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In dieser turbulenten Rockstar-Romance lassen sich Gefühle genauso schwer festhalten wie der perfekte Moment auf einem Foto.
Nachdem der Tourfotograf hingeworfen hat, erhält Ruby den Auftrag, die Rockband Heartbreaker mit der Kamera auf ihrer Tournee zu begleiten. Sie ahnt jedoch nicht, dass neben kreischenden Fans und wilden Konzerten auch der charismatische Drummer Noah ihr Herz zum Trommeln bringen wird.
Ungeachtet ihrer eigenen Regeln lässt sie sich auf einen harmlosen Flirt mit ihm ein, und schnell wird klar, dass aus ihrem romantischen Abenteuer mehr werden könnte. Während Ruby versucht, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, setzt Noah alles daran, ihr zu beweisen, dass auch ein Rockstar sein Herz verlieren kann.
Als die merkwürdigen Vorkommnisse auf der Tour sich häufen, wird nicht nur die wachsende Anziehung zwischen ihnen, sondern auch ihre Sicherheit auf die Probe gestellt …
4 Autorinnen. 4 Rockstars. Eine Band.
Tauche ein in die fesselnde “Heartbreaking Rockstars”-Reihe, bestehend aus vier eigenständigen Geschichten, die dennoch miteinander verflochten sind und in jedem Band aus einer anderen Perspektive die gemeinsame Welt voller Geheimnisse und unerwarteter Verbindungen enthüllen.
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Applaus und Jubel begleiten uns noch, als wir nach dem letzten Song die Bühne längst hinter uns gelassen haben und im gemeinsamen Umkleidebereich eintreffen, wo Chloe und Matt uns Handtücher und frisches Wasser reichen. Ich presse mein Gesicht kurz in den Frotteestoff. Als ich wieder aufblicke, grinst unser Manager mich breit an, während ich an ihm vorbeistolpere.
Timothys fester Handabdruck trifft mich zwischen den Schulterblättern. »Toller Auftritt, Noah! Ihr habt einen super Job gemacht, Jungs.«
Ich nicke nur erschöpft, während er sein großzügiges Lob auch über Sam und West verteilt. Ein Grinsen huscht über mein Gesicht. Nash ist sicher noch bei Joy. Mit dem Kuss, der in Großaufnahme auf jeder Leinwand und im Online-Stream zu sehen war und sicher ein paar Fanherzen mit ziemlichem Schmerz füllte, hat er ein klares Statement gesetzt. Ich bin froh, dass dieses Hin und Her zwischen den beiden jetzt ein Ende hat.
Das Smartphone in Timothys Hosentasche unterbricht meine Gedanken mit einem lauten Klingeln. Unser Manager greift danach und verschwindet zeitgleich mit Chloe und Matt durch die Tür nach draußen.
Ungeduldig ziehe ich mir die durchgeschwitzten Klamotten über den Kopf, reibe mir die nasse Haut trocken und schlüpfe dankbar in das frische Hemd, das Bonny mir bereits an den Garderobenständer gehängt hat. Am Ende der Show bin ich durch die Zugaben und Abschiedssoli jedes Mal so hinüber, dass ich froh bin, wenn ich die Umkleide noch finde, ohne über meine eigenen Füße zu fallen. Es ist ein Segen, dass wir dieses tolle Team im Hintergrund haben, das uns so selbstverständlich unterstützt und bei den kleinen Alltäglichkeiten unter die Arme greift. Vor fünf Jahren wäre das alles undenkbar gewesen. Die Zeiten, in denen wir noch in der Garage von Wests Onkel geprobt und vom großen Ruhm geträumt haben, scheinen eine Ewigkeit hinter uns zu liegen.
Zwei Minuten später stößt Nash zu uns, ohne Joy. Sofort gehen das Gebrüll und Gejohle los. Wir necken ihn, weil es ihn dermaßen erwischt hat, dass er gar nicht anders konnte, als mit der Aktion im Technikgraben jetzt offiziell zu verkünden, dass er fest vergeben ist. Wir lachen, witzeln und albern herum. Es ist schön, Nash wieder so gelöst und glücklich zu erleben, wie er es lange nicht war. Natürlich war er immer schon der grüblerische Typ. Der, dessen Balladen dir das Wasser in die Augen treiben, wenn du seinen Songtexten lauschst. Doch nach dem Unglück mit Chelsea letztes Jahr war es um ein Vielfaches schlimmer als je zuvor, und jedes vernünftige Gespräch darüber hat er gleich im Ansatz unterdrückt. Dazu kam, dass diese ständige Sauferei uns allen echt Sorgen gemacht hat. Klar sind wir alle erwachsen, und natürlich feiern wir alle mal gern – im Grunde kann jeder von uns tun, was er will. Aber als er anfing sich morgens schon einen Whiskey reinzuschütten, statt zu frühstücken, da gingen bei mir alle Alarmglocken an. Meiner Meinung nach hat Joy ihn nicht nur aus diesem Loch rausgeholt, in dem er steckte – sie hat ihm das Leben gerettet, auch wenn ich anfangs dachte, dass das mit den beiden niemals auf Dauer funktionieren kann. Noch ein paar Monate mehr in diesem Zustand und die ersten Leberprobleme hätten sich bemerkbar gemacht. Ist ja nicht so, als hätte ich solche Exzesse nicht schon bei meinem Dad miterlebt.
Während wir uns ein wenig von den Anstrengungen der vergangenen drei Stunden erholen, plaudern wir über dieses geniale Konzert. Die Stimmung war so gut wie nie zuvor, und die Show hat sogar unsere eigenen Erwartungen übertroffen. Beim Feuerwerk hat die Crew nochmal richtig einen draufgesetzt. Wir sind uns einig, dass wir das ab jetzt bei allen anderen Auftritten auch so handhaben sollten, egal wo wir in den nächsten Wochen sind – Philadelphia, Orlando oder Las Vegas –, wir sollten bei jedem letzten Konzert dem Publikum eine solche Show zum Abschied bieten. Sam, der es sich neben West auf dem Sofa gemütlich gemacht hat, lehnt sich in die Polster zurück und schließt die Augen. Ich beneide ihn, dass er sich diesen Moment der Ruhe gönnt. Wenn ich das jetzt täte, wäre ich in Sekunden eingeschlafen … und das wäre ungünstig, immerhin müssen wir gleich noch zur Party.
»Habe ich das eben richtig gesehen, dass Walter jemand Neues dabeihat?«, fragt West.
»Ernsthaft?« Unwillig hebt Sam den Kopf und blinzelt ihn an. »Max hat sich doch erst heute Morgen verabschiedet.«
West zuckt mit den Schultern und zieht die Schüssel mit den Erdnüssen zu sich. »Ich meine, ich hätte jemand mit roten Haaren bei ihm gesehen.«
Nash nickt auf der anderen Seite des Raumes und streift sich ein frisches T-Shirt über den Kopf. »Ja, ich habe sie auch gesehen. Die Agentur hat verdammt schnell reagiert.«
»Dass du noch irgendwen außer Joy registrierst, ist schon ein Wunder«, witzelt West mit breitem Grinsen.
Nash zeigt ihm den Mittelfinger. »Nur kein Neid, Playboy.«
Ich knöpfe meine Jeansshorts auf. »Aber warum Max so plötzlich gegangen ist, weiß immer noch keiner, oder?«
Sam setzt sich mit einem Seufzer auf.
»An Walters ausgeglichenem Charakter kann es wohl kaum gelegen haben«, bemerkt er mit diesem typisch sarkastischen Unterton. »Den hat er nämlich nicht.«
Wir lachen leise, aber die Bemerkung meines Kumpels hinterlässt vermutlich nicht nur in mir einen unangenehmen Nachhall. Wir kennen Walter schon länger. Der Bandfotograf hat uns bereits auf der letzten Tour sporadisch begleitet. Er liefert zugegebenermaßen wirklich gute Arbeit, großartige Fotos, aus denen dann die begehrten Bildbände für die Fans gemacht werden und die unseren Social-Media-Content bei den Touren jedes Mal pushen. Aber wir wissen eben auch, dass seine Persönlichkeit nicht ganz … sagen wir mal ›einfach‹ ist. Letztes Jahr hatte er noch einen Kerl als Assistenten dabei – Josh oder John, ich weiß es nicht mehr so genau. Dieses Jahr ist er mit einer Frau aufgetaucht – Maxine. Und auch wenn wir normalerweise nur während der Auftritte oder bei einzelnen Shootings mit dem Foto-Team zu tun haben, war seine Assistentin diesmal so ziemlich das Beste an ihm.
Sie hat zugegebenermaßen in ihren Pausen und nach Feierabend mehr Zeit mit uns als mit ihrem Chef verbracht. Sicher war das für das angespannte Verhältnis zwischen ihnen nicht gerade förderlich. Doch im Gegensatz zu ihm ist Max auch echt umgänglich und gesellig gewesen. Zudem hat sie nie weiter ernst genommen, wenn er deshalb mal wieder mit ihr rumgemotzt hat. Jedes Mal, wenn sie abends noch auf ein Bier bei der Aftershowparty vorbeikam, haben wir Spaß gehabt und zusammen gelacht. Ihre Sprüche und Scherze, explizit, wenn West sie mal wieder erfolglos anbaggerte, waren einfach göttlich. Als sie sich heute vor dem Soundcheck verabschiedet hat, kam das sehr unerwartet, zumal am Vorabend nichts drauf hingedeutet hat. Sie meinte, sie gehe aus persönlichen Gründen, und wirkte auch keineswegs unglücklich. Also haben wir nicht weiter nachgefragt, obwohl es sich irgendwie seltsam falsch anfühlte. Ich kann nicht verhindern, dass ich nun grüble, ob ihr überstürzter Abgang eventuell doch damit zusammenhing, dass sie zu viel Zeit mit uns verbracht hat.
»HEY!« Ich blinzle irritiert, als mich Nashs Stimme – nah an meinem Ohr – aus meinen Grübeleien reißt. Mich trifft ein fragender Blick aus dunklen Augen. Dann deutet er auf meine Hände, die immer noch den Bund meiner Hose festhalten. »Werd mal fertig, Mann. Die Gäste, die zur Aftershowparty kommen, wollen nicht das Elend zwischen deinen Beinen miterleben!«
Ich schneide eine Grimasse und schüttle den Kopf, ehe ich die zerknitterte Shorts gegen eine frische tausche.
»Was ist los, Nash? Angst, dass deiner Joy Zweifel kommen, ob sie die richtige Wahl getroffen hat?«
Er mustert mich mit dem breitesten Grinsen der Welt. »Nur in deinen Träumen, Alter!«
Lachend wende ich mich ihm zu. »Junge, so wie du guckst, könnte man fast neidisch auf dich werden.«
»Sag das nicht so laut«, mault West dazwischen, wirft eine Erdnuss in die Luft und fängt sie mit dem Mund auf. »Er bildet sich ohnehin schon ein, er hätte den Jackpot gewonnen, seit er mit Joy zusammen ist.«
»Euer Neid ist meine Anerkennung«, entgegnet Nash selbstgefällig. »Wenn ihr euch mal ernsthaft verliebt, statt nur nach Ablenkung und Spaß zu suchen, werdet ihr mit ein bisschen Glück vielleicht nachvollziehen können, wie gut einem eine echte Beziehung tut.«
Sam lacht. »Hört, hört!«
»Es sei dir gegönnt.« Ich klopfe ihm auf die Schulter, ehe ich zu den Jungs rübergehe, nach dem Ledermäppchen greife, das auf dem Tisch liegt, und meinen Tabak auspacke. »Leider findet nicht jeder eine Joy, die in der ersten Reihe für ihn auf und ab hüpft.«
»Da hat er recht«, stellt Sam fest. Seine Brauen sind nach oben gebogen, als ich ihn anschaue und seinem spöttischen Blick begegne, während ich mir meine Zigarette drehe. »Manch einer findet auch eindeutig mehr Gefallen an einem Joint.«
Mein Mittelfinger streckt sich ihm entgegen, und unser gemeinsames Gelächter wird abgelöst von einem kurzen Klopfen an der Tür, dem gleich darauf Timothys Kopf folgt, der sich in den Raum schiebt. »Seid ihr abfahrbereit?«
»Wir können los«, ruft Nash und greift nach seiner Lederjacke. »Ab ins Hotel. Ich muss unbedingt duschen, bevor wir das Fantreffen haben.«
»Für mich riechst du immer gut.« Joy quetscht sich an unserem Manager vorbei in die Garderobe und strahlt Nash an. »Meinetwegen dürfen sie deinen Duft gern in Flaschen abfüllen.«
»Babe.« Er legt ihr einen Arm um die Schultern, zieht sie an sich und presst seinen Mund auf ihre Lippen. »Wenn ich heute nur ein Date mit dir hätte, würde ich das Duschen auf später verschieben … mir fallen deutlich aufregendere Dinge ein, die wir unternehmen könnten.«
»Großer Gott!« West fegt die Schalenreste der Erdnuss-Orgie von seiner Hose und rollt die Augen. »Euer Geturtel lässt noch meine Nüsse schlecht werden.«
Joy mustert ihn kurz von oben bis unten, dann hebt sich ihre linke Braue. »Das liegt sicher eher daran, dass deine Nüsse durch zu viele Hände gehen.«
West bleibt eine geschlagene Sekunde auf dem Sofa sitzen und starrt die Frau neben Nash mit offenem Mund an. Dann fängt der Rest von uns an zu johlen und zu lachen. Ich verstaue meine Rauchwaren belustigt in der Tasche meines Hoodies, ehe ich aufstehe. Sam haut West kräftig auf den Rücken, stemmt sich gutgelaunt vom Sofa hoch und macht sich auf den Weg Richtung Ausgang. Ich folge Nash und Joy, die hinter Sam den Raum verlassen. An der Tür blicke ich über die Schulter zu West zurück, der sich im gleichen Moment erhebt.
»Kommst du?«
Er schüttelt grinsend den Kopf und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Vielleicht später, Ben hat mir die Maschine abgeladen. Ich denke, ich sorge heute lieber dafür, dass meine Nüsse zum Abschluss hier in New York noch die passende Fürsorge erfahren – ihr rockt die Party auch ohne mich.«
Lachend hebe ich einen Arm und verabschiede mich. Man kann ihm noch so viele freche Sprüche reindrücken, West ist und bleibt trotzdem ein unverbesserlicher Herzensbrecher, dem es gelingt, in jedem Ort mindestens eine Frau mit seinem Charme zu bezirzen. Er wird ziemlich sicher die Nacht im Bett seiner aktuellen Angebeteten verbringen und nicht zur Aftershowparty kommen. Kein Drink auf dieser Welt wird ihn jemals dazu nötigen, eine heiße Frau zu versetzen.
* * *
Ich hasse Partys!
Vermutlich hätte ich mir besser einen Job in der Gerichtsmedizin suchen sollen, statt Fotografin zu werden. Irgendwie habe ich mir immer vorgestellt, in erster Linie Bilder von Hochzeitspaaren und Familien in einem hübschen Studio zu machen und weniger auf Open-Air-Konzerten und diversen Großveranstaltungen unterwegs zu sein. Dass ich bei der Aftershowparty der Heartbreaker dabei sein würde, war auch nicht der Gedanke, mit dem ich heute früh von daheim losgefahren bin, um diese Assistenzstelle zu übernehmen.
Walter Evans, der Fotograf der Band und mein direkter Vorgesetzter, hat mich nach dem Konzertende vor einer Stunde mit ziemlicher Vehemenz dazu überredet, bei der Feier dabei zu sein, statt mich in mein Hotelzimmer zurückzuziehen – ein Nein hat er mich nicht mal formulieren lassen. Er meinte, ich solle die Band und die Crew kennenlernen, es sei schließlich wichtig, dass die Leute wissen, wer ich bin, und nicht denken, ich sei irgendein billiges Groupie, das bloß hinter die Bühne will, um sich an einen der Musiker ranzuschmeißen.
Auch wenn ich den Spruch absolut daneben fand und der misogyne Ton darin mich schon triggerte, liegt er grundsätzlich nicht ganz falsch, auch wenn bisher mein Presseausweis immer ausgereicht hat. Allerdings ticken die Leute auf Rockkonzerten schon etwas anders als bei den Veranstaltungen, bei denen ich sonst dabei war. Dies ist mein erster Auftrag, bei dem ich eine richtig große, erfolgreiche Rockband begleite. Okay, eigentlich ist diese Aussage übertrieben optimistisch, denn um genau zu sein, bin nicht ich diejenige, die die Verantwortung trägt – auch hier bin ich wieder mal nur die Assistentin des Hauptfotografen. Ich darf die Kameraeinstellungen vornehmen, dem großen Boss seinen Fotoapparat reichen und das Equipment durch die Gegend tragen. Und ja, das nervt mich!
Ich unterdrücke ein Gähnen, wandere unauffällig mit meinem Glas Apfelsaft am Rand des Raumes Richtung Ausgang und versuche den Leuten aus dem Weg zu gehen. Musik spielt, und ich habe tatsächlich schon ein paar bekannte Gesichter von lokalen Promis und Influencern gesehen, die der Einladung nachgekommen sind, sich im Festsaal des Hotels einzufinden, um das letzte Heartbreaker-Konzert in New York ausklingen zu lassen. Das wäre eine tolle Gelegenheit, um noch ein paar besondere Augenblicke mit unterschiedlichen Menschen und Persönlichkeiten einzufangen, aber Walter hält statt der Kamera lieber ein Bier in der Hand – und ich will nicht mein Smartphone zücken und unerlaubt irgendwelche Aufnahmen machen. Ein Grund mehr, mich davonzuschleichen und in mein Bett zu verziehen. Ehrlich, was soll ich hier? Es war ein verdammt langer Tag. Ich bin müde, ich habe Hunger, und mir tun die Beine weh. Dieser Gruppenzwang geht mir einfach auf den Keks, und wenn sich mir die Gelegenheit bietet, bin ich gleich weg. Ist mir scheißegal, ob Walter das passt oder nicht. Ich muss es nur bis in die Lobby schaffen, dann fahre ich mit dem Aufzug nach oben, verbarrikadiere mich in meinem Zimmer, und die können allein feiern.
In der gleichen Sekunde, in der ich neben der großen Topfpflanze nahe dem Ausgang ankomme, schütte ich den letzten Schluck Saft in mich rein und stelle das Glas im Blumentopf ab. Als ich jedoch nach der Klinke greifen und mich nach draußen verkrümeln will, öffnet sich die Tür zum Korridor, und die Heartbreaker treten ein. Ich zucke zurück und verharre neben der Zimmerpalme. Noah, der Drummer, bleibt direkt vor mir stehen, ohne mich überhaupt zu bemerken.
Ich bin wie erstarrt, während seine Schulter nur Zentimeter vor meinem Kinn schwebt und er den anderen den Vortritt lässt. Sam, Nash und seine Freundin, der Manager und noch ein paar Leute laufen vorbei. Ich weiche zurück, als Noah fast gegen mich stößt. Sein Parfüm steigt mir in die Nase. Ein Mix aus Vanille, Zimt und irgendwas Erdigem, den ich keinem der üblichen gängigen Eau de Toilettes auf dem Markt zuordnen kann. Seine langen, lockigen Haare hat er mit einem Gummi zu einem unordentlichen Man Bun an seinem Hinterkopf zusammengefasst, und da ist dieser fast schon unangenehme Drang in mir, meine Finger in diese Haare schieben zu wollen.
Gott! Was zur Hölle ist los mit mir? Ich meine, natürlich habe ich mich ein bisschen über die Band informiert, bevor ich hergekommen bin – Google hat mir den Wikipedia-Artikel vorgelesen, und an jeder roten Ampel habe ich mir Fotos von ihnen angeschaut, um mir zu merken, wer wer ist. Es ist unbestreitbar, dass sich schon auf ihrer Highschool in Iowa die vier bestaussehendsten Typen mit dem größten Talent zusammengefunden und eine Band gegründet haben. Aber je älter sie werden, desto attraktiver sind sie auch … dummerweise habe ich ein Faible für Typen mit langen Haaren, und die Heartbreaker haben gleich zwei von der Sorte. Ich bin schon froh, dass West wenigstens nirgends zu entdecken ist – der hat offenbar auch was Besseres vor. Ich schiebe die Hände in die Hosentaschen und warte darauf, dass Noah endlich geht.
Eigentlich ist es auch relativ einfach: Um dieser ganzen verworrenen Aktion hier zu entkommen, muss ich bloß unbemerkt an ihnen vorbei und nach draußen flüchten. Allerdings schließt der Mann vor mir im gleichen Moment, als ich einen Schritt zur Seite mache und meine Chance nutzen will, die Tür. Ich atme entnervt aus. Na gut, dann nicht. Aber wenn er jetzt endlich zu den anderen aufschließt, kann ich den allgemeinen Tumult nutzen und abhauen. Dummerweise tut er genau das nicht, sondern bleibt stehen, dreht sich in meine Richtung und sieht mich an, als hätte er meine Anwesenheit gespürt.
Mein Mund wird trocken.
Er mustert mich mit einem langen Blick aus diesen wirklich schönen grünen Augen. Himmel! Ich würde diesen Typ so gern fotografieren. Mir ist schon bei den Bildern im Netz aufgefallen, wie unfassbar gut dieser Kerl aussieht und wie toll er sich vor der Kamera macht. Natürlich denke ich das nicht, weil ich auf ihn stehe, sondern weil ich ihn als Fotografin betrachte – rein professionell! Er hat was von den Schauspielern in diesen alten Schwarz-Weiß-Filmen, die Grandpa Charlie früher immer geschaut hat, als wir noch Kinder waren. Ich verdränge den Gedanken an meine Familie in der gleichen Sekunde in die hinterste Ecke meines Gehirns.
»Hi.« Seine Stimme ist dunkel, sanft und weich. Dieses kleine Wort klingt so …
SCHEISSE! Ruby, reiß dich zusammen.
Ich räuspere mich und nicke ihm unverbindlich zu. »Hallo.«
Klinge ich wirklich so quietschig?
»Du bist die Neue, oder? Ruby?«
Ich blinzle irritiert. Er kennt meinen Namen? »Ähm … ja.«
Als er mich breit anlächelt und dabei zwei Reihen schöner, weißer Zähne zeigt, bin ich kurz davor aufzustöhnen. »Timothy hat uns auf dem Weg hierher erzählt, dass du heute als Unterstützung für Walter gekommen bist.«
»Oh.« Okay, das erklärt alles. Ich schiebe die Hände noch tiefer in die Hosentaschen meiner Jeans und nicke erneut. »Ja, das ist richtig.«
»Freut mich, dass du dabei bist«, bemerkt er. Seine Augen wandern in Sekundenschnelle über meine Gestalt, ehe sie sich wieder auf mein Gesicht heften. »Kann ich dir einen Drink bringen?«
»Nein, danke.« Ich schüttle den Kopf. »Ich wollte gerade gehen.«
Seine Brauen heben sich. »Schon? Aber wir sind doch gerade erst gekommen …« Er zwinkert mir zu. »Wir machen einen Kompromiss: Wir genehmigen uns einen Drink, quatschen ein paar Minuten, und dann bringe ich dich persönlich auf dein Zimmer, wenn du immer noch gehen willst.«
Keine gute Idee. Ich öffne den Mund, um zu widersprechen, doch Noah hebt kopfschüttelnd eine Hand. »Ich will kein Nein hören – nicht heute, denn heute war ein toller Tag, und das würde uns nur Pech bringen.«
Mein Mund klappt wieder zu, und ich schlucke. Ich habe irgendwas läuten hören, dass Menschen im Showbiz abergläubisch sind … aber das ist doch bestimmt nicht ernst gemeint, oder? Erst recht nicht bei diesen knallharten Rockstars! Stirnrunzelnd wende ich mich in seine Richtung, als er die nächstgelegene Bar ansteuert und dem Angestellten dahinter ein Zeichen gibt. Zögernd folge ich ihm und bleibe schräg neben ihm stehen.
»Was willst du?«, fragt Noah in meine Richtung. »Ein fruchtiger Cocktail oder doch lieber Whiskey?«
»Weder noch«, entgegne ich unentschlossen und gebe mir schließlich einen Ruck. »Ich trinke keinen Alkohol.«
Diesmal ist er eindeutig verblüfft, als er sich zu mir umdreht. »Gar keinen?«
Ich zucke mit den Achseln. »Ich nehme einen Apfelsaft.«
»Okay.«
Er gibt die Bestellung auf, und ich blicke mich unschlüssig um. »Musst du nicht zu deinen Kumpels?«
»Ach was, das ist nur die Aftershowparty. Wir mischen uns locker unter die Gäste, quatschen und trinken ein bisschen mit ihnen und lassen den Abend ausklingen.« Noah grinst mich an und macht es mir damit zunehmend schwerer, ihm gegenüber so höflich und neutral wie möglich zu bleiben. Mein Blick wandert über die Gäste. Ich weiß, dass es zwischen meiner Vorgängerin und Walter Unstimmigkeiten gegeben hat, weil sie angeblich zu viel Zeit mit der Band verbracht hat. Ich will es mir nicht gleich am ersten Abend mit meinem Boss versauen. Allerdings kann ich Walter nirgends entdecken.
»Hier!« Mein Gegenüber reicht mir ein Glas Apfelsaft, und ich bedanke mich artig.
Wir stoßen die Gläser aneinander, ehe ich an meinem Saft nippe und er einen Schluck von seinem Bier nimmt. Als unsere Blicke sich treffen, weiche ich ihm sofort aus und schaue mich abermals um.
»Und? Woher kommst du?«, will er wissen.
»New York«, erwidere ich.
Noah runzelt die Stirn. »Du klingst gar nicht wie die typischen New Yorker.«
Ich räuspere mich. »Ich wohne hier erst ein Jahr … ursprünglich bin ich in Colorado aufgewachsen.«
»Oh, das ist weit weg. Was hat dich nach New York verschlagen?«
»Mein Job«, erwidere ich. »Adele, die Agenturchefin – sie hat mir eine tolle Chance geboten. Die wollte ich mir nicht entgehen lassen.«
»Und dann landest du bei unserem chaotischen Haufen«, bemerkt er schmunzelnd.
Ein Lächeln zuckt um meine Lippen. »Ja, kann man so sagen.«
»Wo hast du vorher gearbeitet?«
»Hier und da. Ich hatte bisher nur mit kleineren Veranstaltungen zu tun – nichts in dieser Größenordnung.«
Noah zwinkert mir verschwörerisch zu. »Ich kann dir versprechen, wir sind auch nur ein paar ganz normale Jungs.«
Ich presse die Lippen aufeinander, nicke und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich trotzdem etwas überfordert fühle.
»Du fotografierst auch selbst?«, fährt er mit seiner Befragung fort.
Ich finde es immer wieder beneidenswert, wie manche Menschen überhaupt kein Problem damit haben, Small Talk zu halten. Noah gehört ganz offenbar genau zu dieser Sorte. Ich weiß meist nach drei Minuten schon nicht mehr, was ich eigentlich sagen soll.
»Ja, aber … nicht hier. Die Assistenzstelle beinhaltet andere Aufgaben.«
Er mustert mich so aufmerksam, dass ich ihm sekundenlang nicht ins Gesicht schauen kann. »Hast du nichts auf deinem Handy?«
Verblüfft hebe ich den Kopf. »Was?«
Er zuckt mit den Schultern und schenkt mir ein aufmunterndes Grinsen. »Du hast doch bestimmt ein paar Fotos dabei, oder? Ich würde wirklich gern sehen, was du für Bilder machst.«
Für einen Moment klappt mir der Mund auf, dann besinne ich mich wieder auf seine Bitte und wiegle ab: »Doch, sicher … aber … es ist nichts Aufregendes.«
»Zeigst du sie mir trotzdem?«
Ich weiß nicht, was das ist, aber ich bin unfähig, einfach Nein zu sagen. Stattdessen sprudelt aus meinem Mund ein »Ja klar«. Ich ziehe das Smartphone aus der Gesäßtasche meiner Jeans, entsperre es und öffne die Galerie. Dann wähle ich den Ordner mit meinen eigenen Bildern, ehe ich Noah zögernd das Handy reiche.
»Die sind super!« Er scrollt von einem Foto zum anderen, und ich schiebe mich seitlich neben ihn. Er blättert durch die Nahaufnahmen diverser Blumen und Sträucher, auf die ich durchaus ein bisschen stolz bin, weil sie wirklich unfassbar viele Details zeigen. »Du hast es echt drauf.«
Ich ziehe die Schultern nach oben. »Danke. Es sind nur ein paar Naturaufnahmen und Schnappschüsse. Mit dem Handy ist die Arbeit anders als mit einer richtig guten Kamera. Wobei man schon tolle Aufnahmen heutzutage machen kann. Die Auflösung bei den neuen Smartphones ist teilweise der Hammer.«
»Ja, ich hab neulich eine Werbung gesehen, wo man angeblich mit dem Kamerazoom die Oberfläche des Mondes abfilmen kann.«
»Na ja, das wäre wirklich toll, aber leider ist das Fake.«
»Echt?«
»Ja, vermutlich eine Art integrierter Filter oder so was. Selbst eine extra unscharf erstellte Aufnahme auf einem Laptop wurde auf diesem Handy mit Kratern und Details angezeigt, die so einfach nicht da waren.«
»Oh. Gut, dass ich das jetzt vorher weiß und dafür kein Schweinegeld ausgegeben habe.«
Er tippt auf die Taste, um die Galerie zu verlassen, und stutzt, als ihm der Ordner mit den aktuellen Kamera-Aufnahmen auffällt. Unsere Blicke treffen sich, und ich werde rot. Das ist nichts, was ich ihm zeigen wollte. Als er mich fragend anschaut, nicke ich dennoch zögernd. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als er den Ordner öffnet. Er wischt sich durch die Aufnahmen, die ich heimlich während des Konzertes von Band und Bühne gemacht habe, während Walter mit seinem Job beschäftigt war.
»Wow!« Sein leises Lob lässt mein Herz noch schneller schlagen. »Ruby, du hast echt einen tollen Blick für Details.« Er schaut mich fragend an. »Wieso machst du eigentlich nicht die Fotos bei uns?«
»Das ist nicht mein Job.« Ich schüttle den Kopf, ziehe ihm mein Smartphone aus den Fingern und versenke es rasch wieder in meiner Hosentasche. »Walter ist euer Fotograf.«
»Schon klar«, erwidert er und nimmt erneut einen Schluck von seiner Bierflasche. »Ich will euch da auch gar nicht reinreden …« Abermals mustert er mich aufmerksam. »Aber du solltest vielleicht mal mit deiner Chefin reden, ob sie dir nicht mehr Verantwortung übertragen will. Ich mein, klar, ich bin kein Fotograf, aber … meiner Meinung nach sind deine Aufnahmen außergewöhnlich gut.«
Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, weiß aber auch, dass ich es mir weder mit Walter noch Adele verscherzen will. »Ja, vielleicht – irgendwann.«
Als er den Mund aufmachen will, um etwas zu erwidern, werden wir rüde unterbrochen. »Noah! Ruby!«
Walter tritt zu uns, und ich sehe schon an dem Ausdruck in seinen Augen, dass er offenbar mehr getrunken hat, als er vermutlich sollte. Ich runzle die Stirn. Bei allem Verständnis, aber das ist hier immer noch unser Arbeitsplatz … Er kann sich doch nicht dermaßen abschießen! Oder liegt das an mir, und ich bin einfach nur zu empfindlich?
»Du wurdest schon vermisst«, bemerkt er zu Noah und deutet in die Richtung, aus der er gekommen ist. Seine Aussprache ist deutlich alkoholgeschwängert, und der Geruch, der uns bei jedem Wort entgegenschlägt, macht es nicht besser. Keine Ahnung, wie viel Whiskey er schon in sich reingeschüttet hat, aber sicherlich wäre er besser bei alkoholfreien Getränken geblieben.
»Oh, okay.« Noah lächelt und hebt eine Hand. »Dann werde ich mal meine Runde drehen. Man sieht sich.«
Ich ignoriere die sachte Enttäuschung, die nach mir greift, und nicke ihm zu. »Ja, viel Spaß.«