Luzies verwünschtes Wunschbuch – Morgen wird alles besser - Irene Zimmermann - E-Book

Luzies verwünschtes Wunschbuch – Morgen wird alles besser E-Book

Irene Zimmermann

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Beschreibung

Luzie schreibt sich die Welt, wie sie ihr gefällt Bei einem Museumsbesuch entdeckt Luzie ein sonderbares Buch. Schnell stellt sie fest, dass alles, was sie dem Buch an Wünschen anvertraut, wahr wird! Luzie ist begeistert, jetzt schreibt sie sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Doch dabei geht natürlich so einiges schief. Plötzlich steht ein dreibeiniges Lama im Garten und statt der sehnlich erwarteten Partyeinladung flattert eine Einladung zum Zahnarztbesuch ins Haus. Bis Luzie herausgefunden hat, wie das mit dem Wünschen am besten klappt, ist das Buch auch schon fast zu Ende. Ihre schöne neue Welt gerät ins Wanken. Doch zum Glück stellt sie fest, dass sich manche Wünsche ganz ohne Magie erfüllen …

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Über das Buch

Luzie schreibt sich die Welt, wie sie ihr gefällt

Im Leben von Luzie Leise läuft so gar nichts nach Plan! Neben Freundschaftschaos und den nervigen Zwillingsbrüdern Linus und Moritz (kurz: Limo) hat sie kaum noch Zeit für die Schule – vor allem für den Matheunterricht! Bei einem Museumsbesuch entdeckt Luzie ein sonderbares Buch. Schnell stellt sie fest, dass alles, was sie dem Buch an Wünschen anvertraut, wahr wird! Luzie ist begeistert, jetzt schreibt sie sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Aber leider klappt auch hier nicht alles so, wie sie es sich vorstellt und es geht jede Menge schief. Zum Glück lassen sich manche Wünsche ganz ohne Magie erfüllen …

Von Irene Zimmermann ist bei dtv außerdem lieferbar:

Charlie – Ein Schulbus hebt ab

Charlie – Ein Schulbus auf Tauchstation

Irene Zimmermann

LUZIESverwünschtes WunschbuchMorgen wird alles besser

Mit Illustrationenvon Daniela Kunkel

  Kapitel 1  

»Luzie? Wo zum Teufel …!« Papa, im Jogginganzug, reißt meine Zimmertür auf.

Typisch! Das Plakat mit der fetten Aufschrift

BITTE KLOPFEN!

hat er wieder mal übersehen. Das kann natürlich auch daran liegen, dass seit gestern noch etwas anderes an der Tür hängt: mein Selbstportrait nämlich. Falls jetzt jemand glaubt, das sei bloß so ein Gekritzel … Von wegen! Das ist richtig Kunst. Ich hab sogar einen Preis dafür gekriegt, von einer Getränkefirma, die unsere Schule sponsert.

Jedenfalls finden alle (oder wenigstens die meisten), dass es ein tolles Bild ist: Ich mit langen roten Haaren, die im Wind flattern. Bei den Sommersprossen habe ich ein bisschen gemogelt; in Wirklichkeit sind es viel mehr, auch die Nase stimmt nicht ganz und meine Augen sind eher grau als grün. Aber der Zeichenlehrer in unserer Schule meint, das sei künstlerische Freiheit und absolut okay.

»Ist was passiert?«, frage ich, weil Papa irgendwie komisch aussieht. Ein kariertes Geschirrtuch hängt über seiner Schulter, und sein Gesicht ist so rot, als hätte er einen Sonnenbrand. Was unwahrscheinlich ist, weil es seit Tagen regnet. Das bedeutet also eher, dass er gerade Stress hat. In letzter Sekunde schaffe ich es noch, mit der Fußspitze mein Klassenarbeitsheft unters Bett zu befördern. Das ist sozusagen meine gute Tat für diesen Sonntag, denn ich bezweifle, dass Papas Laune besser wird, wenn er meine letzte Mathearbeit sieht.

Er schiebt die Klamotten auf meinem Bett zur Seite, lässt sich mit einem Seufzer neben mich plumpsen und richtet dann den Zeigefinger auf mich. »Los, Luzie, du weißt doch, wo ich Limo finde.«

Okay, hier muss ich gleich mal was klarstellen. Mein Vater sucht natürlich keine Limonade! Sondern LInus und MOritz, meine beiden jüngeren Brüder. Sie sind eineiige Zwillinge und unzertrennlich. Wahrscheinlich haben sie sich trotz des miesen Wetters in ihr selbst gebautes Baumhaus verzogen. Kann man verstehen. Die beiden sind heute nämlich mit der Küche dran: abwaschen, aufräumen, fegen und wischen … Das volle Programm eben. An einem anderen Tag würde ich Papa vielleicht einen klitzekleinen Tipp geben. Heute aber nicht.

Er runzelt die Stirn, als würde er schwer nachdenken. »Weißt du was? Wie wär’s, wenn du dich jetzt um die Küche kümmerst? Dafür hast du dann nächsten Sonntag frei.« Mit breitem Grinsen drückt er mir das Geschirrtuch in die Hand. »Das ist ein Spitzendeal.«

Spitzendeal? Für Papa vielleicht, weil er dann nicht länger nach Limo suchen muss. »Nö«, murmle ich und greife nach dem Fläschchen mit Nagellack, das Mama mir geschenkt hat. Hellrosa. Nicht so ganz meine Farbe, aber besser als nichts. Doch dann erkenne ich blitzschnell meine Chance. »Na gut, von mir aus«, sage ich und tue so, als wäre mir gerade eben noch etwas eingefallen. »Ähm … Was ist denn jetzt mit Paulas Party? Bitte, Papa, du musst mir das erlauben! Alle anderen aus der Klasse dürfen. Bloß ich nicht! Das ist ein total mieses Gefühl. Als ob ich nicht dazugehöre. Du hast doch versprochen, dass du noch mal darüber nachdenkst.«

Na ja, richtig versprochen hat er es nicht. Aber ich finde, es ging schon so ungefähr in die Richtung. Außerdem kann er sich bestimmt nicht mehr so genau erinnern. Vor Anspannung halte ich die Luft an. Papa zögert. Was schon mal gut ist. Das heißt jedenfalls nicht nein.

»Tja, ich weiß nicht«, meint er schließlich. »Wir könnten vielleicht vereinbaren, dass …«

Weiter kommt er nicht. Denn jetzt steht plötzlich Mama in der Tür und strahlt übers ganze Gesicht. In der einen Hand hält sie ein Paar türkisfarbene Ohrhänger, in der anderen einen großen Umschlag.

»He, ihr Süßen! Das sieht heute nach einem richtigen Glückstag aus. Wisst ihr, wie lange ich nach diesen verdammten Dingern gesucht habe? Ich dachte schon, ich hätte sie verloren. Und für Luzie gibt es auch eine Überraschung.« Augenzwinkernd wirft sie mir den Umschlag zu. »Er lag zwischen der Post. Ich habe ihn erst jetzt entdeckt.«

»Für mich?« Verblüfft mustere ich den braunen Umschlag. Ehrlich, ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon mal einen Brief bekommen habe. Aber er ist für mich, eindeutig, denn auf dem Umschlag stehen mein Name und meine Adresse.

»Mach endlich auf!« Papa stößt mich an. »Bist du nicht neugierig, wer dir schreibt?«

Klar, bin ich. Aber ich habe auch ein wenig Herzklopfen, als ich den Umschlag aufreiße. »Ach so!«, rufe ich dann. »Das ist die Urkunde, weil ich doch den Malwettbewerb gewonnen habe. Und der Preis: Freikarten für das Kunstmuseum.«

»Eine wunderschöne Idee«, sagt Mama, und Papa meint: »Na ja, ist mal was anderes.«

Ich nicke lahm. Echt jetzt, über Kinokarten hätte ich mich mehr gefreut oder Karten für die Eislaufarena. Kunstmuseum ist nämlich nicht so mein Ding.

Aber Mama ist total begeistert. Sie findet sogar, man könne doch diesen langweiligen Sonntagnachmittag im Museum verbringen. »Bis achtzehn Uhr ist geöffnet. Also nichts wie los. Der Bus fährt in fünfunddreißig Minuten. Ich würde zwar lieber das Rad nehmen, aber bei diesem Sauwetter … Vorausgesetzt, Luzie lädt uns alle mit ihren Freikarten ein.«

Da bin ich großzügig. Ich nicke. Papa zögert, dann springt er auf. »In diesem Fall muss die Küche leider warten. Luzie, sei so lieb und such schon mal deine Brüder zusammen. Ich will mich noch rasch umziehen.«

»Moment mal!« Ich hole tief Luft. Ehrlich, das passt mir gerade überhaupt nicht, wie die Sache läuft. »Wir wollten doch noch über die Party reden.«

»Paulas Party?« Mama sieht mich erstaunt an. »Aber das haben wir doch schon längst geklärt. Mit elf bist du einfach noch zu jung. Komm, beeil dich lieber. Es wird dir gefallen. In der Zeitung stand, dass es im Museum für moderne Kunst auch eine Ausstellung für Kinder gibt. Und eine tolle Mitmachecke. Das ist bestimmt was für dich.«

»Mitmachecke?«, frage ich schockiert. Ich sehe mich schon zwischen irgendwelchen Schreihälsen sitzen, die dicke Pampers tragen, Rotznasen haben und wild mit Fingerfarben herumpatschen. Bestimmt sensationell für Sechsjährige wie Limo, aber dass Mama mir das zumuten will … Ehrlich, ich bin so was von erschüttert. Und die Party kann ich wohl endgültig vergessen. Was schon mal Katastrophe genug ist. Aber dann auch noch einen Sonntagnachmittag im Museum – echt, das ist einfach too much. »Ich schenke euch die Karten und bleibe hier. Ich muss nämlich noch Mathe üben. Ihr wollt ja immer, dass ich mehr für die Schule tue. Ich hab wahnsinnig viel auf.«

»Ach, Luzie-Schätzchen«, sagt Mama und zwinkert mir zu. »Jetzt mach dich mal locker. Glaub mir, das wird ein richtig netter Familiennachmittag.«

Eine halbe Stunde später rennen wir durch den strömenden Regen zur Bushaltestelle. Die Eile hätten wir uns aber sparen können. Weil Sonntag ist, fährt der Bus nur jede Stunde. Zu fünft quetschen wir uns auf die Bank. Zwar hat die Haltestelle ein Plexiglasdach; doch als der Wind dreht, peitscht der Regen von vorn. Im Nu sind bei allen die Hosenbeine nass.

»So was Blödes aber auch«, murmelt Papa ärgerlich. Er klingt, als würde er am liebsten umkehren. Dauernd steht er auf und studiert den Fahrplan. Aber dadurch kommt der Bus auch nicht schneller.

»Ich muss aufs Klo«, jammert Linus und rutscht unruhig hin und her.

»Ich auch!« Das kommt von Moritz und war ja zu erwarten. Bei Zwillingen ist das eben so.

»Das bildet ihr euch nur ein«, behauptet Mama. »Wollen wir was spielen? Wer zuerst ein gelbes Auto sieht, hat einen Wunsch frei. Aber er darf nichts kosten«, fügt sie hinzu.

»Ich spiele mit!«, rufe ich und sehe mich einen Moment lang schon zu Paulas Party gehen. Bis Mama sagt: »Mit Wunsch meine ich so was wie den Nachtisch für nächste Woche oder von mir aus auch einen Kuchen.«

Besten Dank! Auf dieses Spiel verzichte ich gern. Gelangweilt starre ich in den Regen. Toller Sonntagnachmittag! Total ätzend! Limo springen bei jedem zweiten Auto auf und kreischen, es sei gelb. Ich finde, meine Eltern sollten sich mal Gedanken darüber machen, was mit den beiden nicht stimmt. Für mich sieht das nach einem schweren Fall von Farbenblindheit aus.

»Beruhigt euch mal«, zische ich irgendwann genervt. »Gelbe Autos gibt es eigentlich überhaupt nicht.«

Wobei ich im selben Moment zugeben muss, dass man sich gewaltig täuschen kann. Denn direkt vor uns hält ein knallgelber Transporter mit der Aufschrift

ZOO BERGHAUSENVORSICHT! LEBENDE KLEINTIERE!

Das Fenster an der Beifahrertür wird heruntergekurbelt, eine grauhaarige Frau beugt sich heraus und ruft erfreut: »Was für ein Zufall! Die Familie Leise! So trifft man seine alten Nachbarn wieder! Na, wenn das keine nette Überraschung ist!«

Keine Minute später hocken wir zwischen Käfigen mit Hamstern, Erdmännchen und einem schnarchenden Stachelschwein.

Was ich so lange ganz lustig finde, bis wir vor der Schranke zum Museum halten. Denn wer kommt genau in diesem Moment die Straße entlang und muss kurz warten, weil wir mit dem Transporter den Bürgersteig blockieren? Paula! Der Star unserer Klasse, mit zwei Freundinnen im Schlepptau. Natürlich trägt Paula wieder angesagte Klamotten, sie kennt sich mit Mode aus und ist überhaupt total cool. Kein Wunder, dass die meisten mit ihr befreundet sein wollen.

»Luzie, worauf wartest du?« Papa tippt mich an. »Steig bitte endlich aus.« Wenn ich könnte, würde ich mich jetzt komplett unsichtbar machen. Zwar ziehe ich noch die Kapuze meiner Regenjacke weit ins Gesicht, aber Paula hat mich natürlich schon längst gesichtet.

»Das glaub ich jetzt nicht! Luzie Leise im Kleintiertransporter!«, ruft sie und winkt mir im Vorbeigehen grinsend zu.

Ich habe ihre spöttische Stimme noch im Ohr, als wir im Museum an der Garderobe stehen und unsere nassen Regenjacken abgeben. Leider kann ich mir sehr gut vorstellen, was sie am Montag auf dem Pausenhof erzählen wird. Und schlagartig habe ich überhaupt keine Lust mehr auf ihre Party. Was aber – je länger ich darüber nachdenke – ungünstig ist. Bestimmt glauben dann alle, dass es wegen der Sache mit dem Transporter ist. Dass mir das peinlich ist oder so. Ist es ja auch. Aber ich will nicht, dass die anderen das merken. Mist, warum ist alles bloß so schwierig im Leben?

»Luzie? Träumst du?« Mama sieht mich fragend an. »Was ist jetzt? Kommst du mit Papa und mir mit? Oder willst du lieber mit Limo in die Kinderausstellung?«

Sie deutet auf die Tür gegenüber, auf der mit großen bunten Buchstaben Nur für Kinder/Für Erwachsene strengstens verboten steht. Ich schüttle nur den Kopf. Eigentlich will ich überhaupt nichts. Aber dann schlurfe ich doch hinter meinen Eltern her, von einem Saal in den anderen, Treppen hoch, Treppen runter. So genau blicke ich das gar nicht. Ich kann nur noch an Paulas bescheuertes Grinsen denken.

»Pass doch auf!«, raunzt mich ein Mann mit grauem Vollbart an.

»’Tschuldigung«, murmle ich. Anscheinend habe ich schon wieder jemanden angerempelt.

Kopfschüttelnd mustert Mama mich. »Was ist denn heute bloß los mit dir? So macht das keinen Spaß! Weißt du was? Papa und ich schauen uns noch ein paar Bilder an, und du holst in der Zwischenzeit Limo ab. Nicht dass den beiden langweilig wird und sie auf dumme Ideen kommen. Ihr wartet dann vor dem Museumsshop auf uns. Einverstanden?«

Ich nicke wortlos. Dann schlurfe ich zurück in die Eingangshalle und will gerade die Tür zur Kinderausstellung öffnen, als mein Blick auf den Karton vor dem Museumsshop fällt.

Zum Mitnehmen!

steht auf dem Pappschild davor, und, na klar, ich will schon wissen, was es dort umsonst gibt. Also gehe ich in die Hocke und wühle mich durch abgegriffene Taschenbücher. KunstimaltenGriechenlandund solche Titel. Ehrlich, wen interessiert das schon? Ich will schon wieder aufstehen, als ich stutze und nach einem dünnen Buch mit blau schimmerndem Einband greife. Es ist mit einem silberfarbenen Schloss gesichert, der Schlüssel dazu hängt an einem dünnen Band, und sogar ein gespitzter Bleistift ist im Buchrücken eingesteckt.

Ein Tagebuch? Im Schneidersitz lasse ich mich neben dem Karton nieder, schließe das Buch auf und blättere flüchtig durch die wenigen Seiten. Sie scheinen marmoriert zu sein; doch beim genaueren Hinschauen erkenne ich ein filigranes Muster. Dann passiert etwas Merkwürdiges: Plötzlich ist es, als würde ein sanfter Sommerwind über die Seiten streichen. Und als wäre das ein geheimes Signal, verdichtet sich das Muster immer mehr. Es nimmt Konturen an, und je länger ich daraufstarre, umso deutlicher erkenne ich einen wunderschönen blauen Schmetterling mit zarten weißen Punkten. Zuerst sachte, dann schneller schlägt er mit den Flügeln und löst sich aus dem Buch. Ungläubig verfolge ich seinen taumelnden Flug in die Höhe, bis er schließlich in der mit Blüten ausgemalten Kuppel der Eingangshalle nicht mehr auszumachen ist.

Einen Augenblick lang bin ich sicher, ich muss mich getäuscht haben. Doch dort, wo in dem Buch eben noch der Schmetterling war, ist jetzt eine Lücke sichtbar. Ich beuge mich vor, kneife die Augen zusammen, bis ich endlich entziffert habe, was da in kunstvoll verschlungenen Buchstaben und mit verblasster Tinte geschrieben steht:

Deine Wünsche …

Kein Tagebuch! Ein Wunschbuch! Ich verkneife mir ein Lachen, denn jetzt habe ich kapiert. Hinter der Sache mit dem Schmetterling steckt garantiert ein Trick. Bestimmt ein Marketinggag für irgendwas. Vielleicht Werbung fürs Museum? Unauffällig schaue ich mich um. Filmt gerade jemand, wie ich darauf reinfalle? Vielleicht einer von den Japanern dort drüben, die sich mit gezückten Smartphones um ihre Reiseleiterin drängeln? Könnte es sein, dass ich demnächst in einem witzigen Video bei YouTube zu sehen bin? Aber ich bin ja kein Spielverderber. Also runzle ich die Stirn, als würde ich angestrengt überlegen, zwinkere dann lächelnd in Richtung der Smartphones und kritzle genau in die Lücke, die der Schmetterling hinterlassen hat:

– Party bei Paula

– eine Eins in Mathe

– mein Fahrrad

Das mit dem Rad ist übrigens eine total blöde Sache und der Grund, weshalb ich über das Regenwetter momentan ziemlich froh bin. Mir ist nämlich vor der Schule das Rad geklaut worden. Was für den Dieb nicht weiter schwierig war, weil ich in der Eile vergessen hatte, es abzuschließen. Als mir das in der dritten Stunde plötzlich einfiel, war es schon zu spät. Das Rad ist jedenfalls verschwunden, und irgendwann muss ich es meinen Eltern wohl gestehen.

»Luzie!«

Erschrocken blicke ich hoch. Vor mir steht Linus und heult: »Moritz … Moritz ist …«

»Was ist los? Was ist mit Moritz?«

Aufschluchzend greift er nach meiner Hand. »Weg. Weil … Gelbes Auto.«

»Weg? Was soll das heißen?« Mir wird heiß und kalt zugleich, als ich endlich kapiere, was Linus rumstottert. Dass nämlich Moritz aus der Kinderausstellung abgehauen ist und nach gelben Autos sucht. Wenn ihm was passiert, bin ich schuld, hämmert es in meinem Kopf. Ich hätte die beiden schon längst abholen sollen.

Mir ist übel vor Angst. Den heulenden Linus hinter mir herzerrend, drängle ich mich durch die Eingangshalle zum Ausgang. Ich muss Moritz finden!

  Kapitel 2  

Der Regen hat aufgehört. Die Sonne scheint, und die Straße, die wir jetzt schon zum zweiten Mal panisch hoch- und runterlaufen, ist voller Menschen. Wie soll man in diesem Gewimmel jemanden finden? Vor allem, wenn man nicht die leiseste Ahnung hat, wo genau man suchen soll.

»Da!«, brüllt Linus aufgeregt und deutet zum weiß Gott wievielten Mal in die Menschenmenge.

»Du meinst dort drüben? Vor der Pizzeria?«, frage ich, und Linus nickt aufgeregt.

Ich spurte los, zerre ihn hinter mir her. Doch kurz darauf ist klar: wieder Fehlalarm, und erneut haben wir kostbare Minuten verloren. Das heißt, ich muss allein weitersuchen. Nur so habe ich eine Chance. Ich blicke Linus streng an. »Ich bring dich zurück ins Museum. Verstanden? Da bleibst du vor dem Shop stehen und wartest, bis ich dich hole. Du rührst dich keinen Millimeter weg. Sonst …«

»Sonst?«, fragt er.

Weil mir auf die Schnelle nichts Passendes einfällt, sage ich mit tiefer Stimme: »Das willst du lieber gar nicht wissen.«

Linus nickt eingeschüchtert. Doch keine halbe Minute später brüllt er schon wieder: »Da ist er! Da ist Moritz!« Und schon hat er sich von meiner Hand losgerissen und rennt los.

Ich haste hinterher, und dann fällt mir ein gewaltiger Stein vom Herzen, als ich am Eingang zum Museum tatsächlich Moritz entdecke. Allerdings auch Mama und Papa, und sogar aus der Entfernung kann ich erkennen, dass sie sauer sind. Stocksauer, um genau zu sein.

»Was hast du dir dabei gedacht?«, ruft Mama mir entgegen. Ich will etwas antworten, aber sie lässt mich gar nicht zu Wort kommen. »Luzie, du bist doch wohl alt genug, ein paar Minuten auf die beiden aufzupassen.«

Super! Auf einmal bin ich alt genug. Für eine Party aber nicht. Manchmal verstehe ich meine Eltern wirklich nicht. Eine Weile schimpfen sie noch, auch mit Moritz, weil er einfach abgehauen ist.

»Aber ich wollte doch bloß ein gelbes Auto suchen. Damit ich mir was wünschen darf.«

Papa lacht und stößt mich an. »Weißt du, wo unser schlauer Moritz war? Oben in der Kunstausstellung. Reiner Zufall, dass er uns dort über den Weg gelaufen ist. Aber er hat tatsächlich auf einem Gemälde ein gelbes Auto entdeckt.«

»He, du bist vielleicht ein Spinner«, sage ich zu Moritz und boxe ihn in den Oberarm. Sofort mischt sich Linus ein, das übliche Geschrei geht los, und als wir endlich im Bus sitzen, ist es wie immer. Flüchtig fällt mir ein, dass ich das Wunschbuch im Museum vergessen habe. Macht aber nichts, viel wichtiger ist: Meine Eltern haben wieder richtig gute Laune. Sie schimpfen nicht einmal, obwohl Linus und Moritz auf dem Nachhauseweg in sämtliche Pfützen hüpfen, und ich bin mir sicher: Jetzt ist der genau richtige Augenblick. Ich habe nämlich eine Entscheidung gefällt. Jetzt oder nie!

»Ähm … Wir wollten doch noch mal über die Party reden«, sage ich und hänge mich bei Mama ein. »Ich mähe dann nächste Woche den Rasen. Das ist immer ganz schön viel Arbeit.«

Mama lacht. »Schätzchen, du bist sowieso mit Mähen dran.«

»Ich könnte auch noch die Hecke schneiden«, schlage ich vor, als wir vor unserem Haus stehen. Doch anscheinend ist das keine besonders gute Idee. Meine Eltern wirken jedenfalls alles andere als begeistert. Woran das liegt, wird mir klar, als Mama kopfschüttelnd zum Nachbargrundstück zeigt. Und bin erst mal komplett sprachlos. Denn dort lehnt mein Rad am Gartenzaun.

»Ich … Ich … Ich hab keine Ahnung, wie es dahin kommt … Ich …«, stottere ich. Ehrlich, ich habe wirklich keinen blassen Schimmer.

»Wie bitte?« Mama schaut mich ungläubig an. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Luzie, so kannst du doch nicht mit deinen Sachen umgehen. Meinst du vielleicht, weil Papa in einem Fahrradgeschäft arbeitet, bekommen wir die Räder umsonst? Und warum steht es bei Neumeiers am Zaun? Warst du bloß zu faul, es in den Schuppen zu schieben? Erklär mir bitte mal, was zurzeit mit dir los ist.«

Eine ganze Menge Fragen, die auf mich einprasseln. Ich schalte lieber auf Durchzug. Ich glaube aber auch nicht, dass Mama ernsthaft Antworten erwartet. Immer noch kopfschüttelnd, kramt sie den Schlüssel für den Schuppen aus ihrer Handtasche und drückt ihn mir in die Hand. »Beeil dich. Es gibt gleich Abendessen!«, ruft sie mir hinterher.

Ich nicke geistesabwesend. Mit dem Rad scheint, soweit ich das sehen kann, alles in Ordnung zu sein. Die Luftpumpe ist noch vorhanden und sogar das bunte Bändchen, das ich um die Klingel geschlungen habe. Vielleicht hat der Dieb ein schlechtes Gewissen bekommen und das Rad deshalb hier abgestellt. Er scheint ja ungefähr zu wissen, wo ich wohne …

Ich spüre, wie ich eine Gänsehaut bekomme. Gibt es vielleicht jemanden, der mich stalkt? Hastig schließe ich das Rad im Schuppen ein, renne quer über den nassen Rasen ins Haus und wische dann sogar meine Tapser im Flur weg. Aus der Küche weht mir Pizzaduft entgegen, und als wir schließlich alle um den Küchentisch herumsitzen, hat sich meine Stimmung wieder so einigermaßen gebessert. Aber nur, bis Papa mich so komisch von der Seite ansieht und mit vollem Mund sagt: »Übrigens, wir haben im Museum zufällig Leonie mit ihren Eltern getroffen.«

»Leonie? Die aus meiner Klasse?«, frage ich arglos.

»Ein sehr nettes Mädchen.« Mama lächelt mich aufmunternd an. »Willst du sie nicht mal einladen? Das wäre vielleicht eine Freundin für dich. Wie lange ist es jetzt her, dass Annabelle weggezogen ist? Fünf Monate? Sechs?«

Ich schiebe meinen Teller zur Seite. Echt, mir vergeht gerade der Appetit. Klar hätte ich gern wieder eine Freundin, jemanden wie Annabelle, eine beste Freundin, mit der man stundenlang reden kann und sogar die ödesten Schulstunden übersteht, die immer zu einem hält, egal, was passiert. Dann würde ich mich bestimmt nie mehr allein fühlen. Aber eine solche Freundin zu finden, ist nicht so einfach, wie Mama sich das vorstellt. Anscheinend habe ich laut geseufzt, denn ich sehe, wie Papa den Kopf schüttelt, als Mama noch etwas sagen will. Zum Glück ist dieses Thema damit wohl durch. Ich ziehe gerade meinen Teller wieder zu mir her – irgendwie habe ich doch noch Hunger –, als Papa sagt: »Übrigens, Leonie hat erzählt, dass ihr die Mathearbeit schon am Freitag zurückbekommen habt. Durchschnitt drei Komma sieben.«

Schlagartig vergeht mir schon wieder der Appetit.

»Drei Komma sieben«, wiederholt Mama, und es klingt so bekümmert, als handelte es sich um ihre Mathearbeit. »Leonie hat eine Zwei minus. Ihre Mutter meint, das sei die beste Note gewesen. Bei allen anderen muss es also ziemlich schlecht ausgefallen sein.«

Am Küchentisch herrscht mit einem Mal eine unnatürliche Stille. Alle blicken erwartungsvoll zu mir herüber, auch Limo, obwohl die natürlich nix kapieren. Mist! Ich kann jetzt wirklich aufhören, mir Hoffnungen auf die Party zu machen.

»Luzie? Wie lief’s bei dir?«

»Ähm … Auch nicht so toll«, murmle ich.

Papa legt die Hand hinters Ohr, als wäre er schwerhörig. »Das heißt was? Gibt’s dazu auch eine Note? Oder steht da nur: Auch nicht so toll? Was hältst du davon, wenn du uns dein Klassenarbeitsheft zeigst?«

Davon halte ich zwar überhaupt nichts. Garantiert verdirbt es meinen Eltern bloß den Abend. Aber ich muss die Arbeit sowieso unterschreiben lassen, und eigentlich ist es auch egal, ob es den Riesenärger heute gibt oder an einem anderen Tag.

»Auweia!«, ruft Linus und klatscht in die Hände.

»Auweia!«, echot Moritz.

»Selber auweia«, zische ich beim Aufstehen und schiebe mit Karacho meinen Stuhl zurück. »Dann gehe ich jetzt mein Heft holen.«

»Ja, mach das«, sagt Mama, und es klingt sehr genervt.

Ich zucke mit den Schultern. Von mir aus. Wenn meine Eltern unbedingt schlecht schlafen wollen.

Das Klassenarbeitsheft steckt in einem giftgrünen Umschlag, und ich lege es mit spitzen Fingern auf den Küchentisch. Wortlos.

»Also, dann schauen wir doch mal«, meint Papa. Es hört sich an, als würde er einen Seufzer unterdrücken. Langsam blättert er sich durch das Heft.

»Ich hab eine Fünf gesehen«, schreit Moritz begeistert. Ausnahmsweise war er mal schneller als sein Bruder.

»Ich auch! Ich auch!«, brüllt Linus.