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EDITION MEISTERHAFT LESEN BAND II: Die wohl bekanntesten Werke und Schriften von Luise Büchner (* 12. Juni 1821 in Darmstadt; † 28. November 1877) in einem eBook Band vereint. Frauenherz (Gedichte), Erzählungen, Märchen, Die Frauen und ihr Beruf, Deutsche Geschichte von 1815-1870. Alle Werke finden sich in der historischen Schreibweise wieder und dank der integrierten Suchfunktion wird das Lesen, Orientieren und Lesezeichen setzen erleichtert. Ohne optische Spielereien konzentriert sich die digitale EDITION MEISTERHAFT LESEN auf das, was Literatur seit jeher ausmacht.
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Seitenzahl: 1596
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EDITION MEISTERHAFT LESEN
BAND II
Gedichte - Erzählungen - Märchen - Essays
Herausgegeben von Sebastian Lange
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Luise Büchner's Werke & Schriften
Gedichte - Erzählungen - Märchen - Essays
eBook Ausgabe
von Luise Büchner, Herausgegeben von Sebastian Lange
published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de
Projektbetreuung: © www.meisterhaft-lesen.de
Cover/Titelbild: Sebastian Lange, Mansfeld (Südharz)
Bild Vorwort: Luise Büchner (Grafik um 1870), Gemeinfrei
Satz: Sebastian Lange, Mansfeld (Südharz)
Quellennachweise am Schluss des Bandes
© Sebastian Lange
www.meisterhaft-lesen.de
ISBN: 978-3-7375-3803-9
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Impressum
Vorwort
Jugendklänge
Guter Rath
Erinnerung
Ein Traum
Frühlingsgruß
Frühling
Am Baume
Die Glockenstimmen erschallen
An Marie
Sanfter Trost
Jugendträume
Stille Frage
Vergebens
Hoffe doch nicht
Duldung
Wahrhaftigkeit
Schönes Bild
Die Rosen
Herbstesschwere
Zu einem »Lied ohne Worte«
An Auguste
Sonette
Wie oft gedenkt mein Herz der schönen Sage
Wollt' ich vom Herzen fort den Felsen rollen
Spätere Tage
Ein Liebesbote
Willst ruhig du durch's Leben geh'n
Die Mondesbrücke
Frühlingslied
Die Buche
Am Rheine
Einsamkeit
Todte Freundschaft
Ein Felsenherz
Charfreitag
Im schmerzlichsten Gefühle
Liebesklage
So tief verwundet ist dies Herz
Treue
Trauer
Zweifel
Weiser Vorsatz
Den Kranken
Der Liebestempel
Dichtersegen
Es trat Alltäglichkeit
An Viele
Warum o armes Herz
Eine trübe Stunde
Segen der Natur
Höchstes Leid
Rechtes Streben
Herbstlied
Am See
Wenn der ein Dichter ist
Am Grab des Bruders
Die Zürcher Glocken
Lieder
Kam die Liebe in mein Herz gezogen
Das hab' ich nicht gedacht
Wenn diese Stirne trüb der Gram umdüstert
Weiche Luft, nach Sonnenbrande
Erzählende und Gelegenheits-Gedichte
Das Kind an der Quelle
Der Sclavin Teppich
Der Morgen graut in jener fernen Zone
Der Morgen graut im heim'schen Abendlande
Schiller
Zu einer goldnen Hochzeit
Einer Jugendfreundin
Bei Ueberreichung einer Turnerfahne
Der erste Minnesänger
Petrarch und Tasso
Rodomonte
Lorenzo di Medici
Die niedren Hütten, wie die stolzen Hallen
Lorenzo folgt dem allgemeinen Drange
Vittoria Colonna
Armin's Klage
Die Ehekämpen
Einst zu Turin am Hofe versammelte zum Feste
Es war am zwölften Mai
Unwegsame, rauhe Pfade mußte nun Herr
Corsant zieh'n
Manchen Tag noch zog der wackre Reiter
Im Schatten dieser Bäume
Zu leben und zu sterben am reichsten Glücke arm!
Welch heitres Leben wogte auf dem Schlosse
Frisch wie des Gletschers Quelle
Und wieder wogt's geschäftig durch die Hallen
Erzählungen
Ein Dichter Novellen-Fragment I bis VII
Der Matrose vom Alabama
Der kleine Vagabund
Die Fee von Argouges (Normännische Sage)
Weihnachtsmärchen für Kinder
Liebe Tante
Die Geschichte von der Frau Holle
Die Geschichte vom Knecht Nikolaus
Die Geschichte vom Christkind und vom Nikolaus
Die Geschichte vom Christkind-Vogel
Die Geschichte vom Kräutchen Eigensinn
Die Geschichte vom Tannenbäumchen
Die Geschichte von dem kleinen naseweisen Mädchen
Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt
Essays und Vorlesungen
Die Frauen und ihr Beruf
Vorwort zur ersten Auflage (Leipzig 1872, S. V5-VII7.)
Vorwort zur zweiten Auflage (Leipzig 1872, S. VII7-X10)
Vorwort zur dritten Auflage (Leipzig 1872, S. X10-XII12)
Vorwort zur vierten Auflage (Leipzig 1872, S. XII12-XVI16)
Gleichberechtigung des Mädchens mit dem Knaben in der Erziehung
Segen der Arbeit
Ueber die Erziehung für das Haus
Die Handarbeit
Die geistige Erziehung
Das gesellige Leben
Der Damenkaffee
Die Institute
Ueber den weiblichen Unterricht
Die Lehrerin
Lesen und Vorlesen
Die Pflicht der Selbsterziehung
Erziehung weiblicher Dienstboten
Die Ehe
Die Unverheirathete
Die weibliche Krankenpflege
Die Mutter und Gattin
Das Weib
Deutsche Geschichte von 1815-1870 (Zwanzig Vorträge, gehalten in dem Alice-Lyceum zu Darmstadt)
Vorwort
Erste Vorlesung - Einleitung und übersichtliche Darstellung der Befreiungskämpfe
Zweite Vorlesung - Wiener Congreß. Rückkehr Napoleon's. Die hundert Tage. Waterloo
Dritte Vorlesung - Zweite Restauration der Bourbonen. Napoleon nach St. Helena …
Vierte Vorlesung - Die deutsche Bundesacte. Der Bundestag. Liberale Bestrebungen …
Fünfte Vorlesung - Weimarische Verfassung. Verfassungskämpfe in Würtemberg …
Sechste Vorlesung - Wiener Schlußacte. Die süddeutschen Verfassungen …
Siebente Vorlesung - Lage Italien's. Die Carbonari. Befreiungskämpfe der Griechen …
Achte Vorlesung - Zustände und Bestrebungen in Frankreich. Die Julirevolution …
Neunte Vorlesung - Einfluß der Julirevolution auf das übrige Europa …
Zehnte Vorlesung - Der Aufstand in Polen. Die Cholera. Rußland's Einfluß …
Elfte Vorlesung - Hannover und das Göttinger Siebengestirn …
Zwölfte Vorlesung - Europäische Verhältnisse um 1840. Niklas Becker …
Dreizehnte Vorlesung - Geistiges Leben in Deutschland. Strauß. Feuerbach …
Vierzehnte Vorlesung - Allgemeine Bewegung in Europa vor 1848 …
Fünfzehnte Vorlesung - Revolution in Wien. Revolution in Berlin …
Sechzehnte Vorlesung - Der Heckerputsch in Baden. Das deutsche Parlament …
Siebenzehnte Vorlesung - Vorgänge in Preußen und Oestreich. Wiener Mairevolution …
Achtzehnte Vorlesung - Der Juniaufstand in Paris …
Neunzehnte Vorlesung - Aufstände in Dresden, der Pfalz und Baden …
Zwanzigste Vorlesung - Allgemeine europäische Reaction. Der Staatsstreich in Frankreich …
Verfasser- und Quellenverzeichnis
Bisher in der EDITION MEISTERHAFT LESEN erschienen
Gott sandte seinen rohen Kindern
Gesetz und Ordnung, Wissenschaft und Kunst,
Begabte sie mit aller Himmelsgunst,
Der Erde krasses Los zu mindern.
Sie kamen nackt vom Himmel an
Und wußten sich nicht zu benehmen;
Die Poesie zog ihnen Kleider an,
Und keine hatte sich zu schämen.
- Johann Wolfgang von Goethe -
EDITION MEISTERHAFT LESEN widmet sich ganz der deutschen Literatur. In einzeln veröffentlichten eBook Bänden präsentieren wir Ihnen die wohl bekanntesten Dichter, Autoren und Herausgeber.
Mit viel Freude nehme ich diese halb vergessenen Werke von Luise Büchner (* 12. Juni 1821 in Darmstadt; † 28. November 1877) wieder zur Hand, um die erste eBook Gesamtausgabe der EDITION MEISTERHAFT LESEN vorzubereiten. Bei den vorliegenden historischen Schriften wurde die alte Schreibweise beibehalten.
Luise Büchner war die Tochter des Chirurgen Dr. Ernst Büchner und die Schwester von Georg Büchner, Ludwig Büchner, Wilhelm Büchner und Alexander Büchner. Durch einen Unfall war Luise gehbehindert; als kleines Kind war sie ihrem Kindermädchen aus dem Arm gefallen und zog sich dabei eine Rückenverkrümmung zu, die sie zeitlebens behinderte.
Autodidaktisch hatte sie sich umfangreiches Wissen vor allem in Literatur, Mythologie, Geschichte und Fremdsprachen angeeignet. Nach dem Tod der Eltern lebte sie zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen Schwester Mathilde (* 1815, † 1888) im Haushalt des Bruders (Dr. Ludwig Büchner).
Sie vertrat in ihren Schriften besonders den Bildungs- und Berufsanspruch der Frau. Zusammen mit Großherzogin Alice gründete sie 1867 den Alice-Frauenverein in Darmstadt, dessen Vizepräsidentin sie bis 1877 war. Ziel des Vereins war, die bisher nur karitativ ausgeübte Pflege von Kranken und Verwundeten zum bezahlten Frauenberuf zu machen und sich für die Bildung und Erwerbstätigkeit der Frauen einzusetzen. Der Verein schuf neben dem Alice-Bazar zum Verkauf von Produkten der Frauenarbeit das Alice-Hospital Darmstadt, ein Lyzeum (Hochschule), eine Industrieschule und ein Seminar für Handarbeitslehrerinnen.
Aus Anlass einer Konferenz des preußischen Kultusministeriums wurde Büchner 1873 als erste Frau gebeten, zu den Unterrichts- und Erziehungsfragen in der Mädchenschulbildung eine Stellungnahme vorzulegen. Luise Büchner wird heute noch neben Luise Otto oder Fanny Lewald als eine der bahnbrechenden Frauen des 19. Jahrhunderts angesehen. Nach ihr wurde die Bibliothek des Deutschen Frauenrings zu Darmstadt benannt, welche ehrenamtlich von den Mitgliedern des Darmstädter Frauenrings geführt wird.
Auswahl der Werke von Luise Büchner
Gedichte (Frauenherz)
Erzählungen (Ein Dichter, Der Matrose vom Alabama, Der kleine Vagabund, Die Fee von Argouges)
Märchen (Weihnachtsmärchen für Kinder)
Essays und Vorlesungen (Die Frauen und ihr Beruf, Deutsche Geschichte von 1815-1870)
Still mußt du werden, pochend Herz,
Still wie der Stern am Himmelszelt,
Wie er, mußt unberührt du steh'n
Vom nicht'gen Treiben dieser Welt.
Still mußt du werden wie der Fels,
An dem sich wild die Brandung bricht;
Ob auch ein Schifflein jach zerschellt
An seinem Fuß, er fühlt es nicht.
Still mußt du werden wie der Schwan,
Der lautlos schwimmt den See dahin,
Wie einsam er die Fluth zertheilt,
Mußt du des Lebens Kreise zieh'n.
So stolz mußt steh'n du, so allein,
Dann wirst du froh und glücklich sein.
Doch ach! du seufzest leise: nein,
Nicht froh, nicht glücklich werd' ich sein!
O, ich versteh' dich, glühend Herz,
Zu heiß liebst du das Leben noch,
Trotz seinen Schmerzen, seiner Qual,
Trotz seiner Noth liebst du es doch.
So schlag' in Menschenleid und Lust,
So dulde denn und klage nicht,
Sei einsam eher nicht und kalt,
Nicht still, als bis der Tod dich bricht!
Hier will ich sitzen und ruhen
An diesem lieblichen Ort,
Will schweifen lassen das Auge
In's Weite von Ort zu Ort.
Will stille sitzen und denken
An Alles was ich geliebt,
Will Alles, Alles vergessen,
Was mich verletzt und betrübt.
Und kann ich es denn verbannen,
Woran ich nicht denken will?
Wie bleibt es beim frohen Erinnern
Im Herzen so öd' und so still!
Es sind so innig verbunden
In mir die Freuden und Weh'n,
Daß nur vereint sie entschlummern,
Vereinigt nur aufersteh'n!
Wenn oft ich einsam saß und allein,
Dann wiegte der lieblichste Traum mich ein,
Sein weicher Arm mich liebend umschlang,
Sein Mund die süßesten Lieder sang.
Er legt' auf's Herz sich erfrischend und mild,
Wie Thau auf dürstende Blumen quillt,
Er säuselt' um mich wie im Schilfe der Wind
Und kühlte die brennende Stirne lind.
Er war so heiter, so golden schön,
Wie die Sonne strahlt um der Berge Höh'n,
Wenn sie noch einmal aus Wolken bricht,
Eh' in Nacht versinket ihr glänzend Licht.
Umwoben von seinem Zauberband
Vergaß ich des Lebens Schmerz und Tand,
War reich von seliger Ahnung erfüllt,
Wie einst sich des Herzens Räthsel enthüllt.
Und wenn ich traurig und müde war,
Dann schloß ich zum Traume mein Augenpaar,
Und träumte Frieden mir in die Brust,
Bis nicht mehr des Schmerzes ich war bewußt,
Bis Himmelswonne die Seele durchzog –
Ach! daß der grausame Traum nur log;
Er ist dahin, das Erwachen war schwer,
Herz, mein Herz, o, träume nicht mehr!
Nur düstre Wolken seh' ich geh'n und kommen,
Und ewig droht der Winter fortzuwähren –
Die Seele war so trüb mir und beklommen,
Ich rief den Frühling, ach! er will nicht kommen,
Sie und des Himmels Stirne aufzuklären.
Und durch des Gartens Gänge dichtverschlungen
Ging ich – doch sieh, was hat sich dort begeben!
Schneeglöcklein sind der kalten Erd' entsprungen,
Sie haben siegend sich hervorgerungen,
Erweckt von eines Sonnenkusses Leben.
Nun stillt ihr, Frühlingsboten, mein Verlangen!
Ihr woll't in's Herz mir neues Leben senken!
Wie gläubig euer Kelch ist aufgegangen,
Weil er der Sonne einz'gen Kuß empfangen,
So soll mir Frühling euer Anblick schenken!
Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!
Mehr als der Bräutigam die holde Braut;
Er weiß, sie wird ihm einstens angetraut,
Doch ich muß lieben dich mit Furcht und Beben,
Kaum da, fliehst du mit Windesschnelle mich
Und nimmst mir mit, das kaum erweckte Leben –
Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!
Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!
Spiel' um die Stirne mir mit süßem Hauch,
Und küsse mir den Thau vom müden Aug'!
Im Winter wächst die Qual bedrängter Herzen,
Des Lebens Schatten steh'n in seinem Sold;
Du kommst, ein Lächeln – es entflieh'n die Schmerzen,
Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!
Du schöner Frühling, meiner Seele Lust!
Mein schauernd Herz will ewig dir sich weih'n,
Es blieb dies Herz stets einsam und allein.
Nie mocht' ein Menschenauge mich beglücken
So tief in Lieb' und seligem Entzücken,
Als ich in deines Himmels Bläue seh'!
O, nimmer täuschest du! du kehrest wieder
Und neue Schönheit, neu erwachte Lieder
Verscheuchen jedes Leid und jedes Weh!
Zum Himmel wirst du immer neu mich heben,
In ew'ger Jugend werd' ich mit dir leben,
Verblich der Locke Braun auch längst in Schnee!
Du schöner Frühling, ewig lieb' ich dich!
Am Baum' hab' ich gestanden,
Der war so hoffnungsgrün,
Nicht lange mehr kann's dauern
Und freudig wird er blüh'n.
Ein Zweiglein nur streckt trauernd
Die Arme nach mir aus,
Es ist so kahl und dürre,
Schlägt nirgends knospend aus.
O, Zweiglein! was erwachest
Du nicht im Frühlingshauch?
Die Sonne küßt die Fluren,
Sie küsset dich ja auch!
Lockt nicht des Himmels Bläue,
Der lauen Lüfte Weh'n,
Dich, wie die Nachbarzweige
Im Blüthenschmuck zu steh'n?
Laß deine Rinde schwellen
Von frischem Lebenssaft –
Doch, Zweiglein, ach! ich sehe
Dir fehlt die inn're Kraft!
Dein Mark, ach! ist erstorben,
Vom Winterfrost verzehrt,
Dein zartes Leben haben
Die Stürme rauh zerstört.
Für dich scheint keine Sonne,
Weht keine Frühlingsluft,
Dir sind die Lenzgefilde
Nur eine Todtengruft. –
Ich gehe still von dannen,
Und denk' an dich zurück,
Und an so mancher Herzen
Dahin gewelktes Glück.
In deren zarte Blüthe
Auch drang so eisig Weh'n,
Daß unter den Lebend'gen
Sie wie Gestorb'ne steh'n!
Die Glockenstimmen erschallen,
Mild leuchtet der Abendstern,
Und feierlich kündet ihr Hallen
Die Auferstehung des Herrn.
Ihr hellen Osterglocken,
Ich hört' euch schon manches Jahr,
Bald unter Scherz und Frohlocken,
Bald wenn ich in Thränen war.
Heut' tönt mir euer Läuten
So trüb' und so ahnungsvoll,
Nicht weiß ich, was mir bedeuten
Das ernste Hallen soll.
Wie mög't ihr mir wohl erklingen,
Wenn wieder ein Jahr hinab?
Wie Weinen, wie fröhlich Singen,
Oder auf meinem Grab?
Ob ich dich liebe, wolltest du mich fragen –
Und was ich liebe, will ich treu dir sagen:
Das Blümchen lieb' ich, das die würz'gen Düfte
Ausstreuet in die lauen Frühlingslüfte,
Und doch sich tief verbirgt im dunklen Moos –
Kein Auge sieht der Heimath stillen Schooß.
Den See auch lieb' ich, deß krystallner Quell
Dem Blick sich öffnet bis zum Grunde hell,
Auf dessen Spiegel sich in sanftem Licht
Getreu des Himmels milder Abglanz bricht.
So lieb' ich auch der Jungfrau still Gemüth,
Das nur für Schönes, Heiliges erglüht.
Das fromme Herz, das muschelfest umschließt
Den reinen Kern, dem Reines nur entsprießt. –
Nun weißt du was ich liebe, denke nach,
Ob ich, Marie, dich wohl lieben mag.
Geschieden ist die Sonne,
Kein Blümlein mehr mag blüh'n,
Und nur des Epheus Blätter
Schmückt noch ein sanftes Grün.
Und freudig uns're Seele
Darauf die Hoffnung baut,
Daß es nach ödem Winter
Den Frühling wieder schaut. –
So wird der bangen Seele
Die tiefer Schmerz erfüllt,
Im Lebensgrün der Hoffnung
Ein neuer Trost enthüllt.
Ein Frühling lacht ihr wieder,
Und Blumen pflückt die Hand,
Fällt manche Wehmuthsthräne
Auch auf des Kelches Rand.
Und wie der Epheu innig
Sich Rank' an Ranke schmiegt,
So wird die Seele stiller
An Freundes Herz gewiegt.
Kalt ist, wer nicht Liebe suchet,
Spricht der Menschen große Zahl,
Elend ist, wer nie empfunden
Ihre Lust und ihre Qual!
Und das Letzte was sie sagen,
O, ich glaub' es ihnen wohl,
Aber niemals kann ich fassen,
Daß man Liebe suchen soll.
Liebe muß sich auf uns senken
Wie ein schöner, gold'ner Traum,
Ahnungslos muß sie durchdringen
Unsres Herzens tiefsten Raum.
Und wenn dann wir leis' erwachen,
Steht sie da als Königin,
Und vor ihrem Strahlenblicke
Sinken machtlos wir dahin.
So muß uns die Liebe nahen,
Soll sie heil'ge Liebe sein,
Denn der Schlaf schützt reine Herzen,
Himmlisches nur läßt er ein.
Wollte Gott mir leuchten lassen
Solcher Liebe Himmelslicht,
Knieend wollt' ich sie empfangen,
Doch sie suchen kann ich nicht!
Es quillt des Abendsterns
Geheimnißvoller Schein,
So nah' und auch so fern,
Mir in das Herz hinein.
Drin glüht ein and'res Licht,
So nah' und auch so fern,
Das Herz umschließt es dicht –
Doch weit ist's wie der Stern.
Du gold'ner Liebesstrahl,
Geh', frage deinen Stern,
Bleibt er zu deiner Qual,
Dir ewig, ewig fern?
Du weißt es wohl, ich bin kein starker Geist,
Der frei für sich erschafft ein eig'nes Leben,
Kein mächt'ger Baum, sich selbst genug, der wagt
Sein stolzes Haupt hoch in die Luft zu heben.
Ich kann nicht geh'n in selbstgezognen Gleisen,
Und brauche Sterne, die den Pfad mir weisen.
Du weißt es wohl, ich bin kein starkes Herz,
Das einsam kann durch's dunkle Leben ziehen,
Zu Etwas muß es gläubig aufwärts schau'n,
Für Etwas schlagen, zittern und erglühen.
Der Rebe gleicht's, die nur im Aufwärtsringen
Empor sich kann zu Licht und Leben schwingen.
Doch weißt du wohl, wie sehr dies Herz auch braucht
Der starken Hand – sie wird ihm ewig fehlen,
Und wie der Geist auch noch so heiß sich sehnt
Nach seinem Stern – er muß umsonst sich quälen,
Bis gleich der müden Flamme letztem Blinken
Sie todesmatt in sich zusammensinken!
Hoffe doch nicht – du mußt es bezahlen
Mit der Enttäuschung bittersten Qualen,
Wiege dich Hoffnung auch noch so schön,
Tückisch wird sie doch untergeh'n!
Wünsche auch nicht – dir ist niemals gewähret,
Was deine brennende Sehnsucht begehret:
Ob auch aus weinender Seele er quillt,
Nie sich der rettende Wunsch erfüllt. –
Weine auch nicht – es stillen die Thränen
Nimmer dein heißes Bangen und Sehnen,
Wehr' ihres Strom's unbänd'ger Gewalt,
Geh' deines Weges ruhig und kalt.
Trotze auch nicht – dein Herz ist kein Felsen,
D'rauf du voll Groll dein Leid kannst wälzen,
Vor seiner Schwere dein Stolz sinkt hin,
Brich' du ihn selbst mit duldendem Sinn!
Dulden und Schweigen nur – ist uns beschieden,
Bis uns umschwebet der ewige Frieden;
Ob auch das Leid dich erdrücken will –
Dulde du, schweig' und halte dich still!
Schwarzes Eisen, kalt und spröde,
Schelten möchte ich dich nicht,
Weil es dir an Lebenswärme
Und an Biegsamkeit gebricht.
Bist du doch in Feuersgluthen
Zischend einst emporgewallt,
Eh' du unter Hammerschlägen
Mußtest werden starr und kalt.
Und, so sollt auch ihr nicht schelten,
Wenn ihr seht ein kaltes Herz,
Sollt ihm heißes Mitleid zollen,
Weil es gleicht dem todten Erz.
Wißt ihr denn, ob es nicht glühend,
Zischend einst emporgewallt,
Bis es unter Schicksalsschlägen
Ward wie Eisen starr und kalt?
Dies war mir oft ein Trost im Leben,
Ein Glück, das Keiner rauben wird –
Daß sich noch niemals eine Seele
In meinem Wesen hat geirrt.
Verrathen manchmal, oft betrogen,
Kenn' ich es tief, dies bitt're Leid,
Doch daß ich niemals selbst gelogen,
Bleibt Balsam mir für alle Zeit! –
Ich gleiche nicht der Sonne Schimmer,
Bin nicht so reich an Glanz und Licht,
Ein Sternlein nur, deß schwacher Flimmer,
Ein kleines, enges Rund umflicht.
Doch, wie die Stolze mitteninnen
Glänzt wandellos am Himmelszelt,
So steh' ich fest in meinem Sinnen,
Und ohne Trug kennt mich die Welt.
Und wer mit liebendem Vertrauen
Zu mir, dem kleinen Sterne, blickt,
Der darf in gläub'ger Ruhe schauen,
Denn er bleibt fest und unverrückt.
Getreu und wahr zu allen Stunden,
Verwirrt und blendet nie sein Licht –
Der Täuschung Qual hab' ich empfunden,
Allein ich täuschte And're nicht!
Wie bist du schön, o Rose,
Und hold in deiner Pracht,
Vom ersten Sonnenstrahle
Geküßt nach thau'ger Nacht;
Von Thränen übergossen
Dein leuchtend Angesicht,
Stehst lächelnd du im Schimmer
Des Lichts, das dich umflicht.
O Mädchen, so bist lieblich
Du wie der Rose Bild,
Wenn sich dein dunkles Auge
Mit süßen Tropfen füllt,
Die Wangen sanft sich röthen
In stiller, heil'ger Gluth
Vom Sonnenstrahl der Liebe,
Der schimmernd auf dir ruht!
In dunkler Gartenlaube ein bleiches Mädchen stand,
Sie hielt zwei duft'ge Rosen in ihrer weißen Hand;
Und in den Kelch der rothen schaut sie mit trübem Schmerz:
So glühte und so prangte auch einst mein junges Herz;
So trank's in heißen Zügen des Lebens Morgenluft,
So quoll aus seinem Innern der Liebe süßer Duft.
Jetzt gleicht's der weißen Rose, so kalt ist es und mild,
Wohl ruht darin geborgen manch' liebes, theures Bild,
Doch ist sein Feu'r erloschen, sein Klopfen fühl' ich kaum,
Bald werd' im Grab vergessen ich ganz der Jugend Traum.
Und wenn auf meinem Hügel dann weiße Rosen blüh'n,
So laßt an ihrer Seite auch rothe Knospen glüh'n,
Den Schläfer einst zu nennen, des Denksteins braucht es nicht,
Mein Hoffen und Entsagen aus ihren Kelchen spricht!
Trüb' die Sonne hinter Wolken steht,
Feucht der Westhauch über Stoppeln weht,
Herbstesöde ruht auf dem Gefild,
Herbstesöde – meiner Seele Bild!
Müßt ihr Fluren auch entlaubet steh'n,
Einen Frühling habt ihr doch geseh'n,
Eines Sommerkusses Gluth gefühlt,
Eh' euch kalter Todeshauch durchwühlt.
Ach! mir hat kein Frühling noch gelacht,
Keine Blüth' entsproß des Herzens Nacht,
Und es naht kein heißer Sommertag,
Der mit glüh'ndem Kuß sie lichten mag.
Frühling kehrt zurück mit jungem Grün,
Blumen über Gräbern neu erblüh'n;
Frühling! heil' des müden Herzens Noth,
Glückesblüthen gib' ihm, oder Tod!
Ich fleh' zu dir, o, lausche meinen Tönen,
Die sanfte Luft zu deinem Ohre trägt,
Lass' sagen meines Liedes heißes Sehnen,
Was lange schon mein volles Herz bewegt.
Du lauschst ja auch der Aeolsharfe Klingen,
Wenn sanfter Wind durch ihre Saiten zieht,
Und lächelst fröhlich bei der Lerche Singen –
So lächle jetzt auch freundlich meinem Lied.
Denn, um das Herz dir schmeichelnd zu erschließen,
Hab' ich manch' süßen Ton hineingebannt,
Und, die vom Himmel sich zur Erd' ergießen,
Die Melodieen der Natur entwandt.
Der Nachtigall lauscht' ich im dunklen Hain,
Sog ihren vollsten Ton in's Herz hinein,
Ich hörte, was bei'm sanften Sternenlicht
Geheim die Lilie zu der Rose spricht.
Ich lag im Wald am mos'gen Felsenhang,
Aus dessen Brust ein Bächlein murmelnd sprang,
Des Rieselns Sinn hab' ich ihm abgelauscht,
Und wie's ihm Antwort durch die Zweige rauscht. –
Sein Nachtgebet das letzte Vöglein sang,
Zur Ruhe mahnt der Abendglocke Klang,
Nur leise summt noch die Cikade dort,
Die Glocke schweigt in zitterndem Accord,
Ein Seufzer noch – dann hört mein Ohr mit Beben
Des Tages letzten Laut in Nacht verschweben.
Auf ging der Mond, und neue Melodie'n
Begannen durch die stille Nacht zu zieh'n;
Der Erd' entströmten süße Liebesklagen,
Die milde Lüfte hoch gen Himmel tragen,
D'raus leise tröstend Töne niederwallen,
Wie droben sie von Engelsharfen schallen.
Der Erde Leid, des Himmels sel'ge Lust –
Die Töne strömen dir aus meiner Brust.
Und Blumensprach' und Nachtigallensang
Und Bachesmurmeln, Abendglockenklang,
Dies Alles ist in meinem Lied erklungen,
Ich hab' dir's zitternd, bebend vorgesungen.
Dein dunkles Auge eine Thräne füllt,
Ein Seufzer deinen Lippen sanft entquillt,
Mein flehend Lied, es hat dein Herz erweicht,
Des Lebens höchstes Ziel, es ist erreicht!
Da wollt' ich jubeln wie der Wasserfall,
So sollte donnern meiner Töne Schall,
Da wollt' ich jauchzen, wie die junge Welt,
Wenn Sonnenkuß nach langer Nacht sie hellt.
Hin ist die Kraft – mir blieb ein einz'ger Ton,
Wie betend Engelslippen er entfloh'n!
Als du gestorben, hab' um's Haupt ich dir
Den letzten Schmuck gewunden,
Aus Rosen, Myrthen und Cypressengrün
Von meiner Hand gebunden.
Sanft wirst du ruh'n in deiner stillen Gruft,
Ich aber weine, weine,
Auf Blatt und Blüthe fallen Thränen hell
Wie thau'ge Edelsteine.
Die Rosen, nimm' sie alle mit hinab,
Ich will sie dir nicht neiden,
Die Myrthen auch, es wird ihr sanfter Schmuck
Nie meine Stirne kleiden.
Hier oben will ich Eines nur für mich
Behalten an dem Herzen;
Von dir, Cypresse, nur den düstren Zweig,
Du Bild der Trennungsschmerzen.
So düster ist, wie du, die Seele mir,
Die Leid und Nacht erfüllet,
So blüthenlos, wie du, des Lebens Pfad
Sich meinem Blick enthüllet!
Wie oft gedenkt mein Herz der schönen Sage
Von Phaëthon's Schwestern, welche – voll Erbarmen
Mit der Verzweiflung und dem Schmerz der Armen –
Der Götter Einer schuf zum Baum der Klage,
Zur Trauerweide, endend ihre Plage.
Es sprießen Zweige aus den schönen Armen,
Mitleid'ge Rinde zieht sich um die warmen
Gequälten Herzen, und die laute Klage
Wird leises Flüstern, melancholisch Klingen.
Wir müssen menschlich unsren Schmerz bezwingen,
Kein Schwesterherz darf mehr so süß vergeh'n!
O, wollt's ein Gott! wie möcht' auch ich so gerne
Auf einem theuren Grab in weiter Ferne
Als stille Trauerweide ewig steh'n!
Wollt' ich vom Herzen fort den Felsen rollen,
Sein tiefgeheimstes Inn're mir erschließen,
Zum Stein erstarren müßt' ich dann vor diesen
Medusen, die es schmerzlich wild umgrollen.
Hätt' ich in Klagen mich erleichtern wollen,
Sie müßten wie ein Strom sich laut ergießen,
Es müßt' in bitt'ren Thränen mir entfließen
Des Lebens beste Kraft und höchstes Wollen.
Nein, wie ein Räthsel fast soll mich umschweben,
Was so mich drückt und peinigt ohne Schuld –
Wie könnt' ich sonst mich je zum Glück noch heben?
Blind, taub und schweigend, will ich weiter schreiten,
Und über Alles kalt und ruhig breiten
Die starre Leichendecke der Geduld!
Wie du fliegst auf meine Hand,
Bunter Schmetterling,
Bist du wohl ein Gruß von ihr,
Eh' sie weiter ging?
Süßer Gruß, und doch so herb,
Daß es überquillt,
Dieses Aug', das ahnend sieht
Drin der Liebsten Bild.
Wenn nun, gleich dem Schmetterling,
Heute sie mir naht,
Morgen flieht – o, armes Herz,
Weißt du dir dann Rath?
Willst ruhig du durch's Leben geh'n –
So frage nie, was es dir nahm,
Wie oft der Tod dir nahe kam,
Wie oft dich Täuschung überkommen.
Du warst ein frischer, junger Baum,
Die Zeit ging drüber wie ein Traum,
Hat alle Blätter mitgenommen!
Willst ruhig du durch's Leben geh'n –
O, frage nie, wieviel dir's gab!
O, sieh' nicht auf der Knospen Grab,
Die schon gestorben im Entfalten!
Lass' sinken deine leere Hand,
Die sich voll Sehnsucht ausgespannt,
Die reichsten Kränze festzuhalten.
Willst ruhig du durch's Leben geh'n –
O, frage nie, wie wird es sein?
Die Hoffnung ist nur Lügenschein,
Die dich verlocket in die Ferne,
Was du geträumt, ersehnt, begehrt,
Bleibt dir – dies wardst du oft gelehrt –
So unerreichbar wie die Sterne!
Schweigend ruht des Rheines Spiegel,
Golden schwebt der Mond darüber,
Senket aus den blauen Höhen
Eine Strahlenbrücke nieder.
Und sie taucht die lichten Pfeiler
In die tiefe, dunkle Welle,
Daß vor Wonne leise bebet
Glanzumwoben ihre Schwelle.
Dampfumhüllet, schwarz und nächtig,
Kommt das Schiff einhergeflogen,
Schneidet brausend mitten innen
Durch der Brücke goldnen Bogen.
Die so stille und so prächtig
Festgezimmert hat gestanden,
Ist zertrümmert, ist zerborsten
In unzählige Demanten.
Zuckend fliegen sie wie Blitze
Ueber die bewegten Fluthen,
Wo der heit're Bau sich wölbte,
Wogt ein wildes Meer von Gluthen.
Ach! so zieht durch eine Seele
Oft das Schicksal schwarz und mächtig,
Das in's Leben schlug die Brücke
Auch so golden, froh und prächtig!
Aber sieh – das Schiff enteilet,
Ruhe deckt die Wasser wieder,
Und auf's Neue hell und golden
Senket sich die Brücke nieder.
Wie versöhnet, ihre Strahlen
Wieder in einander rinnen,
Ahnet Niemand, daß sie eben
War zerschnitten mitten innen.
Armes Herz! dem so gewaltsam
Ward der goldne Bau zersplittert,
Daß es mild erbebend schläget,
Von dem tiefsten Weh durchzittert;
Reicher, goldner als die Brücke
Strahlest du nach deinen Wunden,
Hast versöhnt und ganz dich wieder
In dir selbst zurecht gefunden!
Es kam der Frühling mit Herrschermacht,
Da wollt' ich ein Lied ihm singen;
Er strahlte so hold in lieblichster Pracht –
Wie sollt' es da nicht gelingen?
Ich sah mir die Blüthenbäume an,
Dran alle Knospen gesprungen,
Sie waren gleich Bräuten angethan,
Von Schleier und Myrth' umschlungen.
Es nickten Blumen an jedem Steg,
Als ob sie selber sich streuten
Den schlanken Bräuten auf ihren Weg,
Beim Maienglockenläuten.
Die grünen Blätter im Buchenhain,
Umhaucht von weißem Gefieder,
Sie flüstern in alle Welt hinein
Die süßesten, wonnigsten Lieder.
Es lauschet den Tönen die Lerch' im Feld,
Es lauschen die Nachtigallen,
Aus Blüthensträuchern, vom Himmelszelt
Klingt wieder das fröhliche Schallen.
O, Frühling! Frühling! so hold und licht!
Fast will mir das Herz zerspringen!
Du – selbst der Schöpfung höchstes Gedicht,
Wer könnte dich würdig besingen?
Allein steht eine Buche
Entfernt vom Waldesplan,
Von Sträuchern nur umgeben
Zu klein, sie zu erstreben,
An die sie sich nicht lehnen kann.
Doch wie sie so alleine
Dort wurzelt stolz und stark,
Verkünden Wuchs und Krone,
Daß tief im Innern wohne
Ein kräftiges und edles Mark.
Es mag der Sturm umpeitschen
Und wild umtoben sie;
Er mag die Zweige knicken,
Die Blitze sie umzücken,
Den Wipfel beugt sie feige nie!
Doch unter diesem Wipfel
Hängt sicher manches Nest,
Zur Blüthe Knospen streben,
Hebt sich zu höh'rem Leben
Am Stamm empor der Epheu fest.
O, Baum, in deiner Höhe,
Wie glücklich scheinst du mir!
Die Starke bei den Schwachen,
Darfst du sie stolz bewachen
Und Alles schaut hinauf zu dir!
Da reget sie die Zweige
Und flüstert leis' und lind:
»Wohl schön ist's, daß ich ihnen,
Den Schwachen, hier kann dienen,
Doch bin ich drum nicht frohgesinnt.
Wie ich allein hier stehe
Ganz auf mich selbst gestellt,
Wär' unter meinem Dache
Ich lieber doch die schwache
Feldblume, die mein Schutz erhält.
Wär' lieber selbst das Vöglein,
Das süß mir Lieder singt,
Am liebsten wohl der warme
Epheu, der seine Arme
In Lieb' und Treue um mich schlingt!«
Abend sinkt mit seinem Frieden
Auf die Berge, in das Thal –
Holdes Bild! das mir beschieden
Ist, im letzten Tagesstrahl!
An den blauen, duft'gen Höhen
Dehnt sich glühend dort im West –
Eines Grußes letztes Wehen –
Noch des Abendgoldes Rest.
Und des Stromes glatte Bahnen
Kaum die Welle mehr bewegt,
Läßt die ew'ge Macht nur ahnen,
Die ihn rastlos weiter trägt!
An des Himmels fernsten Räumen
Selbst die Wolke zögert still,
Harrend, ob mit goldnen Säumen
Sie das Mondlicht kränzen will.
Friede! süßes Glück von Oben!
Welch' ein Zauber dich umflicht!
Hemmst des Stromes wildes Toben,
Bannst in Ruhe Luft und Licht.
Und mein Herz, es wird so milde,
Wird so stille, wie noch nie,
Fühlt sich mit dem sanften Bilde
Ganz in reinster Harmonie.
Wenn so jeder Wunsch kann schweigen,
In der Brust, die menschlich fühlt,
Jede Sehnsucht muß erbleichen
Von der Ruhe Glück umspielt.
Darf nur einen Wunsch entbieten
Noch des reichen Herzens Schlag:
Daß es stets in gleichem Frieden
Solch ein Bild genießen mag!
Ich bin allein – wie oft mit kaltem Schauer
Trifft mich dies Wort, mit namenloser Trauer –
Ob sich auch laut das Leben um mich regt;
Allein – mit meinem Streben und Bemühen,
Allein – wenn eine andre Brust durchglühen
Ich möcht', mit dem, was Meine schön bewegt.
O, so allein ist nicht des Südens Pflanze,
Die einzeln steht in nord'scher Blumen Kranze,
Es grüßt sie hier wie dort der Sonne Kuß;
So einsam nicht auf weitem Feld die Eiche,
Das sehnsuchtsvolle Rauschen ihrer Zweige,
Erwiedert hold der Vögel lauter Gruß.
Wohl einmal auch, zwei kurze schöne Stunden,
Hab' ich der Seele süßen Hauch empfunden,
Die geistverwandt mit mir die Schwinge regt;
Doch sie entschwand in endlos weite Ferne,
Ich schau' ihm nach, dem glänzend schönen Sterne,
Von milder Schwermuth wundersam bewegt.
So flieht mein Leben einsam still von hinnen,
Ein Quell, der bang im Sande muß verrinnen,
Und nie in einen stolzen Strom sich gießt;
Ein Epheu, der bestaubt am Boden lieget:
Kein Baum, daran er sich vertrauend schmieget,
Um den er liebend seine Arme schließt!
Es ist vorbei – auch dieser Traum ist aus,
Auch diesen Kelch hat leer das Herz getrunken,
Auch dieser Stern ist in den Staub gesunken –
Hinweg, hinweg – es führt in dieses Haus
Kein Gott mich mehr zurück! Weh' euren Banden –
Ihr habt mich nie geliebt und nie verstanden!
Warum denn locktet ihr mich falsch hinein,
Warum habt meine Seele ihr gebettet
Auf des Vertrauens Pfühl, bis sie gekettet
Sich an euch fest mit ihrem ganzen Sein?
Warum? Da eure Zungen dann bekannten –
Daß ihr mich nie geliebt und nie verstanden!
War ich ein Spielzeug nur in eurer Hand,
Ein Zeitvertreib, den Geist euch zu ergetzen?
Ihr labtet euch an meines Herzens Schätzen,
Dann warfet achtlos ihr es in den Sand;
Sprecht, ob von Schaam nicht eure Stirnen brannten –
Die ihr mich nie geliebt und nie verstanden!
Ich gehe – nimmer mißt zurück mein Fuß
Die Straße – gehe sonder Muth und Glaube;
Entrüstung hebt empor mich aus dem Staube,
Allein es starb der Freundschaft Genius.
Euch ist nur Wahn, was Andre wahr empfanden –
Mich habt ihr nie geliebt und nie verstanden!
Als Moses in der Seele höchstem Zagen,
Um Hülfe flehend, an den Fels geschlagen,
Da fühlte Mitleid selbst mit ihm der Stein;
Er öffnete des Busens starre Rinde,
Und segensreich entströmte voll und linde
Den Schmachtenden die Quelle frisch und rein. –
Ein andrer Moses, hab' ich auch geschlagen
An einen Fels, mit banger Furcht und Zagen,
Was aus dem Innern mir entgegenquillt;
Voll Inbrunst hab' ich heiß mit ihm gerungen,
Ich redete mit Mensch- und Engelzungen –
Es lag vor ihm der Seele ganzes Bild!
Doch kalt und stumm blieb er bei meinen Fragen,
Taub und verschlossen meinen heißen Klagen,
Ihn rührte nicht der Seele wahrster Schmerz;
Kein Quell hat lindernd sich aus ihm ergossen,
Kein Seufzer wehte, keine Thränen flossen –
Du, mehr als Stein – du warst ein Menschenherz!
Charfreitag ist's – da trauert
Die ganze Christenheit,
Ich traure mehr als die Andern,
Mein Herz trägt doppelt Leid.
An diesem Tag der Schmerzen
Ein theures Herz mir starb,
Das beste und das treuste,
Das ich im Leben erwarb.
O, Christenheit, du trauerst
Nach heilig-frommem Brauch,
Weil dich noch sanft umwehet
Des Einz'gen Geisteshauch.
Wie aber muß ich klagen,
Die ich den Stern geseh'n,
Die Blumie, die so frühe
Zur Ruhe mußte geh'n;
Die ich den Geist vernommen,
Der von den Lippen quoll,
Die ich dies Herz besessen
Der reinsten Liebe voll.
Ein Stück von meiner Seele
Mit ihr zu Grabe zog,
Ein Stück von meinem Geiste
Mit ihr von dannen flog,
Ein Stück von meinem Herzen
Deckt wieder dunkles Land,
Weil sie allein von Allen
Es ganz und gar verstand.
Charfreitag – düstrer Freitag,
Bei deinem Glockenklang
Mag manches Herz erbeben
Und schlagen schwer und bang,
Mag manche Thräne fließen,
Und mancher Seufzer weh'n,
Doch Niemand kann dir trüber
Als ich in's Antlitz seh'n!
Im schmerzlichsten Gefühle
Schwankt in mir Sinn und Denken,
Und spottet aller Kühle,
Die sich, wie es auch blutet,
Dies Herz hat zugemuthet.
Wohin soll es sich lenken?
Wo ist der Wahrheit Helle,
Die jene Zauberstelle,
Der Freud' und Weh' entstammt,
Ihm zeigt in ganzer Klarheit,
Ob Trug dort, oder Wahrheit
Verderbend oder segnend flammt?
So bricht des Zweifels Schwüle
Der Seele ganze Kraft,
Die zum Vertrau'n geboren;
Im schmerzlichsten Gewühle
Fühlt sie sich selbst entrafft
Und wie zum Tod erkoren! –
So schwankte Phaëthon's Wagen
Auf seiner irren Bahn:
Bald stürmt' er ohne Zagen,
Vertrauend himmelan,
Bald reißet ihn zurücke
Der Erde kalter Neid,
Sie hat in ihrer Tücke
Für ihn den Tod bereit;
In namenlosem Schmerze
Ruft er herbei ihn laut –
O, Herz, mein armes Herze!
Hast du dein eigen Bild geschaut?
O, dürft' er dir's doch laut gesteh'n,
Wie er dich liebet tief und bang,
Und sollst dies scheue Herz du seh'n
Denn niemals ohne Hehl und Zwang?
So lauscht der Alpenrose Gluth
Verborgen unter'm Schneegefild,
Ein Sonnenblick gibt ihr den Muth,
Hervorzubrechen frei und mild.
Wo heute Alles starr und weiß,
Da strahlt's schon morgen rosenroth;
Den Zauber nur zu deuten weiß,
Dess' Herz gefühlet gleiche Noth.
Du ahnst vielleicht, doch weißt es nicht,
Wenn kalt dies Auge auf dich sieht,
Daß dir im Innern hell und licht
Ein ganzer Rosenhimmel blüht.
O, nur ein Sonnenblick, ein Hauch
Von eines bess'ren Frühlings Weh'n,
Und sichtbar deinem theuren Aug'
Sollt' es in Gluth und Flammen steh'n!
So tief verwundet ist dies Herz –
Es möchte sich in Nacht versenken,
Nicht sehen, hören und nicht denken,
Nur fühlen seinen bitt'ren Schmerz!
So kostet' es ihn bis zum Grund,
Es müßte langsam sich verbluten,
Und aus den ausgebrannten Gluthen
Erhöb' es sich vielleicht gesund.
Nun aber wird der laute Tag,
Der ihn geschäftig will zerstören,
Des Herzens Qual nur noch vermehren,
Nicht stark es machen, sondern schwach.
Doch sei's getragen – nach dem Wie
Nicht fragt der Selbstbeherrschung Wille;
Nur Aug' und Lippe, haltet stille,
Das inn're Leid verrathet nie!
Ihr müßt dies Herz nicht schelten,
Das sich so schwer ergiebt,
Könnt' schneller es gesunden,
Dann hätt' es nie geliebt.
Es gliche dann sein Fühlen
Ja nur dem Morgenthau,
Den eine Sonnenstunde
Hinwegküßt von der Au.
Dann wär' es wie die Welle,
So leicht und schnell erregt,
Und wie der Sommerfaden,
Den jeder Hauch bewegt.
Doch ach! es gleicht dem Felsen,
Der sich nicht beugen läßt;
Wie er am Schooß der Erde,
Hält es sein Fühlen fest.
Weil man darauf kann bauen,
Wie auf den Felsengrund,
Weil es ein Starkes, Festes,
Wird es so schwer gesund!
Traurig, traurig, o das bist du sehr,
Armes Herz, so freudenlos und schwer!
Doch warum, warum darf ich nicht fragen,
Keine Antwort weißt du mir zu sagen.
Weiß der Himmel, warum über ihn
Düstre Wolkenschleier trauernd zieh'n,
Und die Blume, die erst aufgesprossen,
Warum sie der Tod so schnell geschlossen?
Weiß der lächelnd heit're, junge Tag,
Der nur Glück und Freude spenden mag,
Warum kraftlos er muß still erbleichen,
Wenn sich nächt'ge Schatten auf ihn neigen?
Weiß die Erde, die in Frühlingspracht,
Wie ein Kind so hold und lieblich lacht,
Warum bald in Winters eis'gem Wehen
Ihre süße Schönheit muß vergehen?
Armes Herz und willst du mehr denn sein,
Als der Frühling und der Sonnenschein?
Alles Heitre sinkt zum frühen Sterben,
Allem Schönen nahet das Verderben.
Ew'ge Trauer ist Gesetz der Welt,
Nur im Wechsel ist ihr Lust gesellt,
Und je mehr zum Schönen du erkoren,
Um so tiefer wird sie dich durchbohren!
Es spricht dein Blick, es spricht so manches Wort:
Ich liebe dich! und dennoch treibt mich's fort.
Du willst nicht lügen, nein, doch was mich quält,
Ist, ob nicht selber dir die Klarheit fehlt?
Ich weiß, dein Herz ist gut und warm und reich,
Allein, bleibt sich dies Herz auch immer gleich?
Gleicht's nicht der Wolke, die sich wechselnd malt,
Je nach dem Lichte, welches sie umstrahlt?
Sie trägt nicht Schuld an diesem Wechselschein,
In ihrem Wesen liegt es, so zu sein.
Drum schelt' ich dich ja nicht, wenn du ihr gleich,
Trifft mich dies Wort auch wie ein Todesstreich;
Macht's mich auch selbst zur Wolke, düstergrau,
Die auf sich löst in bitt'rer Thränen Thau!
Ich will nicht dein gedenken,
Sollst nicht mehr bei mir sein
In allem meinem Denken,
In meinem ganzen Sein.
Die Rose wird gepflücket
Vom Sturm, an einem Tag,
Den Felsen selbst zerstücket
Ein einz'ger Donnerschlag.
So will ich's auch erringen,
Dem Alles ist geweiht –
Schnell soll dies Herz erzwingen
Sich die Vergeßlichkeit!
Nicht, wie ja Alles müde
Zu Grabe endlich schwankt,
Nein, wie die Ros' verblühte,
Und wie der Felsen wankt.
So flieh mit einem Schlage
Du Leid, so herb gesinnt,
Dich tödt' an einem Tage,
Vernunft, der rauhe Wind!
Umsonst, umsonst ihr Mühen,
Es trotzt ihr jede Stund –
Nie wird des Herzens Glühen
Besiegt vom weisen Mund!
Im Griechenlande, bei den großen Alten,
Den geistig freien, pries man als beglückt
Den Mann, dem von des Schicksals ernstem Walten
Ein Leid voll Segen ward auf's Haupt gedrückt.
Nicht war dies kranke Lust an Schmerz und Wunden –
Wo blühte schöner heitrer Sinn und Geist?
Nein, Weisheit war es, welche tief empfunden,
Wie ernst, bedeutsam, was da Leben heißt.
Nicht feig erliegen, selbstbewußt es tragen,
Wie eine Freude nach der andern weicht,
Kann er's, der nie geübt sich im Entsagen,
Dem Blüthen nur das Glück stets dargereicht?
Ein hoher Segen aber ruht auf Schmerzen,
Und, wie die Perl' im dunklen Meeresschacht
Sich formt und bildet, wächst im Menschenherzen
Ein edler Schatz aus finstrer Leidensnacht.
Der Seele Ruhe, die sich still begnügend
Nicht mehr, als ihr beschiednes Theil begehrt,
Der freie Geist, der nie sich selbst belügend,
Ein jedes Ding ermißt nach ächtem Werth,
Und auch ein Herz voll Demuth und voll Liebe
Und voll Geduld für sie, die schwächer sind,
O, Perle reinster Menschlichkeit, wer bliebe
Gern frei von Leid, wenn so man dich gewinnt?
O, Allen diesen Trost, die schwere Stunden
Zu den Gesellen einer Noth gemacht:
Wie manches Herz hat sich zurückgefunden
Aus lautem Tag in stiller Leidensnacht.
Von allen Kronen, die die Erde schmücken
Ist eine einz'ge nur von ächtem Werth,
Lass' sie geduldig auf das Haupt dir drücken,
Die Dornenkrone, die im Schmerz verklärt!
O, ihre Liebe war ein stolzer Bau –
Der Freude Flagge weht' auf seinen Zinnen,
Und Kränze, feucht von süßer Thränen Thau,
Sie schmückten ihn von außen und von innen.
Vertrauen, stärker noch als Marmorstein,
Als Säule trug die Kuppel in der Mitten,
Das Fenster prangt' im reinsten Demantschein,
Aus ächter Treue festem Stoff geschnitten.
Und süßes, heitres Himmelslicht ergoß
Des Herzens Reinheit durch die klare Scheibe,
Wie Heil'genschein sein Inn'res ganz umfloß,
Was Liebe Gutes, Schönes weckt im Weibe.
So stand gebaut er für die Ewigkeit;
Weh' daß das Heut' ihn schon in Trümmern findet –
Ihn stürzte nicht die allgewalt'ge Zeit,
Ach, nein! er war auf losen Sand gegründet!
Er selbst hat ihn gebrochen und zerstört,
Den stolzen Bau, in dem sie ihn verehret,
Von seiner eignen Schwäche überthört,
Hat er ihn selbst mit frevler Hand verheeret.
Erst sank die Flagge von der Kälte Hauch,
Die Kränze welkten bei der Launen Spiele,
Die Säule bröckelte am Ende auch –
Im Staub erst, sah ihr Glaube sich am Ziele.
Die Treue nur prangt noch im Demantschein,
Kann sie so schnell den theuren Tempel lassen?
Der Gram wie bleiches Mondlicht fällt hinein
Und findet nirgends, nirgends Raum zum Hassen! –
Wer weiß, wenn er dereinst die Straße geht
Und ihres Baues Trümmer vor ihm ragen,
Ob dann voll Trauer er nicht stille steht,
Voll bitt'rer Reue, daß er ihn zerschlagen!
Nichts rührt die Seele an so göttlich schön,
Als sich in einem Andern selbst zu fühlen,
Gedanken, die gestaltlos in uns wühlen,
In edler Form verkörpert vor uns seh'n.
Den Dichter hat dein Auge nie erblickt,
Und plötzlich steht, ein Freund, er dir zur Seite,
Und manchem Zweifel, manchem stillen Leide
Hat deinen Geist auf einmal er entrückt.
Du irrest nicht – denn sieh! so denkt er auch,
Dein Herz spricht wahr – im Seinen ist erklungen
Derselbe Ruf, der dich so tief durchdrungen,
Und deine Thräne füllte einst sein Aug'!
Er hat gekämpft wie du – und vor dir her
Fliegt hoch sein Geist, das Rechte dir zu zeigen,
Wie stiller Segen will sich's auf dich neigen
Und aufwärts stiegst du eine Stufe mehr!
Es trat Alltäglichkeit
Zur Poesie:
»Gib mir dein buntes Kleid!«
Sprach herrisch sie,
»Gib aus den Locken mir
Den gold'nen Kranz,
Nur die poet'sche Zier
Verleiht dir Glanz.«
Die Gute, mild und zart,
In ihre Hand
Gab mit der holden Art
Kranz und Gewand;
Die Andre hüllt sich d'rein
Mit eck'ger Hast –
Wie Blei zum Edelstein
Es für sie paßt.
Dann sprach noch weiter sie:
»Nimm du den Pflug!
Ich hatte Plag' und Müh'
Jetzt lang' genug;
Reich mir die Leier her,
Arbeite du –
Zu singen ist nicht schwer
In guter Ruh!«
Sie rührt die Saiten an
Mit rauher Hand,
Gefild und Waldesplan
Erstarrend stand,
Der Vogel fliegt erschreckt
Vom Ast empor,
Der Hirtenbube deckt
Sein lauschend Ohr.
Doch sieh', die Himmelsmaid
Voll Majestät,
Mit Blicken strahlend weit,
Jetzt vor ihr steht,
Sie spricht: »Alltäglichkeit,
Erkenne dich!
Dich macht nicht Kranz noch Kleid
Zu dem, was ich.
Dein Thun veracht' ich nie,
Es braucht die Welt
Uns beide; bleib' wo sie
Dich hingestellt!
Du denkst im Müßiggang
Ging' träg' ich her –
Mein Weg ist schwer und lang,
Wie keiner mehr.
Ich baue früh und spat
Des Geistes Feld,
Der Zukunft gold'ne Saat
Mein Fleiß bestellt.
Und, wenn ich träumend geh',
Ein Schattenbild,
Für tausendfaches Weh
Mir Trost entquillt.
Und meiner Seele Leid
Das ahnst du nie,
Weil du Alltäglichkeit,
Ich Poesie!«
Dann hob ihr Flügelpaar
Sie leise auf,
Wo ihre Heimath war,
Schwebt sie hinauf.
Eines weiß ich, ob ihr mir auch grollt,
Daß ich stets das Beste nur gewollt!
Sprecht, warum war ich euch denn einst lieb,
Welch ein Reiz war's, der euch zu mir trieb?
Schönheit blieb mir fern und Reichthum fehlt,
Witz und Geist ist Andern mehr erwählt,
Doch ein treues Herz und fester Muth
Für das Rechte und der Wahrheit Gut,
Liebe zu der Menschheit, die da klagt,
Und ein Geist, der nicht vor Mächt'gen zagt –
Dies allein ist's, was mich liebenswerth
Machen konnte und zum Freund begehrt!
Und nun wundert ihr euch, daß ich heiß
Glühe für des Lebens höchsten Preis,
Und ihr scheltet, wenn ich laut und frei
Rede gegen Lüg' und Tyrannei,
Scheltet, wenn mein Herz von Gram bewegt
Für der Menschheit ew'ge Rechte schlägt,
Wenn es mitkämpft in dem heil'gen Krieg
Für der wahren Liebe großen Sieg! –
Was als Wahrheit ich erkannte rein,
Muß in's Leben tragen ich hinein,
Künden dürfen, wie der Lerche Lied
Morgenfrisch zum freien Himmel flieht!
Wendet euch denn von mir – sonder Scheu
Steh' ich einsam, doch mir selbst getreu!
Warum, o armes Herz,
Willst du so tief versenken
Dich in Erinnerungsschmerz,
Und weinend nur gedenken
An Alles, was du je
Geliebet und besessen,
Kannst der Enttäuschung Weh
Denn niemals du vergessen?
O, sieh auf's Leben frei,
Als wär' es eine Bühne:
Am bunten Mancherlei
Zu freuen dich erkühne;
Warum willst du allein
Die Treue stets bewahren?
Mach' es wie Andre fein,
Lass' hin, lass' hin sie fahren!
Pflück' heute dieses Blatt,
Und jene Blume morgen,
Und bist du ihrer satt,
Dann wirf' sie ohne Sorgen
Hinweg, so hat man dich
Ja weise auch belehret –
Ein Thor nur fraget sich,
Ob er ein Herz verheeret!
Genieße, spricht die Welt,
Genieße rasch das Neue,
Wenn's nicht mehr dir gefällt,
Geh' von ihm ohne Reue!
Und wahrlich, sie hat Recht,
Drum werde klug mein Herze –
Sei wen'ger warm und ächt,
Verlache und verschmerze!
Das hab' ich wohl erfahren
In manchen bitt'ren Jahren,
Es giebt für mich kein Glück!
Wo Andre Rosen brechen,
Mich nur die Dornen stechen:
So will es mein Geschick.
Nie streckt' ich meine Hände
Nach reichster Glückesspende,
Ich brauche wenig nur:
Ein freundliches Verstehen,
Ein geistiges Umwehen,
Und Trösterin Natur.
Allein: »du sollst entbehren,
Entbehrend dich verzehren!«
So sprach das Leben hart.
Was nützet eitle Klage,
Was nützet mir die Frage,
Warum dies Loos mir ward?
Ich gehe ruhig weiter,
Geduld ist mein Begleiter,
Ein kalter, trockner Freund;
Regt sich mein Geist zum Kämpfen,
Wird er den Aufschwung dämpfen,
Daß er sich selbst verneint!
Hebt Phantasie die Schwingen,
Entzückung mir zu bringen,
Die meine Sehnsucht stillt;
Flieh' ich zurück zur Wahrheit
Und seh' in bitt'rer Klarheit,
Es war ein täuschend Bild.
Ist's wahr, daß solche Seelen,
Die sich nichts mehr verhehlen,
Schon sind des Todes Raub –
Muß bald mein Geist entschweben,
Dies täuschungsleere Leben
Hinsinken in den Staub!
Es giebt so stille Feierstunden
Der Seele, wo sie Alles trägt,
Wo sie trotz allen ihren Wunden
Des Friedens Athem nur bewegt.
Wie blieb er lange mir so ferne,
Der Ruhe stiller Zauberkreis,
Wo, gleich dem wandellosen Sterne,
Man nichts von Schmerz und Sehnsucht weiß.
Natur, mit deinem milden Segen,
Du bist's, die mich so sanft umfängt!
Die heute mir auf allen Wegen
Nur Lebensmuth entgegen drängt.
Es rauscht der Bach zu meinen Füßen
Mir Ruhe! Ruhe! leis' in's Ohr;
Die blauen Berge freundlich grüßen,
Die Bäume flüstern süßen Chor.
Und wie die Sonne strahlend lächelt,
Auf jedem Blatt sich glänzend bricht,
Scheint sie von heitrer Lust umfächelt,
Wie hold ein Kinderangesicht. –
O bleibe fest in meinem Herzen,
Moment – vom Grame unentweiht;
Sei mir ein Schild für alle Schmerzen,
Ein Balsam jedem ferner'n Leid!
Hart ist's an dem Grab zu steh'n
Derer, die du heiß geliebet,
Hart auch, wie am Fels der Zeit
Traum um Traum in Nichts zerstiebet.
Bittrer als des Todes Raub,
Und was kalt die Zeit entwendet,
Ist's, wenn du dein best Gefühl
An Unwürdige verschwendet.
Wie ein Bettler stehst du da,
Der sein Alles hingegeben,
Dem nichts blieb von seinem Schatz,
Als das nackte, arme Leben.
Wie, von roher Hand gestürzt,
Liegt ein Götterbild im Staube,
Also ist ein Trümmerhauf'
Deines Herzens schönster Glaube!
Neue Rosen bringt die Zeit,
Frisches Grün das Grab umkleidet,
Aber öd' bleibt dieser Platz
Und kein Thau drauf niedergleitet!
Der Schläfer, der im Grase träumend liegt,
Bis hoch am Himmel schon der Sonnenwagen,
Er kann, wenn dann empor sein Auge fliegt,
Des Lichtes helle Klarheit nicht ertragen,
Es blendet ihm wie Fackellicht die Augen,
Die, weggewandt, nicht mehr zum Sehen taugen.
Nicht so der Andre, der vom Morgengrau'n
Mit wachem Auge folgt des Lichtes Spuren,
Ihn blendet's nicht, er kann es offen schau'n,
Wenn rings sein Schimmer strahlt auf allen Fluren;
Am Quell des Lichtes darf er furchtlos hangen,
Der nie verwirrt, wer stets ihm nachgegangen.
O du, der Wahrheit und Erkenntniß sucht,
So streb' ihr nach vom ersten Tagesgrauen,
Daß nach und nach dir reift der Klarheit Frucht,
Daß aus dir selber wächst die Kraft zum Schauen!
Denn Wahrheit, die die Geister selbst erwerben,
Wird nie zum Unheil ihnen und Verderben!
Es liegt der Herbst auf allen Wegen,
In hundert Farben prangt sein Kleid,
Wie seine Trauer, seinen Segen
Er um sich streut zu gleicher Zeit.
Es rauscht der Fuß im welken Laube,
Was blüht' und grünte, ward ein Traum –
Allein am Stocke winkt die Traube
Und goldne Frucht schmückt rings den Baum.
So nimmt und gibt mit vollen Händen
Der Herbst, ein Dieb und eine Fee;
Erfüllung kann allein er spenden,
Doch sie umfängt ein tiefes Weh! –
O, Herbst der Seele! deine Früchte,
Sind auch Gewinn sie, oder Raub?
Der Wünsche Blüthe ist zunichte,
Der Hoffnung Grün ein welkes Laub.
Zu schwer erkauft, um zu beglücken,
O, Seelenherbst, ist deine Zier!
Der Saft der Traube kann entzücken,
Doch keine Wonne strömt aus dir.
Die Weisheit, wie die Frucht sie nennen,
Sie preßt mir bittre Thränen aus,
Und ihres Kernes herbem Brennen
Entkeimet nie ein Frühlingsstrauß!
Leise wie ein Traumgesicht
Hält Erinn'rung mich umfangen,
Leise, wie die Morgenluft
Mir umspielet Stirn und Wangen.
Und der klare, blaue See
Blickt mich an wie Menschenaugen,
Daß ich möchte tief hinab
Mich in seine Fluthen tauchen.
Und der Alpenspitzen Glanz
Blickt mich an wie Menschenherzen,
Die so schroff und eisig kalt
Lohnen dem mit tausend Schmerzen,
Der sich ihnen froh genaht,
Da im ros'gen Alpenglühen
Sie, von fremdem Licht umstrahlt,
Schienen lebenswarm zu blühen.
O, Erinn'rung! flieh' hinweg
Von den falschen Alpenhöhen,
Wasche in der blauen Fluth
Dich gesund von allen Wehen!
Such' in ihrem feuchten Glanz
Jener Augen treue Klarheit,
Die du frei noch lieben kannst,
Und die stets dir blickten Wahrheit!
Wenn der ein Dichter ist,
Dem, wenn der Mai erblühet,
Die Seele in der Brust
In Sehnsucht fast verglühet,
Der seine holde Pracht,
Den Jubel in den Hainen
Nur leis erwiedern kann
Mit schmerzlich süßem Weinen;
Wenn der ein Dichter ist,
Den Ehrfurcht tief durchbebet,
Wo schwindelnd groß vor ihm
Sich die Natur erhebet;
Dem fast der Athem stockt
Und wankt des Fußes Stärke,
Vor eines Genius
Erhab'nem Schöpferwerke;
Wenn der ein Dichter ist,
Dess' Herz in Flammen lodert,
Wo Unterdrückung herrscht
Und Unbill Rechte fodert,
Dem nach der Feder zuckt
Die Hand, wie nach dem Schwerte,
Daß das Gemeine tief
Von ihm gezüchtigt werde;
Wenn der ein Dichter ist,
Den jede Menschenklage,
Den jedes fremde Leid
Trifft wie mit eignem Schlage,
Der keine Thräne sieht,
Die er nicht mit muß weinen,
Und dem der eigne Schmerz
Stets doppelt wird erscheinen;
Wenn der ein Dichter ist,
Dem heiß die Wange brennet,
Wenn man des Vaterlands
Geliebten Namen nennet,
Dem das entzückte Herz
In Wonne wollt' vergehen,
Wenn einmal könnte noch
Er frei und groß es sehen!
Wenn der ein Dichter ist –
O, Gott – nicht kann ich spüren,
Ob ich in edler Form
Weiß fremdes Herz zu rühren,
Ob Geister mächt'gen Schwungs
Mein Geist empor kann raffen –
Doch meine Seele hast
Zum Dichter du geschaffen!
Nach langem, langem Sehnen
An deinem Grab ich stand,
Nach vielen, bitt'ren Thränen
Sah ich dies Stückchen Land,
Das Alles kalt bedecket,
Woran voll Zärtlichkeit,
Seit Leben ihm erwecket,
Das Kind hing allezeit!
Das Kind – o, Schmerz! ich habe
Dich anders nicht gekannt,
Stiegst jetzt du aus dem Grabe,
Du hätt'st mich kaum erkannt.
Doch wie ich so hier stehe,
Wird Eins mir wunderbar,
Trotz allem Schmerz und Wehe,
Im tiefsten Innern klar.
Zu früh mir hingeschwunden
Warst du mein Lebensstern,
Nach dem in allen Stunden
Ich sah zum Himmel gern;
Sein Strahl ward meine Leuchte,
Zog meinem Geist voran,
Zum Guten, Schönen zeigte,
Zur Wahrheit mir die Bahn.
Und daß in ew'ger Treue
Ihm stets gefolgt mein Herz,
Daß hier ich steh' ohn' Reue,
Dies sänftigt meinen Schmerz;
Daß tief mir im Gemüthe
Dasselbe Feuer wacht,
Das deine Brust durchglühte
Mit seltner Liebesmacht.
So fühl' ich mit Entzücken,
Stünd'st eben du vor mir,
Als Geistesschwester drücken
Würd'st du an's Herz mich dir!
Die Hände segnend breiten
Auf meine Stirne bleich,
Mich wie in Kinderzeiten
Anlächeln mild und weich. –
Muß wieder von ihm gehen,
Dem schmerzlich theuren Ort,
Doch was mir dort geschehen,
Wirkt muthig in mir fort!
Daß so du in mir lebest
Für alle Ewigkeit,
Zum Höchsten mich erhebest –
Dies ist Unsterblichkeit!
O, du wunderbarer grüner
See, im schönen Schweizerland,
Wie so lieblich sich die stolze
Zürich schmiegt an deinen Rand!
Hüben sanfte Rebenhügel
Hingestreut wie ein Idyll,
Drüben majestät'sche Alpen,
Schneebedecket, ernst und still.
Wie ein Mann ruhst du dazwischen,
Dem ein Zaub'rer Alles lieh,
Tiefsten Ernst und Morgenfrische,
Frohe, starke Poesie.
Lächelst in so holder Schöne –
Fast Vergessen mich umstrickt,
Daß mir von den grünen Höhen
Auch ein Grab entgegen blickt.
Weh', da tönen Glockenklänge,
Schneiden mir in's tiefste Herz,
Niemals wachte so gewaltig
In mir auf der erste Schmerz!
Weh', das sind dieselben Glocken,
Welche bebten durch die Luft,
Als man deine theure Hülle
Senkte in die kühle Gruft!
Alles Andre ist vergangen,
Selbst den Schmerz bethört' die Zeit,
Aber diese Glocken sprechen
Noch so laut, als wär es heut',
Daß der besten Geister einem,
Ganz erfüllt vom höchsten Drang,
Daß dem treusten, wärmsten Herzen
Sie getönt den Grabgesang!
Kam die Liebe in mein Herz gezogen,
Kam nicht wie ein heitrer Sommertag,
Kam nicht wie das junge Grün im Walde,
Wie die duft'ge Blume auf der Halde,
Kam wie Noth und bitt'res Ungemach.
Wohl ist wie ein Sommertag sie kommen,
Aber ganz von Staub und Gluth erfüllt;
Wie das Grün vom nächt'gen Frost verheeret,
Wie die Blume, die der Wurm verzehret,
Eh' die Knospe sich noch ganz enthüllt!
Anders, anders ahnte sie die Seele,
Anders hoffte sie mein pochend Herz;
Aber, ob sie mir im Festgeschmeide
Sei erschienen, ob im Trauerkleide,
Nimmer tausch' ich meinen süßen Schmerz!
Das hab' ich nicht gedacht,
Als Blatt und Blüthe sproßten,
Und ich voll Fröhlichkeit:
Daß mich die Sommerzeit
Mein ganzes Glück soll kosten.
Das hab' ich nicht gedacht –
Wie sollt' ich es auch meinen?
Als diese Haide grün,
Daß bis zu ihrem Blüh'n
Ich so viel müßte weinen.
Das hab' ich nicht gedacht,
Es gäb' noch tief'res Leide,
Als sonst mein Herz empfand,
Wenn rings das ganze Land
Sich barg im Winterkleide.
O, Freude, gute Nacht!
Wie ich's auch mag bedenken,
Meine Lust ist all' dahin –
Mag's schneien oder blüh'n,
Mich kann jetzt nichts mehr kränken!
Wenn diese Stirne trüb der Gram umdüstert,
Und unter Thränen nur die Stimme flüstert,
Wer fragt darnach?
Wer fragt darnach, warum dem bleichen Munde
Kein Lächeln mehr entlockt die frohe Stunde,
Nur Seufzer schwach?
Die Schmerzen, die dies arme Herz durchbeben,
Der Täuschung Qualen, die den Busen heben,
Wer fragt darnach?
Wer sucht der Trauer dunklen Blick zu deuten,
Der ohne Wort enthüllt der Seele Leiden,
Wen kümmert's, ach?
Wenn sich der Tod auf diese Augen breitet,
Die lang' das Herz um seinen Tod beneidet,
Wer fragt darnach?
Mit einmal schwindet bei des Morgens Schauer
Der Sterne Heer – wer blickte je voll Trauer
Dem Einen nach?
Weiche Luft, nach Sonnenbrande
Hältst die Erde du umfangen!
Spielst um sie wie Mutterlächeln,
Kühlest ihre heißen Wangen.
Weiche Luft, bei deinem Hauche
Athmet Alles neues Leben,
Wie im ersten Frühlingswehen
Baum und Blüthe froh sich heben.
Weiche Luft, du gleichst der Ruhe,
Die der kranken Seele fächelt,
Wenn nach letztem, heißem Kampfe
Ihr ein neuer Friede lächelt.
Weiche Lüfte, weiche Ruhe,
Wieget Erd' und Seele leise,
Stärkt die Welt zu neuem Blühen,
Und das Herz zur Weiterreise!
Schon sinkt die Sonne hinter dem Haag,
Wo nur mein Mütterlein bleiben mag?
Sie ging in die große Stadt hinein
Und wollte zurück vor Abend sein,
Doch schon wird's dunkel im grünen Wald,
Mütterlein lieb, kommst du bald?
Mütterlein sprach: Hier warte mein,
Spiel' an der Quelle silberrein,
Quelle, Blumen und Vöglein gut
Nehmen dich fromm in ihre Hut,
Sicher umfängt dich der grüne Wald,
Fürchte dich nicht, ich komme bald!
Und mit den Blümlein hab' ich gespielt,
Mich an der frischen Quelle gekühlt,
Habe den Vöglein zugehört,
Im Busche manch' Häschen aufgestört,
War so froh in dem grünen Wald,
Dachte fast, Mütterlein käm' zu bald!
Doch jetzt sind sie alle zur Ruh',
Den Blumen fielen die Aeuglein zu,
Vöglein schläft auf dem Zweige fest,
Häschen suchte sein weiches Nest;
Mich auch schläfert im grünen Wald,
Mütterlein lieb, kommst du bald?
Alle ließen sie mich allein,
Nur nicht die Quelle silberrein,
Sie erfüllet treulich dein Wort,
Murmelt und rauschet immerfort,
Wacht bei mir in dem grünen Wald –
Warte nur, Mütterlein kommt jetzt bald!
Der Morgen graut in jener fernen Zone,
Wo sich um Palmen die Liane schlingt,
Wo in dem Schatten grünender Bananen
Am klaren Quell das schlanke Lama trinkt;
Und aus des reichen Pflanzers offner Pforte
Zieht Paar um Paar der Schwarzen Schaar heraus,
Zu bringen heut' des Hanfes reiche Ernte
Dem weißen Manne in sein stattlich Haus.
Die letzt' im Zug, mit trüb gesenktem Auge,
Geht langsam eine junge Negerin,
Zum ersten Mal thut heut' sie Sclavendienste
Und blicket weinend auf die Halme hin:
»Wie euch, ihr Pflanzen, von der warmen Erde,
Der ihr entsprießt, jetzt löset meine Hand,
So riß man grausam unter tausend Thränen
Mich los von dem geliebten Vaterland!«
Am Mittag sitzt sie in der kühlen Halle,
Die Klag' auf's Neu' von ihren Lippen bebt,
Indess' sie aus des Hanfes zähen Fasern
Ein rauh' Geflecht mit fleiß'gem Finger webt:
»Sonst saß ich froh im Kreise der Gespielen,
Zu dienen, ach! ist jetzt mein traurig Loos,
Nicht mehr geachtet von den weißen Menschen,
Als dieses roh' Gespinnst in meinem Schooß.
Die Früchte, die dem fremden Land sie rauben,
Sie drin versenden in ihr heimisch Reich,
Wie ich hierher von ferner Meeresküste
Geschleppt bin, einer nied'ren Waare gleich!
O, dieses Tuch, dürft' es die Thränen künden,
Die hier ich wein' um mein verlor'nes Glück« –
Die Glocke tönt – der Hüter holt von dannen
Des schwarzen Mädchens erstes Sclavenstück!