Loslassen ... ist nur eine Option - Paul Thomas - E-Book

Loslassen ... ist nur eine Option E-Book

Paul Thomas

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Beschreibung

Wer sagt eigentlich, dass ich loslassen soll? Gibt es dafür gute Gründe oder doch nur wieder eine Erwartung oder ein Versprechen, geboren aus den Tiefen meines Selbstbildes oder als Forderung meines Umfeldes? Lasse ich los, weil es mir leicht fällt oder hänge ich fest, weil ich mich von etwas nicht lösen kann? ... und warum soll das Sich-lösen unbedingt besser für mich sein? Loslassen ... ist immer nur eine Option. Loslassen ist ein Prozess, in dem viele Faktoren einfließen. Das dahinterliegende System sichtbar und begreifbar zu machen, ist Ziel dieses Buches. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt Ihres Selbst und erkennen Sie, dass Loslassen und Festhalten im ständigen Wechselspiel stehen, so wie das Ein- und Ausatmen. Verlieren Sie gegenüber dem Loslassen Ihre Angst vor Gefühlen zu versagen oder etwas zu verlieren und erfahren Sie wichtige Details, um dem Loslassen mehr Leichtigkeit zu geben. Doch dazu ist Bewusstsein erforderlich, um dem Geheimnis mentaler Freiheit auf die Spur zu kommen. Dabei bleibt eines wichtig: Loslassen ... ist nur eine Option.

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„ich muss dringend abnehmen!"

„ich will den Job unbedingt" „er darf mich nicht verlassen!"

„wenn ich DEN schon sehe, könnt ich platzen!"

„DAS vergesse ich ihr nie!" „Alles muss ich allein machen"

„lch seh ja schrecklich aus!"

„jetzt bin ich mal dran!"

Warum verschwenden wir im Leben

so überschwänglich viel Kraft und Mühe

jemand zu sein, der wir im Kern nicht sind?

Warum versuchen wir im Leben zu vertuschen, zu verleugnen

so überschwänglich mit viel Kraft und Mühe

wer wir in Wahrheit sind?

doch es sind gerade meine gefühlten Schwächen und Mängel

hinter denen verborgen

liegt meine Einzigartigkeit

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nun ist es soweit, Sie haben beschlossen, in Ihrem Leben „loszulassen“ oder vielleicht auch nicht.

Loslassen heißt, sich zu lösen: Ich befreie mich von etwas. Bekannte Synonyme dazu sind z.B. Hausputz, Ausmisten oder Aufräumen. Aufzuräumen heißt klar Schiffzu machen und wie beim Wetter ist es herrlich, wenn sich der Nebel oder die Schlechtwetterfront aufklart und das Licht zum Vorschein kommt.

Klar zu sein heißt, keine dunklen und vor allem schmutzigen Flecken mehr zu haben.

Klar zu sein heißt, dass ich etwas verstanden habe und mir etwas bewusst geworden ist.

Klar zu sein heißt, transparent und offen-sichtlich zu sein:

Das Licht des Lebens kann mich ungehindert durchdringen und zum Strahlen bringen. Wie ein Diamant, der durch das Schärfen klar geschliffen wurde und danach brilliert und als Brilliant seine ganze Strahlkraft offen zeigt. Dabei werden über das Schleifen nur solche Teile entfernt, die mich an meiner Brillanz hindern, welche meine Strahlkraft blockieren. Danach bleibt nur das Wesentliche übrig, das sich nun endlich frei entfalten kann.

Zuerst sollen universelle Grundlagen die Zusammenhänge rund um das Loslassen bewusst machen. Erst dann fokussieren wir den Blick auf den Prozess des Loslassens selbst und der zentrale Frage: warum will ich überhaupt „loslassen? Oder ist das vielleicht gar nicht die beste Wahl?

Ich wünsche Ihnen viel Neugier und das gewisse Augenzwinkern sich gegenüber zu begegnen und: machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie feststellen sollten, dass sich der ein oder andere Diamant-Einschluss1 in Ihnen zeigt. Er macht Sie nicht weniger wertvoll, sondern erst recht besonders, denn er unterscheidet Sie auf einzigartige Weise von allen anderen Diamanten und ermöglicht erst damit zu strahlen - in Ihrer Einzigartigkeit.

Herzliche Grüße

Thomas Paul

1    Der Begriff „lupenrein“ wird hier gerne verwendet. Einschlüsse bezeichnen Fremdstoffe, die nicht dem Kohlenstoff zugeordnet werden. Je weniger Fremdstoffe ein Brillant hat, umso höher seine Reinheit. Was einen Brillanten umso wertvoller macht, verkehrt sich beim Menschen: es macht ihn weniger einzigartig.Vgl. dazu auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Diamant.

Inhalt

Mein Geist

1.1. Ursprung und Funktion

1.2. Mein Mindergefühl: wesentlicher Ursprung für die Begrenzungen meines Lebens

1.3. Mein Mangelgefühl - Gelebte Symbiose aus Mangel an Selbstempfindung, bzw. Selbstbewusstsein

1.4. Mein Leben ist die Summe aller Beziehungen

1.5. Wer bin ich oder wie viele?

1.6. Meine Gedankenwelt: symbolisiert als ein Ball

1.7. Fehlende Authentizität: Ja-Sager und Nein-Meiner, bzw. Nein-Sager und Ja-Meiner

Wie mein Bewusstsein entsteht: ein Entwicklungsprozess

2.1. Die Entwicklung meines

Fremd-

oder

Schein-Bewusstsein

über die Prägung meines Umfeldes

2.2. DieWirkung meines Fremd-Bewusstsein, bzw. meiner Erstprogrammierung in der ersten Lebenshälfte

2.3. Wie mich mein Fremd-Bewusstsein in die Irre führt

Der Verlust und seine Bedeutung

3.1. Der Verlust - Ultima Ratio zur Entdeckung meines unverfälschten ICH

3.2. Verlustphasen sind Suchphasen

3.3. Verlust ist Trennung und Trennung aktive Selbstfindung

Belastungsreaktionen

4.1. Belastungsreaktionen - Entstehung und Umgang

4.2. Belastungsreaktionen – Ursachen

4.3. Denkmuster, die das Loslassen behindern

4.3.1. Goliath-Gedanken: mein mentaler Absolutismus

4.3.2. Mein ewiges Schuldgefühl

4.3.3. Verpflichtungen: „ich kann nicht“

4.3.4. Von meinem Selbstbild zu meinem Fremdbild

4.3.5. Mein-Dein-Unser Weltbild

4.3.6. Die geheime Kraft ungelöster Verlustprozesseaufgrund Verdrängung und Verleugnung

4.3.7. Fehlentscheidungen: Das passiert mir nicht nochmal!

4.3.8. Angst vor Versagen: gelebter Perfektionismus

4.3.9. Mein Leben mit Stellvertretern ist ein Leben in Stellvertretung: Fehlende Authentizität und fehlende Selbstverantwortung

4.3.10. Meine Stellvertreter: Mach mal, weil ich selbst nicht will!

4.3.11. Meine Konditionierung: Mann oder Frau

4.3.12. Gedankliche Widersprüche

4.3.13. Stillstand - Verschiedene Ausprägungen bei Verlust- oder Angsterlebnissen

4.3.13.1. “I will survive“: den Trauerprozess ignorieren

4.3.13.2. Gefühlte Sinnlosigkeit

4.3.13.3. Innere Isolation

4.3.14. Mein EGO

Repetitorium A

Loslassen

5.1. Grundbedingungen, um loslassen zu können

5.1.1. Ich akzeptiere ausnahmslos: es ist, wie es ist!

5.1.2. Mein Leben im Sein: umfassende Selbstverantwortlichkeit

5.1.3. Mein Leben im Sein: Ich bin mutig, weil ich vertrauen darf

5.1.4. Sich selbst vergeben - umfassend

5.1.5. Besitzstände überprüfen gegenüber Vergangenem und Verlorenem

5.2. Loslassen: ein Prozess der kleinen Schritte

5.2.1. Die vier universellen Entwicklungsschritte meines Bewusstseins

5.2.2. Loslassen im Erkennen: wer

linear

denkt, handelt

fehlerhaft

5.2.3. Begleitende emotionale Grundsatzentscheidungen

5.2.3.1. Loslassen im „nicht sein lassen“

5.2.3.2. Grundsatzentscheidung 1: emotionaler Abschied oder Verdrängung

5.2.3.3. Grundsatzentscheidung 2: Wenn emotionaler Abschied, dann Trauer

5.3. Emotionale Grundhaltung für den emotionalen Transformationsprozess „Trauer“

5.3.1. Der Tod, ein ultimatives Trauma

5.3.3. Loslassen: ohne aufrichtige Trauer kein gesunder Geist

5.3.4. Erst über die Trauer finde ich zu mir selbst

5.4. Loslassen von Emotionen: Das Vier-Phasen-Modell

5.4.1. Phase 1: Verleugnung, Verblendung

5.4.2. Phase 2: Explosionsphase

5.4.3. Phase 3: Such- und Selbstfindungsphase

5.4.4. Phase 4: Phase des Phoenix - Neuer Selbst- und Weltbezug

5.4.5. Rückfälle in frühere Entwicklungsphasen: kein Grund zur Panik!

Repetitorium B

Loslassen – gelebte Praxis

6.1. Perspektivische Beispiele – Loslassen in seiner Bedeutung begreifen

6.1.1. Meine Hassliebe: Versprechungen aus Erwartungen

6.1.2. Meine Helfer in der Not

6.2. Tatsachen, die das Loslassen fördern

6.2.1. Was lässt mich loslassen

6.2.2 Träume im Zusammenhang von Lebensfragen und Verlustphasen

6.3. Grundsatzfragen:dem Loslassen Ordnung und Struktur geben

Repetitorium C

6.4. Loslassen als Ursache meines Lebensglückes: Konzentration auf das Wesentliche am Beispiel von vier wichtigen Lebensbereichen

6.4.1. Beruf oder Berufung: Erfüllung, wo andere sich nur Abarbeiten

6.4.2. In aller Freundschaft: die Krönung meiner Beziehungen

6.4.3. Gesundheit: Zusammenspiel von Körper und Geist

6.4.4. Freizeit: Das Leben mit Vielfalt füllen

6.5. Loslassen: pragmatisch geht es am Besten

Repetitorium D

Nachwort

EXKURS 1: Depression als Verweigerung zu trauern und Abschied zu nehmen

EXKURS 2: Loslassen über den Tod: Todessehnsucht - Suizidgedanken

EXKURS 3: Loslassen über Stellvertreter: Sadismus und Masochismus – Extreme Form fehlender Authentizität und gelebtem Mangelbewusstsein

EXKURS 4: Loslassen aufgrund verkehrter Ängste: Die Erziehung unserer Kinder erkennen

EXKURS 5: Loslassen von Begrenzungen: Meine Seele, Deine Seele - unsere Seele

Was immer ich im Leben

in Besitz nehme

ich lasse es zurück

mit meinem letzten Atemzug

am Ende des Lebens

nicht einmal mein Körper bleibt erhalten

alles Irdische bleibt zurück

löst sich auf

einfach alles

bis auf eine Kleinigkeit:

mein Geist

mit all seinen erlebten

Erlebnissen und Emotionen

überdauert in Ewigkeit:

drum sammle sorgsam von dem,

was bleibt.

1. Mein Geist

1.1. Ursprung und Funktion

Obwohl unser Gehirn multifunktional und in seiner Verknüpfung interaktiv und spontan-verknüpft aufgebaut ist, hat unser bewusstes Denken das Taschenrechnerniveau noch nicht verlassen: Wir leben noch immer in einem Denk-Zeitalter der Eindimensionalität, bzw. Linearität. Es sind immer die gleichen Denk-, bzw. Entscheidungsmustern, die uns von Generation zu Generation in die Köpfe gehämmert wurden und die Auslöser der meisten Belastungsreaktionen sind: schwarz-weiß, ja-nein, entweder- oder, bzw. wenn- dann.

Es ist an der Zeit, sich mit dem Sowohl-als-auch vertraut zu machen. Denn Entscheidungen basieren fundamental darauf, zum Teil völlig gegensätzliche Aspekte unter einen Hut zu bekommen. Den wenigsten ist bisher bewusst geworden, dass unsere Gedanken und die damit verbundenen Handlungen (innerhalb bestimmter Situationen) mit mehr als einem Entscheidungsaspekt verknüpft sind. Wir aber fokussieren uns regelmäßig nur auf einen (z.B. Wenn-dann-Modus) und wundern uns, dass wir am Ende nicht in der Lage sind, uns zu entscheiden. Weil wir eben ein Teil der Realität nicht in unser Kalkül mit einbeziehen.

Stellen Sie sich einen Kletterer vor, der an einem Felsvorsprung hängt: mit seinen beiden Armen und Beinen ist er mit dem Fels verbunden. Verbleibt er in dieser Position, kann er sich nicht bewegen. Er ist zwar in diesem Moment sicher mit dem Felsen verbunden, doch kann er diesen Zustand nur aufrechterhalten, solange er Kraftreserven hat. Schwinden diese (z.B. über Lebenskrisen, Krankheiten oder Unfälle) muss er seine Position verlassen: Er muss die Grenzen seiner Bequemlichkeitszone durchbrechen.

Ist kein Freund in der Nähe, den man rufen kann, werden die meisten hoffen, dass sie die Bergwacht (z.B. Arzt, Psychologe oder Coach) rettet.

Doch meist steht man mit seinem Problem erst mal allein. Keiner käme auf die Idee Arme und Beine gleichzeitig vom Fels zu lösen und das Problem so konsequent zu beheben: aus Angst vor einem Absturz. Vielmehr versuchen wir abwechselnd einzelne Gliedmaßen in eine komfortablere Position zu bekommen. Dann hangeln wir uns am Felsen entlang. Wir lösen zwar immer wieder den einen oder anderen unserer Gliedmaße (Entscheidungsaspekt) vom Felsen (Problemsituation), doch wir bleiben weiterhin mit dem Fels verhaftet und mit ihm in einer Form von Gefangenschaft. Loslassen als Salamitaktik.

Mutiges Entscheiden, heißt Loslassen und zwar mit so vielen Gliedmaßen (Aspekte) gleichzeitig, bis wir uns aus der Zwangssituation befreien können! Dabei begrenzt uns unsere Vorstellungskraft als Kletterer, sodass wir regelmäßig erst mal nur an den Absturz denken:

FALLEN! … freier Fall!

…so fühlt es sich regelmäßig in uns an.

Darum ist klar, warum uns allein schon der Gedanke ängstigt, eine Entscheidung zu treffen: emotional sehen wir uns ins Bodenlose fallen.

Warum ist es nicht einfach nur ein Abfallen von Überflüssigem?

Wissen tun wir es tatsächlich nicht, weil uns zum einen schlicht: die räumliche und mentale Perspektive fehlt. Unser Entscheidungsraum bleibt extrem eingeschränkt, weil wir nicht weitersehen können, als das, was wir schon glauben zu kennen (geistiger Horizont).

Ein zweites Grundproblem ist unsere Sichtweise auf die Welt. Über die Geburt wurden wir final aus dem umfassenden Schutz des Mutterleibes herausgeschubst.2 Was körperlich-funktional über den Geburtsvorgang eingeleitet wurde, hat auch seelisch-emotional seinen Ausgleich: Mit der Geburt, verlassen wir den Raum absoluter Sicherheit, einen Ort umfassender mütterlicher Geborgen- und Verbundenheit. Wir verlassen unumkehrbar unser Mutterschiff und treten hinaus in die Welt mit all den damit verbundenen Schmerzen und Begrenzungen. So begreifen wir uns erst einmal als eigenständige, abgegrenzte Person, als Individuum: „Ich und die Welt da draußen“. Wir definieren uns per se als ein abgeschlossenes Wesen und stehen im Glauben, dass wir uns durch das Leben kämpfen müssen. Das ist zum Teil auch richtig: Mit unserer Geburt manifestiert sich unser persönlicher Urknall. Mit dem ersten Atemzug schafft sich jeder Mensch sein eigenes Universum und ist darin sein alleiniger Schöpfer.3 Doch unsere Vorstellung geht in eine andere Richtung: Mit der Durchtrennung der Nabelschnur erleben wir einen ultimativen Bruch mit der bedingungslosen, wertfreien Liebe. Und so füllen wir mit dem ersten Schrei nicht nur unsere Lungen, sondern erleben auch unsere physische Trennung emotional und traumatisch. Aufgrund dieses Trennungserlebnisses fokussieren wir uns auf das, was uns scheinbar noch fehlt,

was andere mehr haben oder

worin etwas anderes oder andere Menschen besser sind.

Damit verlieren wir den Blick auf die unendlichen Möglichkeiten, auf den bestehenden Reichtum dieser Welt. In der Betrachtung ist unser Glas immer halb leer. Vor allem kämpfen wir um die Entstehung und den Erhalt von Verbindungen, weil wir uns letztlich von allem getrennt wahrnehmen. Ganz tief drinnen wissen wir, wie sich die grenzenlose Liebe anfühlt, darum wollen wir auf keinen Fall allein bleiben. Wir bleiben Süchtige nach diesem ultimativen Gefühl von Geborgenheit.

Unsere Geburt lässt grüßen, als erstes finales Trennungstrauma. Zum ersten Mal kommen wir mit dem Thema des Widerspruches in Berührung: Obwohl das Baby emotional noch immer tief mit der Mutter verbunden ist, wirkt die funktional-körperliche Abnabelung zugleich als brutaler Akt der Trennung und ist ein finales, sowie unumkehrbares Lebensereignis.

Über dieses Trennungserlebnis glaube ich im Grundsatz auf mich alleingestellt zu sein und dass ich als Individuum erst Verbindung zu allem herstellen muss.

Das ist die Lebensvorstellung eines Exoterikers4 und Ursache für ein Denkmuster, welches die Fähigkeit sich zu entscheiden massiv behindert: die Ereignisse in meinem Leben sind weitgehend unbeeinflussbar von außen gesteuert.

Denkfolge: „dafür bin ich nicht zuständig… verantwortlich“, „Schuld ist etwas, bzw. jemand anderes!“ … „Ich bin da nur zufällig hineingeraten!“ … „Was geht mich das an!“… was soll ich schon bewirken?“

Was aber, wenn es sich genau andersherum verhält:

wenn ICH zentraler Ausgangspunkt aller meiner Lebensereignisse bin?

wenn ich noch immer mit dem Schöpfer verbunden bin und meine seelische Nabelschnur nie getrennt wurde?

Dann wäre ich wie ein Gärtner meines Lebens und damit etwas völlig anderes, als ein Kämpfer um alles und nichts. Aber mit der umfassenden Schöpfungskraft ist auch ein „Aber“verbunden:wer als Schöpfer lebt, ist sich umfassend selbst verantwortlich. Ein für die meisten Menschen nicht auszuhaltender Gedanke, für einfach alles im Leben ursächlich und damit verantwortlich zu sein. DAS ist die Lebensvorstellung eines Esoterikers, der seine Ganzheitlichkeit nur über die Wahrnehmung nach Außen und nach Innen versteht.

Dann lieber ein Exoteriker mit einem linearen Denkmuster bleiben:

Keep it easy, keep it simple… und schuld sind immer die anderen!

Doch gerade hier führt uns unser eindimensionale Denken zu falschen Ergebnissen, denn wir sind als Individuum zwar eine eigenständige und auch körperlich-materiell abgegrenzte Einheit, aber gleichzeitig auch mit allem verbunden:

Was auf der funktionalen Ebene5 jede Form von Beziehung (Kontakt) über Bezogenheit beschreibt, findet seinen Gegenpol in der seelisch-intuitiven Verbundenheit über die emotionale Ebene: Grundsätzlich ist alles mit allem verbunden, nur nicht immer gleich stark, bzw. spürbar (z.B. gleiches gesellt sich zu Gleichem).

Somit ziehen wir aufgrund der Ausgestaltung unseres individuellen Universums alles an uns heran, was unserer Entwicklung nützlich ist und stoßen ab, was unsere Entwicklung blockiert. Willkommen im Multiversum! Unsere Erde ist nur eine Form davon. Wer dies erkannt hat, ist ein Esoteriker. Also ein Mensch, der den Ursprung all seiner Lebensereignisse in sich sieht oder sucht: ich bin nur mir selbst verantwortlich, ohne egoistisch zu sein! Dieses zu erkennen ist eine wesentliche Aufgabe im Leben.

Als letzter Punkt soll das Prinzip des Ausgleichs stärker in den persönlichen Fokus rücken. Unser Denken ist noch einseitig darauf programmiert, alles scheinbar Negative aus den eigenen Gedanken und dem persönlichen Lebensumfeld fernzuhalten: z.B. über Verdrängung oder Verleugnung.

Dabei begegnet uns ständig unsere Einseitigkeit: so sehnen wir uns den Lottogewinn als scheinbar positiven Zufall herbei, und lehnen den scheinbar negativen Zufall in Form eines Verkehrsunfalles kategorisch ab.

„Man kann doch einen Verkehrsunfall nicht einem Lottogewinn gleichsetzen!“

Doch, man muss es sogar!

Nicht selten enden Lottomillionäre völlig in der Überschuldung. Es geht im Falle des Zufalls wesentlich darum, seine damit verbundene Verantwortung im Leben zu übernehmen.

Doch wenn ich diese allumfassend übernehme, bin ich mit der damit verbundenen Entscheidung wieder alleingelassen, da jede Entscheidung und die damit verbundenen Konsequenzen nicht mehr auf Stellvertreter abgegeben werden können. Stellvertreter, die sich wie einst meine Eltern, stellvertretend um mich kümmerten. Ganz tief steckt hier die Sehnsucht, wieder Kind zu sein: Home, sweet home … und ab in den Mutterleib!

Wird Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser jetzt klar, warum es gerade der Lottogewinn ist, den wir uns so sehnlichst wünschen?

Wie schön wäre es doch keine Verantwortung mehr tragen zu müssen, wenn es um die Sicherung des Einkommens geht. Denn mit dem Lottogewinn erhoffen wir uns das Ende aller Existenzängste. Doch die Realität zeigt zur zu deutlich, dass viele der Lottomillionäre als arme Kirchenmäuse enden, weil ihnen das viele Geld durch die Hände schmilzt, wie Butter in der Sonne.

Jeder Pool hat seinen Gegenpol: jeweils einen auszuschließen oder zu verdrängen führt stets zu einem Ungleichgewicht. Dass gerade der Verkehrsunfall uns eine entscheidende Entwicklungschance für unser Leben bietet, schließt unser lineares Denken erstmal aus, weil dann eine Verantwortlichkeit im Raum steht, welche die allermeisten Menschen nicht übernehmen wollen.

Erst wer bereit ist, die Naturgesetze (der Physik) anzunehmen, die Grundlage für unser Denken und als Folge Basis für unser Handeln sind, überwindet den persönlichen Stillstand, der uns daran hindert, wesentliche Entscheidungen zu treffen:

So wie innen (Denken), so außen (Handeln):

Lebensereignisse sind logische Konsequenz aus beidem

oder

Materie, als Lebensereignis, folgt meinem Bewusstsein, als Spiegelbild meiner Vorstellungen und Glaubenssätze.

 

1.2. Mein Mindergefühl: wesentlicher Ursprung für die Begrenzungen meines Lebens

Materie folgt meinem Bewusstsein

Bewusstsein folgt meiner Absicht

Absicht folgt meiner Einstellung

Einstellung folgt meinem Handeln

Handeln folgt meinem Denken:

Jeder gelebte Mangel hat seinen Ursprung

in Gedanken von Mangel,

Gedanken was nicht geht,

was nicht soll, was nicht darf,

was es nicht wert ist.

Auf das Mindergefühl, bzw. Mangelbewusstsein angesprochen, reagieren die allermeisten mit Ablehnung und Zurückweisung. Doch die Schärfe ihrer Reaktion zeigt auf direktem Weg, wie wenig man sich mit dem Thema auseinandersetzen will, weil da eine Angst mitschwingt: Es ist die Angst vor Versagen und vor dem Gesichtsverlust (vor allem vor sich selbst).

Menschen, die das Urvertrauen über die Erziehung nicht oder kaum erfahren durften, entwickeln automatisch ein Mangelbewusstsein. Wann immer es sich in mir aktiviert und mir einzureden versucht, dass etwas in meinem Leben knapp, begrenzt, bzw. nicht verfügbar, nicht erreichbar oder von kurzer Dauer ist, steigert meine Sehnsucht, mich abzusichern.

Je größer mein Wunsch nach Sicherheit dabei wird, umso weniger vertraue ich dem Leben an sich. Umso kleiner ist mein Urvertrauen in mir verankert.

Als Gefühl lässt sich das Urvertrauen6 beschreiben:

als tiefe seelische Gewissheit, einer Form von unbewiesenem Wissen, einem transzendenten Glauben, das ich nichts festhalten muss, dass immer genug nachströmt, wenn ich losgelassen habe.

Es reicht immer! Egal, wie ich mich entscheide.

Nicht zu verwechseln ist dabei das Verhalten bei Verdrängung und Verleugnung: mit einem „ich tue mal so als ob“ versuche ich dann meine Verantwortung auszublenden. Dann allerdings nutzt einem auch all sein Urvertrauen nichts. Es unterstützt nur dann im Leben, wenn wir jeden Tag unser Bestes geben, bei vollem Einsatz und umfassenden Verantwortlichkeit.

Das Vertrauen beim Atmen ist ein Indiz dafür, wie Urvertrauen in uns wirkt: Ich kontrolliere nicht, während ich atme: ich frage nicht, ich zweifele nicht, es geschieht alles ganz automatisch. So kann ich mich im blinden Vertrauen auf mich selbst von allem lösen,

weil ich nicht existiere, um zu besitzen oder mich an etwas zu klammern;

weil sich meine wahre Existenz als bedingungsfreier, flexibler Rhythmus zeigt, zwischen Bindung und Loslösung, zwischen Nähe und Distanz;

weil ich ein Weltenbummler bin, der ganz selbstverständlich überall und nirgends sein Zelt auf- und abbaut. Denn meine Heimat liegt einzig in meinem Herzen;

Für den Menschen im Urvertrauen ist nicht etwa das lebensnotwendig, was er materiell sammeln und horten kann, sondern jenes, was er über die Lebenssituation an Erfahrung und Weisheit aufnimmt. Nur wer rastet, der rostet. Und Rost macht bekanntlich bewegungsunfähig. Doch alles, was sich nicht bewegt, ist tot.

Wer also das Leben ausgrenzt, weil er nicht sterben will, stirbt, weil er nicht leben kann:

„Der Mensch muss mit dem Leben bezahlen, er muss täglich bereit sein, zu sterben, sich den Risiken und Gefahren dieser Welt auszusetzen, sich von ihr verschlingen und verbrauchen zu lassen. Andernfalls ist man am Ende selbst wie tot, weil man verzweifelt bemüht war, dem Leben (aus Furcht vor dem Tod) zu entrinnen.“7

Dabei sollen Veränderungen uns nicht bewegungsunfähig machen, sondern sind herzliche Einladungen,

diese kreativ anzunehmen,

um Mut zu entwickeln,

gegenüber dem uns Bekannten auf Distanz zu gehen und

uns neugierig dem Unbekannten zu öffnen.

Mit dieser Form der Selbstwahrnehmung erleben wir unsere Umwelt und Veränderungen als Spiegel unseres Wesens. Damit verbindet sich die Chance, eins mit uns selbst zu werden. So lernen wir uns über die Außenwahrnehmung unserer Lebensrealität immer wieder selbst zu begegnen:

Egal, wen Du im Leben triffst,

Du triffst immer nur Dich selbst

Egal, was im Leben auf Dich trifft,

ist der Ursprung Du selbst

Egal, wie das Leben auf Dich trifft,

spiegelt es Dich in höchster Klarheit8

Dann werden wir schrittweise eins mit uns selbst:

über die Identifikation und damit der Beziehung zu uns selbst,

körperlich und geistig, sowie

über alle Beziehungen unseres Umfeldes und unserer Umwelt.

Es ist das über mein Ego gebildete Selbstbild, das verteidigt werden will, das mich am Loslassen hindert. Dabei fürchtet sich mein Ego vor der Selbstoffenbarung, damit sein (=mein) so mühsam gebildetes Selbstbild und die damit verbundene positive Vorstellung über meine Person nicht infrage gestellt wird: vor allem nicht von mir selbst.

Und warum?

Weil über die Trennungserfahrung der Geburt das Mindergefühl in uns aktiviert und über die Erziehung konditioniert (also verinnerlicht) wurde. Mit dem Grundgefühl „ich bin nicht gut genug, mir fehlt etwas“, steht das Gefühl der Abweisung, bzw. Ablehnung im Raum. Wann immer ich Angst vor Versagen und Verlust habe, ist es letztlich die Angst vor der Abweisung und Trennung, die mich treibt.

Das Mindergefühl – mein Atompilz im Kopf

Quelle: Paul, Thomas.: Warum Erwartungen und Versprechungen mir meine Freiheit nehmen, BOD Verlag, 2018, S. 24.1

Es ist dem Mindergefühl geschuldet, dass sich die Menschen ständig absichern wollen, damit das Selbstbild, also die Vorstellung über meine Sonnenseite bestätigt wird und ich mich dadurch gegenüber mir selbst in Sicherheit wiegen kann. Vor allem über die Erziehung und das soziale Umfeld baue ich mir im Laufe meines Lebens ein sehr individuelles, aber vor allem immer dichteres und komplizierteres Netz aus Erwartungen und Versprechungen auf. Ein Geflecht aus Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber mir und meinem Beziehungsgefüge.

Kein Wunder, wenn sich dadurch bei den meisten die Schuldfrage stellt, weil man glaubt, sich etwas zuschulden hat kommen lassen, bzw. dass die Gefahr besteht schuldig zu werden, weil Forderungen nicht erfüllt wurden.

Niemand will, dass man mit dem Finger auf einen zeigt: moralisch, noch in Fragen von Schuld und Verantwortlichkeit. Als Folge bilden sich Verteidigungsstrategien, um die bestehende Lebenssituation und geistige Position aufrechtzuerhalten:

Verleugnung+„Schöner Schein“

„so soll mich das Umfeld wahrnehmen“:

über Kleidung, bzw. Lifestyle definieren wir uns funktional und gruppieren uns entsprechend innerhalb unserer Gesellschaft

„das soll das Umfeld von mir denken“:

die Summe meines Verhaltens und meiner gelebten Kommunikation

Selbstüberschätzung+Überheblichkeiten

Das Mindergefühl treibt uns, sich mit allem und jedem zu vergleichen. Dabei hilft es unserem Ego, wenn wir uns

erhöhen,

um uns z.B.

gegenüber schwächeren besser

zu

fühlen.

Darum verhalten wir uns dann überheblich (z.B. Nase rümpfen, schlecht reden)

Heimlichkeiten

Bewusstes Verschweigen von Handlungen. Mittel der Ausgrenzung: z.B. über hinter vorgehaltener Hand reden

„unheilige“Allianzen

Interessensgruppen zum Nachteil Dritter, z.B. Mobbing

Machtmissbrauch

Das Ausnutzen persönlicher Vorteilen zum Nachteil Dritter

Meist kombinieren sich einzelne Punkte, was die Wirkung von Ausgrenzung und Trennung noch verschärft. Gehe ich diesen Weg, übertrage ich mein eigentliches Problem auf einen anderen oder etwas anderes. Doch das physikalische Gesetz des Ausgleichs ist unerbittlich: es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bumerang zurückkommt und ich den Preis für meine Handlungen zahlen muss.

Die Basis ist dabei stets gleich: sobald ich mich unfähig fühle, in einen offenen Dialog mit mir und meinem Umfeld (Arbeitskollegen, Familie, Freunde, Nachbarn, usw.) zu treten, bin ich unfähig auf Augenhöhe zu kommunizieren. Darum bilden sich diese Verteidigungsmuster. Ich rede dann nicht mehr direkt und im Miteinander, sondern man redet übereinander, bzw. über Umwege (Stellvertreter). Dann spiegelt meine Verhaltensweise lediglich wider, wie mein innerer Standpunkt gerade ist und wie ich geistig damit umgehe.

Meistens sind unsere Denk- und Verhaltensmuster durchtränkt von Gefühlen des Mangels und des Widerspruchs: ständig fehlt es mir an Anerkennung, persönlicher Nähe, Liebe, Zuneigung und dennoch suche ich meist zeitnah wieder das Gegenteil, indem ich mir mehr Privatsphäre oder Unabhängigkeit wünsche. Im Grunde kann ich es mir selbst nicht recht machen, weil ich mich nicht entscheiden kann.

Und all diese Verteidigungsmuster nur aus einem Grund: weil wir es uns nicht vorstellen können, dass Mangel nur das Druckmittel meines Egos ist und ich tatsächlich im Überfluss leben kann, wenn ich mir meinen gelebten Mangel bewusst mache und diesen loslasse, indem ich mich auf die Vielfalt im Leben fokussiere und einlasse.

Denn nur worauf sich mein Fokus hin ausrichtet, entsteht Realität: willkommen in der Quantenphysik. Entscheidend ist also, worauf meine Aufmerksamkeit fällt. Dann ergibt sich automatisch, ob ich mein Leben als mangelnd, bzw. unzureichend empfinde oder alles sich genau andersherum verhält

Meinem Selbstwert auf der Spur (1)

… Veränderungen gegenüber bin ich skeptisch, weilneinmanchmalregelmäßigich hilflos bin   ich vieles nicht kann   ich Angst habe zu verlieren   ich Angst habe zu versagen   ich in Gefahr geraten kann   ich mir unsicher bin   ich sowas noch nie gemacht habe   ich bin nicht gut genug   ich die Konsequenz nicht ertrage   ich die Folgen nicht schaffe   ich mich nicht anpassen kann   … ich glaube, mein Umfeld denkt, dassneinmanchmalregelmäßigich es nicht wert bin, geliebt zu werden   man mich ausnutzen kann   ich nie den Richtigen finde   ich ein hoffnungsloser Fall bin   ich nichts Besonderes bin   ich unwichtig bin   ich nicht gut genug bin   ich ein einsamer Mensch bin, verlassen und allein gelassen   

Meinem Selbstwert auf der Spur (2)

… ich glaube, mein Umfeld denkt, dass:neinmanchmalregelmäßigich so nicht positiv rüberkomme   ich alles immer falsch verstehe   ich ständig Fehler mache   ich mich gerne blöd/dumm anstelle   ich motivationslos bin   ich nicht weiß, was ich will   ich erfolglos, ein Versager bin   ich im meinem Alter keinen gescheiten Job mehr finde   … ich glaube, mein Umfeld denkt, dass:neinmanchmalregelmäßigich machtlos bin   ich ein Opfer bin   ich schwach bin   ich immer der Letzte bin   ich mich nicht verteidigen kann   ich nicht nein sagen kann   ich ein Verlierertyp bin   ich von anderen abhängig bin   ich im Vergleich schlechter bin   ich ungeschicktem   ich an vielem „schuld“ bin   ich nicht richtig „funktioniere“   

 

1.3. Mein Mangelgefühl - Gelebte Symbiose aus Mangel an Selbstempfindung, bzw. Selbstbewusstsein

Wenn Menschen sich mit Haut und Haaren einer Sache verschreiben, wenn Sie sich einem Verein, einer beruflichen Tätigkeit, bzw. einem Unternehmen oder einer Partnerschaft zugehörig fühlen, geben Sie einen Teil ihrer Eigenständigkeit auf, um über die Symbiose den Zustand von Einswerdung in der Gemeinschaft zu erleben. Grundbedingung dazu ist die Übernahme von Verhaltensregeln, Lebensroutinen oder von Gruppenmeinungen.

Mit der Adaption entsteht Gruppenzugehörigkeit, die den Teilnehmern Gültigkeit und Sicherheit verleiht. In einem so geschlossenen Umfeld muss ich mir keine Gedanken mehr nach Anerkennung machen. Mit der Übernahme der vorherrschenden Ordnung und Struktur gebe ich meine Selbstverantwortlichkeit ein Stück weg ab: Ich muss mich nicht mehr entscheiden, ich lasse für mich entscheiden. Dabei wirkt eine Gruppendynamik wechselseitig, sowohl positiv, wie negativ. Geht das symbiotische Gegenstück aber verloren, zerplatzt auch die gefühlte Lebenssicherheit und die damit verbundene Geborgenheit wie eine Seifenblase. Dann ist es wie mit einem Baum, den man in der Mitte durchgesägt hat: er verliert seinen Halt, seine Stabilität. Nicht selten stirbt der Baum. Emotional erleben diese Menschen die damit verbundene Verlusterfahrung als unerträglich und existenz-bedrohlich: ein Gefühl seine Identität zu verlieren.

Um diesem bedrohlichen Gefühlsschmerz zu entkommen, will man erst einmal so weiterleben, als wäre nichts geschehen und es wird mit Hochdruck versucht, den Verlust wieder ungeschehen zu machen, bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen (indem man alles fernzuhalten versucht, was eine Trennung hervorrufen kann). Auch wenn dies bedeutet, dass man sich so weit unterordnet, dass von einem selbst kaum etwas sichtbar übrig bleibt.

Die Entstehung meines Selbstbildes

Quelle: Vgl. Paul, Thomas: Warum Erwartungen und Versprechungen mir meine Freiheit nehmen, BOD Verlag, 2018, S. 45.

Als Säugling erleben wir eine ultimative Symbiose mit unserer Mutter9. Ein Leben im sicheren Kokon, in dem wir ganz selbstverständlich gewärmt und genährt werden. Doch durch die Geburt und der Durchtrennung der Nabelschnur wird diese Symbiose aufgelöst. Die erste Wiederannäherung an die Mutter erfolgt über das Stillen an der Brust. Bleibt diese Phase aus, kann sich im Laufe des Lebens eine Sehnsucht nach symbiotischer Verschmelzung entwickeln. Dann wird aus der nährenden Brust der Mutter, z.B. der schützende Verein, bzw. eine Gemeinschaft.

An diesem Punkt im Leben hat man sich selbst noch nicht gefunden und sucht schlicht am falschen Ort. Verwechselt man die sichere Mitte in Form der eigenen Entwicklung seiner Persönlichkeit mit der des Vereins, mit seiner gefühlt gemeinschaftlichen Zugehörigkeit. Dann geht man nicht in Symbiose mit sich selbst, sondern in Symbiose mit oder zu etwas anderem: eben auch mit einem Verein. Doch alle nicht abgeschlossenen Entwicklungsphasen (eben z.B. die der Selbstwahrnehmung) wollen noch einmal durchlebt werden. Darum kehren diese als neuerliche Lebensaufgabe nur zu einem späteren Zeitpunkt wieder in mein Leben: Dann gerne auch über die Anerkennung im Verein, aber eben nicht als Stellvertreter für die eigene Bequemlichkeit sich selbst nicht anerkennen zu wollen.

Ein symbiotisches Erlebnis von „Einswerdung“ kann über die Sexualität erlebt werden, wenn das Aufgehen in ein größeres, gemeinsames Ganzes gelingt. Bleibt der Geschlechtsakt jedoch ohne emotionalen Bezug, kann die Wunde nicht geschlossen werden. Dann besteht die Gefahr im Rausch wechselseitiger Geschlechtspartner immer und immer wieder zu versuchen, die emotionale Lücke zu schließen.

Wenn der Fußballfan nach einem verlorenen Spiel seine eigene Existenz als angegriffen, bzw. betroffen sieht und diese über Aggressivität (Hooligans) zu beschützen sucht, wollen emotionale Wunden der Vergangenheit geheilt werden.

Egal ob sich die Mutter nicht auf die Phase der Symbiose mit Ihrem Kind einlassen konnte oder ob sie nicht bereit war, das Kind aus der Symbiose zu entlassen10, am Ende wird der Mensch Gefahr laufen, Schwierigkeiten mit seiner Individualisierung, mit seiner ICH-Werdung zu haben. Mit dem Zweifel über sich selbst, wächst der Zweifel über das Sein, das Leben und letztendlich auch über die persönliche Zukunft. Dann summieren sich Verlustphasen als wiederkehrende Erlebniswelten aufgrund dieser so wesentlich verlorenen Symbiose mit sich. Dann verliert sich auch die Leichtigkeit, Entscheidungen zu treffen.

Bleiben Trennungsphasen unvollendet, führen diese letztlich in die emotionale Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. Dann klammern sich Betroffene z.B. an mütterliche Stellvertreter, um am Ende doch wieder allein zu bleiben, mit einer Mischung aus Schuldgefühlen und der damit verbundenen Versagens- und Verlustangst.

Der Arbeitsplatzverlust ist oft Auslöser für Bestrebungen, den persönlichen Status quo auf jeden Fall beizubehalten. Zu sehr hat man sein Lebenswohl auf den Fortbestand im Unternehmen übertragen. Wird aus dem „das kann doch nicht sein …nach 20 Jahren Firmenzugehörigkeit“ eine Existenzfrage. Doch spiegelt es nur ein kindliches Verlangen nach elterlicher Fürsorge und Sicherheit, ohne seine Eigenverantwortlichkeit aktiv zu leben. Auch hier wiederholt sich das Prinzip der „selbsterfüllenden Prophezeiung“11.

Wenn ich nur über das mir Bekannte und Gewohnte, also im Äußerlich-funktionalen mein Glück suche, suche ich am falschen Ort. Dann bleibt mein wahres Glück unentdeckt, weil ich es nicht über das Innerlich-Gefühlte und als „real“ Wahrgenommene erfahren und gefunden habe. Gerade bei Menschen mit einem starken Geltungsdrang, z.B. mit dem Horten von Statussymbolen oder z.B. von Titeln, beobachtet man diese innere Leere regelmäßig.

Für Menschen die Entwicklungsphasen nicht wirklich durchleben und beenden konnten, ist es wichtig, diese im späteren Leben nachzuholen. Darum wiederholen sich diese noch unvollendeten Lebenssituationen regelmäßig, und zwar solange diese Aufgabe ungelöst bleibt. Auch hier gilt eines der Grundgesetze des Lebens:

es wird so lange wiederholt, bis es vom Herzen aus gelebt wird.

Dies ist aber nur über das Bewusstsein der eigenen Situation möglich.

Wer nicht erkennt, warum er leidet, kann in der Folge den unvollendeten Entwicklungsschritt nicht zu Ende gehen. Wann immer ich feststelle, dass ich mich besonders z.B. an einen Menschen oder ein Idealbild klammere, umso mehr bin ich eingeladen, den Ursache-Wirkungs-Mechanismen auf den Grund zu gehen. Erkenne ich diesen, darf ich mich jederzeit neu entscheiden, ob ich mit meinen bisherigen Erwartungen und Versprechungen (z.B. als Summe meiner Vorstellungen oder Vorsätze) symbiotisch leben will oder ob ich als selbstbestimmtes Individuum mein Leben aktiv gestalte und meistere,

mit all seiner Lebensfreude,

gesunden Aggressionen und Kampfbereitschaft,

den Mut sich dem Leben zu stellen und vor allem,

sich selbst ganzheitlich zu erleben.

Die einzige Grundbedingung liegt darin,

sich seinen Schattenthemen zuzuwenden,

sich ebenso all seinen offenen Wunden fürsorglich zu begegnen und diese mit Liebe und Herzlichkeit zu versorgen,

damit sie heilen können.

 

Wehre den Mangel in Deinem Herzen!

Denn er ist der Ursprung Deiner Herzlosigkeit.

Wehre den Mangel in Deinen Gedanken!

Denn er ist der Ursprung Deiner Armut.

Unser Planet ist voller Reichtum und unvorstellbarer Vielfalt.

Doch mein Denken ist voll von Gefühlen der Entbehrung

Also horte ich, weil ich nicht vertrauen kann

Geize ich, weil ich nicht teilen kann

Nur eines erlebe ich im Überfluss

MANGEL

Mangel im Herzen

Mangel zu vertrauen

der Welt und meinem Leben.

 

1.4. Mein Leben ist die Summe aller Beziehungen

Mit dem ersten Atemzug trete ich in Beziehung zum irdischen Leben, indem ich das Leben selbst über die Luft in meine Lungen strömen lasse: ein erster Schrei. Ich bin angekommen. Von nun an bin ich Teil dieser Welt, ein Leben auf dem blauen Planeten, der Mutter von allem und jedem. Sinnbildlich ist es meine leibliche Mutter, die diese lebenswichtige Beziehung symbolhaft übernimmt. Je mehr mich meine Mutter nicht nur körperlich füttert, sondern vor allem emotional nährt, indem ich ihre bedingungslose Liebe erfahre12, umso mehr werde ich mein Leben und dem Platz auf dieser Welt annehmen und mich allem anvertrauen. Wer dieses Urvertrauen erfahren durfte, wird deutlich weniger Belastungssituationen erleben und sich beispielsweise selbst nicht als fehlerhaft oder nicht fähig genug empfinden, wenn-gleich man sich seiner persönlichen Grenzen bewusst ist.

Doch nur wenigen Menschen auf dieser Welt wurde dieser Luxus in die Wiege gelegt. Die meisten Menschen erlebten sich und ihre Situation als mangelhaft, unzureichend, entbehrungsreich, schwierig, beschwerlich. Es ist ein Gefühl, dass mir ständig etwas fehlt oder etwas mit mir nicht in Ordnung ist. Dann bleibt jede eigene wahre Identität und Identifikation mit dem eigenen Leben unter-entwickelt. Dagegen hat sich ein Mangelbewusstsein in mein Denk- und Verhaltens-muster etabliert, aus dem heraus ich mich mehr als benachteiligt, hilf- und einflusslos empfinde. Mit dem Mangelbewusstsein verbunden ist die Opferrolle.

Menschen die in sich ruhen, die im offenen Dialog mit sich stehen und eine klare, vertrauensvolle Vorstellung von sich haben, sind Gestalter ihres Lebens, weil sie nicht mehr damit beschäftigt sind, ihren gefühlten Mangel zu verwalten, sondern um Ihrer erlebten Lebensfülle noch mehr Lebensfreude hinzuzufügen.

Die meisten Menschen verharren jedoch in ihrem Mangelbewusstsein, leben in bester Absicht und Überzeugung sich selbst zu kennen, bis sie an einem Punkt in ihrem Leben erschreckt feststellen, dass sie nie wirklich mit und in sich selbst gelebt haben, dass viele Lebensjahre scheinbar verloren sind, weil sie erschrocken erkennen, wie wenig sie sich wirklich kennen, bzw. empfinden:

Dass die bisher gelebte Identität weitgehend aus der ersten Lebensprägung, also der elterlichen Erziehung und des sozialen Umfeldes entstanden ist, begreifen die wenigsten. Diese erste Lebensprägung wiederum versteht sich als Summe von Vorstellungen und inneren Realitäten, wie etwas als Konsens zu sein hat.

So leben wir nicht unser eigenes Leben, sondern die Rolle(n), die wir als richtig, bzw. wichtig/tragend anerkannt haben, weil sie uns vorgelebt wurde(n). Dann identifiziere ich mich nicht über die Beziehung zu mir, sondern über die Identifikation mit meinem Umfeld. Glaube ich, dass sich über die Weiterführung, bzw. Pflichterfüllung der mir vorgelebten Lebensrollen mein Leben erfüllen wird. Doch was sich da erfüllt ist eben nicht mein Leben.

Am Ende wache ich auf, bin allein, umgeben von konfliktreichen und emotional leeren Beziehungen. Muss ich mir eingestehen, dass die fehlende Verbindung zu mir selbst zu immer falscheren Lebensbedingungen führte, die mich immer mehr belasten und mir ebenso meine Lebensfreude rauben.

Alles was nicht zu meinem Kernwesen passt, entwickelt sich kraftraubend und auszehrend. Erst wenn ich zu mir selbst gefunden habe, kann ich ein authentisches, sinnliches und sinnvolles Leben führen. Dann fließt ständig neue Lebensenergie von innen heraus, enden meine Erschöpfungszustände.

Sich selbst zu finden heißt: auf die Reise zu gehen und in einen vorurteilsfreien Dialog mit sich zu treten und den eigenen inneren Stimmen zuzuhören. Dies beschreibt einen Prozess des Sich-Erfühlens, des Sich-Begreifens, des Sich-Spürens, des Sich-Vertrauens: als Reflexionen, als Auseinandersetzung zwischen dem bewusst erlebten ICH, mit all seiner Logik und Rationalität und den subjektiven Gefühlen, Interpretationen und Vorstellungen, die aus einer unbewussten Ebene zu mir heraufsteigen. Menschen, die sich im Grübeln oder in einer Gedankenschwere verfangen haben, fehlt Vertrauen zu sich selbst, begleitet von Ängsten, dass die Antwort das bestehende Selbstbild, bzw. Lebensmodell infrage stellt. Diese Menschen fühlen sich nicht, weil sie sich selbst und ihrem eigentlichen Wesen gegenüber verschlossen bleiben. Diese Menschen hinterfragen nicht, weil sie meilenweit von sich selbst entfernt sind, gefangen in ihren Vorstellungen über das, wie es sein soll. Diese Menschen bleiben ohne Neugier, weil sie sich selbst nicht (zu-)-trauen13 und sich als logische Folge alternativen Lebenssituationen hin nicht öffnen können. Diese Menschen suchen das Patentrezept über Stellvertreter und reduzieren sich darauf, im Leben zu funktionieren. Je größer dabei die Anerkennung von außen erlebt wird, umso mehr stellt sich bei Ihnen das Gefühl ein, richtig zu liegen. Wichtige Fragen des Selbstdialoges bleiben ausgeblendet:

Wie fühle ich mich jetzt, in dieser Situation?

Welche Emotionen kann ich beobachten?

Was macht die Situation mit mir?

Je weniger ich mich über mich selbst verständigt habe, umso weniger Selbstverständnis erfahre ich. Dann habe ich mich nur damit begnügt, mich mit meinem Umfeld, meinem Außen zu verständigen. Mein Außenverständnis begreife ich infolge irrtümlich als Selbstverständnis und merke nicht, dass ich eine reine Funktionseinheit aus Erwartungen und Versprechungen bin. Stets bemüht, alles umfänglich zu erfüllen, damit ich im Außen Anerkennung erfahre, bzw. von außen wahrgenommen werde. So bleibe ich in der Außenwahrnehmung gefangen, weil ich selbst nicht in der Lage bin, mich wahr-zu-nehmen, mich als wahr anzunehmen.

Formen von Erschöpfungszuständen (wie z.B. der Burnout) sind Wegweiser dahingehend, dass das Leben als Pflichterfüllung definiert und gelebt wird. Man in Automatismen und Routinen gefangen ist, die stoisch abgearbeitet werden müssen, aus Angst nicht zu funktionieren, aus Angst die Kontrolle zu verlieren oder aus Angst abgelehnt zu werden und am Ende einsam zurückzubleiben. Menschen, die als Funktionseinheit leben, verweigern sich regelmäßig ihrer wahren Emotionen, die immer wieder an die Bewusstseinsoberfläche stoßen.

Doch die Ausgrenzung ihrer Emotionen verschafft nur einen zeitlichen Aufschub. Je stärker ich meine eigenen Gefühle verbanne, umso stärker kommen sie spontan und unkontrolliert zurück. Meist verpackt mit psychosomatischen Symptomen, in Form von z.B. Hautausschlägen, Herzrasen, innerer Unruhe, Kurzatmigkeit, Schmerzen und Verspannungen im Kopf, der Schulter, dem Rücken oder den Knien. Doch Betroffene sind überrascht und können nicht nachvollziehen, dass die Signale eine logische Konsequenz ihres sich Schönredens, ihres Sich-Vormachens und ihrer sich gegenüber unehrlichen Realitätsverweigerung sind, weil ihnen der Bezug zu ihrem Selbst fehlt. So sind z.B. Krankheiten fremdgesteuert und nur von außen verursacht.

Das Selbstbild, das sich nur über die Erfahrung aufgrund der erlebten Außenwahrnehmung gebildet hat, verweigert Vorstellungen von einer inneren Körper-Geist-Beziehung und klassifiziert diese als „nicht realistisch“ und „nicht zugehörig“.

Parallel zur Lebenszeit im Funktionsmodus entwickelt sich eine imaginäre Angst vor Versagen und Verlust. Man beginnt sich mit der Lebenssituation und dem vermeintlich unabwendbaren persönlichen Schicksal abzufinden, sich zu ergeben, die störenden Signale zu verdrängen, gar zu verleugnen und aus der eigenen Selbstdarstellung, mit all den damit verbundenen inneren Erwartungen und Versprechungen zu verbannen. Mit einem mehr von dem immer Gleichen, lasse ich alles einfach weiterlaufen und erhoffe dadurch Ruhe zu finden, doch das Gegenteil ist der Fall.

Zeit, dass ich mein Selbstbild loslasse! Es ist doch nur eine Vorstellung, eine einzige Möglichkeit, wie es sein kann. Im Loslassen meines Selbstbildes öffne ich die Schatzkammer der Schöpfung.

Also: Gehe ich mal aus mir heraus und lasse mein Selbstbild zurück!

Alles im Leben ist Beziehung.

Jeder Blick, jeder Ton, jede Berührung schafft Verbindung

Daher sind wir mit allem verbunden

Einsamkeit ist die Illusion meines Egos.

 

1.5. Wer bin ich oder wie viele?

Auch wenn wir uns grundsätzlich als körperliche und geistige Einheit verstehen, es ist nur die halbe Wahrheit. So leben mehr Bakterien (weitgehend symbiotisch) mit uns, als wir Körperzellen besitzen. Ohne diese Bakterien sind wir nicht überlebensfähig. In dieser Betrachtung bin ich also verdammt viele. Aber auch auf meiner geistigen Ebene bin ich nicht allein. Dort agieren mindestens zwei Protagonisten: mein Ego und meine Seele. Mein ICH-Bewusstsein nimmt diese als Stimmen und Gefühlswolken war. Je mehr ich von meinem Ego bestimmt bin, umso egozentrischer, bzw. „egozentristischer“14 bin ich.

Es ist wie bei einem Taxi.

Sobald die Seele auf der Erde gelandet ist, steigt sie in das für sie bestimmte Taxi. Vorne sitzt derTaxifahrer, mein Ego. Die Seele gibt das (emotionale) Ziel der Reise vor, stimmt sich aber von Zeit zu Zeit mit Zuhause (alte Seele) über Funk ab. Der Taxifahrer wiederum wählt erst einmal die Strecke selbst, bzw. bekommt Anweisung von der Taxizentrale (Alter Ego) und verlässt sich dabei auf das Navigationssystem (erste Lebensprägung: gespeicherte Erfahrung, Erziehung). Im Laufe der Fahrstrecke gibt es immer wieder Diskussionen über das wieso und warum links oder rechts, Autobahn oder Seitenstraße. Ich als Taxi höre vor allem die Stimmen der beiden Protagonisten. Solange sich die beiden nicht auf Augenhöhe verständigen, werde ich ständig hin- und hergerissen. Stimmen sich beide aber ab, wird die Lebensfahrt beständig und frei von Umwegen.

Am Anfang meines Lebens bin ich als Wesen auch wie ein ungeschriebenes Blatt Papier: weiß und unbeschrieben. Doch im Laufe der Lebensjahre schaffe ich mir eine eigene Realität, die sich aus den Erfahrungen meiner Erziehung, den Lebensroutinen und den gesellschaftlichen Normen meines Umfeldes gebildet hat. Dieses ICHBewusstsein ist eine Konsequenz aus meiner bisherigen Prägungen und den daraus entstandenen Vorstellungen. Es ist nichts weiter als eine konsequente Identifikation über Adaption (reflexionslose Übernahme).

So bin ich bei genauerer Betrachtung nichts weiter als die Kopie des Denk- und Verhaltenskanons meiner Erziehungsberechtigten und meines gesellschaftlichen Umfeldes. Als Kind habe ich noch kein eigenes Bewusstsein entwickelt. Daher nehme ich alles unreflektiert auf, was in meiner Umgebung geschieht. Es ist der Blick auf mein direktes Lebensumfeld, der mich glauben macht, wie ich bin. Fehlt es meinem Umfeld z.B. an bedingungsloser Liebe, nehme ich meine Umwelt über falsche Bezüge wahr und entwickle eine verkehrte Identität zu mir. Dann erlebe ich stetig, dass ich z.B. nur geliebt werde, wenn ich mindestens eine Bedingung meines Umfeldes erfüllt habe. Folge: Liebe ist nur ein Ausdruck von Wertung und wir stehen unbewusst genau im Gegenpol zu dem, was wir im Mutterleib erlebt haben: bedingungslose Liebe. Dann entwickelt sich meine Rolle im Leben nur als eine Maske meines Umfeldes.

Liebe ist demnach ein Tauschhandel und verdammt nah am Thema der emotionalen Prostitution. Wenn sich bei Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, an dieser Stelle ein Widerstand auftut, dann ist das verständlich. Der einzige Unterschied: bei der Prostitution wird mit harter Münze bezahlt. Als Kind zahle ich mit Gehorsam, Pflichterfüllung und dem Immer-lieb-sein-wollen: Wenn ich als junger Mensch eben keine oder nur wenig bedingungslose Liebe erfahre.

Die bedingungslose Liebe wird auch als Urvertrauen15 bezeichnet. Fehlt mir das Urvertrauen, lebe ich in einem permanenten Gefühl von Fehlerhaftigkeit. Daraus entwickelt sich das Mangelbewusstsein und ich beginne ständig nach den scheinbar noch fehlenden Puzzlestücken von mir, bzw. meines Selbst zu suchen. Doch weil ich das Urvertrauen in meinem Umfeld nie kennengelernt habe, fehlt mir der Bezug, und damit das Vertrauen zu mir selbst: dass der Tisch für mich bereits reich gedeckt ist und das ich vollkommen bin.

Darum vergleiche ich mich ständig mit meinem Umfeld. Sorge mich über mein Aussehen, meinen gesellschaftlichen Status, sorge mich um meine Zukunft. Denn auch wenn ich mir die größte Mühe gebe, den äußeren und inneren Bedingungen und Wertungen zu genügen: das Gefühl bleibt, weiter fehlerhaft und unvollständig zu sein. Dadurch bleibe ich weiter blind und ohne Bezug zu mir selbst und begrenze mich, alles nur über die Außenwahrnehmung zu definieren und nur dort nach Anerkennung zu suchen. Darum entwickle ich im Laufe meines Lebens eine immer stärkere Sehnsucht nach dem Gefühl der Einheit, der Vollständigkeit, weil sich die innere Leere immer weiter ausbreitet, zumindest aber nicht auflöst.

Regelmäßig erkennen meine Klienten während eines Coachings, dass sie das Denk- und Verhaltensmuster eines ihrer prägenden Bezugspersonen (z.B. Mutter, Vater oder Großeltern) übernommen haben, ohne sich jemals darüber bewusst geworden zu sein, mit welcher brachialen Konsequenz diese Adaption ihr Leben verzerrt und als Folge vor ihrem wahren Selbst entfernt hat. Ohne diese Form der Selbstreflexion bleibt die verkehrte Identität erhalten, mit der man sich weiter zu arrangieren versucht und die damit verbundene Bequemlichkeitszone nicht verlässt, aus Angst über die Veränderung noch mehr zu verlieren.