New York – Arizona: Dunkle Tage - Ewa Aukett - E-Book
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New York – Arizona: Dunkle Tage E-Book

Ewa Aukett

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Beschreibung

Ein tragischer Autounfall in Arizona ändert Maceys und Coles ganzes Leben. Kann das Liebespaar in New York endlich sein Glück finden oder wird Coles alter Playboy-Lifestyle alles zerstören?   Als Cole und Macey im Provinzkrankenhaus in Arizona erwachen, kämpfen beide mit Erinnerungslücken. Schnell wird klar, dass Macey nur in einer New Yorker Spezialklinik auf Genesung hoffen kann. Doch in der Metropole wird ihre Liebe auf die bisher härteste Probe gestellt, und die Wunden vergangener Zeiten werden erneut weit aufgerissen. "Dunkle Tage" ist der finale Band des Zweiteilers "New York – Arizona" von Erfolgsautorin Ewa Aukett.

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New York – Arizona

Dunkle Tage

Ewa Aukett

1

Cole

Ein monotones, gleichförmiges Piepsen drängt sich penetrant in meinen Schädel. Gleichgültig, welcher Scheißvogel das ist, der mir meinen Schlaf raubt, ich drehe ihm gleich den Hals nach hinten. Meine Augen verweigern mir den Gehorsam, als ich versuche, sie zu öffnen, und ein seltsamer Geruch betäubt meine Sinne – unpersönlich und … medizinisch irgendwie. Das Geräusch wird unruhiger, nerviger. Verdammt! Was ist das?

Ich versuche mich zu konzentrieren, meinen Körper zu spüren. Beine, Arme, Hände, alles da – die linke Schulter schmerzt, aber nicht so schlimm, wie ich es in Erinnerung habe. In Erinnerung? Was ist überhaupt passiert? Meine Lider flattern, und helles Licht, das mich vorübergehend erblinden lässt, strömt wie flüssige Qual in meinen Schädel.

»Mr Sullivan?« Die Stimme klingt fremd. Eine Frau? Jemand macht sich an meiner Hand zu schaffen, und ich spüre etwas Kühles, Glattes, das auf meine Brust gedrückt wird. Ich zwinge blinzelnd meine Lider auseinander, versuche den Schmerz auszuhalten, der kurzzeitig mein Dasein lähmt. »Atmen Sie gleichmäßig, Sir.«

Ich bemühe mich wach zu bleiben, registriere einen großen, sterilen Raum, höre sie rumoren, will immer wieder die Augen öffnen, halte aber nicht lange durch. Jemand stößt zu uns, Worte werden gewechselt, dann beugt sich ein gewaltiger, dunkler Schemen über mich. »Ich bring Sie jetzt auf Ihr Zimmer, Sir. Es ist nur eine kurze Fahrt.«

Ich nicke leise stöhnend, unfähig mich zu artikulieren. Der Piepston wird schwächer, verklingt in der Ferne. Ich bin so müde. Gedämpfte Schritte auf Linoleum, das sachte Quietschen von Gummipantoffeln, wie man sie oft im Krankenhaus trägt. Der Geruch von Desinfektionsmittel und Pommes. Ich habe Hunger. Wie spät ist es? Wir passieren einen langen Flur, dann erreichen wir einen weiteren Raum. Ich kann fühlen, dass er kleiner ist, intimer, das Licht dämmriger. Da ist ein Fenster rechts von mir. Eine Hand berührt kurz meine Brust, klopft darauf und murmelt etwas. Dann bin ich allein. Das Rauschen in meinen Ohren wird wieder deutlicher, und ich schlummere zurück in den tiefen Frieden eines traumlosen Schlafes.

Als ich wieder zu mir komme, nehme ich zuerst die Schritte wahr, die sich meinem Bett nähern. Dann zwinge ich meine verklebten Lider auseinander. Verschwommene Flecken werden zu Konturen und Linien. Ein Gesicht formt sich vor meinen Augen, und ich sehe mich im künstlichen Licht der Neonröhren einer fremden Frau in der Kleidung des Krankenhauspersonals gegenüber, die sich mit geschult-neugierigem Blick über mich beugt. »Willkommen zurück, Mr Sullivan.«

Verblüfft starre ich sie an. »Kenne ich Sie?«

Die Andeutung eines Lächelns wird zu einem amüsierten Schmunzeln. Sie schüttelt den Kopf, legt sich das Stethoskop, mit dem sie eben noch meine Brust abgehört hat, um den Hals und mir eine Hand auf den Arm, um meinen Puls zu messen. Ist sie Ärztin? »Als Sie eingeliefert worden sind, habe ich Ihnen Blut abgenommen, Mr Sullivan. Erinnern Sie sich nicht mehr?«

»Was?« Eingeliefert … Krankenhaus … Auto … Mace! Unzusammenhängende Bilder wabern wie Nebelschwaden durch mein Gehirn. »Wir hatten …«, mir versagt die Stimme.

»Einen Unfall«, ergänzt sie leise und nickt besonnen. Plötzlich ist da ein Ausdruck auf ihrem Gesicht, der mir nicht gefällt. Meine Augen lösen sich von ihr und schweifen über die Umgebung. Ja, das ist eindeutig ein Krankenzimmer, und ich liege in einem Bett mit arretierbaren Seitenteilen aus Metall und gestreifter Bettwäsche. Vor dem Fenster kann ich ein Stück des blutroten Abendhimmels erkennen. Blut … Hitze … das Auto.

Scheiße! Die Kinder! Macey!

»Was ist mit den anderen?«, will ich wissen. Meine Kehle ist plötzlich trocken wie die Sahara. Ich bilde mir ein, verkohlte Haare und verbranntes Fleisch zu riechen. Ein metallischer Geschmack macht sich in meinem Mund breit. Die Erinnerungen überfluten mich für eine Sekunde. Die Fahrt im Auto, Sam Smiths Stimme aus dem Radio, Adam voller Freude über den Truck mit der Speziallackierung, und dann der Augenblick, als mein Leben außer Kontrolle gerät. Die Welt dreht sich einfach auf links, und alles ist plötzlich anders. Mein Blick sucht den der Ärztin. »Macey … geht es ihr und den Kindern gut?«

Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, wird aber von einem blonden Mann im Arztkittel unterbrochen, der gerade das Zimmer betritt. »Mr Sullivan. Schwester Grace.« Er nickt uns zu, hält ein Klemmbrett zwischen seinen Fingern und tritt an das Fußende des Bettes. »Schön, dass Sie wieder wach sind, Mr Sullivan. Ich bin Dr. Kruger, Ihr behandelnder Arzt. Wie fühlen Sie sich?«

»Ich bin okay. Wie geht es Macey und den Kindern?«

Seine Brauen heben sich, und er schaut kurz die Krankenschwester an, die meinen Arm endlich loslässt. »Ihre Mitfahrer befinden sich ebenfalls im Krankenhaus, und … es wird sich um sie gekümmert, Mr Sullivan.«

Seine Antwort ist nicht annähernd so befriedigend, wie ich es mir erhofft habe – und die Pause, die er gemacht hat, irritiert mich auf unangenehme Weise.

»Sind sie verletzt?« Erneut ist da dieser Blickwechsel zwischen den beiden. Ich versuche mich in meinem Bett aufzurichten, werde jedoch sofort von der Frau, die neben mir steht, zurück in die Kissen gedrückt.

»Bleiben Sie liegen, Sir. Ihr Kreislauf ist noch nicht wieder so stabil, dass Sie jetzt schon herumwandern können.«

Ich runzle die Stirn und mustere sie verblüfft. »Bin ich verletzt?«

Ein mildes Lächeln umspielt ihre Lippen. »Sie sind mit einer ausgekugelten Schulter hergekommen, die wir unter Narkose einrenken mussten.«

»Zudem haben Sie eine traumatische Distorsion der Halswirbelsäule erlitten«, ergänzt der Arzt. Ich glotze ihn verständnislos an, was ihn veranlasst, um das Bett herumzukommen und sich neben mich auf die Matratze zu setzen. Sein Blick ist nachsichtig. »Ein sogenanntes Schleudertrauma, Mr Sullivan, und trotz allem haben Sie wahnsinnig großes Glück gehabt. Die Schulter wird noch ein paar Tage schmerzen, ist aber in Kürze wieder belastbar, und in zwei bis drei Tagen sind Sie schon fast wieder der Alte. Um jedoch sicherzugehen, dass das auch so bleibt und es keine bösen Überraschungen gibt, behalten wir Sie vierundzwanzig Stunden zur Beobachtung bei uns. Haben Sie Schmerzen?«

Ich hole tief Luft und bewege den Kopf langsam hin und her. »Ich weiß nicht, ein bisschen. Da ist so viel Chaos in meinem Schädel … Ich kann mich nicht richtig erinnern.«

»Das passiert öfter in Verbindung mit einer Gehirnerschütterung. Lassen Sie sich Zeit, Mr Sullivan. Wenn Sie mögen, schließen Sie die Augen. Manchmal hilft das, unser Gedächtnis wieder zu aktivieren.«

Ich tue, was er sagt, und bin in der gleichen Sekunde im Auto mit Macey. Wir lachen, Musik läuft. Ich liebe es, wie sie mich ansieht – als wären keine zwölf Jahre vergangen und unser Leben genauso verlaufen, wie wir es uns vor so langer Zeit ausgemalt hatten. Auf dem Rücksitz hocken die Kinder. Eine Stimme drängt sich leise in meinen Kopf – eine, die nicht hierhergehört. »Was sehen Sie, Mr Sullivan?«

»Wir sitzen im Wagen. Moment, da ist ein Truck … Er ist zu nah!« Ich zucke zusammen, als das Auto den gewaltigen Lkw-Reifen trifft und der Kotflügel sich wie Alufolie zusammenknüllt. »Wir kollidieren … Wir schleudern durch die Luft …« Ich ringe um Atem. Ich kann spüren, wie meine Stirn sich in Falten legt, und es fühlt sich unangenehm falsch an. »Ich bin draußen. Da sind Menschen, Schritte, Geschrei und dann …« Mir versagt die Stimme. In meinem Kopf ist nichts als ein großes, graues Rauschen, völlige Leere. Als hätte jemand einen Hebel umgelegt, der mich alles hat vergessen lassen.

»Was ist dann?«

»Nichts mehr.« Ich bewege meinen Kopf von links nach rechts. »Ich kann mich nicht erinnern.«

»Das wird wiederkommen, Mr Sullivan. Erzwingen Sie nichts. Es wird wieder alles gut werden.«

»Ist das so? Geht es den Kindern gut? Was ist mit Macey?« Der Arzt und die Schwester sehen einander nicht an, dennoch spüre ich die Anspannung, die plötzlich über allem liegt. Diesmal schafft die Schwester es nicht, mich zurück in die Kissen zu drücken. Mit einem Kloß voll heißer Wut in meinen Eingeweiden stemme ich mich auf den Ellenbogen hoch und ignoriere ihren Protest. »Was ist mit den anderen?«

»Sie sind nicht auf dieser Station untergebracht, aber ich kann Ihnen versichern, es wird sich um sie gekümmert«, erhalte ich erneut als Antwort. Die Schwester fummelt neben mir am Bett herum, und das Kopfteil bewegt sich nach oben. Ich will schon nachfragen, wie genau dieses ›Kümmern‹ aussieht, als der Arzt einen sonderbaren Blick Richtung Zimmertür wirft, ehe er mich wieder anschaut. »Auf dem Korridor wartet die Polizei, Mr Sullivan. Sind Sie bereit mit Ihnen zu reden?«

»Was? Wozu?«

»Wegen des Unfalls.«

Ich blinzle, fahre mir mit einer Hand über das Gesicht und nicke dann. »Ja, sicher.«

In meinem derzeitigen Zustand werde ich vermutlich keine große Hilfe sein, aber meinetwegen sollen sie kommen. Was auch immer mir durch den Schädel geistert, können sie gern erfahren. Als der Arzt schon halb zur Tür ist, halte ich ihn ein letztes Mal zurück: »Doktor?« Scheiße, ich hab seinen Namen vergessen. »Können Sie sich bitte nach Macey und den Kindern erkundigen? Ich will nur wissen, ob es ihnen gutgeht.«

»Mr Sullivan, ich würde Ihnen den Gefallen gern tun, aber da Sie kein Familienmitglied sind –«

»Der Junge ist mein Sohn!«

Er starrt mich einen Wimpernschlag lang an, als hätte ich den Verstand verloren. »Ihr Sohn?«

Ich schließe für eine halbe Sekunde die Augen, ehe ich ihn wieder ansehe und nicke. »Ja … Ist eine komplizierte Geschichte. Ich weiß selbst erst seit ein paar Tagen, dass ich Vater bin.«

»Oh.« Er streicht sich mit einer Hand das Haar aus der Stirn, dann setzt er ein professionelles Lächeln auf. »Ich sehe, was ich für Sie tun kann, Mr Sullivan. Ich schicke Ihnen die Beamten gleich rein.«

»In Ordnung.« Kruger … er heißt Kruger, ähnlich wie der fiktive Serienmörder aus dieser Horrorfilmreihe. Was geht mir da eigentlich durch den Kopf?

Dankbar lasse ich mich nach hinten in das Kissen sinken, das die Schwester für mich aufgeschüttelt hat. Immerhin kann ich die Cops jetzt sitzend empfangen und muss nicht mehr wie eine Schildkröte im Bett liegen. Ich bewege vorsichtig den linken Arm. Der Schmerz ist noch latent vorhanden, aber ich glaube, es war viel schlimmer, als die Schulter noch ausgekugelt war. Die Frau neben mir legt sanft die Finger auf die Schlinge, die meinen Arm fixiert, und mustert mich mit sachtem Tadel. »Halten Sie die Schulter bitte noch ruhig, Sir. Ihr Körper muss sich erst von den Strapazen erholen.«

Ich kann nur stumm nicken, denn im gleichen Moment betreten zwei Polizeibeamte mit grimmigen Mienen mein Krankenzimmer. Augenblicklich habe ich ein schlechtes Gewissen, ohne zu begreifen, warum. Der eine ist ein Cop in Uniform, den ich nicht kenne. Der zweite Beamte trägt Anzug und Krawatte, und ich habe ihn erst vor wenigen Tagen auf Olivers Beerdigung getroffen – Chief Pete Walters höchstpersönlich. Ist das normal? Irgendwie bezweifle ich das. Okay, angesichts der Tatsache, dass die Witwe eines seiner ehemaligen Mitarbeiter heute einen schweren Unfall hatte, ist ihm wohl kaum vorzuwerfen, wenn er sich selbst in die Ermittlungen einschaltet.

»Mr Sullivan.« Der Chief nickt mir knapp grüßend zu, zieht sich den einzigen Stuhl an mein Bett und lässt sich darauf nieder. Ich kann mir nicht helfen. Ich habe in der gleichen Sekunde, als mich seine dunklen Augen taxieren, das Gefühl, mich in einem Verhör zu befinden. »Wie geht es Ihnen, Cole?«

»Ich bin okay«, erwidere ich gelassen und ignoriere die Beunruhigung, die in mir aufkommt, weil er mich so unverblümt mit meinem Vornamen anspricht. »Man hat mir was von einer ausgerenkten Schulter und einem Schleudertrauma erzählt.«

Seine rechte Augenbraue zieht sich nach oben. »Wissen Sie nichts mehr von dem Unfall?«

»Nur in Teilen. Ich kann mich nicht an alles erinnern.«

Er nickt einmal, wechselt einen Blick mit dem uniformierten Kollegen und rückt ein Stück näher. Eigentlich warte ich nur darauf, dass er von irgendwo eine Schreibtischlampe herzaubert und mir mit dem Lichtkegel wie in einem billigen Krimi ins Gesicht zielt. »Erzählen Sie mir, woran Sie sich noch erinnern.«

Ich tue ihm den Gefallen und wiederhole, was ich schon Dr. Kruger und Schwester Grace erzählt habe. Wieder brechen die Bilder in meinem Kopf an der Stelle ab, als ich zu mir komme und feststelle, dass sie mich aus dem Wrack gezogen haben. Es nervt mich, dass ich nicht mehr weiß, was mit Macey und den Kindern ist.

»Cole, wissen Sie noch, wie es zu dem Unfall gekommen ist?« Der Chief mustert mich eindringlich, und ich starre eine Sekunde lang verständnislos zurück, während ich versuche, mir den Moment ins Gedächtnis zurückzurufen.

»Ich weiß nicht –«

»Wissen Sie es wirklich nicht oder wollen Sie sich nicht erinnern?«, unterbricht er mich rüde.

Schwester Grace, die schon im Gehen war, tritt wieder an mein Bett und stemmt die Hände in die Hüften. »Chief Walters, Dr. Kruger hat Ihnen bereits gesagt, dass Mr Sullivan eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten hat, worunter sein Erinnerungsvermögen leidet. Geben Sie ihm Zeit und setzen Sie ihn nicht unter Druck.«

Der Chief stiert die Frau neben mir mit sichtlichem Groll an, doch sie wirkt absolut unbeeindruckt von seiner schlechten Laune. Ich kann sehen, wie seine Nasenflügel beben, als er erregt Luft holt. »Haben wir zur Kenntnis genommen, Schwester. Also gut, Cole … Tun Sie mir den Gefallen und schließen Sie Ihre Augen.« Ich tue resigniert, was er sagt. »Hatten Sie einen Streit mit Mrs Walsh?«

Mrs Walsh? Oh, er meint Macey …

»Mr Sullivan! Haben Sie sich gestritten?«

Irritiert runzle ich die Stirn. »Was? Nein.«

»Was ist dann passiert?«

Ich öffne den Mund, und gleichzeitig katapultiert es mich zurück ins Auto. »Wir sind unterwegs. Da ist dieser Truck mit den Avengers.«

»Avengers?«

»Ja, die Superhelden … Ich glaube, Adam steht darauf, er ist total aufgeregt. Wir bewegen uns die Zufahrt zur Interstate hinab. Ich kann den Truck sehen, mit Hulk und Spiderman. Die Kinder jauchzen auf dem Rücksitz, während Macey Gas gibt … Ich schalte die Klimaanlage ein.« Ich kann spüren, wie mein Gesicht sich schmerzhaft verzieht, weil die Bilder sich wie Splitter in mein Gehirn bohren. »Macey zuckt und zittert. Sie reagiert nicht, als ich ihren Namen rufe. Ich greife nach dem Lenkrad, aber wir sind schon zu nah … Es geht so schnell, wir überschlagen uns. Die Kinder schreien, Metall kreischt, und dann ist plötzlich alles still.«

Mein Mund ist trocken wie die Wüste Gobi. Ich versuche zu schlucken, aber mein Hals schmerzt. Meine Stimme ist rau, als ich weiterrede: »Ich muss kurz weggetreten sein. Als ich die Augen öffne, liege ich auf dem Asphalt. Jemand kümmert sich um mich … Ich weiß nicht, wo Macey und die Kinder sind … Ich …«

Meine Lider flattern. Ich habe keine Ahnung, woran es liegt, aber mein Geist verweigert mir die Zusammenarbeit, sobald ich mir alles wieder ins Gedächtnis rufen will. Ein dumpfer Schmerz bohrt sich durch meinen Schädel, als ich die Augen aufschlage und den Chief ansehe.

Diesmal ist sein Blick nachdenklich und nicht mehr vorwurfsvoll. »Wissen Sie noch, was danach geschah?«

»Mace … Ich …« Ich kann keinen klaren Satz formulieren, Bruchstücke aus Bildern fegen durch mein Hirn. Etwas drängt sich gegen meine Brust, schnürt mir die Luft ab und jagt mir ein Gefühl durch die Eingeweide, das ich noch nie erlebt habe. Für den Augenblick eines Wimpernschlages spüre ich Tränen auf meinem Gesicht und höre das hysterische Heulen der Kinder, die sich an mich klammern. »Zoe … Adam … Sie haben geweint … Ich …« Ich presse die Lider aufeinander und drücke mir die Fäuste gegen die Schläfen. Ein Dröhnen lähmt jeden Gedanken, und den Drang, mich erinnern zu wollen, nehme ich als körperlichen Schmerz wahr. »Ich weiß nicht … Es ist heiß … Ich bekomm keine Luft.« Mein Brustkorb tut weh, ich kann Benzin riechen, verbranntes Gummi, und wieder ist da dieser metallische Geschmack auf meiner Zunge.

Angst pulsiert in großen Schüben durch meinen Leib, während ich auf der Interstate stehe und sich vor mir das Szenario unseres Unfalls ausbreitet. Ich sehe den Truck, der quer über die Fahrbahn steht und dessen Fahrerhaus sich mit dem Auflieger verkeilt hat. Autos, die wild auf allen Fahrstreifen parken, und Menschen, die hin- und hereilen. Der Himmel über uns ist schwarz, obwohl es doch erst später Nachmittag ist. Maceys Mini-Van, der auf dem Dach liegt, halb zerfetzt, mit zerborstenen Fensterscheiben. Flammen züngeln neben den Vorderreifen empor.

Bilder formen sich vor meinem inneren Auge. Die hinteren Türen haben plötzlich ihre Scheiben noch, und ich kann Adam und Zoe im Wageninneren ausmachen. Ihre kleinen Hände schlagen panisch gegen das Glas, sie starren mich an aus riesigen, angstgeweiteten Augen, schreien stumm um Hilfe, und alle, die hier versammelt sind, glotzen nur. Jemand klammert sich an mich, hält mich auf, lässt mich nicht hinüberrennen. Meine Beine versagen, und ich lande auf meinen Knien. Scherben bohren sich in mein Fleisch, dringen tief in meine Muskeln und zerfetzen meine Sehnen. Ich stemme mich mit blutenden Händen auf den Asphalt, blicke ins Innere des Autos und entdecke Macey, die kopfüber in ihrem Sitz hängt und mich anstarrt. Macey, deren Augen leer und tot sind. Das Feuer breitet sich aus, züngelt nach ihren blonden Haaren, versengt sie zu einer schwarzen, unansehnlichen Masse und lässt ihre Haut Blasen werfen. Das Grauen rollt wie flüssige Lava über mich hinweg, und ich fange an zu schreien. Ich will meinen Blick abwenden und kann doch nicht aufhören, sie anzustarren, während das Feuer sie verbrennt. Sie lächelt, öffnet den Mund, und die Flammen lassen ihre Lippen aufplatzen.

»Kümmere dich«, wispert sie. Ich keuche und ersticke in den Rauchschwaden.

»Mr Sullivan, atmen Sie langsam tief ein und aus.« Die Stimme der Krankenschwester und die kühlen Hände, die meine nackte Brust berühren, lassen mich zurück in die Realität driften. Im gleichen Moment ist die Erinnerung wieder da.

»MACE!« Entsetzt nach Luft schnappend, reiße ich die Augen auf, starre gegen die Zimmerdecke des Krankenhauses, und Tränen laufen mir über das Gesicht. Ich habe sie rausgeholt – ich habe Macey aus dem Auto gezogen. Die Kinder waren sicher. Adam hat auf mich eingeschlagen, Wut, Angst, Panik … Ich habe gesehen, wie sie ihr das Shirt aufschnitten, um den Defibrillator auf ihre Brust zu drücken, und versuchten, sie ins Leben zurückzuholen.

»Ist sie tot?« Ich muss eine Antwort haben. Ich muss wissen, ob ich die einzige Frau, der mein Herz gehört, verloren habe – auch wenn es mich zerstören wird. »Bitte …« Meine Stimme ist nur noch ein raues Flüstern.

Aus den Schatten beugt sich Dr. Kruger über mich, mit ernstem Gesicht und besorgtem Blick. Ich kann mich nicht erinnern, dass er wieder ins Zimmer gekommen ist. War ich weggetreten? Was ist passiert?

»Sie befindet sich noch im OP, Mr Sullivan. Sie ist verletzt, aber sie lebt.«

Sie lebt. Sie lebt! Aufschluchzend schließe ich die Augen und begrüße die Erleichterung, die wie ein Tsunami über mich hinwegrollt. Meine Arme werden schwer, und in meinem Kopf entsteht ein hohles Rauschen, dann packt die Erschöpfung nach mir, und die Welt um mich herum verblasst.

***

Ich fühle mich besser, als ich das nächste Mal erwache. Vor dem Fenster hat sich das Abendrot der beginnenden Nacht ergeben, und ich kann am samtschwarzen Himmel die ersten Sterne funkeln sehen. Wie spät ist es?

Macey lebt. Dieser eine Gedanke ist alles, was zählt. Mir wird plötzlich in aller Deutlichkeit bewusst, dass alles, was gewesen ist, jedes unüberlegte Wort, jede dämliche Entscheidung, unwichtig ist. Wichtig ist nur, dass Macey lebt und es ihr gutgeht.

»Cole?« Die warme Stimme lässt mich den Kopf wenden, und ich sehe Mom, die sich neben mir aufs Bett setzt, um mir über die Stirn zu streichen.

»Hey Ma.«

Ihre Augen glänzen verdächtig, und ihre Gesichtsfarbe wirkt blass und ungesund. Sie hat sich Sorgen gemacht. Mir wird die Kehle eng. »Wie fühlst du dich, Schatz?«

»Besser«, flüstere ich rau. Es ist schön, sie zu sehen. Mit einem Seufzer greife ich nach ihrer Hand, drücke sie an meine Wange und küsse die Innenfläche. Mom beugt sich über mich, und ich erwidere ihre Umarmung. Für einen Moment halten wir einander fest.

»Ich bin so froh, dass es dir gutgeht«, wispert sie schwer verständlich an meiner Schulter. »Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was ich gemacht hätte, wenn du …« Ihr versagt die Stimme, und ich halte sie noch enger in meinem Arm.

»Schon okay, Mom. Ich bin noch da, und es geht mir gut.«

Sie nickt und haucht mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich wieder aufrichtet. Fast verschämt wischt sie sich die Tränen vom Gesicht. »Du hast verdammtes Glück gehabt, Cole. Ihr alle hättet tot sein können, und wenn ich bedenke, wie das Auto ausgesehen hat, ist es fast schon ein Wunder, dass du so glimpflich davongekommen bist.« Ein Lächeln zuckt über ihre Lippen. »Sie feiern dich als Held, weißt du das?«

Ich runzle die Stirn. »Mich? Wieso?«

»Du hast Macey aus dem brennenden Auto gerettet.«

Die Augen schließend, schüttle ich langsam den Kopf. »Ich war das nicht allein. Ohne die Helfer vor Ort hätten wir alle keine Chance gehabt.« Ich schlucke, als die Bilder wieder in mir hochflackern. »Ich hab sie sterben sehen, Mom.«

»Ich weiß.« Sie hält meine Hand zwischen ihren Fingern fest, und ich schaue sie an. Ihr Blick ist auf meine Bettdecke gerichtet. Ihr Kinn zittert. »Ihr Bruder Christopher betreibt das Tucson Wheels, eine Werkstatt für Autos und Motorräder an der Interstate 19. Der Unfall ist quasi vor seiner Haustür passiert. Sie haben Macey gerade wieder stabilisiert und in den Helikopter geschafft, als er dazugestoßen ist.«

»Daran erinnere ich mich überhaupt nicht.«

»Chris hat erzählt, dass du mit den Kindern am Straßenrand gehockt hast und ihr alle unter Schock standet. Du warst nicht ansprechbar.«

Ich nicke langsam. »Ich glaube, ich habe immer noch Gedächtnislücken.«

»Vielleicht gibt sich das noch«, versucht sie mich zu beruhigen. Unsere Blicke begegnen sich. »Weißt du, wie das passiert ist?«

»Keine Ahnung. Ich hab schon dem Chief gesagt, dass ich mich nur noch erinnere, wie Mace völlig verkrampft hinter dem Lenkrad gesessen und gezittert hat.«

»Dem Chief?« Sie furcht die Stirn, und ich habe flüchtig den Eindruck, dass sie glaubt, Maceys Dad wäre bei mir gewesen.

»Chief Walters, von der Polizei.«

»Oh, okay … Und weiter?«

»Ich hab noch versucht, den Unfall zu verhindern, aber da hat uns der Reifen des Trucks schon erwischt, und wir sind durch die Luft geflogen.« Ich verziehe das Gesicht. »Ehrlich, ich dachte, das war’s.«

Ihre Finger umklammern meine für eine Sekunde so fest, dass es wehtut. Mom presst die Lippen aufeinander, und ich kann sehen, dass sie mit sich kämpft, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Meine Augen suchen ihre. Ich will nicht, dass sie sich quält und die Angst nochmal durchlebt, die sie vermutlich in den letzten Stunden hatte. Also versuche ich das Thema zu wechseln. »Weißt du, wie es den anderen geht?«

»Soweit ich weiß, ist Zoe mit ein paar Prellungen und Abschürfungen davongekommen, aber ziemlich traumatisiert. Sie weint die ganze Zeit nur. Adam hatte wohl eine Kopfwunde an der Schläfe und musste genäht werden, sein rechter Arm ist gebrochen …« Sie zögert kurz, ehe sie scheinbar unbeirrt fortfährt: »Zum Glück musste er nicht operiert werden, ein Gips reicht für die nächsten Wochen. Beide haben genau wie du ein Schleudertrauma und eine Gehirnerschütterung und müssen vierundzwanzig Stunden zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.«

»Gottverdammter Mist!«

Mom holt tief Luft, drückt nochmal meine Finger und steht dann auf, um unruhig im Zimmer auf- und abzulaufen. »Ihr hättet alle tot sein können«, bemerkt sie heiser. »Ihr müsst ein wahres Bataillon an Schutzengeln gehabt haben.«

Ich mustere sie in einem kurzen Anflug von Hoffnung. »Weißt du was von Macey?«

Sie sieht mich an, setzt sich neben mich und stößt einen Seufzer aus. Augenblicklich trocknet meine Kehle aus, und die Angst greift wieder nach mir. »Sarah hat gesagt, dass sie sie zweimal reanimieren mussten.«

»Bitte was?«

Mom legt mir eine Hand auf die Brust, ehe ich mich nach oben drücken kann. »Reg dich nicht auf, Cole. Sie befindet sich jetzt auf der Intensivstation, und laut Sarah ist die Operation gut verlaufen.«

»Dann ist sie schwer verletzt worden?«

»Sie hat offenbar die größte Wucht des Aufpralls abbekommen. Ihr Zwerchfell ist gerissen, und sie haben sie mehrere Stunden operiert, da eine Verletzung der Milz vermutet wurde, aber sie ist außer Lebensgefahr. Nun muss sie sich erst einmal erholen.«

Ich presse die Hände auf mein Gesicht und schüttle den Kopf. »Mein Gott! Ich wünschte, ich hätte sie nicht besucht, dann wäre das alles nicht passiert.«

»Cole.« Mom greift nach meinen Handgelenken und zieht meine Arme nach unten. »Wenn du nicht gewesen wärst, wären Adam und Zoe jetzt vielleicht Vollwaisen … und Macey im Auto verbrannt. Also hör auf mit diesen Selbstvorwürfen, damit hilfst du weder dir noch den anderen. Wichtig ist im Moment nur, dass ihr alle noch lebt – alles Weitere wird sich zeigen.«

Ich starre sie nur wortlos an.

»Okay?«, will sie wissen, und in ihrer Stimme liegt ein drängender Unterton.

»Ja, ist schon gut.« Ich schlucke und blicke zum Fenster hinüber. »Ich fühl mich nur so …« Mir fehlt das passende Wort, um meinen Zustand auch nur annähernd zu beschreiben.

»Überflüssig? Hilflos? Schwach?«, schlägt Mom vor. Als ich sie anschaue, zieht sie eine Grimasse. »So ist es mir in den letzten Stunden gegangen, während ich draußen auf dem Flur hockte und darauf warten musste, dass ich endlich zu meinem Sohn vorgelassen werde.« Sie streicht mir über das Gesicht. »Das Personal hat uns als Familienangehörige zwar mit Informationen versorgt, aber es ist immer noch etwas anderes, wenn man sich persönlich davon überzeugen kann, wie es um deine Lieben steht.«

Ich nicke. »Du hast ja recht, Mom.« Nachdenklich runzle ich die Stirn. »Was ist mit Maceys Familie?«

»Olivers Eltern dürfen die Nacht bei den Kindern bleiben. Sarah wird wohl im Wartebereich verharren, bis man ihr erlaubt Macey zu besuchen.«

»Ist ihr Dad auch da?«

Meine Mutter strafft die Schultern, und ich kann sie tief einatmen hören. »Bisher nicht. Chris ist kurz nach euch hier eingetroffen und hat uns alle über den Unfall informiert. Sarah und Hazel sind sofort aufgebrochen, als sie davon erfuhren. Ich weiß, dass Henry noch bei einem Einsatz war, als die Meldung kam, aber … mittlerweile sollte auch er davon wissen …« Sie stockt sekundenlang, dann streicht sie sich durchs Haar und verschränkt mit sichtlichem Unmut die Arme vor der Brust. »Ich finde es mehr als befremdlich, dass er sich nicht wenigstens sehen lässt – immerhin ist Macey fast gestorben.«

»Mich wundert bei dem Typen gar nichts«, erklingt eine vertraute Stimme von der Tür her.

Wir wenden beide den Blick und sehen Ethan, der das Zimmer betreten hat und zu uns herüberkommt. Er mustert mich von oben bis unten. »Du siehst echt beschissen aus, Bruder.«

»Danke, du Clown. Dein Anblick war auch schon erfreulicher.«

Wir grinsen uns an, während Mom ein genervtes »Jungs!« ausstößt.

Ethan wechselt zur anderen Seite meines Bettes und folgt Moms Beispiel, indem er sich ebenfalls neben mich setzt. Unter dem schelmischen Ausdruck in seinen Augen liegt ein Hauch von Sorge. Fast wünsche ich mir die unhaltbare Wut zurück, die er bei meiner Rückkehr auf mich hatte – aber davon ist nichts geblieben. »Wie fühlst du dich?«

Ich sammle mich einen Moment.

»Als hätte ich einen Unfall gehabt und mich ein paarmal überschlagen«, erwidere ich schließlich.

Er lächelt schief. »Du bist immer noch scheiße im Witzemachen.«

»Es gibt Schlimmeres.«

Er nickt, sein Lächeln verschwindet, und er mustert mich ernst. Ehe er allerdings irgendwas sagen kann, wendet Mom sich an ihn: »Wo ist Dad?«

»Noch bei den Walshs«, entgegnet er. »Sie haben ihn gebeten eine Weile zu bleiben, in erster Linie wegen Zoe, aber auch weil Adam diesen … Anfall hatte.«

»Ethan!« Moms Stimme klingt tadelnd.

Ich schaue von einem zum anderen und bin sofort wieder alarmiert. »Was für einen Anfall?«

Mom erwidert meinen fragenden Blick.

»Nichts Medizinisches, es geht ihm gut«, wiegelt sie ab.

»Was für ein Anfall?«, wiederhole ich meine Frage, lauter diesmal.

Die beiden sehen sich an und scheinen stumme Zwiesprache miteinander zu halten. Während Mom still den Kopf schüttelt, macht Ethan eine alles umfassende Geste, als wollte er sagen: ›Nun erzähl’s ihm!‹

»Ma?« Ich kann ihr ansehen, dass sie sich innerlich geradezu windet und eigentlich nicht darüber reden will. Doch meine Sorge ist zu groß, um das auf sich beruhen zu lassen.

»Ethan übertreibt maßlos«, bemerkt sie leise. »Adam war nur … durcheinander und erschöpft.«

»Herrgott! Was ist passiert?« Meine Geduld nähert sich langsam ihrem Ende. Ich will jetzt wissen, was los ist.

Als Mom immer noch nach den richtigen Worten sucht, holt mein Bruder Luft und nimmt ihr die Entscheidung ab, wie sie es mir am schonendsten beibringen soll. »Adam hatte in der Notaufnahme einen Tobsuchtsanfall. Er hat herumgeschrien und jeden geschlagen, der ihm zu nahe kam. Dabei hat er gebrüllt, dass das alles deine Schuld sei und du seine Mutter hättest umbringen wollen. Chief Walters, der sofort herkam, als er von dem Unfall hörte, hat das Gekreische natürlich mitbekommen und wollte sich aufgrund dessen wohl … näher mit dir befassen.«

Mir klappt der Mund auf. Wieso sagt Adam so etwas? Plötzlich erklärt sich mir, warum der Chief so eine finstere Miene gemacht und derart unfreundlich gewirkt hat. Ich kann mich nicht erinnern, wann er wieder verschwunden ist, weil ich zwischendurch das Bewusstsein verloren habe. Möglicherweise wird das aber unter den gegebenen Umständen nicht sein letzter Besuch gewesen sein.

Adam hasst mich. So viel wird mir plötzlich klar. Ich frage mich, ob meine Idee, nach Green Valley zurückzukommen, um meinen Sohn besser kennenzulernen, wirklich die beste ist. Es ist nicht nur die Tatsache, dass wir uns nicht kennen. Er verabscheut mich offenbar zutiefst, warum auch immer … Kann man auf diesem Fundament eine Beziehung zueinander aufbauen oder versuche ich mir verzweifelt etwas einzureden, nachdem er die letzten Jahre hervorragend ohne mich klargekommen ist? Der Gedanke versetzt mir einen haltlosen Stich, tief in meinen Eingeweiden, und ich begreife nicht, warum mich das so trifft.

»Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen.« Mom legt mir eine Hand auf den Arm und bedenkt mich mit einem beruhigenden Blick. »Kinder sind aufbrausend und unbedacht. Er ist durcheinander und wütend. Irgendwer muss für ihn im Moment der Sündenbock sein, und wer eignet sich da besser als du? Du warst jahrelang kein Teil seines Lebens, und nun, nachdem Oliver gestorben ist, tauchst du plötzlich auf und bist präsent. Verstehst du, was ich meine?«

»Er hasst mich«, murmle ich vor mich hin.

Mom will abwiegeln, doch Ethan zuckt mit den Schultern und nickt.

»Ja, vermutlich.« Mein Bruder verzieht das Gesicht. »Aber er ist elf, da hasst man so ziemlich jeden, der außerhalb des eigenen Universums kreist.«

Ich mustere ihn skeptisch unter hochgezogenen Brauen. »Seit wann kennst du dich mit Kindern aus?«

Er schenkt mir ein schräges Lächeln. »Ich war selbst mal eins, und ich hab nicht vergessen, wie scheiße die Erwachsenen alle waren.«

»Allen voran Mr Evans«, bemerke ich mit einem Anflug von Gehässigkeit.

Ethan grinst. »Bei dem hat sich der Zustand bis heute nicht geändert.«

»Ihr zwei seid absolut unmöglich!« Mom erhebt sich kopfschüttelnd.

»Du findest es doch auch zum Kotzen, dass er nicht mal herkommt, um zu schauen, wie es Macey geht«, wirft mein Bruder ein. »Er ist ein Arschloch! Daran wird sich in hundert Jahren nichts ändern.«

»Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient«, entgegnet Mom und sieht meinen Bruder mit schiefgelegtem Kopf an. »Man muss sie ihm aber auch einräumen.«

»Auf den Bullshit können sich gern alle anderen einlassen. Ich nicht.« Ethan steht ebenfalls auf und umrundet mein Bett.

Für eine Sekunde stehen er und Mom sich gegenüber wie zwei Streithähne. Ich runzle die Stirn. Das ist eine seltsame Szene, völlig untypisch für meine Familie. Ich will schon etwas sagen, um die Gemüter zu besänftigen, als ein kurzes Klopfen sie unterbricht. Im nächsten Moment öffnet sich die Tür zum Korridor, und Dad kommt ins Zimmer. Er ist blasser als sonst, tiefe Schatten liegen unter seinen Augen, und seine normalerweise so akkurat sitzende Frisur ist zerzaust und unordentlich. Mom geht zu ihm hinüber und greift nach seiner linken Hand.

»Alles okay?«, erkundigt sie sich.

Dad nickt. »Ja, Chris fährt Hazel nach Hause, und Sarah bleibt bei Macey. Eliza und Harrison verbringen die Nacht mit den Kindern.« Er holt Luft, atmet tief durch und kommt dann zu mir ans Bett. »Wie geht’s dir, mein Großer? Hast du Schmerzen?«

Seine kühlen, zitternden Finger greifen nach meiner Hand, und ich halte sie einen Moment fest. »Mir geht’s gut. Gibt es was Neues von Mace?« Ein müdes Lächeln umspielt seine Lippen, als er neben mir Platz nimmt. Die Erschöpfung ist ihm deutlich anzumerken, und mir wird plötzlich mit erschreckender Klarheit bewusst, dass mein Dad zwar erst über sechzig ist, aber die Krankheit ihn viel älter aussehen lässt.

»Sie ist stabil. Der Doktor hat Sarah gesagt, dass sie Macey für zwölf Stunden im Tiefschlaf behalten, damit sie sich erholen kann. So lang darf niemand zu ihr. Sarah hat man ein Extra-Bett auf den Korridor geschoben, sie ist also in ihrer unmittelbaren Nähe.«

»Das ist aber nett«, bemerkt Mom.

»Ist der Chief auch gekommen?«, will Ethan wissen.

Dad schüttelt nur wortlos den Kopf, und der anschließende Gesichtsausdruck meines Bruders spricht Bände. Mom rollt mit den Augen.

»Es hat einen Brand im School District von Continental gegeben«, erzählt Dad. »Eines der Nebengebäude ist komplett ausgebrannt. Sie haben das Feuer zwar mittlerweile löschen können, müssen aber immer noch die Glutnester bekämpfen – es ist nicht absehbar, wann Maceys Vater herkommen kann.«

»Die Schule?« Mom kommt zu uns herüber und legt Dad eine Hand auf die Schulter. »Weiß man schon, was das Feuer ausgelöst hat?«

»Von einem technischen Defekt bis Brandstiftung ist alles möglich. Genaueres wird man aber erst erfahren, wenn der Ort wieder freigegeben ist und die Experten sich ein Bild gemacht haben.«

»Geht Adam dort nicht auch zur Schule?«, will Mom wissen und wendet sich in meine Richtung.

Ich kann nur die Schultern zucken, weil das ein Teil seines Lebens ist, von dem ich absolut keine Ahnung habe. Wieder wird mir auf schmerzliche Weise bewusst, dass ich im Grunde nichts von ihm weiß. Mit einem Seufzer lasse ich mich tiefer in meine Kissen sinken. Mom kommt zu mir herüber, streicht mir durchs Haar und küsst mich auf die Stirn. »Du bist erschöpft, Schatz, schlaf ein bisschen. Wir kommen morgen wieder, und vielleicht gibt es dann schon die ersten guten Nachrichten.«

»In Ordnung.«

Meine Familie verabschiedet sich leise, und ich bleibe allein in meinem Zimmer. Die Stille und Einsamkeit, die den Raum um mich plötzlich einnehmen, lassen mich endlich aufatmen und umfangen mich gleichzeitig mit ihrer Präsenz.

Nach allem, was die letzten Stunden geschehen ist, fühlt mein Leben sich zum ersten Mal an, als würde es einen vollkommen falschen Weg nehmen – einen, den ich nicht kontrollieren kann. Ich presse die Lider zusammen und versuche meinen Schädel freizubekommen von all den wirren Gedanken und Sorgen. Doch alles, was ich sehe, ist Maceys Gesicht, verborgen in Flammen, mit toten, kalten Augen und versengender Haut, die Blasen wirft und sich von ihrem Fleisch schält.

2

 

Macey

 

 

Flatternd öffnen sich meine Lider, und das Licht strömt durch die Pupillen hinein, um ungefiltert ein Loch in meine Schädeldecke zu brennen. Es dauert eine Sekunde, bis die Synapsen ihren Dienst aufnehmen und die Bilder, die in mein Gehirn strömen, in logische Daten umwandeln.

Ich liege in einem Zimmer mit hellen Wänden und weißer Decke. Ich habe den Eindruck, als wäre jeder Tropfen Flüssigkeit in meinem Rachen verdunstet und ich hätte mir eine Handvoll vom Inhalt aus Zoes Sandkasten in den Hals gestopft, sodass meine Kehle sich nun anfühlt, als würde der Quarzstaub an meinen Stimmbändern entlangrieseln. Mir ist schlecht, und ich habe Kopfschmerzen. Irgendwas steckt zwischen meinen Lippen und windet sich durch meinen Mund.

Ein Schatten schiebt sich vor mich, und ich blinzle, um mich darauf zu fokussieren. Ich erkenne das Gesicht einer Frau, von blondem Haar umrahmt, mit freundlichem Lächeln und fürsorglichem Blick. Sie nickt mir zu, und ich spüre Finger, die mir über die Stirn streicheln, dann verschwindet der Druck aus meiner Kehle. Kühle, frische Luft strömt durch meine Nasenlöcher, um meine Lunge zu füllen. Ich atme tief ein.

»Hallo Mrs Walsh, ich bin Schwester Rose.« Die Stimme ist sanft und melodisch.

Unwillkürlich muss ich an Zoes Lieblings-Disney-Film Die Eiskönigin denken … Sie liebt den Song Let it go, den Elsa singt, und die Frau über mir klingt wie Elsa und sieht sogar aus wie sie … Zoe würde … Zoe … Zoe! Die dumpfe Ruhe in mir weicht einem unangenehmen Druck in meinen Eingeweiden. Irgendwas ist passiert. Meine Lippen öffnen sich, aber nur ein unartikuliertes Krächzen kommt aus meinem Mund.

»Versuchen Sie nicht zu sprechen, Mrs Walsh. Sie wurden intubiert. Vielleicht haben Sie deshalb noch leichte Halsschmerzen und sind ein wenig heiser.«

Ich kann mein eigenes Stirnrunzeln fühlen.

»Wieso?«, frage ich rau.

Die Fremde beugt sich über mich, ihr Lächeln versucht mich zu beruhigen. »Wir haben Sie operiert, Mrs Walsh. Sie hatten eine Zwerchfellruptur, die geschlossen werden musste.« Ich mustere die Frau vor mir verständnislos. Sie ist schon etwas älter, ich tippe auf Anfang vierzig. Das dicke, blonde Haar ist zu einem Zopf geflochten.

»Eine was?« Ich kann nicht anders und muss mich räuspern, weil es sich anfühlt, als hätte ich eine Kröte statt eines Frosches im Hals. Der kurze Laut jagt eine Schmerzwelle durch meinen ganzen Körper.

»Erfahrungsgemäß ist das unangenehme Gefühl rasch wieder weg.« Sie legt mir eine Hand auf die Schulter und tätschelt mein Schlüsselbein, während sie an irgendwelchen Geräten neben dem Bett herumschaltet, die leise klicken. »Sie hatten einen Unfall. Erinnern Sie sich nicht?«

Das Chaos in meinem Kopf beginnt sich zu ordnen, und in der Sekunde, als sie das Wort Unfall sagt, ist alles wieder da. Oh ja, ich erinnere mich wieder. Kopfüber sehe ich uns im umgestürzten Auto von den Sitzen hängen, Cole liegt neben mir, seltsam verrenkt, Adam blutet, Zoe weint. Panik greift mit langen, dürren Fingern nach mir und nestelt an meinen Haaren herum.

»Was ist mit meinen Kindern?«

»Es geht ihnen gut. Sie sind beide ärztlich versorgt worden und befinden sich in der Obhut ihrer Großeltern. Sie mussten im Krankenhaus bleiben. Vielleicht können sie Sie heute Nachmittag besuchen kommen.«

Gott sei Dank! Sie leben! Tränen schießen mir in die Augen. Trotzdem schafft es das Gefühl der Erleichterung nicht, meine Angst zu dämpfen. Meine Stimme ist nur ein Wispern. »Und Cole?«

»Cole?« Die Schwester wirkt irritiert, als sie mich fragend ansieht.

»Cole Sullivan.« Mein Hals brennt so heftig, als hätte ich gerade einen Löffel von Olivers Chilli-Soße geschluckt. »Er war auch im Auto.«

»Oh, ja … Soweit ich weiß, geht es ihm gut, und er darf heute ebenfalls nach Hause.« Sie werkelt weiter geschäftig an irgendwas neben mir herum, das ich nicht sehen kann. »Versuchen Sie noch ein bisschen die Augen zu schließen und sich zu erholen, Mrs Walsh. Sie hatten eine schwere OP und sollten sich noch ein wenig Ruhe gönnen. Ein paar Tage müssen Sie noch bei uns bleiben.«

Das beantwortet die stumme Frage, die mir durch den Kopf geht, ob ich auch nach Hause darf – so wie alle anderen. Ganz offensichtlich darf ich es nicht. Ich räuspere mich erneut mühsam, mein Oberkörper dröhnt, und ein scharfer Schmerz jagt durch mich hindurch. Ich stöhne leise. Augenblicklich ist Schwester Rose da, murmelt vor sich hin und schiebt einen Infusionsständer ans Bett. Sie betätigt ein kleines Rädchen, und ein sanftes, warmes Kribbeln macht sich in meinem Körper breit. Der Schmerz verschwindet, und um mich herum wird das Licht heller. »Schlafen Sie, Mrs Walsh. Die Ruhe hilft Ihnen bei der Genesung.«

Ich öffne die Lippen, um irgendwas zu sagen, habe aber im gleichen Moment vergessen, was die Worte waren. Ein Rauschen breitet sich in meinem Schädel aus, wird lauter, und meine Augen fallen zu. Stille umarmt mich.

 

***

 

Ich habe keine Ahnung, wie viele Stunden vergangen sind und welche Tageszeit wir haben, aber seit meinem letzten Wachwerden wurden mein Gesicht gewaschen, mir die Zähne geputzt und meine Vitalwerte zweimal überprüft. Ein Arzt war bei mir, um zu bestätigen, was die Schwestern mir schon angekündigt haben: dass ich so weit stabil bin, um auf die normale Station verlegt zu werden. Dennoch mahnt er zur Ruhe.

Mir ist alles recht, wenn ich nur endlich meine Kinder sehen darf, und das bleibt mir verwehrt, solang ich noch auf der Intensivstation weile. Also versuche ich alles dafür zu tun, um verlegt zu werden, auch zu versprechen, dass ich mich nicht bewege und alles machen werde, was man mir sagt. Der Lohn ist ein humoriger, junger Krankenpfleger, der mit mir plaudert und scherzt, während er mich in meinem Bett durch die Gänge der Klinik kutschiert.

»Es gibt einen tollen Gemüseauflauf heute«, erzählt er, als wir den Aufzug betreten haben und die Türen sich hinter uns schließen.

»Ist der wenigstens mit Käse überbacken?«, will ich wissen. Meine Stimme ist immer noch rau, aber die Halsschmerzen sind so gut wie weg, und ich schiebe Hunger. Mittlerweile sind sicher vierundzwanzig Stunden vergangen, seit ich zuletzt etwas gegessen habe.

»Käse liegt viel zu schwer im Magen. Die nächsten Tage ist Schonkost angesagt, Mrs Walsh.« Er grinst mich breit an.

»Was heißt das?«

»Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt«, belehrt er mich. »Suppen, Gemüseauflauf, Reis, Nudeln, Kartoffeln, Fleisch und magerer Fisch … Keine Säure, keine Fette, und Alkohol genossen wird auch nicht.«

Ich rolle mit den Augen. »Als ob ich mich hier betrinken würde.«

Er steht am Kopfende meines Bettes, beugt sich halb über mich und verzieht das Gesicht. »Sie ahnen nicht, wie einfallsreich manche Menschen sind, wenn sie ihre tägliche Dosis Vergessen brauchen.«

Ich schmunzle. »Na, ich hoffe, dann überstehe ich den Schokoladenentzug.«

»Oh, keine Sorge, wir haben hier alle Alternativen, die das Herz begehrt.« Er zwinkert mir gutgelaunt zu. »Sie werden viel Spaß bei uns haben.«

Ich schüttle den Kopf. »Irgendwie bezweifle ich das.«

»Wir haben den besten Pudding der Welt«, erwidert er im Brustton der Überzeugung.

Mein leises Kichern bereue ich sofort, als Bauchschmerzen mich überschwemmen. Ich presse mir beide Hände auf den Oberkörper. »Ich glaube, das Lachen sollte ich mir für die nächsten Tage auch abgewöhnen.«

Er schenkt mir ein tröstendes Lächeln. »Es wird bald besser werden. Wichtig ist nur, dass Sie sich schonen. Ein bisschen auf die Ernährung achten und die kommenden drei Monate nicht schwer heben.«

»Was genau bedeutet das?«

»Nichts über zehn Pfund.«

Ich reiße überrascht die Augen auf. »Was? Aber das ist doch lächerlich.«

»Ein Riss im Zwerchfell ist alles andere als lächerlich«, bemerkt er mit hochgezogenen Brauen. »Da muss man schon Prioritäten setzen.«

Ein leises Klingeln verkündet, dass wir die gewünschte Etage erreicht haben. Ich stoße erschlagen die Luft aus und starre die Neonröhren an der Decke an, die an uns vorüberhuschen, während mein Begleiter mich durch den nächsten Gang schiebt und den Smalltalk Richtung Wetter lenkt. Was eben noch ein nettes Geplänkel war und mich für ein paar Minuten von meinen Sorgen abgelenkt hat, wird plötzlich zu einer schwer verdaulichen Nachricht. Wie soll ich meinen Job unter den Umständen ausüben? Ein volles Tablett wiegt schon gute sechs bis acht Pfund. Ich kann nicht drei Monate lang ausfallen, das kann ich mir nicht leisten. Die Gedanken in meinem Schädel drehen sich im Kreis, als würde ich in einem Karussell sitzen. Wir werden langsamer und halten schließlich an. Mein Chauffeur meldet meine Ankunft im Schwesternzimmer der Station.

»Macey!« Ein Gefühl der Erleichterung überschwemmt mich, als ich den Kopf wende und Mom erkenne, die mit zerzaustem Haar und tiefen Schatten unter den Augen neben mich tritt. Sie lächelt, aber in ihren braunen Augen steht eine unausgesprochene Sorge, die vertraut wirkt und die ich doch noch nie so nachdrücklich wahrgenommen habe. Sie greift nach meinen Fingern und streichelt sanft über meinen Handrücken. »Wie fühlst du dich, Schatz?«

»Ganz okay«, erwidere ich und mustere sie aufmerksam. Ihre Bluse ist zerknittert und das Haar nicht gekämmt. Sie sieht aus, als hätte sie in ihren Klamotten geschlafen. »Seit wann bist du hier?«

Mom drückt meine Hand etwas fester, presst die Lippen aufeinander, und ich kann dabei zusehen, wie ihre Augen sich mit Tränen füllen.

»Ich bin sofort gekommen, nachdem Chris mich angerufen hat.«

»Chris?«

»Der Unfall ist auf Höhe seiner Werkstatt passiert. Er war kurz nach den Einsatzkräften bei euch und ist aus allen Wolken gefallen, als du dort auf dem Boden gelegen hast.«

Ich runzle die Stirn. Bin ich aus dem Auto geschleudert worden? Die Antwort in meinem Kopf verflüchtigt sich so rasch, dass ich sie nicht greifen kann. »Chris war da?«

»Ja, bis du mit dem Hubschrauber abtransportiert wurdest. Dann hat er seine Leute angewiesen, sich um die Sicherung deines Autos zu kümmern, und ist den Krankenwagen mit den Kindern und Cole hinterhergefahren.«

Ich nicke zögernd. Mir ist bekannt, dass Chris‘ Werkstatt oft die Autowracks vom Highway räumt und zur weiteren Untersuchung zur Polizei bringt. Manchmal kam er auf ein Feierabendbier bei uns vorbei. Er und Oliver haben sich gern über diverse Auffälligkeiten unterhalten und versucht, die Abläufe, die zu den Unfällen geführt haben, zu rekonstruieren. Dass so ein Crash mal direkt mit einem Familienmitglied zusammenhängen könnte, hat mein Bruder sich vermutlich auch nicht vorstellen können.

»Geht es ihm gut?«, will ich wissen.

»Chris?« Mom wirft mir einen fragenden Blick zu, und ich nicke. Sie schafft das Kunststück, ihre Schultern hochzuziehen, den Kopf zu schütteln und gleichzeitig einen zustimmenden Gesichtsausdruck aufzusetzen. »Er war verständlicherweise geschockt … vor allem, weil sie dich auf offener Straße reanimieren mussten.«

Ich starre sie verblüfft an. »Bitte was?«

»Hat man dir das nicht gesagt?« Sie schaut zu dem Pfleger hinüber, der mit wenig begeisterter Miene zu mir zurückkehrt und wieder hinter mein Bett tritt.

»Wir ziehen es vor, unsere Patienten langsam mit derlei Gegebenheiten zu konfrontieren«, bemerkt er vielsagend.

Mom entschuldigt sich kleinlaut, und ich werde weitergeschoben, allerdings machen wir nach wenigen Metern schon eine Vierteldrehung, und ich beziehe gleich darauf mein Zimmer für die nächsten Tage. Um mich herum sind pastellgelbe Wände und eine weiße Decke mit Neonröhren. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Immerhin kann ich vor den Fenstern einen blauen Himmel mit ein paar zerrupften Wattewölkchen ausmachen. Ich würde mich gern aufrichten, fühle mich aber noch viel zu matt, um auch nur einen Arm zu bewegen. Wenn ich ehrlich bin, würde ich jetzt gern einen Moment durchschnaufen, um das gerade Gehörte irgendwie zu verarbeiten.

Reanimation … Ich kann mich an nichts erinnern. Heißt es nicht immer, dass man bei Nahtoderfahrungen einen langen, dunklen Tunnel sieht, an dessen Ende ein heller Lichtpunkt wartet? Vielleicht habe ich den ganzen Sermon verschlafen. Ich schlucke trocken. Mein Gott! Haben Adam und Zoe auch was davon mitbekommen? Ich will mir das nicht mal vorstellen. Nach allem, was sie in den letzten Monaten schon haben durchmachen müssen, wäre das einfach nur furchtbar. Ich wünschte, die beiden dürften endlich zu mir kommen. Ich will nichts mehr, als meine Kinder wieder in die Arme schließen zu können.

Als ich meinen Wunsch laut äußere, schenkt der Pfleger mir ein Zwinkern. »Ich spreche mit der Stationsleitung. Sicher geht es den beiden auch nicht anders, und wenn der Arzt sein Okay gibt, sollte das kein Problem sein.«

Damit überlässt er mich der Obhut meiner Mutter und verschwindet aus dem Zimmer. Mom zieht sich einen Stuhl heran und nimmt darauf Platz. Die tiefen, dunklen Schatten unter ihren Augen bemerke ich erst jetzt.

»Wie lange bist du schon hier?«, will ich diesmal mit fester Stimme wissen.

Sie verzieht das Gesicht. »Seit gestern Nachmittag. Als Chris‘ Anruf kam, sind Hazel und ich sofort hergekommen.«

»Hast du die Nacht im Wartebereich verbracht?«

»Sie haben mir ein Bett auf den Flur geschoben«, erwidert Mom. »Ich konnte nicht gehen, bis ich nicht wusste, dass du außer Gefahr bist.« Sie senkt den Blick und starrt auf ihre Hände. Ihre Haut ist grau und die Wangen eingefallen. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass meine Mom deutlich älter ausschaut, als sie ist. Die Jahre mit Dad sind an ihr nicht spurlos vorübergegangen, und ich frage mich, warum sie immer noch an dieser Ehe festhält? Sie muss sich das mit ihm nicht mehr antun. Hazel ist alt genug, er kann uns ihr nicht mehr wegnehmen.

Als ich etwas sagen will, öffnet sie den Mund, und ihre Stimme klingt erstickt. »Ich hab dich dein halbes Leben lang im Stich gelassen. Ich wollte nicht riskieren, dich endgültig zu verlieren.«

Mir wird die Kehle eng, und meine Augen brennen. Ich muss ein paarmal schlucken, bevor ich reagieren kann. Meine Eltern gehören einer anderen Generation an. Einer, in der die Ehe noch so vermeintlich ›heilig‹ ist, dass man meist bis zum bitteren Ende zusammenbleibt, gleichgültig wie unglücklich die Beziehung auch sein mag. Ja, Mom muss sich dem Vorwurf stellen, nicht für mich da gewesen zu sein, als ich sie am meisten brauchte. Sie hat sich nicht schützend vor mich gestellt, wenn mein Dad wieder mal ausgerastet ist, aber … möglicherweise habe ich auch keine Ahnung, was sie alles erduldet hat, um mir und meinen Geschwistern noch mehr Leid zu ersparen. Ich weiß nicht, wie diese Ehe hinter verschlossenen Türen lief, wenn wir Kinder nicht in der Nähe waren. Ich taste mit den Fingern über die Bettdecke und blinzle dankbar, als ihre Hand meine umschließt.

»Ich bin noch da«, flüstere ich rau. »Vielleicht haben wir alle eine zweite Chance verdient und sollten sie nutzen.«

Als sie mich anschaut, kullert ihr eine Träne über die Wange. Mir wird bewusst, dass ich irgendwann aussehen werde wie sie. Das gleiche blonde Haar, die gleichen braunen Augen … vielleicht nur nicht mit demselben bitteren Zug um den Mund. Zumindest hoffe ich das.

»Es tut mir leid«, flüstert sie heiser. Dieser kleine Satz entschuldigt so viele Jahre, und der Klang ihrer Stimme zeigt mir deutlich, wie schwer jedes einzelne Wort wiegt, wie sehr es sie danach verlangt, dass ich ihr verzeihen kann.

Ich schließe für eine Sekunde die Augen und nicke. Ich spüre, wie mir die Tränen über das Gesicht laufen, seitlich an meinen Schläfen hinabrinnen und in meinen Haaren versickern. Als ich die Lider wieder hebe, um sie anzusehen, zittert ihr Kinn. »Mir auch, Mom«, erwidere ich und muss unwillkürlich an meinen toten Mann denken. Oliver mit seinem unerschütterlichen Vertrauen an eine höhere Macht – und mit der Überzeugung, dass man fast alles schaffen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt. »Er hat immer gesagt, dass wir die Vergangenheit nicht ändern können, aber unsere Zukunft schon.«

Mom rückt näher und beugt sich zu mir hinüber. »Wer?«

»Oliver.« Ich presse die Lippen fest aufeinander, weil der Schmerz in mir mich für einen Moment überwältigt. Mein Blick verliert sich, und ich starre an die Decke über mir. »Er hat nicht gewollt, dass wir trauern. Er wollte, dass wir das Leben feiern und den Augenblick auskosten.«

»Er war ein kluger Mann.«

Ich hole tief Luft. »Er fehlt mir.«

Sie nickt, drückt meine Hand und presst die Lippen genauso fest aufeinander, wie ich es eben getan habe. »Ihr hattet eine gute Ehe, das lässt man nicht so einfach hinter sich.«

Vor meinen Augen blitzt Coles Gesicht auf. Cole, der mich küsst und an sich drückt. Cole, der seine kühlen Hände unter mein Shirt schiebt und dessen Finger über meine nackte Haut streichen. Ich wage es nicht, Mom anzusehen. Ja, Oliver fehlt mir, sein schräger Humor, seine weisen Ratschläge, seine tiefe Freundschaft … Aber es ist Cole, der mein Herz schneller schlagen lässt und mir den Atem raubt. Ich seufze und bewege sacht den Kopf von links nach rechts. »Das Leben geht weiter.«

»Darf ich dich etwas fragen, Macey?«

»Ja, sicher.«

»Cole und du … Kommt ihr euch wieder näher?«

Ich mustere sie kurz. Weiß sie etwas? Hat Adam irgendwas zu ihr gesagt, als er mit ihr telefoniert hat? Ist sie wütend? In ihren Augen ist kein Vorwurf, nur sachte Neugier. Dennoch schlucke ich zum zweiten Mal und versuche mich in einem ausweichenden Schulterzucken, soweit das liegend im Bett überhaupt möglich ist. »Ich weiß nicht, was das mit uns ist.«

»Er hat euch zuhause besucht«, wirft sie ein.

Ich weiche ihrem Blick aus. »Er wollte sich entschuldigen, wegen der Trauerfeier.«

Mom nickt langsam. »Er glaubt, dass du ihn damals mit Oliver betrogen hast … und Adam das Ergebnis davon ist.«

Mein Disput mit Cole hat vermutlich jedem, der im Haus meiner Schwiegereltern anwesend war, genau diese Gedanken injiziert.

»Das ist völlig an den Haaren herbeigezogen«, dementiere ich in einem Anflug von Ärger.

»Ich weiß.« Als ich sie anblicke, spielt ein schwaches Lächeln um ihre Mundwinkel. Sie schaut traurig aus, und mir wird in derselben Sekunde klar, dass Mom es immer gewusst hat. Sie hat mich zweimal nach Adams leiblichem Vater gefragt, und ich habe sie dreist angelogen. Sogar mit dem verärgerten Hinweis, dass ich keine weiteren Fragen zu ihm beantworte, es sei denn, sie wolle, dass ich wieder nach New Mexico abhaue. Wir haben nie mehr darüber geredet.

Verblüfft glotze ich sie an. »Du weißt es?«

»Anfangs war ich mir nicht wirklich sicher«, erwidert sie kaum hörbar. »Du hast so vehement darauf bestanden, dass Adam das Ergebnis einer flüchtigen Affäre gewesen wäre und zu früh kam. Ich wollte dich nicht bedrängen, weil ich wusste, ich würde dich sonst endgültig verlieren.« Sie verzieht das Gesicht. »Es ist mir nicht leichtgefallen, Maureen gegenüber nichts zu sagen.«

Ich schaue sie nicht an. Ich weiß, was sie meint. Coles Eltern hätten ein Recht gehabt, zu wissen, dass sie einen Enkelsohn haben … Aber angesichts dessen, was vor all den Jahren passiert ist, fällt es mir heute noch schwer, die Nähe von Ethan und seinem Vater auszuhalten. Das wurde mir auf der Beerdigung bewusst. Dabei weiß ich nicht mal, ob einer von ihnen irgendwas mit der Sache im Baumhaus zu tun hatte. Manchmal glaube ich, mir ist die Unwissenheit sogar lieber als die Wahrheit.

»Ich muss zugeben, ich habe eigentlich immer damit gerechnet, du würdest dich irgendwann Coles Mutter anvertrauen«, spricht Mom weiter. »Ihr habt euch früher so wunderbar verstanden. Sie war wie eine Tante für dich.«

Ich schließe erneut die Augen, und die Bilder der Vergangenheit greifen nach mir.

 

Ich bin sechzehn. Es ist der letzte Tag vor den Ferien, und wir haben unsere Zeugnisse bekommen. Meines liegt unbeachtet oben in meinem Zimmer auf dem Schreibtisch, zusammen mit der Auszeichnung als Jahrgangsbeste. Mom hat sich gefreut, still und leise wie immer. Dad hat es gar nicht interessiert. Er ist wieder betrunken, auch wie immer. Er sitzt in diesem schmierigen, braunen Ledersessel, raucht Zigarre und lässt sich von irgendeiner sinnbefreiten Soap in der Glotze berieseln, während neben ihm das Bier auf dem Beistelltisch langsam warm wird. Ich wünschte mir, er würde sich an dem Zeug verschlucken und dabei ersticken. Ich hasse ihn!

Bemüht, ihn zu ignorieren, gehe ich rüber in Moms Bügelecke, schnappe mir den Wäschekorb und will den Raum genauso still wieder verlassen, wie ich ihn betreten habe.

»Musst du nicht zur Schule?«

Ich runzle die Stirn und sehe zu Dad hinüber. Er hängt wie hingegossen auf seinem Sessel und beäugt mich, als wäre ich irgendein widerliches Insekt, das man mit morbidem Interesse unter dem Mikroskop beobachtet. In der Rechten hält er die Flasche, aus der er gerade einen Schluck Bier genommen hat.

»Es ist Abend«, erwidere ich leise.

»Ja und?«

Die Verachtung schwappt plötzlich in mir hoch wie bittere Galle. »Ja und?«, äffe ich ihn nach. »Der Tag ist vorbei, und die Schule ist gelaufen. Merkst du noch irgendwas?«

Ich bin für den Bruchteil einer Sekunde über mich selbst erschrocken. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihm Widerworte gebe oder er von mir patzige Antworten auf seine Fragen bekommt, aber so deutlich habe ich ihm bisher noch nicht klargemacht, dass sein Verhalten mich schlichtweg ankotzt. Der glasige Blick seiner blauen Augen klärt sich für einen Moment, und er stiert mich an. Ich kann sehen, wie es in seinem Kopf arbeitet und die Worte sich zusammenfügen. Er setzt sich aufrecht hin, stellt die Flasche ab und erhebt sich schwerfällig aus dem Sessel. Mein Magen krampft sich zusammen, weil ich ahne, was gleich kommt. Ich presse die Lippen aufeinander und hebe trotzig das Kinn. Soll er mich ruhig schlagen, das macht er schließlich ständig.

Er wankt mit schlurfenden Schritten auf mich zu und taxiert mich. Ich wappne mich gegen das, was kommen wird. Mittlerweile habe ich mich gut genug im Griff, sodass es mir nicht mehr viel ausmacht, wenn er mich wieder ohrfeigt – und geheult habe ich schon lang nicht mehr. Den Gefallen werde ich ihm auch heute nicht tun.

»Solang du in meinem Haus wohnst –«

»Es ist Moms Haus!«, unterbreche ich ihn zornig.

Er glotzt mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann geht alles ganz schnell – seine Rechte krallt sich in mein T-Shirt, und ich lasse den Wäschekorb fallen. Ich stoße ein wütendes »Nein!« aus, klammere mich an seinen Arm und versuche ihn zu treten. Mit dem Profil meiner Turnschuhe erwische ich sein nacktes Schienbein. Es gibt ein quietschendes Geräusch, und ich bin mir sicher, dass das nicht wehgetan hat, aber es reicht, um ihn ausrasten zu lassen. Er brüllt mich an, wirft mich durch den halben Raum, und ich falle über den Beistelltisch. Die Flasche Bier landet auf dem Teppich und ergießt ihren Inhalt in das beigebraune Muster aus Polyesterfasern. Ich kann mich gerade noch fangen, um nicht zwischen Dads Ledersessel und den Couchtisch zu knallen. Mein Oberschenkel brennt, und morgen werde ich da einen fetten blauen Fleck haben.

Aus dem Augenwinkel erkenne ich Mom, die in der Tür zum Flur erscheint. Sie schreit Dads Namen, doch er hört sie gar nicht. Aus seinem Blick schlägt mir der blanke Hass entgegen, und ich verstehe nicht, warum er mich so sehr verabscheut und was ich ihm getan habe, um das zu verdienen. Ich möchte heulen, aber nicht weil er mir wieder wehtut, sondern weil ich nie mehr wollte, als einen richtigen Vater zu haben … So einen wie Coles Dad. Einer, der einen in den Arm nimmt, statt zu prügeln.

Mit zwei Schritten ist er bei mir, packt mich wieder und verkrallt seine Finger in meinen Haaren. »Du kleine Schlampe hast mein Bier verschüttet.«

Die pure Wut steht in seinen Augen, und er verzieht das Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Sein Atem riecht nach Alkohol, Tabak und ungeputzten Zähnen. Ich möchte kotzen, nicht nur aus Ekel, auch weil die Panik wie eine Welle über mich hinwegrollt.

Er wirft mich in den Sessel, kniet sich mit einem Bein auf meinen lädierten Oberschenkel und presst mich mit aller Gewalt in das abgewetzte Leder. Ich versuche ihn wieder zu treten, ihm wenigstens meine Fingernägel in den Arm zu krallen, mit dem er mich packt und festhält, doch ich habe nicht die geringste Chance. Jeder Widerstand von mir macht ihn nur noch zorniger, und statt mich von ihm befreien zu können, liege ich schließlich völlig verquer mit dem Po halb auf dem Sitzpolster und der Brust über der Armlehne und kann mich kaum noch rühren. Sein Atem streift über mein Ohr, als er sich zu mir herunterbeugt. »Ich zeig dir, wer hier am längeren Hebel sitzt, du mieses Stück Scheiße!«

Ich höre Moms Schreie, ihr Weinen, spüre, wie sie an Dad herumzerrt und versucht, irgendwas zu tun, damit er von mir ablässt. Dann gibt es einen dumpfen Knall und ein Aufschluchzen. Ich bin nicht die Einzige in diesem Haus, die unter seinen Gewaltausbrüchen zu leiden hat. Dad reißt mir an den Haaren, während er meinen Kopf nach unten Richtung Boden drückt, und die Angst packt mich, dass er mich mit seinen ruckartigen Bewegungen noch skalpiert. Ich will ihn um Verzeihung bitten, mich entschuldigen, doch er wirft sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich, und ich bekomme keine Luft mehr.

Dann setzt der Schmerz ein.

Hinten in meinem Nacken, wo all die Nervenbahnen zusammenlaufen und die Haut besonders dünn ist. Es fühlt sich an, als würde eine glühende Kugel aus Feuer meine Haare versengen, sich durch mein Fleisch brennen und direkt von der Rückseite aus meinen Hals durchbohren. Ich kann schon spüren, wie die Glut sich durch meine Speise- und Luftröhre frisst. Ich keuche, huste, wispere um Gnade, aber Dad kennt kein Erbarmen mehr. Die lavaartige Konsistenz seiner brennenden Zigarre verschmilzt mit meiner Haut und zersetzt meinen hinteren, rechten Halsmuskel.

Ich höre noch Moms sich hysterisch überschlagende, kreischende Stimme, aus der die pure Angst quillt: »HENRYYY!«

Dann erreicht der Schmerzpegel ein Maß, das ich nicht mehr ertragen kann, und in meinem Kopf legt sich ein Schalter um.

Ich schreie.