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Bereits 1855 stand Luise Büchner mit diesem Buch für eine gleichberechtigte und gleichwertige Ausbildung für Mädchen und jungen ein. Sie versucht dabei ein ungefähres Ideal dessen aufzustellen, was die Frau der damaligen Zeit für sich erstreben sollte.
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Seitenzahl: 348
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Die Frauen und ihr Beruf
Luise Bücher
Inhalt:
Luise Büchner – Biografie und Bibliografie
Die Frauen und ihr Beruf
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur vierten Auflage
Gleichberechtigung des Mädchens mit dem Knaben in der Erziehung
Segen der Arbeit
Ueber die Erziehung für das Haus
Die Handarbeit
Die geistige Erziehung
Das gesellige Leben
Der Damenkaffee
Die Institute
Ueber den weiblichen Unterricht
Die Lehrerin
Lesen und Vorlesen
Die Pflicht der Selbsterziehung
Erziehung weiblicher Dienstboten
Die Ehe
Die Unverheirathete
Die weibliche Krankenpflege
Die Mutter und Gattin
Das Weib
Die Frauen und ihr Beruf, L. Büchner
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849606633
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com
Schriftstellerin, Schwester von Georg Büchner, geb. 12. Juni 1821 in Darmstadt, lebte in Darmstadt und starb daselbst 28. Nov. 1877. Ihr erstes Schriftchen: »Die Frauen und ihr Beruf« (Frankf. a. M. 1855; 5. Aufl., Leipz. 1883), erregte um seiner gefunden Anschauungen willen ein gewisses Aufsehen. Demnächst erschienen von ihr: »Aus dem Leben«, Novellen (Leipz. 1861); der Roman »Das Schloß zu Wimmis« (das. 1864); ein Band Gedichte: »Frauenherz« (2. Aufl., Berl. 1866); »Weihnachtsmärchen« (2. Aufl., Glogau 1882); »Klara Dettin«, erzählen des Gedicht (das. 1874) u. a. In der Frauenfrage zeigte sich Luise B. höchst tätig. Sie war Vizepräsidentin des Alice-Vereins (s.d.) und Mitbegründerin des Alicelyzeums in Darmstadt. Von ihren übrigen Schriften sind anzuführen: »Praktische Versuche zur Lösung der Frauenfrage« (Berl. 1870); »Über weibliche Berufsarten« (Darmst. 1872); »Die Frau. Hinterlassene Aufsätze, Abhandlungen und Berichte zur Frauenfrage« (Halle 1878) und »Nachgelassene belletristische und vermischte Schriften« (Frankf. a. M. 1878, 2 Bde.).
Wichtige Werke:
Das Schloss zu Wimmis. Rom. 8. (267) Ebda. 1864. Deutsche Geschichte v. 1815–1870. 20 Vorträge. 8. (627) Ebda. 1875. Dichterstimmen aus Heimat u. Fremde. 5. Aufl. 16. (593 m. H.) Halle a. S. 1876 Die Frau. Hinterlassene Aufsätze, Abhandlgn. u. Berichte zur Frauenfrage. Mit Portr. d. Verfass. in Stahlst. 8. (470) Ebda. 1878. Die Frauen u. ihr Beruf. 5. Aufl. 8. (278) Leipzig 1884 Frauenherz. Gedichte. 2. Aufl. 8. (155) Hamm 1864 Klara Dettin. Erzählendes Gedicht. 16. (94) Leipzig 1874 Nachgelassene belletristische u. vermischte Schriften. 2 Bde. 8. (736) Frankfurt a. M. 1878 Praktische Versuche zur Lösg. der Frauenfrage. 8. (80) Berlin 1870 Über Verkaufs- u. Vermittlungsstellen f. weibl. Handarbeit. 8. (27) Leipzig 1873 Über weibl. Berufsarten. In »Was willst du werden?« 8. (53) Darmstadt 1871 Weihnachtsmärchen. 2. Aufl. 8. (124 m. 8 chromolith. Bildern.) Glogau 1882Die nachfolgenden Blätter erheben keinerlei Anspruch darauf, für eine pädagogische Schrift zu gelten: ihr einziger Zweck ist der, anzuregen und ein ungefähres Ideal dessen aufzustellen, was die Frau der heutigen Zeit für sich erstreben sollte. Wenn wir uns erst klar über die Endpunkte einer Frage sind, die man heute so lebhaft hin und her erörtert, dann wird es der eigentlichen Erziehung ein Leichtes sein, die Wege aufzufinden, welche dahin führen. Daß die weibliche Erziehung im Augenblick die Gemüther so lebhaft beschäftigt, beweist am besten, wie tief man deren Mängel fühlt und wie zugleich die Ueberzeugung erwacht ist, daß eine höhere Entwickelung der weiblichen Kräfte durchaus nothwendig und zeitgemäß sei. Es scheint uns, daß dieser Fortschritt seine hauptsächlichste Pflanzstätte in dem gebildeten Mittelstande finden muß, und von dessen Verhältnissen sind wir bei unserer Betrachtung vornehmlich ausgegangen.
Wir glauben nämlich, die höchste und schönste Aufgabe der Frau darin zu finden, daß sie das Nothwendige mit dem Schönen, das Geistige und Materielle zu einem harmonischen Ganzen verbinde, und sind zugleich überzeugt, daß nur innerhalb dieses Wirkens alle ihre natürlichen Kräfte zu ihrer völligen Entwickelung gelangen können. Im Mittelstande ist dazu die nächste Möglichkeit gegeben, und dort vereinigen sich auch heute noch so viele gesunde Elemente der Weiblichkeit, daß von ihm zunächst die Verfasserin auf ein richtiges Verständniß hoffen darf.
Möge das kleine Werk so freundlich aufgenommen werden, als es aus innerster Ueberzeugung und dem lebhaftesten Wunsche entsprungen ist, etwas wirklich Gutes zu fördern und anzuregen, und mögen seine Mängel der Ungeübtheit einer weiblichen Feder, nicht der Gesinnung der Verfasserin angerechnet werden, welche stets von dem für ein Frauenherz so erhebenden Gedanken geleitet wurde, ihr Geschlecht einst auf der möglichsten Stufe seiner Vollendung zu erblicken. In dieser Zuversicht sei es, der Frauenwelt vornehmlich, zu freundlichem Verständniß und Entgegenkommen an's Herz gelegt.
L. B.
Die freundliche Aufnahme, welche unserm kleinen Werke alsbald nach seinem Erscheinen zu Theil wurde und in kurzer Zeit eine wiederholte Auflage nöthig machte, scheint uns den besten Beweis dafür zu liefern, daß sich wirklich in unsrer Frauenwelt noch in genügender Anzahl jene gesunden Elemente vorfinden, an welche die Verfasserin in dem Vorwort zur ersten Auflage appellirte. Gewiß kommt dieser rasche Erfolg viel weniger deren eignem Verdienste als vielmehr dem Umstande zu, daß es in der That ein Bedürfniß der Zeit zu sein scheint, anregende Worte über die Wichtigkeit einer besseren weiblichen Erziehung zu vernehmen. Einsichtsvolle und begabte Erzieher werden es vielleicht nicht verschmähen, in dem Sinne fortzuwirken, welcher, wie wir uns überzeugt zu haben glauben, Anklang bei der Frauenwie bei der Männerwelt gefunden hat.
Daß die Verhältnisse Manches von dem hier Ausgesprochenen – soll es eine praktische Anwendung finden – in einer oder der andern Weise modificiren werden, verkennen wir nicht, aber im großen Ganzen glaubt die Verfasserin nicht zu viel angestrebt und gefordert zu haben.
Nicht durch die Kritik, sondern auf Privatwegen mußten wir öfter ein Bedenken darüber hören, daß sich unser Schriftchen nicht über das religiöse Element in der Erziehung verbreitet habe. Dagegen bemerken wir Folgendes: Einmal lag eine solche Erwähnung außerhalb der Tendenz unsrer Ausführung, welche sich mehr mit den Endzielen der Erziehung, als mit den Mitteln dazu beschäftigt, und zum Zweiten glauben wir durch den beständigen Hinweis auf die Ausbildung der Pflichttreue, einer weisen Selbstbeschränkung, des Schönheitsgefühls, der inneren Wahrheit und der Menschenliebe den Inbegriff aller Religiosität und Gottesfurcht genugsam gepredigt zu haben. Sich weiter darüber zu verbreiten hielt die Verfasserin nicht für schicklich in einer Zeit, wo das streitende Element in den religiösen Fragen wieder mehr als je in den Vordergrund getreten ist – da doch ihr Büchlein seiner ganzen Fassung nach Allen gehören soll, ohne Unterschied des Bekenntnisses oder der Glaubensrichtung. Die religiöse Erziehung scheint eine Sache zu sein, welche man dem Bewußtsein und der Bestimmung jeder einzelnen Familie überlassen soll.
Durch die freundliche Aufnahme und den raschen Erfolg ihres Büchleins ermuthigt, übergibt die Verfasserin, unter Nennung ihres Namens, diese zweite Auflage mit gesteigertem Vertrauen den Händen der Frauenwelt. Denen, welche vielleicht nicht mit Allem einverstanden sind, was unsre Ueberzeugung uns lehrte, rufen wir zu: Prüfet Alles und das Beste behaltet!
Am Schlusse fühlt sich die Verfasserin gedrungen der Verlagshandlung, welche durch ihre bekannte und uneigennützige Thätigkeit nicht das Wenigste zur schnellen Verbreitung vorliegenden Werkchens beigetragen hat, ihren freundlichen Dank auszusprechen. –
Darmstadtim Januar 1856.
Luise Büchner.
Da eine dritte Auflage unseres kleinen Werkchens nothwendig geworden, hat es die Verfasserin für gut gehalten, noch einige Sätze hinzuzufügen, welche, wie sie hofft, zur Vervollständigung des Ganzen beitragen, ohne dessen Zusammenhang zu beeinträchtigen. Mit größerem Nachdruck und ausführlicher als früher, haben wir besonders auf die Mängel des weiblichen Unterrichtswesens hingedeutet, weil dies eine Frage ist, welche jeder gebildeten Frau, je weiter sie in ihrer eignen Entwickelung fortschreitet, um so mehr zur Herzenssache wird. Wohl fühlen wir vollkommen, daß wir diesen wichtigen Gegenstand nicht erschöpfend genug behandelt haben, was weder der Raum dieser Blätter, noch unsere eigene schwache Kraft gestattet haben würde. Es gilt uns auch hierin hauptsächlich nur darum, eine Anregung zum Besseren zu geben. Wie früher müssen wir auf die Nachsicht unserer Leser und Leserinnen bauen und sie abermals ersuchen, mehr die Gesinnung der Schreiberin und das tiefgefühlte Bedürfniß eines besseren, weiblichen Unterrichts, welches sie vermochte, sich darüber auszusprechen, zu berücksichtigen, als mit ihrer pädagogischen Fähigkeit rechten zu wollen.
Auch der Abschnitt über »die Erziehung der weiblichen Dienstboten« ist aus der Erkenntniß von einem gleich wichtigen und ernsten Bedürfnisse entsprungen, auf dessen allgemeine Anerkennung gewiß auch bald die That folgen wird.
So möge das Neue mit gleicher Freundlichkeit, wie das schon Bekannte, aufgenommen werden, Manche erfreuen, manches Gute anregen und Niemand verletzen.
Darmstadt, März 1860.
L. B.
Mit einem erklärlichen Gefühl von Wehmuth und Freude nehmen wir nach einem Zeitraum von zwölf Jahren, unser kleines, halbvergessenes Buch wieder zur Hand, um eine vierte Auflage desselben vorzubereiten. –
Es mag zum Theil die Ungunst äußerer Verhältnisse – der mehrmalige Wechsel des Verlags, welcher sich aber jetzt in den besten Händen befindet – Schuld daran gewesen sein, daß sich das Interesse des Publikum's dafür verringerte; anderntheils hat man sich seitdem so lebhaft mit Allem beschäftigt, was sich auf die Beziehung, die Stellung, mit einem Worte, auf das ganze Wesen der Frau bezieht, es ist so viel Treffliches und Gediegenes darüber gesagt worden, daß in dieser Hochfluth leicht dasjenige verloren gehen mochte, was zuerst mit schüchternem Finger an diese Fragen gerührt hatte. – Das Interesse der Verfasserin selbst an diesem Gegenstande, war inzwischen nicht allein das Gleiche geblieben, es war von Jahr zu Jahr gewachsen und sie darf sich das Zeugniß geben, daß sie nicht allein theoretisch zu wirken suchte, daß sie seitdem auch unermüdlich auf dem practischen Felde gearbeitet, und sich bemühte Manches von dem, was sie als richtig und wünschenswerth erkannt, in das Leben rufen zu helfen. Dabei aber erwuchs ihr die feste Ueberzeugung, daß auch nur Diejenigen, sei es Mann oder Frau, zu einer endlichen und befriedigenden Lösung der Frauenfrage berufen sind, welche sie auf dem Boden der Wirklichkeit studirt, welche die Mängel der Erziehung und des Wirkungskreises der Frauen bis zu ihrer Wurzel verfolgt, und auf thatsächliche Erfahrungen gestützt, ihre Reformen von unten herauf beginnen. –
Indem wir nun selbst in dieser Weise der Wirklichkeit nahe zu treten uns bemühten, überzeugten wir uns, wie das, was wir früher ausgesprochen, oft noch schärfer und nachdrücklicher hätte betont werden dürfen, und sehen uns daher um so weniger veranlaßt zu theilweisen Streichungen zu schreiten, als wir Heute nach den großen Bemühungen, die allerorten gemacht werden, auch schon wieder erhöhte Forderungen an die Tüchtigkeit und die Selbsterziehung des Geschlechtes stellen dürfen.
Zugleich aber dürfen wir nicht verschweigen, wie wir selbst in Folge eigner Erfahrungen und Prüfungen, auch einige unserer persönlichen Ansichten geändert und modificirt haben. Es ist dies namentlich der Fall bezüglich der weiblichen Erwerbsfrage, wo wir anerkennen müssen, daß es weit öfter eine Nothwendigkeit für Mädchen der höheren Stände ist, sich selbstständig zu ernähren, als wir dies früher geglaubt. Ueber diejenigen Berufsarten, welche in solchem Falle sich nach unserem bescheidnen Ermessen, als die Zweckmäßigsten darbieten, haben wir uns in neuster Zeit in einer besondren kleinen Schrift1 ausgesprochen, und verweisen Solche darauf, die sich etwa Rath darüber erholen möchten. –
In Uebereinstimmung mit dem Gesagten ergibt es sich von selbst, daß wir ein Kapitel der früheren Auflagen: Verkehrte Richtungen, hinwegfallen ließen, dagegen wurden, wie bei der dritten Auflage auch schon geschehen, vier neue Kapitel hinzugefügt.
Die übrigen, schon bekannten Abschnitte sind sorgfältig überarbeitet und bedeutend vermehrt worden und so hoffen wir, der heutigen Leserin, wiederum eine willkommne und auf der Höhe der Zeit stehende Gabe mit unserem Büchlein zu bieten, das zuerst in bescheidnen Dimensionen erscheinend, nothwendigerweise mit der wachsenden Bedeutung des Gegenstandes, an Umfang zunehmen mußte.
Mit demselben Vertrauen, mit dem wir es zuerst der deutschen Frau, dem deutschen Mädchen in die Hand gelegt, thun wir es auch Heute, denn wir sind uns bewußt, in unserer Gesinnung für sie die Gleiche geblieben zu sein, sind uns bewußt, daß wir, wenn vielleicht auch manchmal irrend, nur nach bester und wärmster Ueberzeugung das Wahrhaftige und das Weibliche, zugleich aber auch das Menschliche für sie anstreben.
Möge es uns gelingen, auch Heute wieder nach langer Trennung, warme Freundinnen für unsere Ansichten zu gewinnen, möchten mir ein Weniges dazu beitragen, die noch immer bestehende Lauheit, den Indifferentismus zu überwinden, der einer höheren Entwicklung des eignen Geschlechts noch so vielfach hemmend im Wege steht, damit endlich einmal die Frau nicht immer nur das eigne Herz, sondern das Herz der Menschheit in ihrem Busen schlagen fühle! –
Darmstadt, August 1872. –
Luise Büchner.
Das andre Geschlecht kann und darf seiner Natur und seiner schönen Bestimmung nach mit dem Männlichen nie die Wissenschaft, aber durch das Medium der Darstellung kann es mit demselben die Wahrheit theilen. –
Schiller.
Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, welch ein hauptsächlicher Unterschied, oder ob überhaupt ein Unterschied, zwischen dem Charakter und den Fähigkeiten des Mannes und der Frau sein würde, wenn die Natur der Letzteren sich so frei hätte entfalten dürfen, wie die des Mannes, und keinen andern künstlichen Schliff bekommen hätte, als durch die Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft absolut bedingt ist, und beiden Geschlechtern in gleichem Maße gegeben wird.
Stuart Mill.
Es könnte für den ersten Augenblick mit Recht so erscheinen, als ob die beiden Motto's, am Eingang dieses Buches sich einander vollständig widersprächen. Doch ist dem nicht so; wir stellen hier nur die Aussprüche von zwei Männern nebeneinander, die zu verschiedenen Zeiten lebend, von verschiedenen Verhältnissen ausgehend, doch Beide das Gleiche für das weibliche Geschlecht beanspruchen. »Die Wahrheit« verlangt Schiller für die Frau, die Wahrheit im Fühlen, Wissen und Denken, wie sie dem Manne auch vermittelt wird, mit einem Worte: Das Menschliche, nicht allein das specifisch Weibliche, ein Wort unter dem man sich gewöhnlich etwas höchst Unklares und Allgemeines vorstellt. Ganz folgerichtig knüpft sich daran der Schluß des späteren Denkers, wenn er ausspricht, daß erst, wenn die Frau diese »menschliche« Entwicklung empfangen, welche man ihr im Durchschnitt bis jetzt versagt hat, sich ein endgültiges Urtheil darüber aussprechen läßt, wo die Grenzen ihrer Befähigung und ihrer daraus entspringenden Beschäftigung zu suchen sind.
Solche Grenzen sind dem Manne aber auch gesteckt; auch er kann nicht mehr wollen und vollbringen, als das Menschliche, aber innerhalb desselben wird ganz ohne Zweifel sich sein Wissen und sein Leisten unendlich vertiefen und ausbreiten, wenn die ihm ähnlich gebildete Frau, zur Wirksamkeit gleichermaßen befähigt und berechtigt, als Gehülfin an seiner Seite steht. Die Unterschiede der Geschlechter sollen, ja sie dürfen darum gewiß nicht aufgehoben, oder mißachtet werden, müßte ja dann doch die Welt der höchsten Einseitigkeit verfallen, aber man soll der Frau nicht länger weigern, das zu thun und zu üben, wozu sie ihre Befähigung ausreichend bewiesen hat, weil sie eine Frau ist, ebenso wie man einen Mann möglichst daran verhindern sollte, Dinge zu thun, die er schlecht thut, und die man ihm einfach und blindlings nur darum überläßt, weil er ein Mann ist. –
Niemand wird es leugnen, daß die geistige, wie die physische Constitution der Frau vielfach von der des Mannes unterschieden und Erstere häufig durch Letzteren bedingt wird. Alle Bestrebungen diese Verschiedenheiten zu verneinen, und allen Frauen das nämliche Feld der Wirksamkeit erringen zu wollen, auf dem der Mann sich bewegt, werden wohl auch in der Zukunft so gut wie heute als unrichtig und vielfach thöricht bezeichnet werden müssen. Jede vernünftige Frau kann Rousseau's Ausspruch: Je ne refuse pas à une femme, mais aux femmes les facultés de l'homme! ruhig beistimmen, denn es kann uns ja nur hauptsächlich darum zu thun sein, unser eigentliches, weibliches Gebiet, freilich in einer ganz andern Ausdehnung, als dies bis jetzt der Fall gewesen, welches aber auch dann dem des Mannes gewiß nicht nachsteht, zu behaupten. Vielfach hat der Mann sich Arbeitsgebiete angeeignet, die unbestritten der Frau gehören sollten; mit einer Menge von socialen und gemeindlichen Pflichten ist er betraut, von denen er selber oft ganz aufrichtig und einfach erklärt: Ja, davon verstehe ich nichts, das müssen die Frauen besser wissen!
Sie wissen es in der That auch oft besser, aber weder fragt man sie, noch läßt man sie gewähren, weil man sich eben einmal daran gewöhnt hat, sie von Allem was des Lebens Ernst heißt, auszuschließen, und sie dann schwach, unklar, unzuverlässig zu nennen, wo sie ernsten Anforderungen nicht genügen.
Das unermeßliche Arbeitsgebiet: der Wahrheit, und der Menschlichkeit, dies sollte beiden Geschlechtern gleichermaßen gehören und hat man einmal diesen Grundsatz anerkannt, so wird die Frau gerne dem Manne den Antheil überlassen, der seiner größeren physischen Kraft, seiner Befähigung das Abstracte zu erforschen und zu erfassen zukommt, sowie im Durchschnitt die Lenkung des großen allgemeinen Räderwerks staatlichen Lebens. Neben diesem Reich liegt ein anderes, ebenso ausgedehnt, in seiner Art, wie Jenes. – Ueberall da, wo es auf feinere Beobachtungsgabe, auf eine ideellere Auffassung, ein wärmeres tieferes Eingehen in das Einzelne und Kleine ankommt, wird das Hauptgebiet weiblicher Thätigkeit auch in der Folge zu suchen sein.
Laßt jedem das Seine! Zwei gleichberechtigte Wesenheiten stehen Mann und Frau heute einander zur Seite, jedes gleichbefähigt zur höchsten Entwickelung seiner Individualität, und der große Philosoph, welcher eine Julie schaffen und mit den reichsten Gaben des Herzens und Geistes ausschmücken konnte, wollte mit seinem oben genannten Ausspruch gewiß nur den Unterschied der Geschlechter, aber keine Unterordnung der Frau unter den Mann andeuten.
Eben so wenig konnte er wollen, daß der einen Frau, welche in höherem Grade als die Mehrzahl, die Befähigung des Mannes besitzt, der Weg abgesperrt werde, diese Befähigung auszubilden; und anerkanntermaßen, giebt es ja auch kein Gebiet des menschlichen Wissens, oder des menschlichen Schaffens, auf welchem nicht eine oder die andere Frau schon in fruchtbarer Weise thätig gewesen wäre.
Die Thatsachen aber, welche so häufig und selbst bei den Frauen den Glauben an eine wirkliche Inferiorität des Weibes hervorrufen, liegen darum keineswegs in einer quantitativen Verschiedenheit der Begabung, sondern nur in einer mangelhaften Erziehung des weiblichen Geschlechts, welche beinahe jeden Ernst des Lebens außer Augen läßt und glaubt, daß eine consequente Durchbildung und Fortentwickelung nur das Erbtheil des Mannes sein dürfe. Der Mangel an Energie, Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue, welchen wir so häufig bei der Frau, und besonders der Frau unserer Tage finden, beruht keineswegs nur auf schwächeren Geistesgaben oder einer angeborenen Flatterhaftigkeit, sondern vielmehr in dem fast durchgängigen Mangel des Bewußtseins, daß sie einen bestimmten Lebensberuf zu erfüllen habe, und daß von der Weise, in der sie es thut, ihr ganzes künftiges Glück und ihre Zufriedenheit abhängen.
Die Tugenden des Charakters müssen beiden Geschlechtern gleichmäßig eingeprägt werden; denn auf beiden zugleich beruht das bürgerliche und häusliche Wohlergehen. Was der Staat und die Gesellschaft vom Manne fordern, das Nämliche fordern das Haus und die Gesellschaft von der Frau, und auf den letzteren Grundlagen allein ist eine freiere Entwickelung des weiblichen Wesens möglich.
Aber wie kann dies geschehen bei Grundsätzen, welche zu dem Manne sprechen: »Du mußt arbeiten, ringen, streben, des Lebens Ernst erfassen!« und zu der Frau: »Du zartes Wesen bist geboren, poetisch zu sein, zu tändeln, Toilette zu machen, Clavier zu spielen, französisch zu plaudern«, und wie die ganze Ammenweisheit unserer vornehmen Mütter und Gouvernanten heißt. Leider ist dieser Ton nicht mehr blos einheimisch in den höchsten Regionen der Gesellschaft; den größten Theil des Mittelstandes durchweht diese zimperliche Parfummoral, selbst in den vermögenderen Bürgerstand ist sie eingedrungen, und tüchtige Mütter, pflichtgetreue Hausfrauen, die frei sind von den Vorurtheilen unserer modernen Gesellschaft, erhaben stehen über deren Thorheiten, finden sich nur noch in der äußersten Minorität.
Rauhere Zeiten und Sitten zeigen uns ein anderes Bild. Wenn die Spartaner ihre Mädchen mit den Knaben kriegerische Uebungen, gymnastische Spiele treiben ließen, um dadurch für ein künftiges Geschlecht kräftige Mütter zu erzielen, wie lag dies richtig im Geist eines Volkes, das auf den Krieg angewiesen und für diesen erzogen, körperliche Kraft und Stärke über Alles schätzen mußte. Es entwickelten sich dadurch in der Frau heroische Tugenden nicht des Herzens, sondern des Verstandes, welche ihren Platz in der Geschichte errungen, und von unserem fernen Standpunkt aus gesehen, nichts Verletzendes mehr haben.
Wir wünschen diese Einseitigkeit strengerer Tugenden nicht zurück, wir wollen mehr, wollen Harmonie zwischen den zärteren und stärkeren, den geistigen und körperlichen Elementen, aber diese kann sich nur in kräftigen, lebensfrischen Naturen entwickeln, und diese wiederum gedeihen nur auf dem Boden einer ernsten Erziehung, wie sie auch dem Manne geboten wird.
Auf diesem Felde dürfen wir eine völlige Gleichstellung beider Geschlechter fordern, nicht in Allem was gelehrt, sondern in der Art und Weise, wie es gelehrt wird.
Die meisten Frauen haben weder Liebe noch Ehrfurcht für ihren Beruf, weil er ihnen selten in seinem wahren Lichte erscheint, weil sie, lässig und unfähig zu ernstem Handeln, an der Oberfläche haften bleiben, und ihr schwaches Auge zu wenig gelehrt wird, den Heiligenschein zu erblicken, der jede treue Pflichterfüllung umstrahlt und verschönert. Der Knabe hingegen weiß in den meisten Fällen von früher Jugend an, daß er irgend einen bestimmten Beruf mit Ernst erfüllen muß, und in denjenigen Lebensstellungen, welche ihn von Letzterem frei sprechen, finden wir auch bei dem männlichen Geschlecht immer am häufigsten jene oberflächlichen, nichtssagenden Geschöpfe, die, ähnlich so vielen Frauen, ein thatloses Leben dahinschleppen. Es ist also nur der Hinweis auf bestimmte Pflichten, eine bestimmte Thätigkeit, was die menschliche Energie und Tüchtigkeit bei beiden Geschlechtern erweckt.
Man sage dem Mädchen, wie man es dem Knaben sagt, von frühester Jugend an: Du darfst nicht blos Blume sein, welche gedankenlos ihren süßen Duft ausströmt, sondern du sollst zur Frucht werden, daran die Welt Theil und Gewinn hat. Die Gesammtheit hat ein Anrecht an dich, so gut wie an den Mann, erfülle es auf deinem Gebiete und du bist ein eben so nützliches Glied der Gesellschaft, als er. Wo kann nun dieses Gebiet zunächst anders liegen, als in der Erfüllung der häuslichen Pflichten in ihrer vollsten Ausdehnung, als in dem Berufe der Frau als Mutter und als Erzieherin, aber wir fassen diese Pflichten heute im weitesten Sinne des Wortes auf. Die verheirathete Frau hat diese Tugenden vorerst und in den meisten Fällen ausschließlich innerhalb ihrer eignen Häuslichkeit zu üben; die Frau aber, welche durch die Ehe nicht gebunden, oder wieder frei geworden ist, hat ganz die gleichen Pflichten gegenüber der menschlichen Gesellschaft. Alle sind ihre Kinder, welche der Erziehung, der Pflege, sei sie geistiger oder leiblicher Natur, der Beihülfe bedürfen, und ebenso werden im Haushalte des Lebens eine Menge von Dingen schlecht, oder gar nicht gethan, weil die Hand, die naturgemäß dazu berufen wäre, eine lässige, unnütze, oder zurückgestoßene ist.
Aber so wie jede Pflanze ihr bestimmtes Erdreich braucht, und nur als dessen höheres Product erscheint, so muß die ganze erste Bildung des Mädchens danach streben, den Boden vorzubereiten, auf dem die eigenthümliche Blüthe der Weiblichkeit sich entfalten kann. Dieser Boden aber liegt nicht dort, wo der Flugsand der Oberflächlichkeit sich ausbreitet, sondern auf dem Felsen der Pflicht und des Ernstes, wo die männliche Erziehung meistens wurzelt, muß er gesucht werden. Die wahre und ganze Ausbildung einer Frau ist wahrlich nicht leicht; aber sie wird zu lässig begonnen und zu frühe abgebrochen. Kein Wunder, daß eine Masse von unfertigen Geschöpfen entstehen muß, die in keiner Hinsicht etwas leisten können, weder in den Vorkommnissen des Haushalts, noch in geistiger Richtung, und doch beruht einzig und allein auf deren Verbindung die Möglichkeit der Erfüllung des weiblichen Berufs nach allen Seiten hin.
Wie können aber die moralischen Tugenden des Menschen sich harmonisch entwickeln, ohne die Bildung des Geistes und – so viel unsere Mädchen auch heut zu Tage lernen müssen, es geschieht dafür noch lange nicht genug, weil es nur stückweise geschieht.
Erst eine Schule, dann ein Institut, oder eine Fortbildungsschule, oder auch einige Privatstunden, und mit Erreichung des 15-16ten Jahres ist die geistige Erziehung des jungen Mädchens vollendet. In dem Alter, wo der Verstand erst anfängt zu reifen, wo das Lernen erst einen höheren Reiz gewinnt und damit der mächtigste Hebel wird, zur wirklichen Vervollkommnung der Frau, da hört die Erziehung auf. Wenige Jahre reichen hin, die halbreifen Geister wieder bis zur Unwissenheit der ersten Schuljahre zurücksinken zu lassen, und von einem späteren Nachholen kann nur selten die Rede sein. Nun liegt darin ein großer Vorzug des Knaben vor dem Mädchen, daß er gewöhnlich bis in's Jünglingsalter unter Beaufsichtigung und nach einer festen Regel lernt; daraus entwickelt sich der Grund seiner späteren Bildungsfähigkeit, nicht aus seinen größeren Geistesgaben. Wir wollen nicht mit dem Manne um seine Fachwissenschaften rechten, haben jetzt auch hie und da Frauen angefangen, sich einige davon zuzueignen, so werden dem großen Ganzen gegenüber doch solche Fälle immer in der Minorität bleiben; aber die allgemeine Bildung, die menschlich frei und tüchtig macht, darf der Frau unter keiner Bedingung vorenthalten werden. Es ist gewiß ein unhaltbarer Grundsatz, den Knaben bloß darum lernen zu lassen, weil er später Geld damit verdient, und dem Mädchen die Bildung vorzuenthalten, weil oft zunächst kein greifbarer Vortheil für es daraus entspringt. Was die Gymnasien dem Knaben bieten, eine allgemeine Vorbildung für seinen künftigen, wissenschaftlichen oder sonstigen Beruf, das müßten ähnliche Lehr-Anstalten dem Mädchen verleihen, indem es dort bis zum achtzehnten Jahre eine geistige Ausbildung aus einem Gusse empfinge, die es auch wirklich berechtigte, sich das Prädicat: gebildet, beilegen zu lassen. Wenn bis zu diesem Alter ein geregeltes Lernen fortgesetzt wird, das keineswegs die ganze Zeit in Anspruch nimmt, sondern noch Raum läßt für die gleichzeitige häusliche Ausbildung, und somit weder dem Körper schadet, noch den Geist zu hoch hinaufschraubt, dann hat der Letztere eine bestimmte Richtung empfangen und ist im Stande, hierauf für sich weiter zu bauen und zu lernen. Das ächte Weib ist für unsere Zeit undenkbar ohne geistige Bildung, es giebt für sie keinen anderen Halt gegenüber den Thorheiten und Schwächen ihres Geschlechts, dessen lange Thatenlosigkeit und Aeußerlichkeit den besten Beweis dafür liefern, daß es die wahre Bildung noch nicht gefunden hat.
Was können uns jene jungen Kinder nützen, die aus der Schule heraus nicht eilig genug in's Leben treten können, ohne Ahnung eines höheren Berufes, eines ernsteren Strebens? Aus ihren Reihen wird nur selten die tüchtige Mutter, das ächte Weib hervorgehen. Trunken vom Glanze der Ball- und Gesellschaftssäle, schweben sie, wie im Traume, durch ihre Jugend; aber wohl selten birgt sich unter dem flatternden Gewande das starke Herz, die hochbeschwingte Seele, deren die Frau doch so sehr, so nothwendig bedarf. Wie lieblich rauschen einige Jahre dahin, leichtbeschuht und voll Glanz; aber die Scene muß sich ändern, das wirkliche Leben klopft an die Pforten. Wie Viele wird es dann zum Kampfe mit sich bereit finden? Wie Viele sind dann seinen gerechten Ansprüchen gewachsen? Ob die Ehe oder das Loos der Unverheiratheten diese heiteren Gestalten erwartet, nur diejenige Frau kann ihren höheren Lebenszweck erfüllen, welcher die Erziehung die Mittel dazu an die Hand gegeben. Aber diejenige Erziehung kann weder Ernst noch Tüchtigkeit verleihen, der es selber daran fehlt, und wer den Lebensweg der meisten weiblichen Naturen verfolgt, wird finden, daß ihnen mit richtiger Bildung Alles gegeben wäre, während ihnen, ohne dieselbe, Alles genommen ist. O, ihr rosigen Kinder, euren Frohsinn und eure Heiterkeit möchten wir um keinen Preis der Welt euch rauben, ihr sollt Rosen in's Haar flechten und das weiße Gewand tragen, aber darunter die Rüstung der Pallas Athene!
Arbeit für Alle.
Der Talisman, welcher bestimmt ist, die Frauenwelt aus ihrer Schlaffheit und Weichlichkeit, ihrer Oberflächlichkeit und Genußsucht zu erlösen, heißt Arbeit und Thätigkeit. O, daß sie euch Allen auferlegt wäre, bis in die höchsten Spitzen der Gesellschaft und der Verfeinerung, daß Alle das Bewußtsein begeisterte: Wir sind Glieder einer großen Kette, müssen Alle wirken und streben, und keine darf mit leerer Hand aus diesem Leben treten!
Reiz, Schönheit, Reichthum dürften nimmermehr entbinden von einem Leben, das den Interessen der Bildung, der praktischen Thätigkeit und der Menschenliebe geweiht ist. Es frage doch Keine: Was soll ich thun, wo liegt mein Wirkungskreis? Ich bin ja kein Mann! O, überall findet die weibliche Hand, das weibliche Herz, der weibliche Geist die rechte Stelle, wo sie thätig sein können, sobald sie sich nur selbst dazu befähigt haben, aber die Hand ist leider oft schwach und lahm, der Geist beirrt, das Herz arm und klein!
Seitdem diese Blätter zum Erstenmal erschienen und ein Echo in der Brust denkender Frauen zu wecken versuchten, ist in der That, um mit dem Dichter zu reden, »ein ander Denken und ein ander Fühlen in die Welt gekommen!« Indem man anfing sich nach passenden Beschäftigungen für die Frauen umzusehen, that sich wie mit Einemmale ein Schatz von Arbeit auf, wurde man sich klar über die größten Mängel innerhalb unserer socialen Einrichtungen, und mehr und mehr bricht die Ueberzeugung sich Bahn, daß diese Mängel nur durch Frauenhand verbessert werden können, und daß weibliche Intelligenz und Befähigung vorzugsweise dazu berufen sind jenen Schatz feinerer, brach liegender Arbeit zu heben und der Menschheit nutzbar zu machen. – Der Mann arbeitet die Welt im Groben und Großen heraus, aber um die Wunden wieder zu heilen, die seine Politik geschlagen, die Ergebnisse der Wissenschaften, die er angehäuft, für das praktische und tägliche Leben zu verwerthen, um die socialen Fragen zu entwirren, welche heute das Ergebniß einer mehrhundertjährigen Entwicklung sind – dazu wird er des feinen Fingers der Frau nicht mehr entbehren können; wir meinen aber natürlich nur jener Frau, die zu ernster Arbeit, auch den ernsten Willen und Fleiß mitbringt. –
Die Thätigkeit des Mannes wird ihm, in einer oder der andern Weise von Außen entgegengebracht, die Thätigkeit der Frau muß aus eignem, innerem Drang sich entwickeln, ihre Befähigung wird gewöhnlich über ihre Beschäftigung entscheiden. An dem Drang nun fehlt es selten, doch wohl an der Hand, die ihn richtig leitet, oder ihn auf alle Weise zu wecken sucht, wo er vielleicht nicht vorhanden wäre. Aber weil es eine Masse von Frauen gibt, für die die Sonne auf-und niedergeht, ohne daß der Schweiß eines Tagwerks auf ihrer Stirn zu perlen brauchte, muß es ihnen zur ersten moralischen Pflicht gegen sich selbst gemacht werden, zu arbeiten und thätig zu sein. Könnte doch meine Stimme bis dorthin dringen, wo Müßiggang und Genußsucht sich auf seidenen Polstern wiegen, könnte sie diesen übersättigten und übermüthigen Frauen gebieten: Arbeit für Alle und Arbeit vor Allen für euch, damit Frauenwürde und Frauenstolz unter euch neu erwache, daß ihr gesundet an Geist und Seele, daß der ganze hohle Apparat eurer Seelenschmerzen und eingebildeten Leiden, die nur dem Müßiggang entspringen, zertrümmert würde.
Aber an jene Pforten anzupochen war lange vergebens, heute wäre es eine Verletzung der Wahrheit, wollten wir nicht anerkennen, wie Frauen selbst der höchsten Stände sich mit wärmstem Eifer rühren, im Interesse der gesammten Menschheit thätig zu sein, und namentlich Antheil zu nehmen an einer Befreiung des eigenen Geschlechts, von solchen Beschränkungen, die sich noch ihrer höheren Ausbildung und ihrer Freiheit des Erwerbs, entgegensetzen. Trotz dem preisen wir euch glücklich vor Allen, ihr Frauen des Mittelstandes, die ihr durch die Geburt schon an jenen Platz gestellt seid, welcher zur Entwickelung aller eurer Kräfte der zweckmäßigste ist – aus euren Reihen zunächst muß eine bessere Frauenwelt hervorgehen, wenn ihr eure Aufgabe begreift und gründlich jener Nachäfferei der vornehmen Stände entsagt, die euch zu oft gefangen nimmt.
Genügende Glücksgüter oder vornehmer Stand, sie überheben euch nicht der Pflicht praktisch zu wirken, und eben so wenig zwingt euch das bittere Loos der Armuth, den geistigen Gütern zu entsagen. So bleibt es euch vorbehalten, das wahre Menschthum in euch zu entwickeln und zu verkörpern; denn nur aus dem Verein praktischer und geistiger Thätigkeit erwächst der echte, harmonische Mensch. Stellt euch auf diese Stufe, und dann ist die Frau in Wahrheit ein höheres Wesen, nicht mit Unrecht eine Krone der Schöpfung genannt. Mißmuth, Verstimmung, eingebildete Krankheit, Leichtsinn, Vernachlässigung der heiligsten Pflichten, alle diese Uebel existiren nicht mehr den weiblichen Wesen gegenüber, welchen Arbeit das heiligste Opfer ihrer Gottesverehrung geworden, und die freundlichen Genien, die sie begleiten: Wohlwollen, Nächstenliebe, Freundlichkeit und Heiterkeit, sie geben Schönheit, Reiz und Anmuth bis in's höchste Alter, der verheiratheten Frau und dem ehelosen Mädchen in gleichem Maße.
Welch ein trauriges Bild bietet sich uns dar, wenn wir einen Blick in jene Familie werfen, wo die Frau ihre Pflicht nicht kennt, und wo Vergnügungssucht und Geistesarmuth das Scepter führen, oder einen Blick auf das alternde Mädchen, die am Ausgang der Jugendjahre steht, und die nichts zu beginnen weiß, keine Anhaltspunkte kennt, außer in jener äußerlichen Gesellschaftswelt, die ihrer nicht mehr bedarf, ihr weder Schmeicheleien noch Huldigungen mehr spendet! Die eine begeht die gröbste Versündigung gegen die ihr anvertraute Familie, die Andere gegen die menschliche Genossenschaft, außer der noch Größeren gegen sich selbst. Wenn aber ein thätiges Leben die höchste Pflicht einer verheiratheten Frau ist, so ist ein solches in noch höherem Grade Pflicht für das ehelose Mädchen, ja der Selbsterhaltungstrieb fordert es mit gebieterischer Nothwendigkeit.
Lasset ihr Frauen den Segen der Arbeit auf euch niedersinken, geht ihm entgegen mit frohem und willigem Sinn! In ihrer schönsten Gestalt tritt sie euch entgegen, die physischen Kräfte entwickelnd, den Geist befruchtend und so euch gegeben zur Erlösung von allen Thorheiten und Schwächen der weiblichen Natur!
Edel heißt jede Form, welche dem, was seiner Natur nach bloß dient, (bloßes Mittel ist) das Gepräge der Selbstständigkeit aufdrückt. Ein edler Geist begnügt sich nicht damit, selbst frei zu sein; er muß Alles um sich her, auch das Leblose, in Freiheit setzen. –
Schiller.
Wenn wir nun die von der Pflicht gebotene Thätigkeit der Frau betrachten, so kommen wir gleich bei jenem Punkte an, der, wie oft auch schon von den vielfachsten Seiten besprochen, doch nie völlig festgestellt wurde, während er gewiß eine der wichtigsten Seiten des Lebens überhaupt, nicht allein des weiblichen, berührt.
Es liegt in der Natur der Sache, und wir finden es fast bei allen Völkern wieder, auf welcher Kulturstufe sie nun stehen oder stehen mochten, daß die kleinen, täglich wiederkehrenden Sorgen um den Haushalt dem weiblichen, als dem schwächeren Theile der Bevölkerung, zufallen, während sich der Mann den schwereren Arbeiten unterzieht. Dieß Verhältniß ist zu natürlich, um sich jemals ändern zu können, und alle schon aufgestellten Theorien von der Emancipation des Weibes, werden es nicht dahin bringen, daß der Mann zu Hause koche oder nähe, während die Frau draußen auf der Bank des Richters Recht spricht oder die Kanzel besteigt. Es fehlt zwar nicht und besonders heute nicht an Leuten, die ungemein geistreich zu sein glauben, wenn sie derartige Folgerungen aus den legitimen Bestrebungen, das Loos der Frauen zu verbessern, abstrahiren. Ganz gewiß giebt es Männer, die besser zum Koch als zum Richter taugten und ebenso gewiß gibt es Frauen – man denke nur an die Methodistenpredigerinnen – die von der Kanzel herab nicht minder beweglich und zündend zu den Herzen ihrer Hörer sprechen könnten, als manch berühmter Kanzelredner, aber eine solche Frau würde sicherlich keinen Mann heirathen, der nur Talent zum Schneider besäße. – So lange die Ehe besteht, wird innerhalb derselben die Arbeitstheilung in der oben geschilderten Weise auch bestehen und es ist die erste Pflicht der Ehefrau, den ihr davon gebührenden Antheil auf sich zu nehmen. Es ist darum eine totale Verkennung unserer Zeit, wenn man glaubt, die Frau, wenn auch nur die gebildete Frau, von den Pflichten der Häuslichkeit frei sprechen zu dürfen. Man entzöge ihr, wie überhaupt dem weiblichen Kinde, mit der Häuslichkeit den eigentlichen Boden ihrer Kraft. Ganz gewiß kann das tüchtige Weib auch noch auf andern Gebieten wirksam sein, die außerhalb dessen liegen, was man früher ihre »Sphäre« nannte, die Mehrzahl aber wird immer, soweit wir heute die menschlichen Verhältnisse zu übersehen vermögen, ihren Hauptwirkungskreis im Hause finden, und jedenfalls werden die tüchtigen Frauen, welche in weiteren Kreisen etwas leisten sollen, vorzugsweise aus dem Hause hervorgehen. In seiner stillen Umgränzung, bei seinen wechselnden Pflichten, entfaltet die weibliche Seele sich am wohlthätigsten, und wer ihr Wesen richtig erkennt, läßt sie ihren punkt nehmen, von dem stillen Herd, auf welchem die heilige Flamme des Hauses, von dem Bewußtsein der Pflicht entzündet, von der Freude an der Arbeit genährt, emporlodert. Aber dann müssen Mütter und Töchter wieder im Mittelpunkt der häuslichen Beschäftigungen stehen, dann dürfen diese nicht, wie es jetzt so häufig geschieht, nur den Dienstboten überlassen bleiben.
Es kann Niemand leugnen, daß in der Gegenwart das Innere des Familienlebens sich immer unerquicklicher gestaltet, – wo hört man nicht die gerechte Klage darüber? – und bei den gesteigerten Ansprüchen und Bedürfnissen der Frauenwelt ist es für viele Männer fast nicht mehr möglich, sich eine eigene Häuslichkeit zu gründen. Man fühlt es recht wohl, wo der Mangel liegt; wer zweifelt noch daran, daß die Untüchtigkeit der Frau in ihrem häuslichen Beruf, ihr Drang nach äußeren Zerstreuungen die hauptsächlichste Quelle so vieler Unzufriedenheit und Mißstimmung ist? Man streitet darum hin und her, was der eigentliche Beruf der Frau sei, ob geistige Ausbildung oder nur häusliche Arbeit. Dieser Streit ist ein müßiger; nur die Vereinigung dieser beiden Elemente entspricht dem Wesen der Frau, wie unsere Zeit sie verlangt, ja entspricht der weiblichen Natur überhaupt, die weniger auf Tiefe angewiesen ist, als darauf, die ideale Seite des Lebens zu entwickeln, und leibliches und geistiges Wohlbehagen zugleich in dem Kreise, den sie als alleinige Gebieterin beherrscht, gedeihen zu lassen. Zur ersten Stufe dieser Herrschaft gelangt sie nur durch praktische Ausbildung, und diese ist ihr von Vernunft und Pflicht zunächst geboten. Es wird manche Frau hier ausrufen: Es ist nicht unsere erste Pflicht zu kochen, zu nähen und zu bügeln! Wir wollen mehr sein, wollen Theil haben an den geistigen Gütern des Lebens, wollen uns gleich dem Manne an Wissenschaft und Kunst erfreuen! Dies Verlangen ist, einseitig gestellt, thöricht und gewissenlos. Unser feststehender Standpunkt ist auch hierin wieder der, daß die Frau, eben so wie der Mann, einen bestimmten Kreis von Pflichten, einen ernsten Beruf zu erfüllen hat, über welchen hinaus erst ihre Berechtigung anfängt, sich an den höheren Genüssen des Lebens zu erfreuen! – Aber auch jene Frauen, die voraussichtlich später keinen eigenen Haushalt begründen und auf wissenschaftliche oder künstlerische Gebiete übergehen werden, sie sollten sich dem niemals ganz entziehen wollen, denn die geübte praktische Thätigkeit ist auch für die ganze geistige Entwickelung von wesentlichem entscheidendem Nutzen. –
Ihr sollt ja dem Manne völlig gleichberechtigt zur Seite gestellt werden! Gleichberechtigt an jedem allgemeinen geistigen Gut, aber auch gleich verpflichtet zur täglichen Arbeit! Wo gibt es denn überhaupt wirklich geistiges Schaffen, welches sich nicht erst durch einen Berg von materiellen Schwierigkeiten, von formellem Wust hindurch arbeiten muß? Welche Aeußerlichkeiten hat der Künstler nicht täglich zu beseitigen, während er seine Gestalten bildet, sei es nun mit Pinsel, Meißel oder Feder? welche kleinlich-langweiligen Anhängsel führt der Beruf des Arztes, des Lehrers, des Richters mit jeder neuen Sonne ihm herauf! Wird nicht damit die scheinbar rein mechanische Mühe, welche der Frau zufällt, vollständig aufgewogen, da ein Theil des Geistigen ja hier auch bis zum Mechanischen herabsinkt? Ist nicht unser ganzes Leben ein Kampf mit der Materie, und will die Frau sich dem allein entziehen? Warum will sie nicht ihr bescheidenes Theil an der Erfüllung der handwerksmäßigen Pflichten tragen, welche ihr die Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse des Menschen auferlegt? Der Weise nimmt die Welt wie sie ist, unterwirft sich ihren physischen Gesetzen und macht sich dadurch allein geistig frei; der Thor beklagt den Materialismus, verwirft ihn und verfällt ihm damit nur immer tiefer. – Die Materie hat noch Niemand ungestraft verachtet; sie rächt sich furchtbar, unerbittlich! Aber man kann sie überwinden, zähmen, indem man ihre unabweisbaren Bedürfnisse erforscht, ihren Voraussetzungen entspricht. Dann beginnt der wahre, dauernde Sieg des Geistes, und goldene Früchte lohnen dem Ueberwinder. Wenn die Frau ihre täglichen Pflichten in diesem Lichte betrachtet, können sie ihr nicht mehr unerträglich sein. Aber die Erziehung muß Rücksicht darauf nehmen und ihr die Mittel zur Ueberwindung jener in die Hand geben. Und welche andere könnten diese sein, als vollständige Kenntniß dessen, was von der Frau mit Recht in jedem Lebensverhältniß gefordert werden kann? Es fällt uns schwer niederzuschreiben, und doch muß es offen zugestanden werden: wenn wir durchaus wählen müßten zwischen geistiger und praktischer Ausbildung der Frau, und es hinge von dieser Frau, wie es so oft der Fall ist, das Wohl und Wehe einer Familie ab, wir wählten unbedingt das Letztere, denn der Geist muß ja doch vergehen unter dem Schmutz und Drangsal der Alltäglichkeit, wenn eine weise, ordnende Hand diese nicht ferne halten kann, während ein reinlicher, freundlicher Haushalt wenigstens das Eindringen des Geistes von Außen her zuläßt. Nur dem materiellen Wohlsein kann das geistige Behagen entspringen. Es wird also für das junge Mädchen des Mittelstandes, von rein praktischer Seite aus betrachtet, viel nothwendiger sein, daß sie die ganze Stufenleiter der häuslichen Beschäftigungen gründlicher erlerne als die Scala auf dem Piano, daß sie eher zu kochen als in fremden Zungen zu reden wisse, besser ein Hemde zu nähen, als eine feine Stickerei zu fertigen verstehe.
Aber diese ausschließende Wahl zwischen dem Einen und dem Andern sollte nicht mehr nöthig sein; die beiden Elemente, welche sich scheinbar feindlich in die Welt theilen, sollen sich in der Frau friedlich vereinigen und dem täglichen Leben die Krone der Schönheit erobern. Die Möglichkeit hierzu kann nicht bestritten werden, es gibt und gab weibliche Wesen, die eine solche Stufe erstiegen haben, und was für Einzelne möglich war, ist es auch für Viele, ja bis zu einem gewissen Grade für Alle. –
Gebe dem Mädchen eine tüchtige Mutter oder Erzieherin, die das, was sie lehren soll, auch selbst gründlich versteht – mit gutem Beispiel vorangeht; lehrt es Pflichten kennen, wo es bis jetzt nur Tändelei erblickte, gebt ihm einige ruhige Jahre der Entwickelung mehr, macht das Kind nicht schon mit 15 oder 16 Jahren zur jungen Dame, laßt ihm Zeit, sich äußerlich und innerlich auf eine gewisse Stufe des Könnens und Leistens zu stellen – und es ist Alles erreicht.
»Die Welt findet man fertig, wie sie ist, aber die Wege muß man suchen«, sagt Rahel