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Mitten in Deutschland befinden sich auf nur 200 Kilometern Weserlauf viele verborgene Schätze - von der Fahrt mit der Gierseilfähre nach Veckerhagen über den Skywalk bei Würgassen bis zu den Duftstelen von Holzminden. Auch das Kloster Corvey und die Oldtimerausstellung im »PS.Speicher« in Einbeck liegen auf dem Weg. Knut Diers führt Sie zielsicher durch alle Weserschleifen von Hann. Münden im Süden bis Minden im Norden zu seinen Lieblingsplätzen. Dabei bleibt auch Zeit für Orte der Stille, die Sie überraschen werden!
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Seitenzahl: 144
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Lieblingsplätze im Weserbergland
Knut Diers
Autor und Verlag haben alle Informationen geprüft. Gleichwohl ändern sich Gegebenheiten, daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Möchten Sie ein Feedback geben, freuen sich Autor und Verlag: [email protected]
Aus Gründen der Lesbarkeit und Sprachästhetik wird in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Mit der grammatischen Form sind ausdrücklich weibliche sowie alle anderen Geschlechtsidentitäten mit berücksichtigt, insofern dies durch die Aussage geboten ist.
Sofern nicht im Folgenden gelistet, stammen alle Bilder von Knut Diers:
Kulturkreis Höxter-Corvey gGmbH 60; Senfmühle Einbeck 112; Kulturstiftung Kornhaus © CHLietzmann 114; Axel Sieker/Niedersächsisches Staatsbad Pyrmont Betriebsgesellschaft mbH 122/123, Christian Wyrwa/Niedersächsisches Staatsbad Pyrmont Betriebsgesellschaft mbH 132, 134; Niels Stappenbeck 178
Alle Seitenangaben in diesem Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
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1., überarbeitete Neuausgabe 2023
© 2013 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 07575/2095-0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat/Redaktion: Anja Kästle
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Bildbearbeitung/Umschlaggestaltung: Susanne Lutz
unter Verwendung der Illustrationen von © SylwiaNowik, scusi, Fiedels,
SimpleLine – stock.adobe.com; © Susanne Lutz
ISBN 978-3-8392-7578-8
Impressum
200 Kilometer Glück und Küsse
Vorwort: Eine Einladung
Hann. Münden bis Beverungen
1 Der Kuss trägt 452 Kilometer
Hann. Münden: Weserstein
2 »kurier die Leut nach meiner Art«
Hann. Münden: Glockenspiel am Rathaus
3 Die Welt vergessen
Hann. Münden: Weserliedanlage
4 Erstes Bioenergiedorf Deutschlands
Jühnde: Spaziergang durch das Dorf
5 Morgens am »fliegenden Holländer«
Reinhardshagen: Gierseilfähre Veckerhagen
6 Ich bin das Wasser
Hann. Münden: Kloster Bursfelde
7 Aufwachen, der Prinz ist da!
Hofgeismar: Dornröschenschloss Sababurg im Reinhardswald
8 Wilde Vögel sind zum Greifen da
Hofgeismar: Tierpark Sababurg im Reinhardswald
9 Versteckt und voller Schönheit
Warburg: Spaziergang durch die Innenstadt
10 Beinwurz heilt jede Wunde
Warburg: Zionsgarten in Scherfede
11 Ausflug nach Südtirol
Wesertal: Freilichtmuseum Mühlenplatz Gieselwerder
12 Logenplatz für Waldenser
Wesertal: Gewissenruh
13 Ein Schlafplatz für Pilger
Wesertal: Klosterkirche Lippoldsberg
14 Der Grenzfall liegt im Wald versteckt
Bad Karlshafen: Dreiländereck und Hugenottenturm
15 80 Grad in der Weser
Bad Karlshafen: Saunaschiff der Weser-Therme
16 Himmel, was für ein Ausblick!
Bad Karlshafen: Skywalk bei Würgassen
17 Die Schwestern im Paradies
Beverungen: Klostergarten der Benediktinerinnen-Abtei vom Heiligen Kreuz Herstelle
Wanderfreude und Naturschutz –Hand in Hand
Artenschutz: Erlebnisgebiete Erlesene Natur
18 Von Füchsen und tanzenden Noten
Brakel: Portal der Klosterkirche St. Peter und Paul Gehrden
19 Dies ist der Übergang
Beverungen: Weserbrücke Lauenförde-Beverungen
Fürstenberg bis Bodenwerder
20 Traumhafte Lage am Fluss
Fürstenberg: Porzellanmanufaktur
21 Hoffmann von Fallersleben räumt auf
Höxter: Bibliothek im Schloss Corvey
22 Was da alles drinsteckt, ist enorm
Höxter: Welterbe Westwerk Corvey
23 Kopf hoch in den Gassen!
Höxter: Adam-Eva-Haus
24 Von den Müh(l)en der Handarbeit
Höxter: Café Pammel
25 Von optischen Genüssen
Marienmünster: Dorfbrunnen in Vörden
26 An der Nase herumgeführt
Holzminden: Duftender Stadtrundgang
27 Das pulsierende Herz fasziniert
Holzminden: Marktplatz
28 Leckerbissen am Ufer
Holzminden: Weserkai und Lutherkirche
Sagenhaft und falsch verstanden
Märchen: Von Münchhausen bis Doktor Eisenbart
29 Sieht das wie eine Knopffabrik aus?
Bevern: Schloss
30 Durch dick und dünn
Stadtoldendorf: Freizeitpark Mammut
31 Kloster auf Zeit
Amelungsborn: Kloster
32 Hol über!
Polle: Gierseilfähre unterhalb der Burgruine Everstein
33 Der afrikanische Tischler
Ottenstein: Grabstätte von Antonio Congo auf dem Friedhof Hattensen
34 Hilfe zur Selbsthilfe
Bodenwerder: Münchhausendenkmal
35 Fabelhaftes auf dem Wasser
Bodenwerder: Weserufer
Rund um den Solling
36 Beetpaten beackern das Grün
Uslar: Bauerngarten
37 Die verschwundene Stadt lebt
Bodenfelde: Stadtwüstung bei Nienover
38 Zwischen Blättern und Sternen
Uslar: Baumhaushotel Solling bei Schönhagen
39 »Nur kaane Aale«
Uslar: Klimaturm im Erlebniswald bei Schönhagen
40 Alles eine Frage der Balance
Holzminden: TreeRock Abenteuerpark Hochsolling bei Silberborn
41 Single-Trails sind am besten
Holzminden: Mountainbike-Parcours bei Neuhaus
42 Ton, Steine, Scherben
Fredelsloh: Keramikum
43 Aus dem Reich der Träume
Einbeck: Sertürner-Haus
44 Das Schärfste überhaupt
Einbeck: Einbecker Senfmühle
45 Auf zu den Chromjuwelen!
Einbeck: Erlebnisausstellung im PS.SPEICHER
46 Sie schmelzen dahin
Grünenplan: Glasmacher-Sippenbaum
47 Weltkultur erweckt die Provinz
Alfeld: UNESCO-Welterbe Fagus-Werk
48 Drüber und drumherum
Coppenbrügge: Wandern und Radeln rund um den Höhenzug Ith
Hameln und Umgebung
49 Emmer heiter
Lügde: Emmerauenpark
50 Adebars Nest
Lügde: Storchenstation in Elbrinxen
51 Eine Quelle für Kultur
Bad Pyrmont: Hyllige Born
52 Japan an der Graft
Bad Pyrmont: Kurpark
53 Politik in der Sauna
Bad Pyrmont: Hufeland Therme
54 Zum Gesundatmen
Bad Pyrmont: Meersalzgrotte in der Hufeland Therme
55 Entschlossen verteidigt
Emmerthal: Hämelschenburg
Verspielte Fassaden
Architektur: Weserrenaissance
56 Ein Image-Wandel
Hameln: Rattenstatue
57 Blindes Verstehen
Hameln: Stadtrelief zum Tasten
58 Von Wollnashörnern und Tanzmusik
Hameln: Museumscafé und Museum
59 Oben im grünen Spitzturm
Hameln: Marktkirche St. Nicolai
60 Suche: jung, ledig, wohlhabend
Hessisch Oldendorf: Stift Fischbeck
61 Frisch wie an der Nordsee
Bad Münder: Gradierwerk
62 Mann ohne Meer
Hessisch Oldendorf: Hohenstein
63 Eine unmögliche Aufgabe
Hessisch Oldendorf: Baxmann-Brunnen
64 Alles ist Schreddern und Fördern
Hessisch Oldendorf: Schillat-Höhle
Rinteln bis Minden
65 Die Himmelspforte als Ausguck
Rinteln: Burg Schaumburg
66 Wo die Kinder lachen
Rinteln: Marktplatz mit Brunnen
67 Im Fluss liegen und träumen
Rinteln: Kanufahrt auf der Weser
68 Die Rundtürme ziehen alle Blicke an
Rinteln: Domäne Möllenbeck
Lebensader Fluss
Weser: Ein Strom bestimmt die ganze Region
69 Lebenslust im Sprühgarten
Bad Oeynhausen/Löhne: Landschafts- und Kulturpark Aqua Magica
70 Kurzurlaub für die Sinne
Bad Oeynhausen/Löhne: GOP Varieté-Theater im Kaiserpalais
71 Grandios, grandios!
Porta Westfalica: Kaiser-Wilhelm-Denkmal
72 Auf zum Pferdeballett!
Bückeburg: Hofreitschule
73 Millionen Steinchen strahlen
Bückeburg: Mausoleum im Schlosspark
74 Freischießen des Bürgerbataillons
Minden: Marktplatz
75 Gut beschirmt an »Kanzlers Weide«
Minden: Weserstrand
76 Wo sich die langen Schiffe kreuzen
Minden: Wasserstraßenkreuz
77 Wilhelm Busch – ein Dorf als Atelier
Wiedensahl: Museum im Alten Pfarrhaus
Karte
Wo sonst mitten in Deutschland liegen auf 200 Kilometern so viel Kultur und Natur wie Perlen dicht gedrängt an einer Schnur? Nirgends! Das Weserbergland von Münden bis Minden ist eine der lieblichsten Flusslandschaften Deutschlands. Aber was heißt hier Münden? Der Ort, in dem sich Werra und Fulda zur Weser zusammenküssen, ist doch Hannoversch Münden. Jedenfalls sagten das früher viele, bis 1991 der Rat der Stadt die Abkürzung Hann. Münden als amtlich auswies. Bis dahin gab es nur Ärger: Für die kleinen Bahnfahrkarten war der volle Titel zu lang. Für Ungeübte hörte sich der Name wie »Hannover-Schmünden« an, sodass sie einen Stadtteil der niedersächsischen Hauptstadt vermuteten. Dabei erhielt der Ort den Zusatz, als er zum Königreich Hannover kam und man ihn sonst verwechseln konnte. Schon Goethe und die Brüder Grimm, allesamt eifrige Briefschreiber, nannten die Stadt jedoch Minden und setzten auf dem Briefumschlag ein ungelenkes Hannöverisch davor. Das wirkliche Minden schließlich liegt am nördlichen Ende der Oberweser, und zwischen diesen beiden Städten breitet das Weserbergland seine Schönheit aus. Genau die lege ich Ihnen auf den folgenden Seiten ans Herz.
Dazu gehören die Naturparks rechts und links des Flusses mit ihren glucksenden Bächen und schattigen Buchen. Es ist eine Lust, hier zu wandern. Manche nennen es auch pilgern und tragen außer ihrer schweren Gedankenlast nur einen kleinen Rucksack auf dem Weg von Kloster zu Kloster. Die »Ich bin dann mal weg«-Bewegung hat den Weserraum voll erfasst. Das liegt deshalb nahe, weil die Dichte dieser geistlichen Zentren hier so hoch ist. Schon das 822 gegründete Kloster Corvey wurde rasch zur geistlichen und geistigen Drehscheibe Nordwesteuropas. Hier trafen die Wanderkaiser ihre Fürsten, hier füllten bald Tausende von Schriftstücken und Büchern die Regale, und hier florierte der Handel auf dem Fluss sowie über den Westfälischen Hellweg. Heute gehört das Kloster zum UNESCO-Weltkulturerbe. Vom Mindener Dom zieht sich ein breites Band aus christlichen Bauwerken an der Weser entlang von Norden bis Bursfelde im Süden.
Später, als der Reichtum den Adel und die Bürger erfasste, kamen die prunkvoll verzierten Giebel der Weserrenaissance hinzu. Diese Gebäude, diese Fachwerkensemble und diese Marktplätze müssen Sie gesehen haben. Sie strahlen selbstbewusst und farbenfroh.
So zeigt sich auch die Weser selbst. Der blaue Fluss legt seine Schleifen gefühlvoll in die Palette an Grüntönen rechts und links. Das Flusswasser an sich – es zieht mit etwa einem Meter pro Sekunde vorbei – ist von gelben, roten und weißen Farbtupfern der Kanus und Schiffe verziert. Angler sitzen stumm im Ufersaum, Fähren pendeln fast geräuschlos am Drahtseil. Die Weser ist eine Lebensader, die noch als solche zu erkennen ist. Auch die vielen Hundert Pedalfreunde, die fast täglich auf dem Weser-Radweg die Landschaft erfahren, legen ein fröhliches Zeugnis davon ab. Sie atmen ruhig und haben genug Luft für Scherze, denn der Weg verläuft flach. Gut, immer mehr gönnen sich beim Treten einen künstlichen Rückenwind aus dem Akku. Das Weserbergland ist mit einem engen Netz an E-Bike-Stationen überzogen. So kommt man bei einem Abstecher ins Bergland links und rechts besser die Steigungen hinauf. Gerade da liegen die versteckten Reize, denen ich erlegen bin – vom PS.Speicher in Einbeck über Kirschblütenfeste mit Japanern bis zur einzigen Hofreitschule Deutschlands. Ach, und dann wartete Dornröschen in der Sababurg, wachgeküsst von einem Prinzen. Diese Szene hat mich beeindruckt, denn schon die Weser entsteht durch einen Kuss. Märchenorte gibt es noch mehr, Wellnessoasen auch. Die Kurbäder haben sich nicht in ihrer Tradition gesonnt, sondern ihre Zukunft durch duftende, klingende Entspannungsbecken und frische Angebote zum gesunden Leben gesichert.
Wer dann zum Sonnenaufgang vom Ballonkorb aus sieht, wie sich die Dunstschleier über der Weser auflösen, Graureiher und Eisvogel abheben, Fachwerk und Sandstein leuchten, den erfasst das Glück. Die Facetten aus Kultur- und Naturschönheiten blättern sich ihm auf und liegen ihm zu Füßen. Der Weserreisende ist wachgeküsst!
Der Fährmann holt über – in Herstelle bei Würgassen geschieht das noch mit Handarbeit. So schön und langsam kann das Übersetzen mit einer Gierseilfähre sein.
Nehmen Sie erst einmal Platz unter der Kastanie an der Nordspitze der kleinen Insel Unterer Tanzwerder in Hann. Münden. Von rechts rauscht die Werra heran, von links die Fulda. Hier am Weserstein schließen sie ihren Bund für ihr weiteres Flussleben. Am Ende verlieren sich die Wasser schließlich nach der Mündung in Bremerhaven in der Nordsee, aber immerhin 452 Kilometer trägt die Gemeinsamkeit. 51 Kubikmeter pro Sekunde liefert die Werra, etwa 67 Kubikmeter die Fulda. Ach, Statistik, wer hier sitzt, dem kann es nur um Gefühle gehen!
Romantiker hatten schon immer leichtes Spiel an dieser Stelle. Sie küssen sich, sie vereinen sich zur Weser, diese beiden ausgewachsenen Flüsse. Das ist wirklich nicht alltäglich, denn oft mündet der eine in den anderen und verliert seinen Namen. Hier aber beginnt ein ganz neuer Fluss als Weser. Trotzdem: Um dieses neue Fluss-Glück zu feiern, hat der Mündener Industrielle Natermann am 31. Juli 1899 den Weserstein aufstellen lassen. Damals ging es mit Zeilen wie »Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss« eher um patriotische Gefühle. Symbolträchtig wurde der Stein am 2. September, dem Sedanstag, eingeweiht. 1870 hatte die französische Armee nach der Schlacht von Sedan kapituliert. Rund 100 Jahre später kam der neue Weserstein ein paar Meter links dazu. Der Zeitgeist, der sich darauf widerspiegelt, ist ein ganz anderer. Der bulgarische Künstler Nedko Solakov fabuliert über den »enttäuschten Fluss«. Damit meint er die Fulda. Sie muss von ihren innig geliebten Buchstaben F, U, L, D und A alle abgeben. Solakov zeigt ebenfalls Mitleid mit dem ersten Buchstaben im Alphabet, der auf »brutale Art und Weise übergangen« werde. Schließlich büßten ihn beide Flüsse ein. Als Entschädigung erschienen sie jedoch am Anfang einer schönen deutschen Stadt, irgendwo im Westen …
Kanu, Kajak oder Floß – alles bietet die Verleihstelle auf dem Campingplatz Busch Freizeit auf der Insel Tanzwerder. www.camping-und-kanu.de
1
Weserstein
Nordspitze Untere Tanzwerder
34346 Hann. Münden
Tourist-Information im Rathaus
Lotzestraße 2
34346 Hann. Münden
05541 75313 und 75343
www.hann.muenden-erlebnisregion.de
Sie streifen durch die Gassen von Hann. Münden. Sie blicken sowieso fast immer nach oben, denn die Giebel der rund 700 Fachwerkhäuser sind so etwas wie eine Einladung zu einer optischen Entdeckungsreise. Sie reicht von krummen Balken, die Armut verraten, über Hölzer, die verdrehte Schiffstaue symbolisieren, bis zu einer Fassade mit 164 Schiffskehlen. Das sind Verzierungen, die an Schiffskiele erinnern. Dann wehen plötzlich ein paar Glockenklänge herüber vom Marktplatz. Es muss 12, 15 oder 17 Uhr sein. Schauen Sie zu, wie sich oben im Giebel des Rathauses Klappen öffnen. Ja, da ist er schon: der Doktor Eisenbart. Wie damals kamen erst die Gaukler, machten Musik und hielten lustige Reden, dann erschien der wandernde Chirurg. Der Arzt war zwischen Aurich und Innsbruck an 83 Orten Ende des 17. Jahrhunderts aktiv und ganz anders als sein Ruf, der sich hauptsächlich durch die Liedzeilen »kurier die Leut nach meiner Art« nährt. Johann Andreas Eisenbart starb 1727 in Hann. Münden und ist in der St. Ägidienkirche beigesetzt. Außen steht sein Grabstein, allerdings mit falschem Geburtsjahr. Eisenbart war ein vielbeachteter Arzt. Er habe nie den Holzhammer zum Betäuben genommen, versichern Historiker heute, sondern loben ihn, wie er künstliche Zähne anfertigte, Polypen operierte oder den Grauen Star beseitigen konnte.
Dann fällt der Blick an der Fassade des zwischen 1603 und 1618 im Weserrenaissancestil umgebauten Rathauses auf das Stadtwappen. Das farbenfrohe Portal mit den ionischen Doppelsäulen bietet so viele Details, dass Sie sich etwas Zeit nehmen sollten. Wie geschäftstüchtig die Wirte hier sind, konnte ich anhand einer Tafelaufschrift nachempfinden. Dort stand in Kreide geschrieben: »Dr. Eisenbart Bräu, seine schwarze Medizin, krank 0,3 l 2,30 Euro, schwer krank 0,5 l 3,10 Euro.«
Ob Kuchen, Flammkuchen oder Suppen, alles wird selbst hergestellt im Zimt & Zucker an der Werrabrücke.
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Glockenspiel am Rathaus
Markt
34346 Hann. Münden
Zimt & Zucker an der Werrabrücke
Lange Straße 1
34346 Hann. Münden
05541 3476688
www.zimt-zucker-werrabruecke.de
Kinder spielen hier verstecken. Sie lachen und lachen wieder. Was für ein fröhlicher Ort! Dazu kommt die Aussicht auf den erst kurzen, ruhigen Fluss und die Enden seiner Ursprungsflüsse. Die Weserliedanlage auf einem Hang des Questenbergs ist in etwa 20 Minuten vom Nordrand der Innenstadt Hann. Mündens zu Fuß zu erreichen – es geht bergan. Hier oben ist das 1835 gedichtete Weserlied auf eine Relieftafel gedruckt. Franz von Dingelstedt, der zuletzt Direktor des Wiener Burgtheaters war, hat es verfasst. Er war an der Weser aufgewachsen – in Rinteln. Somit lag ihm der Fluss am Herzen.
Wenn Sie die Zeilen von Dingelstedt gelesen haben, schauen Sie hinab von diesem Ort der Stille auf die Weser, die zweiteilige Insel Tanzwerder, die Kulisse des Fachwerkidylls von Hann. Münden, das umrahmt wird von Wäldern. Dahinter erheben sich sanft die Hügel des Umlandes. »Hier hab’ ich so manches liebe Mal | mit meiner Laute gesessen, hinunterblickend ins weite Tal | mein selbst und der Welt vergessen«, teilt uns von Dingelstedt mit. Dann bitte in den Wald horchen, denn: »Wie liebender Sang aus geliebtem Mund, | so flüstert es rings durch die Bäume | und aus des Tales off’nem Grund | begrüßten mich nickende Träume.«
Dieses Denkmal wurde 1931 aufgeschichtet. Neben einer Bronzetafel für Franz von Dingelstedt erinnert eine weitere an Gustav Pressel. Der Komponist war zu Besuch bei Franz Liszt in Weimar, als er den Liedtext sah und gleich vertonte.
Der Blick sucht sich durch die Blätter hindurch ein Ziel in der Tiefe. Kanufahrer treiben vorbei. Dort hinten, da ist die Weser schon ein paar Hundert Meter alt und hat sich in ihrem weiteren Verlauf ein beachtlich tiefes Tal geschält. Links von ihr erhebt sich der Reinhardswald bis auf 472 Meter, rechts der Bramwald bis auf 408 Meter – und mittendurch kerbt sich die Weser.
In einem Schlafwürfel mit Aussicht über die Dächer der Stadt auf der Tillyschanze übernachten – im Sleeperoo. Zu buchen über Hann. Münden Marketing.
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Weserliedanlage
Verlängerung des Eichenwegs parallel zur B 80
34346 Hann. Münden
Sleeperoo
(Mai–Oktober)
05541 75313 (Hann. Münden Marketing)
www.hann.muenden-erlebnisregion.de
www.sleeperoo.de
Die zerbeulten Milchkannen auf einer Holzbank vor der Dorfeiche stehen ständig dort. Sie werden nicht wie früher morgens mit Kuhmilch gefüllt und dann von der Molkerei abgeholt. Sie sind ein Denkmal und fest an den Holzbohlen verankert. Gute alte Zeit – in Jühnde hat das eine besondere Bedeutung. Die rund 720 Einwohner erzeugen seit 2005 Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien.
Jühnde war Deutschlands erstes Bioenergiedorf. Die Anlage zum Erzeugen von Bioenergie mit einem Anteil von 81 Prozent aus Biogas sowie 14 Prozent aus Holzpellets wurde weltweit beachtet und lockte Interessierte von weit her, um mehr über diese Art der Nahversorgung zu erfahren. Das Nahwärmenetz erschließt seit fast 20 Jahren viele der Häuser im Dorf, mittlerweile sind mehr als 70 Prozent aller Jühnder angeschlossen. Das war ein früher und großer Erfolg.
Um das ganze System jedoch professionell weiterzuentwickeln, entschlossen sich die Genossenschaftler dafür, alles der EAM EnergiePlus GmbH zu verkaufen. Der regionale Energiepartner versorgt rund 1,4 Millionen Menschen mitten in Deutschland. Mit der Vernetzung von Windkraft und Elektromobilität gehen EAM und Jühnde neue Wege. Jühnde kann glänzen, denn schon heute stammen 97 Prozent von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien.
Wer durch den Ort spaziert, findet eine alte Kirche und nebenan Tafeln, auf denen viel über Jühnde erzählt wird. Die Wasserscheide von Leine und Weser verläuft hier. Das heißt: Ein Teil der Bäche fließt nach Osten zum Leinetal, ein anderer Teil entwässert nach Westen zur Weser. Auf drei Rundwanderwegen lässt sich das Dorf aus allen Perspektiven erkunden. Es ist ein Idyll zwischen Gestern und Morgen, das auf Nachahmer setzt und sie gern berät.
Wer auf dem Pilgerweg Loccum-Volkenroda unterwegs ist und sein Pilgerbuch stempeln möchte, findet den Stempel in der St.-Martini-Kirche. Sie bietet auch eine Herberge.
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Milchkannen symbolisieren die gute alte Zeit im Dorfleben, das hier noch intakt ist
Spaziergang
Startpunkt und Informationen: Gemeinde Jühnde
Dorfstraße 26
37127 Jühnde
05502 9988195
www.gemeinde-juehnde.de
www.loccum-volkenroda.de
Bevor die Sonne es schafft, den Morgennebel über dem Fluss aufzulösen, liefert die Landschaft mystische Bilder. Schleier verwischen die Uferkonturen. Ein Schwan gleitet lautlos vorbei. Noch ist es nicht möglich, von Veckerhagen nach Hemeln zu gelangen, denn die Fähre liegt verzurrt am Westufer der Weser. Die rot-weiße Schranke signalisiert: Fußgänger, Auto- oder Radfahrer, ihr müsst warten!