Life Balance - Work Excellence - Paul Thomas - E-Book

Life Balance - Work Excellence E-Book

Paul Thomas

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Beschreibung

Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass der Weg zur eigenen Lebensmitte ein ganz persönlicher ist. Selbst wenn alle Rahmenbedingungen richtiggestellt sind, heißt das noch lange nicht, dass sich das Lebensglück automatisch einstellt. Dieses Buch richtet sich vornehmlich an Leistungsträger. Nutzen Sie daher dieses Buch für sich persönlich und im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern. Gerade die viele Tabellen & Analysetools sollen helfen sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Lernen Sie die Erfolgsfaktoren kennen und setzen Sie diese gezielt ein. Schaffen Sie sich ein inneres und äußeres Umfeld, dass Sie zur Life Balance und Work Excellence führt. Stichwörter: Absicherungsinstrumente, betriebliches Gesundheitsmanagment, Burnout, Familienplanung, Flexibilisierung, Lebensplanung, Krisenbewältigung, (Work) Life Balance, Mentales Training, Mitarbeiterförderung, Mitarbeiterzufriedenheit, Stressfallen, Stressmanagement, Stressvermeidung, Mobbing, Work Excellence, u.v.m.

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meiner Mutter

„So arbeiten, als könnte man ewig leben.

So leben, als müsste man täglich sterben.“

– Don Bosco -

Life Balance

ist kein allgemeingütiger Zustand,

den man mit Hilfe eines Rezeptes in der Apotheke erhält oder

per Geburt in die Wiege gelegt bekommt.

Die Lebensmitte zu leben ist eine tägliche Übung,

die mal gelingt und auch mal daneben geht.

Es ist der persönliche Balanceakt auf einem Drahtseil.

Dabei muss man sich jede Lebenserfahrung wie eine Schwingung vorstellen.

Mal gerät die persönliche Balance nach rechts, mal nach links,

mal hängen wir über oder kommen ins Hohlkreuz.

Bei all den Schwingungen gilt es darauf zu achten,

dass diese in ihrer Stärke nicht zunehmen und

man einseitig in die eine oder andere Richtung abdriftet oder

schlimmstenfalls von Seil fällt.

Darum müssen wir vorausschauend und selbstkritisch vorgehen.

Den letzten Schritt noch einmal im Blick behalten:

Was habe ich gut gemacht? Was hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht?

Den nächsten Lebensschritt vorausschauend hinterfragen:

Wie muss ich vorgehen? Sind Hindernisse zu beachten?

Welche Erfahrungen habe ich dazu schon gemacht?

Erfolgsmenschen wenden sich an dieser Stelle gerne ab.

Werten dieses einfache Bild schnell als „Kinderkram“ und haken für sich ab.

Doch gerade der Erfolgsmensch sei gewarnt:

Es sind gerade diese, die besonders anfällig sind von ihrem Seil zu fallen. Denn Selbstgefälligkeit

macht sie unaufmerksam und unsensibel gegenüber einer selbstkritischen Lebenseinschätzung!

Das Leben stellt uns täglich neu auf die Probe.

Nur wer seine Fehlbarkeit im Auge behält,

wird nicht nur in seiner Life Balance bleiben,

sondern auch Work Excellence erfahren.

Vorwort zur 2. Auflage

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

aufgrund der Rückfragen & Anregungen, die ich auf meine Erstveröffentlichung erhalten habe, traten Fragen zu wesentlichen Problemfeldern auf:

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Thema Stress und Stressvermeidung

Thema Burnout, als Folge von Dauerstress und

Mobbing, als besonders perfide Form der Konfliktbewältigung.

In der Literatur wurde zu jedem Bereich schon viel veröffentlicht. Doch was meiner Meinung noch fehlt, ist die Möglichkeit sich in kurzer Zeit in den jeweiligen Fragenkomplex einzuarbeiten und sich einen Überblick zu verschaffen.

So finden sich viele Tabellen zum Selbsttest, mit denen Sie schnell feststellen können, ob Sie bereits selbst oder Personen im beruflichen oder privaten Umfeld unter Krankheitssymptomen leiden.

Ziel dieses Buches aber bleibt, erst gar nicht in den Teufelskreislauf negativer Lebensphasen zu gelangen. Dazu ist eine aufrichtige Selbstreflektion unerlässlich, um über die Selbsterkenntnis jederzeit zu wissen, welche Fehlentwicklungen sich im täglichen Leben einschleichen.

Sich dies immer wieder bewusst zu machen, schützt davor, aus der persönlichen Life Balance zu geraten.

Ich wünsche Ihnen viel Erkenntnis und verlieren Sie niemals ihren Humor!

Ihr

Thomas Paul

Vorwort zur ersten Auflage

Liebe Leserin, lieber Leser;

Aufgrund des demografischen Wandels innerhalb der meisten Industrieländer und einer immer differenzierteren globalen Arbeitsteilung richtet sich das „Life-Balance – Work-Excellence“-Prinzip an diejenigen, die einen wesentlichen Leistungsbeitrag in Unternehmen erbringen. Deshalb werden Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten nicht zum bevorzugten Personenkreis für deren Umsetzung zählen. Wen das stört, muss sich darüber im Klaren sein, dass er nur mit einer entsprechend qualifizierten Ausbildung dem Schicksal einer gänzlich abhängigen Beschäftigung entfliehen kann. Schon jetzt spaltet sich die arbeitende Bevölkerung in die umsorgte Gruppe der Fachkräfte und derjenigen, die zunehmend nur noch Zeitarbeitsverträge mit niedrigen Löhnen erhalten.

Dieses Buch richtet sich primär an Leistungsträger. Ihnen soll dieses Buch viele Anregungen zur Erreichung ihrer eigenen Life-Balance geben, aber auch Wege aufzeigen, wie man Beschäftigte zur „Life Balance“ führt. Dabei stellt die Life Balance eine wichtige Grundlage zur Erreichung der „Work-Excellence“ dar.

Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass der Weg zur eigenen Lebensmitte ein ganz persönlicher ist. Selbst wenn alle Rahmenbedingungen richtig gesetzt sind, folgt das Lebensglück nicht automatisch. Nutzen Sie daher dieses Buch für sich persönlich und im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern. Schaffen Sie sich ein inneres und äußeres Umfeld, dass Sie zu Ihrer „Life Balance – Work Excellence“ führt und entdecken Sie den Faktor „Human Ressource“ als strategisch wichtige Vermögensklasse in Unternehmen.

Ihr

Thomas Paul

Inhaltsangabe

Vorwort zur zweiten Ausgabe

Vorwort zur ersten Ausgabe

Begriff der „Life Balance“

Life Balance im Laufe des Lebens

Life Balance auf privater Ebene

3.1. Life Balance in Abhängigkeit individueller Lebensplanung und unterschiedlicher Lebensbereiche

3.2. Life Balance im persönlichen Bereich

3.2.1. Individuelles Gleichgewicht

3.2.2. Die Gleichstellung, Chancengleichheit unter den Geschlechtern

3.2.3. Die Bedeutung von geschlechterkulturellen Familienmodellen

3.2.4. Wechselwirkungen zwischen Lebensbereichen auf die Life Balance

3.2.5. Life Balance im Kontext eines gut gestalteten öffentlichen Raumes

3.2.6. Life Balance durch eine aktive Freizeitgestaltung

Life Balance am Arbeitsplatz

4.1. Historische Entwicklung der Arbeits- und Lebensorganisation

4.2. Die Gesetzgebung als flankierenden Pfeiler auf dem Weg zur Life Balance

4.3. Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt

4.4. Flexibilisierung der Arbeitszeit

4.5. Life Balance durch die Bereitstellung von betrieblichen Hilfsmitteln

4.6. Life Balance durch die Inanspruchnahme von Work-Life-Dienstleistungsangebot

4.7. Life-Balance über betriebliches Gesundheitsmanagement

4.8. Life Balance und die Rolle des Managements

4.9. (Work)-Life Balance und demographischer Wandel

4.10. Klassische Absicherungsinstrumente auf dem Weg zur betrieblich orientierten Life Balance

4.10.1. Todesfallrisiko

4.10.2. Berufsunfähigkeitsrisiko

4.10.3. Pflegerisiko

4.11. Life Balance durch innovative finanzielle Absicherung in der aktiven Arbeitsphase

4.11.1.

Arbeitgeberorientiertes

Arbeitszeitkonto/Life Balance Depot

4.11.2.

Arbeitnehmerorientiertes

Arbeitszeitkonto/ Life Balance Depot für Einkommensbezieher

unterhalb

der Beitragsbemessungsgrenze

4.11.2.1. Ausgangsituation

4.11.2.2. Ausgestaltung

4.11.2.3. Mögliche Verwendung von Guthaben

4.11.2.4. Zusätzliche Ausnahmen

4.11.2.5. Ausnahmen für Führungskräfte

4.11.2.6. Mögliche Verwendung von Guthaben in der Ansparphase

4.11.2.7. Gegenüberstellung von betrieblicher Altersversorgung und Arbeitszeitkonten

4.11.3. Life Balance Depot für Einkommensbezieher

oberhalb

der Beitragsbemessungsgrenze

Stress-Burnout-Mobbing: Zeichen einer arbeitsfeindlichen und unzeitgemäßen Unternehmenskultur

5.1. Von Stress bis Burnout: Entstehung und Vermeidung

5.1.1. Der große Stress-Selbsttest

5.1.2. Wie vermeide ich „Stressfallen“?

5.1.3. Zeitfresser: moderne Killer effizienter Arbeitsprozesse

5.1.4. Burnout contra Depression

5.2. Mobbing

5.2.1. Mobbing und Gruppenzugehörigkeit

5.2.2. Das Erkennen eines Mobbingprozesses

5.2.3. Mobbing im ökonomischen Kontext

Work Excellence

6.1. Begriff der Work Excellence

6.2. Work Excellence in der Praxis

6.3. Die Bedeutung von Stärken-Schwächen-Analysen

6.4. Die Bedeutung des Einstellungsprozesses

6.5. Management of Diversity

6.6. Mitarbeiterförderung in Abhängigkeit seiner Leistung

6.7. Das falsche Bild von der Karriereleiter

6.8. Von der klassischen Karriereleiter zum Karrierebaum mit Leistungsstufen

6.9. Erstklassige Manager sind Personal Trainer ihrer Mitarbeiter

6.10. Mitarbeiterzufriedenheit: Stellen Sie die entscheidenden Fragen!

Life Balance über mentales Training

Literaturverzeichnis

Danksagung

Zum Autor

1. Begriff der „Life Balance“

Unter dem Begriff Life Balance versteht man den Zustand des inneren und äußeren Gleichgewichtes. Vielfach wird der Terminus der „Lebensbalance“ noch durch die besondere Bedeutung des Arbeitslebens zur Work-Life-Balance geändert. Der Begriff setzt sich aus den drei englischen Worten „work“, was sich auf den Bereich der Arbeitswelt bezieht, „life“, was die sonstigen Lebensbereiche charakterisieren soll und dem Wort „Balance“, das für das allumfassende Lebensgleichgewicht steht. Diese Aufspaltung ist kritisch zu sehen, da sie das Selbstverständnis des natürlichen Zusammenspiels von Arbeit und aller anderen Lebensbereiche künstlich herbeiführt. Ein Mensch, der in seiner täglichen Arbeit keine Selbsterfüllung erlebt, wird ebenso wenig seine Lebensbalance finden, wie derjenige, der sich nur auf den „Feierabend“ konzentriert. Gerade das harmonische Miteinander aller Lebensbereiche führt zur allumfassenden „Life Balance“.

Dabei untergliedert man die Lebensbereiche auch in sogenannte „life-domains“. Diese können z.B. soziale Aktivitäten und Kontakte, familiäre Bindungen, Hobbies, Ausbildung und berufliche Tätigkeiten beinhalten, wobei sie sich im Idealfall nicht gegenseitig blockieren ("life-domains conflict"), sondern fördern ("life-domains facilitation").1

Wodurch und wie sich ein Gleichgewicht einstellt, ist ein sehr persönlicher Prozess und damit für jeden ein individuell zu erreichender Aggregatzustand, ein Lebensziel. Er kann interpretiert werden als eine sinnvolle Verteilung der zur Verfügung stehenden Zeit, um eine subjektiv ausgewogene Erfüllung innerhalb der Lebensbereiche zu erreichen. Oft definiert man die Life Balance auch mit dem Ausbleiben von negative Beeinflussungen (life-domains conflicts) zwischen oder innerhalb der Lebensbereiche. Inwieweit life-domains facilitation das life balancing beeinflusst, wurde bisher nur wenig beachtet.2

Der Ausdruck Work-Life-Balance kann mit dem deutschen Begriff „Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf“ gleichgesetzt werden. Dabei unterscheidet sich der englischsprachige Ausdruck der Work-Life-Balance meist in einer Betonung auf der individuellen Entscheidung, der Selbstorganisation einerseits und dem Abgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen andererseits. Gesellschaftliche Bedingungen, die das Erreichen eines Gleichgewichts erleichtern oder erschweren, bleiben in dieser Betrachtung unberücksichtigt.

Quelle: eigene Darstellung

Die Erreichung der Work-Life-Balance wird auch mit der Bereitstellung von Ressourcen in Verbindung gebracht. Hier werden häufig Zeit, Geld und Entscheidungsspielräume genannt, daneben auch persönliche Eigenschaften im Sinne physischer, psychologischer, emotionaler und sozialer Ressourcen.3

Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob er „Life Balance“ als allumfassenden Lebensumstand versteht, oder ob es für ihn Sinn ergibt, über die weitere Separation in Lebensbereiche (Work-Life-Balance), den Begriff aufzufächern.

Dieses Verständnis ist weitgehend davon abhängig, ob ich mein Leben als „Einheit“ verstehe und es als solche lebe.

1 Vgl. Lothaller, H.: On the way to life-domains balance: Success factors and obstacles. In: Intergenerational Justice Review 9/2. Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, 2009, abgerufen am 13. Februar 2010 (PDF, engl.).

2 Vgl. Lothaller, H. (2009). On the way to life-domains balance: Success factors and obstacles. In: Intergenerational Justice Review 9/2(2009). Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, abgerufen am 13. Februar 2010.

3 “The three types of resources most frequently discussed in the work/life balance arena are (a) temporal resources, (b) financial resources, and (c) control. […] Temporal resources provide the time […] Financial resources provide the money […] Control provides the ability to select when and how to achieve important outcomes. […] There is a fourth, less frequently discussed group of resources critical to work/life balance. These are personal resources: the physical, psychological, emotional and social resources at the disposal of an individual“ aus Edy Greenblatt: Work/Life Balance: Wisdom or Whining, Organizational Dynamics, Vol. 31, Nr. 2, S. 177–193, Elsevier, 2002. Darin: S. 179 f.

2. Life Balance im Laufe des Lebens

Je nach Lebensalter und Lebenssituation gestaltet sich die „Life-Balance“ bei jedem unterschiedlich. Dabei spielen familiäre Prägungen eine große Rolle. Mit der Erziehung wurden erst einmal unwiderrufliche Dispositionen geschaffen, die jeden Menschen auf seinem Lebensweg begleiten. Dabei sollte man vor allem zwischen folgenden Polen unterscheiden:

der Begabungen, bzw. Talenten,

der erlangten sozialen Kompetenz und schließlich

der erworbenen Fähigkeiten vor allem durch Schule und weiterführenden Ausbildungen.

Daraus entwickeln sich individuelle Schwerpunkte. So spielt die Erlangung von Glücksgefühlen in jungen Jahren meist eine übergeordnete Rolle, während der Faktor Zufriedenheit und die Frage nach dem „Sinn des Lebens“ im Laufe des Lebens eine zentrale Bedeutung zukommen. Genießen unverheiratete Menschen noch ihre individuelle Freiheit der Lebensgestaltung, so genießen Eheleute das Familienleben im trauten Heim. Gerade diese Individualität bei der Ausgestaltung der „Life Balance“ macht es unmöglich, einen universellen Masterplan aufzustellen, der wie in Form einer Checkliste und durch Abhaken einzelner Punkte, automatisch zur Life-Balance führt.

Life-Balance ist damit ein prozessualer Zustand, der als ständiger Anpassungsprozess verstanden werden muss. Gerade die Notwendigkeit, sein Leben permanent zu hinterfragen, hält viele Menschen von Anfang an davon ab, sich nicht konsequent um seine Lebensmitte zu bemühen. Darum stecken so viele in der individuellen Mittelmäßigkeit, verbunden mit der Furcht vor selbst kleinen Veränderungen, weil dadurch ihre geistige Bequemlichkeit offen zu Tage tritt.

Wer sich aber gerne neuen Herausforderungen stellt, dem bietet das Erreichen seiner persönlichen Life-Balance ungeahnte Möglichkeiten der Selbstverwirklichung. Gerade die Möglichkeit für eine dynamische Entwicklung der Life-Balance ist Grundlage für die Erreichung der „Work excellence“.

Das Leben bietet viele Möglichkeiten der Selbstentfaltung, wie man sie bei sportlichen Aktivitäten oder in sozialen und kulturellen oder politischen Bereichen entwickeln kann: so wie die Arbeit in Vereinen, bei Verbänden, Wohltätigkeitsorganisationen, ob für längere Auszeiten zur Weiterbildung (Sabbatical) oder zur generellen Erholung. All diese Möglichkeiten helfen das Leben mit Sinn zu füllen und das eigene Verständnis nach dem persönlichen Glück positiv zu prägen. Durch diese „Beweglichkeit“ ergibt sich die Chance, dass der lebenslange Weg nach der Sinnfrage oder weniger pathetisch, als Suche nach persönlicher Erfüllung, positiv und spannend empfunden wird.

3. Life Balance auf privater Ebene

3.1. Life Balance in Abhängigkeit individueller Lebensplanungen und unterschiedlicher Lebensbereiche

Die Life Balance ist in ihrer praktischen Bedeutung so vielseitig und individuell, wie die verschiedenen Lebensphasen und -planungen eines jeden Menschen. So ändern sich die Ansichten über den Sinn des Lebens oder der persönlichen Auffassung von Glück. Gehört die individuelle Lebensgestaltung mit der Fokussierung auf das eigene Ego vor allem in die Lebensanschauung von Singles, so verändert sich diese bei verheirateten Menschen hin zu einer Fokussierung auf die eigene Familie. In späteren Lebensphasen folgt dann z.B. auch der Wunsch nach der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder der Arbeit in gemeinnützigen Vereinen und Organisationen.

Nach einer ersten Arbeitsphase entsteht oft der Wunsch nach beruflicher und persönlicher Veränderung. Diese erste kleine Mid-Life-Krise kann durch die Möglichkeit der Selbstfindung oder durch zusätzliche Ausbildungen überwunden werden. Hierzu bietet sich das Sabbatical in besonderer Weise an. Diese berufliche Auszeit, über einen klar definierten Zeitraum von meist 6 bis 12 Monaten, dient dazu,

die persönliche Sinnfrage neu zu justieren,

seine Leistungsstärke wieder voll zurückzugewinnen oder

sich für eine weitere berufliche Veränderung oder Karriere vorzubereiten.

Ab Mitte der 50ziger Lebensjahre treten dann meist erste körperliche Schwächen zutage, bzw. verstärken sich persönliche Verpflichtungen innerhalb der Familie, sodass z.B. der Wunsch nach einer Verringerung der Arbeitszeit in den Fokus rücken kann.

Im Gegensatz zu den klassischen Lebensmodellen beinhaltet das Prinzip des „Simple-Living“ einen bewussten Verzicht auf Konsum und dem klaren Willen zur Vorrangigkeit einer Life Balance mit mehr zeitlicher Freiheit und stärkerem Engagement für soziale und persönliche Aufgaben. Wieder andere Lebensanschauungen in Bezug auf Life-Balance lassen sich zwischen der Babyboomer-Generation, der Generation X und der Generation Y beobachten: Vereinfacht ausgedrückt handele es sich für Babyboomer um einen Balanceakt zwischen Beruf und Familie, für die Generation X seien abwechselnde Phasen von Erwerbstätigkeit und Phasen der Kindererziehung oder außerberuflicher Tätigkeiten typisch. Angehörige der Generation Y legten weniger Wert auf eine strikte Trennung von Erwerbstätigkeit und Privatleben und zielten vor allem darauf, die eigene Zeit sinnvoll und nützlich, also lebensbejahend einzusetzen4.

Insofern erkennt man, als es sich beim Lebensgleichgewicht um kein statisches, sondern um ein dynamisches Gleichgewicht handelt, dass sich an den persönlichen Lebensumständen und äußeren Veränderungen orientiert. In der Erweiterung zur Work-Life-Balance werden die Aspekte der Arbeit mit in das Lebensgleichgewicht einbezogen, als Teil einer ganzheitlichen Lebensplanung5.

Da die Arbeit in starkem Maße die Teilhabe an der Gesellschaft bestimmt, gilt auch für nicht berufstätige Personen die Frage nach der Work-Life-Balance. So stellt für Jugendliche die Aufnahme einer Ausbildung, der direkte Einstieg in das Berufsleben oder eines Studiums ein zentraler Aspekt für ihr Lebensgleichgewicht dar. Erwerbslose Personen stehen meist unter dem gesellschaftlichen Druck, dass die Rückkehr ins Berufsleben wieder gelingt. In diesem Zusammenhang werden in westlichen Industrienationen zunehmende Arbeitslosigkeit, insbesondere Jugendarbeitslosigkeit, sowie trotz zunehmende Bildung eines gehobenen Berufsprekariats als persönlich und gesellschaftlich problematisch angesehen. Insbesondere führt eine bestehende Langzeitarbeitslosigkeit zu gravierenden Störungen innerhalb der Lebensbalance, die mit seelischen Störungen, erheblichen Selbstzweifeln und Burnout-Anzeichen einhergehen.

Für Rentner, deren Rente zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreicht und die mit gering vergüteten Tätigkeiten ihr finanzielles Überleben sichern müssen, gestaltet sich das Streben nach einer Work-Life-Balance als Überlebensfrage. Jeder, der das Gleichgewicht zwischen benötigtem Erwerbsarbeit und persönlicher Gesundheit verliert, droht sofort und unweigerlich in die soziale Verelendung abzurutschen. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Arbeit eines Rentners auf dem Bereich der Freiwilligenarbeit beschränkt. Dann könnte deren Lebenserfahrung weiter mit in die Gesellschaft einfließen, so wie das z.B. in der Kindererziehung früherer Generationen der Fall war. Dies darf nicht in einen überlebenswichtiger Zwang enden, sondern eine Bereicherung des Lebensabends sein. Fragt man z.B. ältere Menschen, so sind diese gerne bereit, für alleinstehende, berufstätige Frauen die Erziehungsarbeit zu übernehmen oder auf Haustiere aufzupassen. Diese bessere Integration aller Generationen in gemeinsame Lebensentwürfe kommt letztlich allen zugute. So hilft es dem Problem der Vereinsamung im Alter entgegenzuwirken und im Gegenzug die arbeitende Bevölkerung auf intelligente Weise zu entlasten.

Doch die Zukunft sieht düster aus. Allein in NRW ist die Zahl der Personen um 50% gestiegen, die Grundsicherungsleistungen beziehen. Nach Berechnungen des DGB werden in etwa 20 Jahren bis zu 30% der Bevölkerung von Altersarmut betroffen sein. Denn schon heute kann eben genau dieser Bevölkerungsanteil keine nennenswerten Rücklagen für eine spätere Rente bilden. Dazu zählt ein Heer von ca. 2,3 Mio. Selbständigen, die sich ohne Perspektive auf konstante Einnahmen von einem Projekt zum nächsten hangeln. Rund 11,8 Mio. Teilzeitbeschäftige und ca. 6,5 Mio. Geringverdiener sind am Ende nur froh, wenn das Einkommen ausreicht, um alle anstehenden Kosten zu decken. Dazu muss man dann noch die rund 2-3 Mio. Hartz-IV-Empfänger rechnen. Hier entsteht gewaltiger gesellschaftlicher Sprengstoff6.

Verschiedene Definitionen, die in unterschiedlicher Ausprägung die Lebensbereiche als getrennte und voneinander unabhängige Teile ansehen oder deren Wechselwirkungen beschreiben, dienen der Herausarbeitung einzelner Konfliktpotenziale, so wie beispielsweise des Rollenverständnisses und des bestehenden Erwartungsdruckes in Familie und am Arbeitsplatz.

Life-Balance beschreibt im Folgenden den emotionalen und mentalen Zustand einer Person auf den alle Lebensaspekte wechselseitig Einfluss nehmen.

3.2. Life-Balance im persönlichen Bereich

3.2.1. Individuelles Gleichgewicht

So individuell die Menschen, so verschieden sind die persönlichen Lebenseinstellungen. Dabei können sich Schwerpunkte im Leben wechselseitig in ihrer Bedeutung verändern. Je nach Lebensalter kann dies beispielsweise sein:

eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren,

sich „auszuprobieren“ und unkonventionelle Wege gehen,

einen Beruf auszuüben, für den man talentiert ist, in dem man einen Sinn sieht und den man mit Initiative und Begeisterung ausfüllt,

den Wohnort zu wählen, etwa aufgrund persönlicher Bindungen oder einer Affinität zu einem Land oder besonderen Kultur,

flexibel und selbstbewusst über Zeit und Muße für Familienbeziehungen und für sich selbst zu verfügen - ungeachtet gesellschaftlicher Stereotype oder Vorgaben,

lebenslang Neuem gegenüber aufgeschlossen zu bleiben, Hobbys und Freundschaften zu pflegen,

mit der eigenen Gesundheit achtsam umzugehen und sie durch gesunde Lebensumstände und Lebensgewohnheiten zu fördern,

Überlappungen und Übertragungs-, bzw.

Spill Over-Effekte

zwischen den Lebensbereichen selbst zu steuern und zu gestalten,

Familienangehörigen oder Dritten bei der häuslichen oder körperlichen Pflege zu helfen und

sich sozialen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten zu widmen.

Je nach kulturellem Hintergrund entwickeln sich persönliche Gleichgewichte im Leben ganz unterschiedlich. Während z.B. in den muslimisch geprägten Kulturen die Familie, inkl. der Verwandtschaft, eine besonders zentrale Rolle spielt, suchen westlich geprägte Menschen eher den Weg eines individuell geführten Lebens. Hier kommt es primär zu einem Aufbau alternativer persönlicher Netzwerke. Klassisch geprägte Familienstrukturen treten eher in den Hintergrund.

Ein selbst gestaltetes Gleichgewicht der Lebensbereiche gilt als entscheidend für die Lebensqualität7. Das Streben, alle Lebensbereiche mit gleicher Intensität in Einklang zu bringen, führt durch die damit verbundene psychische und physische Belastung unweigerlich zu Stress. Gerade der Wunsch es jedem recht zu machen und das möglichst zeitgleich und permanent, macht es für die Betroffenen unmöglich, wichtige Prioritäten zu setzen. Das reibungslose Funktionieren wird zur Lebensaufgabe, die am Ende nicht selten zum gefürchteten Burnout führt.

Interessanterweise leiden nicht nur die stark beruflich und familiär Belasteten an dem Erschöpfungszustand des Dauerstresses. Auch Menschen, die aufgrund mangelnder beruflicher oder privater Erfolge keine tragende Lebensperspektive aufbauen können, entwickeln Symptome eines Burnout.

Eine wirkliche Lebensbalance ist nur dann erreichbar, wenn man vor allem über Fähigkeiten verfügt, wie

dem

Zeit- und Selbstmanagement

, in Verbindung mit einer klaren Prioritätenverteilung

einem

Stressmanagement

und

der

kritischen Selbstanalyse

, mit einem klaren Bekenntnis zu seinen persönlichen Bedürfnissen.

3.2.2. Die Gleichstellung, Chancengleichheit unter den Geschlechtern

Eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt als zentrales Element der Gleichstellung der Geschlechter8.

Bislang waren Frauen klar benachteiligt. Waren Sie doch überwiegend gezwungen, sich zwischen Karriere und Familie zu entscheiden, weil es schlicht an familienfreundlichen Arbeitsbedingungen mangelte, die Ausfallzeiten zu verkürzen und Doppelbelastungen zu verringern. Auch ist es heute nicht mehr vermittelbar, warum Frauen für die gleiche Tätigkeit noch immer nicht äquivalent zu den Männern entlohnt werden. Der demografische Faktor wird hier bald seine Wirkung entfalten. Die Befürchtung, dass „…Maßnahmen zur Vereinbarung von Familie und Beruf stereotypen Erwartungen von Frauen und Männern Vorschub geben“, wird sich wohl nicht erfüllen9. Dennoch wäre es klüger, wenn sich im Konsens zwischen Politik und Wirtschaft dieses Ungleichgewicht entkrampfen ließe. Man darf sicher sein, dass ein Teil der noch zu niedrigen Geburtenraten auf die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf zurückzuführen ist. Neueste Forschungen haben ergeben, dass eine rein auf Frauen isoliert zugestandene Arbeitsfreistellung die berufliche Situation der Frau nicht verbessert.

Es ist lobenswert, dass mit Einführung der Elternzeit10 ein guter Ansatz gefunden wurde, um die Gleichberechtigung nachhaltig zu fördern. Die mit dem Gesetz verbundenen Freiräume dürften es aber vielerorts noch schwer haben, denn dazu muss erst das klassische Rollenverständnis von Mann und Frau überwunden werden. Damit ließen sich die beruflichen Ausfallzeiten für Frauen verkürzt, sodass berufliche Defizite kaum noch entstehen, bzw. schnell wieder aufgeholt werden können11. Dies könnte die Nachteile der Frauen entscheidend verringern und ihnen bei der Erreichung ihrer individuellen Life Balance gezielter unterstützen.

3.2.3. Die Bedeutung von geschlechterkulturellen Familienmodellen

Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts begannen sich die Geschlechterrollen in den Industrieländern sukzessive zu verändern. Dabei lassen sich die soziokulturellen und hier speziell die familiären Bedingungen in den verschiedenen Ländern anhand der Aufgabenteilung zwischen der Erwerbstätigkeit und der Verantwortung für die Familie untersuchen. Von der Soziologin Birgit Pfau-Effinger sind hierbei „Geschlechterkulturelle Familienmodelle“ typisiert worden12:

Familienökonomisches Modell:

beide Eltern sind im eigenen landwirtschaftlichen oder kleingewerblichen Betrieb tätig.

Traditionelles bürgerliches Modell

:

auch Hausfrauenehe, Versorgerehe, (männliches) Ernährermodell oder Einverdienermodell genannt – Rollenverteilung, bei der der Mann in Vollzeit berufstätig ist und die Frau die alleinige oder nahezu alleinige Verantwortung für die Familienarbeit hat.

Modernisiertes bürgerliches Modell

:

Zuverdienermodell (bzw. Zuverdienerinmodell), Vereinbarkeitsmodell der Versorgerehe oder modernisiertes (männliches) Ernährermodell genannt – Rollenverteilung, bei welcher der Mann in Vollzeit berufstätig ist und die Frau in Teilzeit arbeitet und zugleich die alleinige oder nahezu alleinige Verantwortung für die Familienarbeit hat.

Egalitär-erwerbsbezogenes Modell

:

Doppelversorgermodell mit externer Kinderbetreuung genannt – Rollenverteilung, bei der beide Eltern in Vollzeit erwerbstätig sind und vorwiegend externe Kinderbetreuung herangezogen wird.

Egalitär-familienbezogenes Modell

:

Doppelversorger/Doppelbetreuer-Modell genannt – Rollenverteilung, bei der beide Eltern zu annähernd gleichen Teilen in Teilzeit erwerbstätig sind und sich die Verantwortung für die Familienarbeit partnerschaftlich teilen.

Bei dieser Art der Typisierung wurden die Modelle (2.) und (3.) von Pfau-Effinger auf das dominante männliche Ernährermodell und das modernisierte männliche Ernährermodell eingeschränkt. Noch weitgehend unberücksichtigt bleiben hingegen Modelle mit umgekehrter Rollenverteilung, sowie gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Die Modelle (4.) und (5.) werden auch allgemeiner als „partnerschaftliches Modell“ oder „Doppelversorgermodell“ zusammengefasst. Die Unterscheidung der fünf Modelle dient dabei als Ausgangspunkt für eine Typisierung von Ländern, beziehungsweise von Wohlfahrtsregimen nach der Art, wie Geschlechterrollenmodelle reproduziert, verschärft oder abgemildert werden13. Als Unterscheidungskriterium hierfür wurde insbesondere die Nähe beziehungsweise Ferne zum männlichen Ernährermodell verwendet14.

Bei den einzelnen Unterscheidungen ist zu beachten, dass diese in der Realität nicht unbedingt statisch vorzufinden sind, sondern sich im Laufe des Lebens, bzw. der Partnerschaft durchaus wandeln.

Die Arbeitsteilung in der Partnerschaft ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Deutschen Studien zufolge wenden Frauen insgesamt wesentlich mehr Zeit für Haus- und Familienarbeit auf. Dabei ist eine deutliche geschlechtsspezifische Teilung nach Art der Arbeit zu beobachten.15 Aber auch wenn einzelne Aufgaben an andere Personen oder Institutionen delegiert werden, liegt die Aufgabe der Organisation der Haus- und Familienarbeit zum überwiegenden Teil noch bei der Frau.16

Mit zunehmender Chancengleichheit erwarten Frauen zunehmend finanzielle und berufliche Unabhängigkeit. Diese Erwartung steht im Zusammenhang mit der hohen Scheidungsrate, den sich ändernden Regelungen zum Unterhalt und der Diskussion um eventuelle Änderungen der Witwen-/Witwerrente. Der Lebenswunsch moderner Frauen richtet sich immer mehr auf eine persönliche Verwirklichung, als auf die Reduzierung auf Heim und Herd. Aber es darf nicht verschwiegen werden, dass genau dieses Bestreben sehr oft im genauen Gegenteil endet. Die Pluralisierung der Familienformen mit zunehmender Zahl von Patchwork- und Einelternfamilien sind erste Signale in diese Richtung. Sie erfordert gesellschaftliche Anpassungen, um eine finanzielle Überforderung der Unterhalt zahlenden Eltern, beziehungsweise der Sozialsysteme, zu vermeiden und zugleich allen Personen einen angemessenen Lebensunterhalt zu sichern.

So gilt es anzuerkennen, dass alle arbeitsfähigen Personen befähigt werden, ihren Lebensunterhalt mittel- und langfristig selbstverantwortlich zu erwirtschaften. Die Möglichkeit für beide Partner, innerhalb einer Beziehung unabhängig voneinander berufstätig sein zu können, dient nicht nur finanziellen Vorteilen oder dem Berufsinteresse, sondern ganz wesentlich auch der Zukunftssicherung und der individuellen Unabhängigkeit. Dies bezieht sich auf die spätere Altersrente, aber auch auf Fälle von Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder Trennung, denn bei Erwerbstätigkeit beider Partner besteht eine geringere Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung oder Unterhaltszahlungen. Aufgrund der Veränderungen durch die Globalisierung der Wirtschaft ist es aber für immer mehr Familien ökonomisch erforderlich, dass beide Partner arbeiten müssen. Die alleinige Konzentration eines Elternteils auf Haus- und Familienarbeit ist für die stark steigende Zahl der niedrigen Einkommensbezieher heute oft nicht mehr möglich.

Dass Männer nicht zwangsläufig nur auf ihre Ernährerposition begrenzt werden wollen, sieht man an der Kampfbereitschaft vieler Väter nach einer Scheidung ihre Mitverantwortung in der Erziehung weiter ausfüllen zu können17. Dennoch sollte man diese Tendenzen nicht überbewerten. Nach meinen Erfahrungen lösen sich die klassischen Rollenverteilungen derzeit vor allem in der Gruppe der mittleren Einkommen, während in der Gruppe der Spitzenverdiener und der Niedrigverdiener noch immer das klassische Rollenverhalten vorherrscht. Als Gründe dafür, dass Väter ihre Arbeitszeit relativ selten für die Familienarbeit reduzieren, nennt die Schweizer Initiative „Avanti Papi“ einen finanziellen Nachteil aufgrund des Gehaltsunterschieds zwischen Männern und Frauen, fehlende Teilzeitstellen für höhere Positionen, sowie eine Profitorientierung vieler Unternehmen, die auf familiäre Bedürfnisse der Angestellten keine Rücksicht nehmen18.

Diese Schweizer Studie zum Verständnis der Männer bezüglich des Themenkomplexes Familie, bzw. Familienarbeit ergab folgende Ergebnisse19:

als häufigste Ressource wird die Begeisterung Vater zu sein und dort speziell am Erleben der Entwicklung der eigenen Kinder genannt. Eine gewisse Rolle spielt auch das Nachwirken der eigenen Kindheit, sei es als Vorbild für die eigene Familienorientierung und –arbeit oder als ungutes Erlebnis, das zu einem Gegenentwurf anspornt;

dort wird vor allem die gute Kooperation mit der Partnerin als zentrale Ressource für die männliche Familienarbeit genannt. Die Großeltern spielen auch eine wichtige Rolle als Entlastung bei der Kinderbetreuung, vereinzelt wird sie aber zur Belastung, wenn sie die männliche Familienarbeit des (Schwieger-)Sohnes nicht gutheißen. Dasselbe gilt für das weitere soziale Umfeld: entlastend wirken Kinderbetreuungsangebote, wie auch die Austauschmöglichkeit mit Eltern anderer Kinder; vereinzelt wird der Austausch mit Vätern, die ähnlich engagiert Familienarbeit leisten, vermisst;

ein wichtiger Motivationspunkt männlicher Familienarbeit ist dagegen die bewusste Absicht, sich den eigenen Kindern als männliche Beziehungsperson, als unerlässliches Komplement zum weiblichen Beziehungsangebot der Mutter, zur Verfügung zu stellen;

Es besteht eine hohe Relevanz des Erwerbsarbeitsplatzes im Bezug auf die Familienarbeit. Sei es als Ansporn, weil die Erwerbsarbeit flexible Arbeitsmodelle und Teilzeit erlaubt, sei es als enorme Belastung für Männer, die gerne mehr Familienarbeit leisten würden, aber dies wegen des mangelnden Angebots an Teilzeitstellen (vorwiegend in technischen Berufen) nicht können;

Die Wertschätzung für männliche Familienarbeit wird von den Befragten als relevanter Faktor zur Bereitschaft zur Familienarbeit (Ressource oder Belastung) geschildert;

Ein weiterer fördernder Faktor männlicher Familienarbeit liegt in der Überzeugung, dass zwischen den Ehepartnern eine ausgeglichene, „gerechte“ Teilung der Aufgaben anzustreben sei. Die unterschiedlichen Erwerbspersonen in der untersuchten Stichprobe zeigen, dass mit „gerecht“ nicht zwangsläufig eine fifty-fifty Teilung aller Aufgaben gemeint ist.

Wie schwer es für Frauen mitunter ist, sich individuell weiterzuentwickeln und ein persönliches Gleichgewicht zu entwickeln, sieht man an der Rückorientierung des Mannes bezüglich der ihm traditionell zugesprochenen Ernährerrolle nach der Geburt des ersten Kindes. Selbst bei Paaren, die zuvor eine sehr ausgewogene Rollenverteilung gepflegt haben, ist dieser Trend erkennbar. Hier sieht man, wie stark kulturell geprägte Verhaltensmuster tief in einer Person kodiert sind. Während die Frau weiterhin ein ausgewogenes Rollenverständnis erwartet, zieht sich der Mann wieder in alte Verhaltensmuster zurück, die dann zu großen Spannungen innerhalb der Beziehung führen können und als Konsequenz in einer nicht unerheblichen Mehrbelastung der Frau enden20.

In als „konservativ“ bezeichneten Ländern, in denen das traditionelle und das modernisierte bürgerliche Modell vorherrschen, geht es im gesellschaftlichen Diskurs, wie auch in der individuellen Entscheidung, stets auch um die Frage einer Beibehaltung oder eines Wandels der kulturell ausgeprägten Idealvorstellung einer Familie, in der zumindest ein Elternteil einen halben Tag in der Familie verbringt. Zur Unterstützung des Life-Balance-Gedankens wird heute z.B. für eine Anerkennung privater Arbeit in Form eines Erziehungsgehalts argumentiert, inklusive der aktiven Unterstützung des Wiedereinstiegs für Berufsrückkehrer. Eine Variante hinsichtlich einer ausgeglichenen Rollenverteilung besteht darin, dass Elternteile versuchen, möglichst zeitversetzt zu arbeiten, sodass mindestens ein Elternteil genügend Zeit für die Kindererziehung, bzw. für die berufliche Verwirklichung hat21.

Lange glaubte man, dass der technische Fortschritt des 20. Jahrhunderts mehrheitlich zu einer Verringerung der Arbeitszeit und zu einem Anwachsen an Freizeit führen würde. Auch eine mit dem Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft verbundene Humanisierung der Arbeitswelt wurde prognostiziert22. Doch keine dieser Annahmen sind bisher eingetreten. Im Gegenteil, man muss heute mehr arbeiten, als noch vor ein paar Jahrzehnten.23 Vor allem die Veränderungen durch die sich immer stärker globalisierende Welt gelten als ein wesentlicher Grund hierfür. Daher kommt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zentrale Bedeutung zu, wenn man den Menschen insgesamt eine Chance für die Erreichung eines Lebensgleichgewichtes einräumen will.

3.2.4. Wechselwirkungen zwischen Lebensbereichen auf die Life-Balance

Ausgehend von der Annahme getrennter Lebensbereiche werden positive und negative Wechselwirkungen zwischen den Bereichen untersucht. Die in der Wissenschaft diskutierten Ansätze handeln im Wesentlichen um die gegenseitige Beeinflussung zwischen privater und beruflicher Ebene. Hierbei wird nach Art des Konflikts unterschieden, etwa in Bezug auf den zeitlichen Aspekt oder der persönlichen Beanspruchung, des individuellen Rollenverhaltens bzw. Rollenerwartung. Die zu unterscheidenden Wechselwirkungen werden durch verschiedene Modelle repräsentiert, wie beispielsweise24:

das

Segmentationsmodell

, wenn sich

Lebensbereiche einer unabhängigen entwickeln,

das

Kongruenzmodell,

bei dem bestimmte Variablen ähnliche Wirkung zeigen, wie beispielsweise den persönlichen Eigenschaften innerhalb verschiedener Lebensbereiche;

das

Identitätsmodell

, ohne Teilung der Lebensbereiche;

das

Spillover-Modell

, bei dem positive oder negative Entwicklungen sich in verschiedenen Bereichen gegenseitig verstärken, wie etwa im Bezug auf die eigene Fortbildung, Zukunftssicherheit, Zufriedenheit, Stärken oder Fähigkeiten, wie umgekehrt über mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Überforderung, Stress oder Unstimmigkeiten, eventuell kombiniert mit

Crossover

-Effekten auf andere Personen;

das

Kompensationsmodell

, in dem negative Entwicklungen in einem Bereich zu Bemühungen führen, sie durch positive Entwicklungen und Bedürfnisbefriedigung im anderen Bereich auszugleichen. Dies kann sich z.B. in der Suche nach Herausforderungen im Privaten manifestieren, wenn die Arbeit als eintönig empfunden wird, oder das Streben nach Anerkennung am Arbeitsplatz, wenn zu Hause wenig Wertschätzung erfahren wird;

das

Ressource-Abfluss-Modell

, bei dem persönliche Ressourcen für einen Bereich vom anderen Bereich abgezogen werden.

Sozioökonomische und psychologische Untersuchungen befassen sich dabei mit Wirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit, auf die Gesundheit, auf die Paarbeziehung und auf das Wohlbefinden der Kinder, unter Einbeziehung von Bewältigungsstrategien und Unterstützungssystemen (support systems). Da die in den verschiedenen Modellen postulierten Wirkungen gleichzeitig auftreten können, werden zunehmend komplexere, integrative Modelle untersucht25.

Der Grad der Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereichen unterscheidet sich in verschiedenen Kulturen. Laut Untersuchungen von Sylvia Schroll-Machl über Kulturstandards unterscheiden insbesondere berufstätige Deutsche deutlich zwischen Berufs- und Privatleben26. Inwieweit eine Verschmelzung beider Bereiche eine wünschenswerte Chance oder ein Risiko darstellt, ist umstritten. Der Umgang mit den eigenen Energien und Ressourcen, gegebenenfalls auch eine Abgrenzung zu den Anforderungen der Erwerbs- und Produktionswelt, wird zunehmend zu einer individuell zu leistenden Aufgabe27.

3.2.5. Life Balance im Kontext eines gut gestalteten öffentlichen Raumes

Abgesehen von der politischen und unternehmerischen Dimension stellt das Vereinbaren von Familie und Beruf auch eine konkrete Herausforderung der alltäglichen Lebensführung dar. Ob ein selbst gewählter Berufsweg, eine erfüllte Partnerschaft oder der persönliche Einsatz im sozialen, kulturellen, sportlichen oder politischen Bereich, diese Aspekte gehören für viele zur Wunschvorstellung eines glücklichen Lebens.

Aufgrund ihrer Berufstätigkeit steht den meisten Menschen nicht unbegrenzt Zeit für ihr Sozialleben zur Verfügung. Deshalb gestaltet es sich als Herausforderung, vor allem das Familienleben im Alltag zu gestalten und den Bedürfnissen der Familienmitglieder gerecht zu werden. Gerade junge Väter wünschen sich die Möglichkeit einer aktiven Vaterrolle. Flexible oder auch geringfügig verkürzte Arbeitszeiten können hierbei helfen, diesen Wunsch umzusetzen. So wird das regelmäßige Spielen mit den Kindern, die gemeinsam erlebte Freizeit als im Sinne „intensiv genutzter Zeit“ oder auch als „besonders guter Zeit“, als „quality time“ empfunden. Sie wird als gemeinsame Zeit ohne Druck und Einfluss von außen interpretiert.28

Pädagogen heben die Bedeutung der Art der Beziehung zum Kind hervor. Es sei entscheidend, dass Eltern für ein Kind in vielfältiger Weise ansprechbar sind, um die wichtigsten Probleme des Kindes helfen zu lösen und seine persönlichen Züge und Stärken zu kennen, sodass Vertrauen zu den Eltern aufgebaut werden kann. Ebenso wird betont, dass auch nach einem langen Arbeitstag Selbstdisziplin und Konsequenz im Umgang mit Kindern erforderlich ist. Wenn keine Kraft für die Kindererziehung bleibt, bestehe die Gefahr, dass

sich Kinder wenig Selbständigkeit entwickeln und dadurch ihre Stärken nicht ausreichend entwickeln können.29

Damit die verschiedenen Lebensbereiche in Einklang gebracht werden können, sind flexible Lösungen erforderlich. Hier spielt die funktionierende Infrastruktur eine wichtige Rolle:

Wohngebiet:

Die unmittelbare Infrastruktur konditioniert den Alltag und prägt seine unmittelbare Gestaltung. Denn Einkaufs-, Betreuungs- und Freizeitangebote in der unmittelbaren Nähe verkürzen die Wege. So ist es in Zeiten von kontinuierlich steigender Arbeitsbelastung besonders wichtig, dass ein attraktives Angebot um den Wohnmittelpunkt vorhanden ist. Seit Jahren vollzieht sich schon ein Wandel weg vom Land hin zum Leben in der Großstadt, die als wesentlich vielfältiger empfunden wird. Je näher alles zusammen liegt, umso stärker können z.B. die Kinder selbständig zur Schule gehen und die Wege zu ihren Freunden verkürzen sich ebenfalls. Die Qualität der Wohnumgebung, einschließlich der Verfügbarkeit und Qualität von Infrastruktur- und Freizeitangeboten, korreliert jedoch auch mit dem Preisniveau von Immobilien. Dies wiederum fördert die besondere Klassen-, bzw. Kastenbildung. Damit sinkt aber die Möglichkeit, das städtische Umfeld in seiner gesamten Breite zu nutzen.