichts davon, einem Typen hinterherzulaufen. In ihn reinlaufen, das passiert ihr schon eher. So auch bei Jasper, der mit seinem schelmischen Grinsen und seinen blonden Haaren alles andere als unattraktiv ist. Das Problem: Er ist der Ex von Lowas neuster Kundin. Außerdem eilt sein Ruf als Bad Boy ihm voraus. Bald schon steckt Lowa mittendrin in den Intrigen und Eifersüchteleien, die gebrochene Herzen verursachen können. Und dann wird es sogar kriminell … 

Ney Sceatcher

Liebeskummer gibt es nicht

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin April 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-179-3  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Prolog

Es war dunkel und kalt. Der Regen klopfte unaufhörlich gegen das helle Fensterglas. Möglichst lautlos schlich ich mich um die Autos herum. Von draußen erklangen Stimmen. Es waren mindestens zwei Personen.

»Mist!«, flüsterte ich so leise wie möglich, als mein Knie eine der Metallstangen rammte, die überall aufgestellt waren.

Leise fluchend drückte ich mich noch tiefer in die dunkle Ecke. Das durfte doch nicht wahr sein! Die Stimmen kamen immer näher.

Ich durfte jetzt keinen Rückzieher machen, egal wie gefährlich sich die Situation entwickeln könnte. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich befürchtete, dass man das laute Pochen sogar bis zum Nachbarhaus hören konnte.

Die Tür ging langsam auf, und ein schwacher Lichtschein erhellte den Raum. Ein wenig Staub wirbelte auf, als eine nur schemenhaft erkennbare Person mit schnellen Schritten den Raum betrat.

»Und wie sieht der Plan aus?«, fragte die Stimme. Ich duckte mich noch ein wenig mehr. »Wir nehmen alles mit, was wir tragen können«, sagte die andere Stimme.

»Halt!«, rief ich laut und sprang aus meinem Versteck. Etwas Besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen.

Überrascht sahen mich die beiden Gestalten an.

Kapitel 1

Mein Blatt war noch immer leer. Der unberührte Bleistift lag fein säuberlich daneben. Nur ganz klein auf der linken oberen Randseite stand mein Name.

Lowa Tawis

Ich duckte mich ein wenig und versuchte von der Seite einen Blick auf das Blatt meiner besten Freundin zu erhaschen. Sie schrieb gerade die Rückseite voll und wollte sich gerade erheben, um noch ein weiteres Blatt zu holen, als sie meinen Blick bemerkte.

»Schreib selber, Lo«, meinte Rabea und schüttelte den Kopf so fest, dass ihre braunen Haare nur so hin und her flogen. Dabei wäre beinahe ihre Brille wieder von der Nase gerutscht.

»Ich schreibe ja«, murmelte ich so leise wie möglich und widmete mich dann wieder meinem leeren Blatt.

Aufsätze schreiben war so gar nicht meine Welt. Während Rabea beinahe in einer Welt voller Wörter lebte.

Ich pustete mir eine meiner widerspenstigen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

»Die Farbe bleibt, egal wie oft du pustest«, sagte Joe. Ein Obermacho mit kurzen braunen Haaren und extraengem Shirt, das seine Muskeln betonte. Notiz an mich: Schenk ihm zu Weihnachten einen Rollkragenpullover.

»Ich puste dir gleich deine wenigen Hirnzellen weg«, wisperte ich und drehte mich zu ihm um. Er schenkte mir nur ein leichtes Lächeln, ehe er sich wieder seinem Aufsatz widmete.

Meine Haare waren grau. Bestimmt schon dreißigmal gefärbt, damit sie so blieben. Doch ich mochte es, irgendwie war es anders.

»Schreib doch über dich und dein Projekt«, meinte Rabea, die inzwischen wieder neben mir saß. Mein Projekt? Ich nannte es weniger Projekt. Eher Überlebenshilfe.

»Ich gebe es auf«, murmelte ich und vergrub meinen Kopf zwischen meinen Armen. Der Klang der Schulglocke war in meinen Ohren wahrhaft eine Erlösung. Schnell packte ich meine schwarze Umhängetasche und lief dicht gefolgt von Rabea aus dem Schulzimmer.

Das leere Blatt ließ ich auf dem Tisch liegen, immerhin konnte es jetzt irgendwer noch verwenden.

»Lowa!«, erklang eine hohe Stimme neben mir. Überrascht drehte ich mich um. Ein zierliches Mädchen mit langen blonden Haaren stand vor mir. Ihre braune Tasche dicht an sich gepresst. Die Augen verquollen. Wahrscheinlich vom vielen Weinen.

»Was ist los?«, fragte ich und lehnte mich an einen der Spinde neben uns.

»Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie, und ihre Augen wurden wieder wässrig.

»Komm mit«, sprach ich und nickte Rabea zu, diese erwiderte mein Nicken und lief dann weiter.

»Also, wie kann ich helfen?«, hakte ich nach und lief mit ihr durch die breiten Schulgänge Richtung Turnhalle.

»Er hat einfach Schluss gemacht!«

Und mit einem Mal waren ihre Mauern gebrochen. Neben mir stand ein Mädchen, dessen Tränen jeden reißenden Bach erblassen ließen.

»Okay, du willst ihn vergessen?«

Sie nickte und suchte dann verzweifelt nach einem Taschentuch in ihrer übergroßen Tasche.

»Schritt eins: Hör auf damit!«

Seufzend gab ich ihr mein letztes Pack.

»Womit?«

»Ihm nachzurennen.«

Ich reichte ihr einen zusammengefalteten Zettel.

»Das ist meine Nummer. Ich helfe dir gerne, über ihn hinwegzukommen. Nur musst du dafür bereit sein. Sobald du das wirklich willst, melde dich.«

Sie nickte dankend. Mit schnellen Schritten verschwand ich um die nächste Ecke. Das sah nach einem neuen Auftrag aus.

Liebeskummer gibt es nicht. Das sagte meine Mutter immer, und irgendwie hatte sie recht. Es war eine Sache der Einstellung.

Wie erwartet vergingen keine zwei Stunden, und ich hatte einige Anrufe von einer unbekannten Nummer auf meinem Handy. Ich war gerade auf dem Nachhauseweg und bog in unsere Straße ein, als ich überrascht aufsah. Meine Mutter war gerade dabei, einen riesigen Karton vom Auto in unser gemütliches kleines Haus zu schaffen.

»Mom, lass das!«, rief ich und konnte mir schon bildlich vorstellen, wie die Schachtel mit viel Lärm auf den asphaltierten Boden fiel.

Zu meiner Mutter gab es nicht viel zu sagen. Sie hatte lange schwarze Haare, denselben spöttischen Blick wie ich und die gleiche Körperhaltung. Das Einzige, was ich von meinem Vater hatte, war meine Nase.

Meine Mutter musste ständig umdekorieren. Jeden einzelnen Winkel. Unser ganzes Haus war voll mit ihren Dekorationsartikeln. In einer Woche wachte man auf und spazierte in ein grasgrünes Bad, während man in der nächsten in einen pinken Albtraum aus Federn und Glitzer hineinlief.

»Lowa, hilf mir kurz«, murmelte meine Mutter unter dem bergähnlichen Karton hervor. Seufzend und mit schnellen Schritten lief ich zu ihr. Gemeinsam brachten wir den Karton hinein.

Ich liebte unser kleines Haus. Durch den Vorgarten führte ein schmaler Weg zur Haustür. Es hatte zwei Stockwerke und einen großen Dachboden. Es war rot und schwarz, und an Halloween war es ein beliebtes Ziel für alle kleinen Kinder. Vielleicht lag das daran, dass meine Mutter natürlich auch an Halloween anfing, alles zu dekorieren, so unheimlich wie möglich. Manchmal hing dann auch an meinem Fenster eine männliche Schaufensterpuppe mit Blut vor dem Mund. Zum Glück verschwand die Deko dann gleich wieder und wurde durch bunte Weihnachtsdekoration ersetzt.

Meine Mutter war nicht verrückt, im Gegenteil. Die Mehrheit der Nachbarschaft liebte sie. Jedoch wusste ich, dass nicht nur Kreativität schuld an dem ständigen Wandel unseres Hauses war. Mein Vater hatte uns vor wenigen Jahren verlassen, und seitdem hatte es angefangen. Sie versuchte einfach, so gut es ging, sich abzulenken. Von ihr kannte ich auch all diese Tipps gegen Liebeskummer. Von heißer Schokolade bis hin zu guten Horrorfilmen.

»Danke«, meinte meine Mutter, als wir den Karton im Haus hatten.

»Ich habe noch was zu erledigen«, sagte ich und deutete auf mein Handy. Doch sie bemerkte das gar nicht mehr. Sie hatte ihren Kopf schon in dem Karton versenkt und wühlte darin herum.

Ich wählte schnell die Anruftaste und beeilte mich dann, in mein Zimmer zu kommen.

»Hallo?«, meldete sich eine Stimme am anderen Ende.

»Hi, hier ist Lowa.«

»Ach gut, ich dachte, du hättest nicht gesehen, dass ich angerufen habe.«

Wie sollte man die zwanzig verpassten Anrufe übersehen?

»Am besten kommst du kurz zu mir, wenn du Zeit hast.«

Innerhalb weniger Minuten stand das blonde Mädchen vom Vormittag vor mir, dessen Namen ich noch immer nicht kannte. Sie trug einen kurzen blauen Rock und ein schwarzes Top. Ihre Haare waren nun gelockt, und der traurige Ausdruck war wie weggeblasen.

»Hi, ich bin Samira«, stellte sie sich vor und lief an mir vorbei ins Haus. Neugierig musterte sie unsere Einrichtung, und ich war froh, dass wir noch nicht Halloween hatten.

»Also, Samira, womit kann ich dir behilflich sein?«, fragte ich zögerlich. Wir gingen hoch in mein Zimmer, wo Sam, so nannte ich sie jetzt einfach, sich auf mein großes Bett fallen ließ.

»Es geht um meinen Ex. Wir waren einige Monate zusammen, und gestern hat er einfach aus dem Nichts Schluss gemacht. Er hat unsere Beziehung einfach aufgegeben.«

»Du bist doch eine der Cheerleaderinnen?«, sagte ich zögerlich. Erst jetzt kamen mir diese blonden Locken so bekannt vor.

»Ja, wieso?«

»Nur so.«

»Auf alle Fälle will ich, dass er merkt, was er verpasst!«

Wütend schlug sie in eines meiner vielen Kissen, die sich wie eine Festung auf meinem Bett auftürmten.

Kapitel 2

»Gut, also Samira.« Ich warf ihr einen schnellen Blick zu. Ihre Aufmerksamkeit war nun wieder bei mir.

»Also, du willst ihm zeigen, was er verpasst? Aber du willst ihn nicht mehr zurück?«

Sie nickte so fest, dass ihre blonden Locken auf und ab flogen. Normalerweise würde sich keine Cheerleaderin mit mir abgeben. Ich war die Seltsame, eine, die man schwer einschätzen konnte. Cheerleader wollen immer die Kontrolle haben.

»Also Schritt eins: Verbrenne alle seine Sachen, die du noch hast! Oder steck sie in einen großen Karton und gib ihn mir. Als Nächstes löschst du all die Erinnerungen. Das heißt, alle Bilder auf deinem Handy. Danach schreibst du alles auf, was er dir angetan hat, alles, was du ihm schon lange sagen wolltest. Alles auf ein großes Blatt, und nach alldem vernichtest du dieses Blatt.«

»Wieso sollte ich etwas aufschreiben und es dann vernichten?«

»So kannst du abschließen. Du kannst es beenden. Deinen Gefühlen freien Lauf lassen. Jedoch ist das Wichtigste, dass du alle Erinnerungen löschst. Sonst wirst du jedes Mal daran erinnert.«

Sie nickte. Sam war eine einfache Kundin. Es gab auch andere, die vor Wut und Verzweiflung fast mein Zimmer kurz und klein schlugen, ganze Tempo-Packungen vollheulten oder meinem Schokoladenvorrat in der Küche beseitigten.

»Gut, damit habe ich kein Problem. Ich will einfach, dass er sieht, was er verpasst hat.«

»Das wird er, solange du ihm nicht nachläufst. Dann wird er nämlich merken, was er hatte, und es bitter bereuen.«

»Sicher?«

»Hundertprozentig! Jungs brauchen Bestätigung, sie kommen immer ein zweites Mal angekrochen.«

In Gedanken fügte ich zu dem zweiten Mal noch einige Nullen hinzu.

»Gut, was kommt nach all dem Vergessen und Abschließen?«

»Der Tritt in seinen kleinen Hintern. Jedoch folgt das erst danach. Melde dich wieder, wenn du all das getan hast!«

Ich stand auf und hoffte, Samira würde sich endlich von meinem Bett erheben.

»Warum machst du das alles eigentlich?« Fragend sah sie mich an. Ich wusste, was sie meinte. Das war eine der meistgestellten Fragen. Warum ich das alles tat? Ich wusste es selber nicht. Ich glaube, ich wollte einfach nicht, dass alle um mich herum in diesen Liebeskummerwahn verfielen. Ich hatte schon eine Mutter zu Hause, die das tat.

»Ich helfe gerne«, meinte ich nur und zuckte mit den Schultern. Dies genügte ihr anscheinend als Antwort. Mit zufriedenem Lächeln verließ Sam mein Haus.

Ein wenig müde legte ich mich ausgestreckt auf mein großes Bett. Kurz schloss ich meine Augen. Im nächsten Moment klingelte erneut mein Handy. Mühsam richtete ich mich auf und warf einen Blick auf das schwarze Ding in meinen Händen.

Zwei Nachrichten.

Eine war von Rabea, und die andere war von einer zufriedenen Kundin. Ich nannte sie alle Kunden, auch wenn ich damit kein Geld verdiente.

Die zweite Nachricht war von Ally. Einem netten Mädchen aus meiner Nähe. Sie war einige Jahre mit einem Kerl aus der oberen Klassenstufe zusammen gewesen. Dieser hatte sie dann für irgendeine Brünette sitzen lassen. Nach meinen Tipps ging es ihr nun schon um einiges besser, und sie hatte sogar nächste Woche ein Date mit einem Kerl aus ihrem Buchclub.

Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ganz vergessen hatte, Sam nach einem Namen zu fragen. Normalerweise fragte ich immer nach den Namen der Typen. So war es einfacher, herauszufinden, ob meine Kundinnen rückfällig wurden, aber manchmal gab es auch den sogenannten Siegestag. Das war der Tag, an dem meine Kundin an ihrem Ex vorbeilief und ihm die kalte Schulter zeigen konnte. Das war der Tag, an dem sich zeigte, ob alles geklappt hatte. Nur musste ich mich dafür stets zuerst informieren, wo ich den Ex der jeweiligen Kundin antreffen konnte.

Manchmal kam ich mir wie ein kranker Stalker vor.

Ich schnappte mir das Handy und tippte kurz eine SMS an Sam, um mich wegen des Namens zu erkunden. Es dauerte nicht lange, da erschien auf meinem Handy eine neue Mitteilung:

Jasper Raven.

Ich las den Namen einige Male. Ich kannte niemanden, der so hieß.

»Hm.« Ich zuckte mit den Schultern und rollte mich dann in meine weiche Decke. Zuerst einmal würde ich eine Runde schlafe und danach diesen Jasper ausfindig machen.

Als ich das kleine Café in der Stadt betrat, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte ein wenig länger geschlafen als beabsichtigt. Rabea wartete nun bereits seit zwanzig Minuten.

Sie hatte das braune Haar hochgesteckt und trug ein blaues Oberteil mit schwarzen Hosen. Sie kniff die Augen zusammen, als sie mich mit schnellen Schritten durch das Geschäft huschen sah.

»Typisch«, murmelte sie in ihre heiße Schokolade und musterte mich dann von oben bis unten.

»Tut mir leid, ich habe …«

»… geschlafen«, beendete sie meinen Satz und schüttelte dann den Kopf.

»Ich sagte ja: typisch.«

»Ich mache es wieder gut. Ich habe eine interessante neue Kundin.«

Jetzt war Rabea neugierig. Sie stellte die Tasse langsam ab und richtete ihren Blick nun voll und ganz auf mich.

»Du kennst doch diese Cheerleaderin mit den langen blonden Locken.«

»Samira Kaster?«

»Genau die.«

»Was ist mit ihr?«

»Ihr Freund hat Schluss gemacht, und sie will ihm nun zeigen, was er alles verpasst.«

»Was verpasst er? Blaue Pompons die ihm während des Liebesaktes durch das Gesicht wischen, und wöchentliche Friseurtermine?«

Ich verbarg mein Grinsen hinter meinen Händen. »Rabea!«, meinte ich nur und schüttelte den Kopf.

»Ist doch so, mittags essen solche Mädchen einen Kieselstein. Soll gut im Magen liegen, habe ich gehört.«

»Das ist ein wenig zu klischeehaft.«

»Vielleicht ein bisschen.« Sie griff wieder nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck.

»Wie heißt der Gute denn?«

»Jasper Raven, aber keine Ahnung, wer das ist.«

»Googel ihn doch mal!«

Ich nickte. »Werde ich machen, sobald ich zu Hause bin.«

Ich warf einen kurzen Blick aus dem großen Fenster gleich neben unserem Tisch. Dicke graue Wolken zogen auf, war das ein schlechtes Omen?

Kapitel 3

Auf dem Nachhauseweg überlegte ich mir fieberhaft einen Plan für Sam. Sie wollte ihrem Ex zeigen, was er verpasste. Wenigstens war diese Aufgabe relativ leicht. Es war schwerer, eine Kundin davon zu überzeugen, dass sie ihren Ex loslassen musste, als ihr klarzumachen, dass sie etwas Besseres verdient hatte.

Ich wollte gerade die Haustür öffnen, als mich ein drängendes Klingeln meines Handys daran hinderte. Ich warf einen schnellen Blick auf den Bildschirm und beeilte mich dann, in die Wohnung zu kommen. Es hatte bereits angefangen zu regnen, und da ich kein Regenschirmmensch war, klebten meine Haare inklusive meiner Kleider an mir wie ein Tintenfisch an seiner Beute.

Die Nachrichten waren von Sam. Sie schickte mir einen Daumen nach oben und etliche Bilder, wie sie ein paar wenige Dinge in einen Karton gepackt hatte.

Ich schickte ihr einen Daumen zurück.

»Lowa!«, erklang die Stimme meiner Mutter aus der Küche. Seufzend beeilte ich mich, meine Schuhe auszuziehen, und ging zu ihr.

»Liebes, bitte geh zu Frau Seidler und hol mir noch zwei Eier!«

Ich streckte den Kopf in die Küche. Meine Mutter hatte sich das lange schwarze Haar hochgebunden und trug eine rote Schürze mit der Aufschrift Ma backt am besten.

Zu gerne hätte ich diesen Schriftzug mit einigen Buchstaben erweitert wie

Sollte sie aber nicht oder … während die Küche brennt.

Das war etwas Weiteres, das typisch für meine Mutter war. Sie liebte es zu kochen. Rezepte aus aller Welt, meist passend zu der Deko. In der Zeit, als das Badezimmer noch grasgrün strahlte, gab es grüne Teigwaren und grüne Kuchen.

»Haben wir keine mehr?«, fragte ich zögerlich und öffnete den Kühlschrank. Gähnende Leere kam mir entgegen.

»Nein, sei bitte so lieb.«

Ich nickte und verließ eilig die Küche, ehe ihr noch weitere Dinge in den Sinn kamen.

Der Regen wurde immer stärker. Wenigstens war ich bereits nass. Frau Seidler wohnte direkt neben uns. Sie lebte mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in demselben Hausmodell wie wir. Jedoch hing bei ihnen niemals an Halloween ein toter Mann vor dem Fenster.

Ich erreichte das Haus, noch bevor ich endgültig als lebender Schwamm durchging. Zaghaft klopfte ich gegen die schwere Tür und wartete einen Moment.

Als nach dem fünften Klopfen immer noch niemand öffnete, gab ich es auf. Ich lief wieder zurück zur Straße und wählte dann den Weg nach rechts. Wenn ich meiner Mutter diese beiden Eier nicht bringen würde, würde sie irgendeinen Ersatz dafür finden, womöglich Bananen oder Äpfel, was ihr halt in den Sinn kam.

Ich musste ein kleines Stück die Straße entlanglaufen, ehe ein neues Haus in Sicht kam. Es war ein wenig kleiner als unseres, hatte hellgelbe Wände und einen Garten. Ein riesiger Baum stand genau in der Mitte des Anwesens und versperrte mir jegliche weitere Sicht.

Ich huschte über das schmale Tor und verschaffte mir so Zutritt zu der grünen Fläche. Ich war ein sehr neugieriger Mensch. Hinter dem Baum ging es ein wenig bergab. Dort begann wieder ein kleiner Weg, der direkt zu einer Garage führte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich auch einfach außen herum laufen hätte können. Meine Schuhe waren nun auch nass und dreckig, dank der aufgeweichten Erde und dem vom Regen nassen Gras.

Aus der Garage erklang ein ziemlicher Lärm. Neugierig lief ich näher. Der Regen war mir nun egal, genau wie die Tatsache, dass meine neuen Converse so ziemlich durchgeweicht waren.

Das Tor war geöffnet. Ganz leise schlich ich mich hinein. Die Garage entpuppte sich als ein großer Arbeitsraum. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals hoch. Es standen einige Autos in der Garage. Keines war noch ganz. Bei einem fehlten die beiden Türen, und das nächste war aufgebockt und ohne jegliche Reifen.

Abgesehen davon galt meine Aufmerksamkeit dem Typ, der sich über den Motorraum des ersten Autos beugte. Ich sah nicht viel, außer einem gut aussehenden Körper, ein paar ölverschmierten blauen Hosen und einem schwarzen Oberteil.

»Verzeihung«, sagte ich und klopfte an das Garagentor. Anscheinend hatte der Typ nicht bemerkt, dass er nicht mehr alleine war. Er zuckte erschrocken zusammen und ließ irgendetwas fallen. Fluchend tauchte sein Kopf auf. Er war etwa in meinem Alter, hatte blondes Haar, welches ein wenig länger war, und irgendwie kalte graue Augen. Er klopfte sich die Hände an den dreckigen Hosen ab und sah mich misstrauisch an.

»Was willst du?«, fragte er etwas zögerlich. Er schien nicht wirklich erfreut darüber zu sein, mich hier zu sehen.

»Ich wollte nur Hallo sagen«, behauptete ich und stellte mich direkt vor ihn hin.

»Du reparierst Autos?« Ich deutete auf die vielen Autos in der Garage. Er musterte mich von oben bis unten, ehe er sich das blonde Haar aus der Stirn strich. Er gab mir keine Antwort darauf, sondern widmete sich wieder dem Auto.

Ich kniff meine Augen zusammen und stieß ein leises Seufzen aus.

»Ich repariere auch«, sagte ich nach einer Weile.

»Ach und was?«, fragte er spöttisch und drehte sich wieder zu mir um. Seine Augen blickten mich abschätzig an. Für einen kurzen Moment hielt ich den Atem an.

»Kaputte Herzen.«

Mehr als ein spöttisches Lächeln erhielt ich dafür nicht. »Aber sicher doch«, murmelte er und wandte sich erneut von mir ab.

Wahrscheinlich dachte er, ich wäre eines dieser kleinen Mädchen, das sich schnell wieder aus dem Staub machen würde, sobald man ihm keine Aufmerksamkeit schenkte.

Er öffnete die linke Vordertür des Wagens und beugte sich hinein.

»Ich bin auf der Suche nach zwei Eiern.«

Überrascht schlug er sich den Kopf am Dach des Wagens an. »Bitte was?«, fragte er und blickte mich verwirrt an.

»Zwei Eier zum Backen. Keine Sorge, ich will dir nichts abnehmen«, sagte ich schnell und drehte mich dann zu einem der anderen Autos in der Hoffnung, mein Gesicht würde nicht allzu rot anlaufen.

»Lässt du mich dann in Ruhe?«, fragte er zögerlich. »Ich sehe keinen Grund, noch länger hierzubleiben«, gab ich zur Antwort und schenkte ihm denselben kalten Blick, welchen er mir noch vor wenigen Minuten zugeworfen hatte.

»Das ist interessant«, meinte er nur und kam einen Schritt näher. »Was?«, fragte ich und versuchte seinem Blick standzuhalten. Wir lieferten uns ein regelrechtes Blickduell. Am Ende gewann ich, und er wendete seine Augen ab.

»Vergiss es.«

Seufzend klopfte er sich erneut die Hände an den Hosen ab und drängte sich dann an mir vorbei.

»Mein Name ist übrigens Lowa«, rief ich hinterher.

»Jasper Raven«, gab er zur Antwort, ehe er im Regen verschwand.

Jasper Raven? Na toll!

Das war der Moment, in dem ich einfach wie eine Irre aus der Garage hinaus- und durch den strömenden Regen rannte.

Kapitel 4

»Und deine Mutter?«

»War sauer und ging kurzerhand Eier kaufen«, flüsterte ich. Rabea rollte mit den Augen.

»Da steht ein heißer ölverschmierter Kerl in einer Garage und will dir zwei Eier holen, und du rennst davon.«

»Blabla«, gab ich zurück und wendete mich meinem seit gestern noch leeren Blatt zu. Gestern hatte ich noch die Hoffnung gehabt, es würde sich wie von Zauberhand selbst vollschreiben. Leider war dem nicht so.

»Schreib doch über dein Leben als Burgfräulein«, raunte mir Joe zu. Wütend bastelte ich einen Papierflieger aus dem noch leeren Blatt und ließ diesen in Joes Richtung fliegen.

»Miss Tawis, Sie sind hier nicht im Kunstunterricht!«

»Wäre bestimmt auch spannender als das«, kam es von einigen Reihen hinter uns. Einige konnten sich das Lachen nicht mehr verkneifen.

»Miss Brooks, ich bin mir sicher, Ihren Noten täte ein wenig mehr Aufmerksamkeit gut.«

Unsere Lehrerin, eine ältere Frau mit schwarzen Locken, warf einen wütenden Blick zu Luise. Augenblicklich hörten alle auf zu lachen.

Am Ende der Unterrichtsstunde hatte ich eine Kurzgeschichte über Mütter mit Dekorationswahn geschrieben. Wo ich nur all diese Ideen hernahm - keiner wusste es.

Ich packte meine Sachen zusammen und begab mich mit Rabea in das nächste Klassenzimmer.

Doch leider kamen wir nicht so weit, denn die halbe Cheerleader-Clique versperrte uns den Weg. Na super! Ich sollte langsam anfangen, unterirdische Gänge zu graben und nur noch diese zu benützen.

»Samira?«, fragte ich zögerlich. Ich achtete darauf, sie nicht mit Sam anzusprechen. Meistens sprachen sich die Cheers mit dem Anfangsbuchstaben an. Doch sicher war ich mir nicht, und Ärger wollte ich keinen.

»Lowa, wie sehen die weiteren Pläne aus? Ich muss wissen, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt und ob mein Sport darunter leidet.«

Mein linkes Auge zuckte ein wenig. Eine Angewohnheit, die dadurch ausgelöst wurde, dass ich jemandem am liebsten irgendwelche Bücher an den Kopf schlagen wollte.

»Was für Pläne?«

»Der Plan, den Ex zu vergessen«, entgegnete sie genervt und rollte mit den Augen.

Ich drückte meine schwarze Umhängetasche enger an mich und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Wer wollte bitte, dass die gesamte Mannschaft bei den eigenen Anti-Liebeskummer-Plänen zuhörte?

»Die Party«, kam es von Rabea. Überrascht wendete ich meinen Kopf zu ihr und folgte ihrem Blick. An der Wand hing ein Plakat vom Endsommerball. Nächste Woche.

»Genau«, stimmte ich schnell zu.

»Du gehst zu diesem Ball mit einem tollen Date, und Jasper wird dann sehen, was er verloren hat.«

Samira klatschte vergnügt in die Hände. »Ausgezeichnet!«

Und schon waren sie und ihre ganze Truppe wieder verschwunden.

»Erschieße mich!«, murmelte ich und betrat dann das Klassenzimmer.

***

Es war Mittwochnachmittag, und ich war auf dem Heimweg. Ich hatte noch einiges zu erledigen. Später kam eine weitere Kundin zu mir, um einen Plan zu erstellen, mit dem sie ihren Freund zurückgewinnen sollte. Am Abend wollte Rabea noch vorbeischauen und mir bei dem Aufsatz helfen. Ihrer Meinung nach hatte ich ein völlig falsches Thema gewählt.

Als ich in unsere Straße einbog, brauchte ich nicht lange, um zu erkennen, dass meine Mutter wieder an einem Tief ihres Liebeskummers angelangt war. Eine riesige Sonnenblume aus Karton prangte auf dem Dach, genau vor meinem Fenster. Das Gelb war alles andere als nicht knallig, und von Weitem hielten es Fischerboote bestimmt für das Licht eines Leuchtturms. Überall hing Blumendekoration, und als ich näher kam, hörte ich, wie Musik von Tracy Chapman aus dem Haus erklang. Die Musik war so laut, dass ich sogar befürchtete, die leibhaftige Tracy stände in unserer Küche und gäbe ihre Gesangskünste zum Besten.

»Ma?«, rief ich über die Musik hinweg. Auf dem Boden stand ein Eimer mit greller gelber Farbe.

»Lowa?«, kam es von meiner Mutter. Erleichtert atmete ich auf, die Stimme war aus dem Badezimmer gekommen. Wenigstens musste diesmal nicht mein Zimmer unter ihrem Dekorationswahn leiden. Bis auf die unscheinbare gelbe Sonnenblume vor meinem Fenster.

Ich lief eilig zu meiner Mutter, die gerade dabei war, die sonst so braune Wand im Badezimmer gelb zu streichen.

»Du musst endlich damit aufhören«, sagte ich und ließ seufzend meinen Blick über die neuen Wände schweifen.

»Ich hatte da so einen Blitzgedanken. Gelb steht für Erleuchtung und Helligkeit. Ich dachte, diese Farbe bringt ein wenig mehr Leben in dieses Haus.«

Kein Wunder, dass kein Leben in diesem Haus ist, wenn sogar tote Männer an Halloween aus dem Fenster schauen.

»Wann musst du wieder arbeiten?«, fragte ich zögerlich und ignorierte so ihre lebensbejahende Aussage über die Farbe Gelb. Ich dachte erst gar nicht daran, mich damit zu beschäftigen. Meistens trug ich Schwarz, Grau oder Weiß.

»Nächste Woche.« Meine Mutter richtete sich langsam auf. Das schwarze Haar fiel wie ein Wasserfall über ihren Rücken. Sie trug ein gelbes Oberteil und ihre mit Farben bespritzte Malerjeans.

Meine Mutter besaß zusammen mit drei Freundinnen einen kleinen Kleiderladen in der Stadt. Dort konnte man sich aber auch in einem kleinen Nebenraum die Nägel machen und die Haare schneiden lassen. Es war der perfekte Laden für viele Frauen, und meine Mutter liebte es, sich mit ihren Kundinnen auszutauschen. Leider verbrachte sie nicht mehr allzu viel Zeit dort, oft machte sie frei oder meldete sich krank, nur um hier alles auf den Kopf zu stellen. Sie litt immer noch unter der Trennung von meinem Vater.

Ich hingegen befasste mich gar nicht mehr mit diesem Kerl. Ich hatte ihn nur selten zu Gesicht bekommen, weil er oft Geschäftsreisen auf der ganzen Welt unternehmen musste. Das war auch sein Trennungsgrund. Keine Zeit für Familie.

»Eine Freundin kommt später noch vorbei.«

»Wieder dieses Liebesbewältigungszeug?«, meinte meine Mutter und schenkte mir einen ihrer Meine-Tochter-rettet-die-Welt-Blicke.

»Ich helfe anderen, über besagten Liebeskummer hinwegzukommen, ja«, gab ich zur Antwort und schnappte mir eine der gelben Zahnbürsten, die gleich neben dem Spiegelschrank lagen.

»Da muss jeder mal durch«, meinte sie nur und widmete sich der nächsten Wand.

»Ja, und manche von uns stecken noch mittendrin«, murmelte ich.

Langsam verließ ich das Badezimmer und lief eilig die Stufen hoch. Ich musste diese Sonnenblume noch entfernen, ehe meine neue Kundin denken würde, wir seien die neue Anlaufstelle für Malerzubehör.

Langsam fragte ich mich wirklich, woher sie dieses Zeug immer hatte.

Ich öffnete das Fenster und lehnte mich ein wenig hinaus. Die Sonnenblume stand leider etwas weiter weg als gedacht. Ich kletterte langsam aus dem Fenster. Mit beiden Händen hielt ich mich noch am Rahmen fest. Ich hatte zum Glück keine Höhenangst, denn es ging einige Meter nach unten.

Ich lehnte mich etwas nach links und streckte den Arm aus. Die Sonnenblume war nun in meiner Reichweite. Mit einem geübten Griff beförderte ich dieses riesige, Augenkrebs verursachende Ding in mein Zimmer.

Ich wollte gerade wieder hineinhuschen, als mir die zwei Gestalten unten an der Straße auffielen.

Kapitel 5

Es war meine neue Kundin, mit der ich jetzt verabredet war, und niemand anders als der gute Jasper. Irgendwie begann ich langsam an Zufälle zu glauben.

»He!«, rief ich hinunter, doch die beiden schienen in eine Unterhaltung vertieft zu sein. Na gut, dann musste eben dieses grelle Ungetüm daran glauben. Ich lehnte mich ein wenig ins Zimmer und angelte mir die Sonnenblume.

Mit einem lauten Knall landete diese schließlich vor den Füßen der beiden.

»Oh, tut mir wahnsinnig leid!«

»Du bist Lowa, nicht?«, fragte das Mädchen.

Jaspers finstere Blicke schienen mich beinahe an das Hausdach zu nageln. »Jawohl, komm einfach rauf«, rief ich ihr zu. Bestimmt war ich morgen heiser von dem vielen Rufen.

Ich wusste nicht, wie sie hieß, aber dank ihres Profilbildes bei WhatsApp, wie sie aussah. Sie winkte Jasper kurz zu und lief dann zu unserer Haustür.

»Kann es sein, dass du gewöhnungsbedürftige Auftritte magst?«, rief nun Jasper nach oben. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, und selbst hier oben spürte ich seinen eisigen Blick.

»Kann es sein, dass du gerne mit Frauen spielst? Gestern die und heute die?«, gab ich zurück und beeilte mich, wieder in das Zimmer zu kommen.

Ich lief die Treppe hinunter. Das Mädchen hatte es in den Eingangsbereich geschafft, etwas zögerlich sah sie mich an.

»Komm hoch«, sagte ich. Zum Glück war meine Mutter noch mit dem Badezimmer beschäftigt. Ich wusste nicht, wie ich ihr erklären sollte, dass ihre neue Sonnenblume nun auf dem Asphalt klebte.

Ich führte die Neue in mein Zimmer und hockte mich dann wie immer auf den Stuhl in der Ecke.

»Also, du kannst mich auch Lo nennen«, sagte ich und lehnte mich etwas zurück.

»Ich bin Elvira«, antwortete sie und schenkte mir ein freundliches Lächeln.

»Zu deinem Problem.« Ich griff nach einem Block und einem Stift. Wie eine Journalistin bewaffnet, blickte ich neugierig zu ihr.

»Also, ich war recht lange mit diesem Jungen zusammen. Eigentlich kennen wir uns schon, seit wir klein sind. Vor einigen Wochen hat es dann angefangen. Er hat mir kaum noch geschrieben, ging ständig mit seinen Freunden raus. Irgendwann habe ich ihn darauf angesprochen, aber er meinte, ich würde mir das alles nur einbilden.« Elvira hielt kurz inne und blickte aus dem Fenster. Sie hatte rötliche Haare, welche im Sonnenlicht wie Kupfer leuchteten. Ein schwarzes Kleid schmiegte sich so eng an ihren Körper wie eine zweite Haut. Dazu trug sie eine kurze Lederjacke und einen Haarreif, der ihre Haare aus dem Gesicht hielt. Sie war ein hübsches Mädchen, ganz ohne Zweifel, welches vergeblich versuchte, gegen die ständig steigende Verzweiflung anzukämpfen.

Schweigend reichte ich ihr ein Taschentuch. Dankend nickte sie. Es dauerte nicht lange, und dann kamen auch schon die ersten Tränen. In solchen Momenten, wusste ich nicht, wo ich hinsehen sollte. Ich hätte Elvira ja in den Arm genommen, aber erst letzte Woche hatte ich einen Tritt vor mein linkes Knie bekommen, als ich jemanden in den Arm nehmen wollte. Wie zur Erinnerung zuckte ein kurzer Schmerz durch mein Knie. Das Mädchen damals war Kickboxerin, und es war wohl ein Reflex gewesen.

Elvira holte tief Luft und erzählte dann weiter: »Leo meinte, ich sei sein Ein und Alles. Gestern kam auf einmal eine SMS, in der er mir verkündete, dass er noch zu jung sei für eine feste Bindung und sich auf andere Dinge konzentrieren wollte.« Wütend ballte sie die Fäuste, und es schien mir, als ob ich das Taschentuch bereits vor Schmerzen aufschreien hörte, so fest drückte sie auf dem Stück Papier herum.

»Es würde aber nicht an mir liegen, und wir könnten natürlich noch Freunde bleiben.« Diesen Satz spuckte sie mehr aus, als dass sie ihn sprach. »Guter Lügner«, brachte sie noch hervor, bevor der nächste Schwall Tränen kam.

»Und was hast du bis jetzt getan?«, fragte ich zögernd und reichte ihr ein neues Taschentuch.

»Ich war gestern bei ihm und habe gewartet, bis dieser Höhlenmensch endlich das Haus verlassen hat. Dann bin ich in sein Zimmer gegangen und habe seine sämtlichen Computergames aus dem Fenster geworfen.«

Ich schnappte nach Luft. »Du hast was getan?«

»Er wollte mein Herz brechen, ich breche seines.« Wütend schüttelte sie den Kopf.

»Heilige Petersilie«, brachte ich hervor. Die Situation war ernster als gedacht. »Du darfst so etwas niemals machen, meine Liebe.«

»Ich weiß, aber es ging mir danach besser.«

Seufzend holte ich Luft und betrachtete die vereinzelten Regentropfen, die sich langsam an dem Fenster ansammelten. Es hatte wieder einmal angefangen zu regnen. Die Sonnenblume lag bestimmt durchgeweicht auf der Straße, wenn ich Glück hatte, würden noch ein oder zwei Autofahrer dieses grelle Ding überfahren.

»Und jetzt geht es dir immer noch besser?«

»Nein, ich bereue es. Seitdem hat er mich auf WhatsApp blockiert.«

Erneut flossen ihre Tränen, und ein weiteres Seufzen folgte von meiner Seite. »Du willst ihn zurückhaben, oder?«

»Er ist ein Teil meines Lebens«, meinte sie weinerlich und stand auf, um wie ein wilder Tiger durch mein Zimmer zu laufen. Ich musste genau darauf achten, wie ich ihr was sagte. Sie könnte es falsch auffassen.

»Okay, Elvira, wenn du ihn wiederhaben willst, musst du ihm dafür Zeit geben. Ich kann dir nicht versprechen, dass er zurückkommen wird. Jedoch musst du ihm seinen Freiraum lassen. Du kannst ihn zu nichts zwingen. Doch nach all der Zeit dürftest du ihm nicht egal sein. Das mit dem Blockieren war eine schnelle Reaktion darauf, dass du ihn auch verletzt hast, eine Art Rückzug. Ihr kennt euch schon so lange, über die Jahre ist es besonders schwierig, die Beziehung frisch zu halten. Jeder verändert sich in eine andere Richtung. Versuch dich abzulenken, geh shoppen, mach Sport und geh ins Kino mit deinen Freundinnen.«

»Aber Leo und ich waren immer zusammen im Kino«, sagte sie seufzend, und dann ging es weiter mit Runde zwei voller Tränen und zerknüllten Taschentüchern, welche achtlos auf meinem Parkettboden landeten.

»Gut, vergiss das Kino! Ich gebe dir eine gute Adresse von einem Boxstudio. Dort wirst du einige Wochen hingehen und dich auspowern. Alle Bilder von dir und Leo verschwinden schleunigst aus deinem Zimmer und auch alle seine Kleidungsstücke.«

»Ich habe alles schon weggebracht.«

Meine Augen fixierten die kleine Kette um ihren Hals. Ein Herz, welches an einer schlichten Silberkette hing. Typisches Boyfriend-Geschenk. »Die Kette?«

Schuldbewusst sah sie mich an. Ich würde sogar wetten, bei ihr zu Hause lagen noch ein oder mehrere Pullover von ihm herum. »Tu dir selber einen Gefallen und trage das vorerst nicht mehr. Du brauchst Abstand von ihm. Sobald du dich dazu bereitfühlst, werden wir uns ihm nähern, und du läufst ihm wie durch Zauberhand über den Weg. Jedoch musst du dir auch im Klaren darüber sein, dass er vielleicht wirklich keine Gefühle mehr für dich hat.«

Sie nickte und ließ sich wieder aufs Bett fallen. »Jasper meinte auch, ich solle ihm Zeit lassen.«

Dieser Jasper, immer und überall …

»Wieso, kennt er ihn?« Bestimmt wollte er nur bei ihr Süßholz raspeln, um dann mit ihr was anzufangen. Ich kannte genug Typen von dieser Sorte. »Ja, sie gehen auf dieselbe Schule, und er hat Leos Auto repariert. Das er seit fünf Tagen noch nicht abgeholt hat.«

»Das heißt, du hast dich vorhin nur wegen Leo mit Jasper unterhalten?«

»Ja, warum?«

Ups, ich sollte nächstes Mal keine voreiligen Schlüsse mehr ziehen. Sicherheitshalber tat ich so, als ob ich ihre Nachfrage nicht gehört hätte.

»Gut, also halte dich an meinen Plan, und ich werde mich in der Zeit um den Rest kümmern.«

Ich würde Leo suchen und versuchen in Erfahrung zu bringen, wie ernst es ihm mit Elvira noch war, und dann würde ich Elvira, so gut es ging, ablenken, bis der Tag gekommen war, an dem sie Leo wieder gegenübertreten konnte. Bis dahin sollte ich mich auch noch um Sam kümmern und mehr über Jasper herausfinden. Letzteres würde mir bestimmt keine Freude bereiten. Ich schüttelte den Kopf, um das Bild dieser kalten grauen Augen daraus zu verbannen.

Kapitel 6

Ich lag bereits seit einigen Stunden in meinem Bett und sah mir gerade die neueste Folge von Criminal Minds an. Draußen regnete es noch immer in Strömen, und ich war froh, dass ich hier in meinem Zimmer lag, eingewickelt in eine rote Decke und neben mir eine Tasse mit heißer Schokolade.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, heute einmal früher schlafen zu gehen. Jedoch änderte sich meine Stimmung jeden Abend gegen acht von total müde auf hellwach. Nicht einmal das beruhigende Klopfen des Regens an meinem Fenster konnte das ändern.

Ich musste mehr über Leo erfahren, darum suchte ich wie eine Irre nebenbei nach irgendwelchen Hinweisen über ihn im Internet.

Ich hatte keine Ahnung wie er aussah, darum brachte mir das Ganze nicht viel. Seufzend klappte ich den Laptop zu und nahm das Handy zur Hand. Elvira war seit einiger Zeit offline, und bestimmt schlief sie schon. Ich legte das Handy wieder auf die Seite und wickelte mich noch enger in die Decke ein.

Ich hatte nicht einmal einen Plan, wie das mit Sam am Endsommerball ablaufen sollte. Das alles war eine mehr als komplizierte Sache.

Mein Handy piepte kurz. Ein Zeichen, dass ich eine neue SMS erhalten hatte. Ich warf einen kurzen Blick darauf. Wieder eine neue Kundin. Mühsam befreite ich mich aus der Decke und schlich die Stufen hinunter. Ich brauchte jetzt einfach noch mehr Schokolade.

Es war bereits halb acht Uhr morgens, und ich hätte beinahe meinen Bus verpasst, wenn Sam nicht noch gegen sieben fünfmal bei mir angerufen hätte. Sie wollte dringend mit mir reden. Ich war gespannt darauf, was mich erwarten würde. Jedoch musste ich zuerst eine Lektion Geschichte aushalten, bevor die Pause kam. Ich war gestern einfach noch zu lange wach geblieben. Mit halb geschlossenen Augen versuchte ich vergeblich, unserer Lehrerin zuzuhören. Irgendwann nach dem Weltkrieg von 1939 bis 1945 und so weiter gab ich es auf. Meine Gedanken schweiften ab. Alles war interessanter als das. Nicht, dass mich der Zweite Weltkrieg nicht interessiert hätte, es lag mehr daran, wie es unsere Lehrerin erzählte. Oft musste sie eine Pause machen und gewisse Dinge wieder nachlesen, manchmal schweifte sie auch so sehr vom Thema ab, dass wir plötzlich im Mittelalter waren dank ihrer ausufernden Erzählungen.

Rabea machte sich Notizen dazu, doch irgendwann gab sie es auch auf und schloss das Heft. Den Kugelschreiber ließ sie achtlos auf das Pult fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

»Meine Motivation hatte gerade eine nette Begegnung mit der Null-Bock-Stimmung«, seufzte sie zwischen ein paar Haarsträhnen hervor.

»Geht mir genauso«, gab ich zurück.

»Lowa, Rabea, ich bitte um Ruhe.«

»Ihre Bitte wird erhört«, gab ich zurück und nahm mir fest vor, die nächsten Stunden ruhig zu bleiben.

Am Ende der Stunde verließen Rabea und ich das Klassenzimmer und drängten uns durch die dichten Schülermengen hindurch zum Sportunterricht.

»Ich hoffe, dieses Wochenende kann ich einmal ausschlafen«, sagte Rabea. Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre dunklen Haarsträhnen beinahe in meinem Gesicht landeten.

»Hast du wieder ausgeholfen?«, fragte ich und wich einer Horde Kinder aus, die neu hier an dieser Schule sein mussten.

Rabea arbeitete öfters am Wochenende in einem kleinen Fotoladen. Sie sparte das Geld für eine neue Kamera und die passende Ausrüstung dazu. Schon seit ich sie kannte, liebte sie es, Bilder zu machen. Sie konnte stundenlang mit ihrer Kamera unterwegs sein oder in einer Wiese hocken. Am Ende des Tages hatte sie immer wahnsinnig gute Bilder.

»Nein, ich muss erst wieder nächste Woche vorbeikommen.«

Ich nickte und drängte mich in die Umkleidekabine der Frauen. Das war einer der Orte, welchen ich am meisten verabscheute. Hier waren alle dicht aneinandergedrängt und es wurde kaum Platz geboten.

Ich wartete, bis einige so freundlich waren und ihre Taschen beiseite räumten. Sam konnte ich nirgendwo sehen. Ich ließ noch einmal meinen Blick über die Haare meiner Mitschüler wandern, aber nirgends sah ich ihre hellblonden Locken.

»Du solltest dich beeilen«, meinte Rabea bestimmt. Während sie dabei war, sich ihre Haare hochzubinden, steckte ich noch immer noch in den Alltagskleidern, die Tasche dicht an mich gepresst.

»Aye, aye, Captain«, sagte ich und zog mich dann in Rekordzeit um.

Als wir in die große Halle kamen, hatten sich bereits alle versammelt. Sam stand gleich neben den anderen und winkte mich schon herüber.

»Morgen, Lo« Sie schenkte mir eines dieser Zahnpasta-Lächeln.

»Hi!«

»Also ich muss unbedingt mit dir reden«, fuhr sie fort.

»Wir reden ja schon«, gab ich zurück und warf einen Blick nach hinten zu Rabea. Sie stand bei einer Gruppe von Schülern und unterhielt sich.

»Ja, auf alle Fälle musst du dafür sorgen, dass Jasper auf den Ball geht.«

Das war der Moment, in dem mein Mundwinkel einige Meter nach unten wanderte. »Ich muss was?«

»Jasper überreden, dass er auf den Ball geht.«

Noch immer schenkte sie mir dieses tolle Lächeln.

»Wieso ich?!«

Einige Leute drehten sich um und beobachteten uns. Zum Glück war der Lehrer noch nicht da.

»Weil ich es ja schlecht kann. Er würde niemals kommen, wenn ich ihn frage.«

Irgendwie musste ich ihr recht geben.

»Ja, aber ich kenne ihn nicht.«

»Darum fragst du ihn ja, bei dir muss ich keine Angst haben, dass er sich für dich interessiert.«

Ach, danke!