Macht es bitte einfach besser als ich!!! - Felix Raum - E-Book

Macht es bitte einfach besser als ich!!! E-Book

Felix Raum

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Beschreibung

Inmitten der Vorbereitungen auf seine Hochzeit bricht Felix's vermeintlich perfekte Welt auseinander. Selbstzweifel und eine verdrängte Dunkelheit aus der Vergangenheit werfen ihn in einen Strudel der Verzweiflung. Auf seiner Reise durchlebt er Momente der Einsamkeit, schmerzhaften Erkenntnissen, verliert die vermeintlich große Liebe, familiäre Bindungen und treue Freundschaften. In der Dunkelheit verliert er fast sich selbst, voller Hass und Schuldgefühlen. Doch inmitten des Chaos findet er einen Funken Hoffnung. Dies ist die ergreifende Geschichte von Felix's Kampf gegen die Dämonen seiner Vergangenheit, von Verlusten und einer zögerlichen Annäherung zur Selbstakzeptanz. Ein Buch über den Weg zu Heilung, Selbstliebe und der erstaunlichen Kraft, sich selbst zu verzeihen, auch wenn man einst glaubte, dass es unmöglich sei. Das Buch erzählt die wahren Begebenheiten von Felix Raum. Sein Leben , seine Depressionen und den Weg zurück ins Leben.

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INHALTSVERZEICHNIS

Teil 1: Wer bin ich und was mache ich eigentlich hier?

Teil 2: Wie konnte es nur soweit kommen?

Teil 3: Sollte ich an die Hoffnung glauben?

Teil 4: Was bleibt am Ende?

Das schlaue Schlusswort

TEIL 1:

WER BIN ICH UND WAS MACHE ICH EIGENTLICH HIER?

Na gut, wie soll ich anfangen? Also, erst mal ein herzliches Hallo an alle! Keine Ahnung, wie betrunken man sein muss, um freiwillig meinen geistigen Ausfluss zu lesen, aber hey, ich wünsche trotzdem viel Spaß. Eigentlich war ich bisher gar kein großer Bücherfreund. Die Anzahl der Bücher, die ich in meinem Leben gelesen habe, kann ich an einer Hand abzählen. Und ehrlich gesagt, habe ich die meisten davon nur wegen der Schule durchgekämpft. Aber, muss ich zugeben, manche fand ich dann doch überraschend interessant und hatte sie nach ein paar Tagen schon durch. Nur ein Buch habe ich aus eigenem Antrieb gelesen. Das war damals bei meiner Freundin, als es einen Stromausfall gab. Fernsehschauen war also keine Option, also griff ich zum Buch auf ihrem Nachttisch: "Feuchtgebiete". Es hat mich so gefesselt, dass ich es in einer Nacht verschlungen habe.

Ja, ich kann ziemlich schnell lesen. Wenn ich nur genauso schnell schreiben könnte, wäre das Ganze hier viel einfacher (Stichwort: Ein-Finger-Suchsystem). Bevor ich richtig loslege, möchte ich klarstellen, dass alles, wirklich alles ( nur die Namen der Personen musste ich ändern, lest es, dann wisst ihr weshalb ) , was ich hier erzähle, zu hundert Prozent meiner Erinnerungen entspricht. Ich erfinde nichts dazu oder schmücke nichts aus, um es dramatischer oder spannender zu machen.

Nein, das mache ich nicht. Und falls ich mir bei manchen Dingen oder Ereignissen nicht ganz sicher bin, weil sie schon ziemlich lange her sind, werde ich das vorher erwähnen.

Nun, lasst mich euch erstmal erklären, warum ich mir das hier trotzdem antue. Ich bin Felix, 33 Jahre alt, ein ganz normaler Kerl aus einer Kleinstadt (eigentlich eher ein Dorf). Ich unternehme gerne was mit Freunden und stehe auf Autos wie gesagt, total unspektakulär. Angefangen hat alles letzten Herbst.

Meine Freundin und ich waren zu diesem Zeitpunkt schon 7 lange Jahre zusammen und lebten seit 4 Jahren gemeinsam, davon 2 Jahre in unserem eigenen Haus. Da dachte ich mir: "Ich werde nicht jünger, nicht schöner, meine Haare werden auch nicht mehr, und etwas Besseres als sie finde ich sowieso nicht mehr. Warum also nicht fragen, ob sie mich heiraten will?" Und da ich ihre Ringgröße kannte, bestellte ich ganz bequem einen Verlobungsring mit einem Diamanten im Internet. Ein paar Tage später kam er an, und ein paar Tage danach wartete ich, bis meine Auserwählte außer Haus war, um das Haus hübsch zu dekorieren. Ich zündete Kerzen an und schmückte mit ein paar Rosen, die ich im Garten gepflückt hatte. Als sie dann nach Hause kam, ließ ich mich mit der Eleganz eines angefahrenen Faultiers auf die Knie sinken und machte ihr den Antrag. Glücklicherweise schien sie in dem Moment genauso wenig Herr ihrer Sinne zu sein wie ihr jetzt (weil ihr gerade dieses Buch lest), und sie sagte tatsächlich "Ja". Schnell war der Hochzeitstermin festgelegt, die Planung konnte beginnen, und es lief alles recht reibungslos.

Man könnte meinen, alles sei super, und ja, eigentlich war es das auch. Aber nur eigentlich, denn irgendwann überkamen mich Zweifel. Nicht, ob ich sie heiraten wollte, das wusste ich ganz sicher. Es waren Zweifel an mir selbst, ob ich gut genug bin, ob ich ihr das Leben bieten kann, und vor allem, ob ich der Ehemann sein kann, den sie verdient. Diese Zweifel wuchsen so stark, dass ich alles infrage stellte und am liebsten davonlaufen wollte. Es führte sogar dazu, dass ich gesundheitliche Probleme bekam und ins Krankenhaus musste, wo sie mein Herz untersuchten. Zum Glück stellte sich heraus, dass alles in Ordnung war, aber meine Angst und Zweifel blieben. Die Hochzeit, das Haus und sogar unsere Beziehung schienen in Gefahr zu sein.

Ich war in einem tiefen Loch und kam nicht mehr heraus. Also beschloss ich, mich meiner Hausärztin anzuvertrauen. Sie riet mir, zu einer Psychologin zu gehen, da sie eine Depression vermutete. Ich bekam zum Glück schnell einen Termin bei einer Psychologin. Sie war sehr nett, ich fühlte mich wohl bei ihr und konnte frei reden. Allerdings wusste ich selbst nicht so richtig, wo mein Problem lag oder was genau diese Angst verursachte, nicht gut genug als Ehemann zu sein. Sie diagnostizierte bei mir eine Depression und kam zu dem Schluss, dass sie mit dem Haus zusammenhing. Die Renovierung und das finanzielle Paket würden mich zu sehr belasten, meinte sie. Versteht mich nicht falsch: natürlich beschäftigten mich diese Dinge und ließen mich nicht kalt, aber tief drinnen wusste ich, dass der Grund für meine Depression woanders lag. Deshalb beschloss ich, nicht mehr zur Psychologin zu gehen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

In der nächsten Zeit standen einige Dienstreisen an, sodass ich über zwei Monate fast nur am Wochenende zuhause war. Ich hoffte, dass die Zeit alleine, nur für mich, mir guttun könnte.

Denn ich bin einer, der gerne mal alleine ist und Zeit für sich braucht. Tatsächlich fühlte ich mich nach einer Weile etwas besser, aber mir war auch klar, dass das alles nichts wert ist, wenn ich nicht herausfinde, woher diese Probleme und Gedanken kommen. Eines Mittags im Hotelzimmer, als mir die Decke auf den Kopf fiel, beschloss ich, das schöne Wetter auszunutzen und am See spazieren zu gehen, der direkt beim Hotel lag.

Kopfhörer auf, uralte Musik auf dem Handy und während ich um den See schlenderte, ließ ich meine Gedanken in die Vergangenheit wandern. Und dann, plötzlich, machte es bei mir "Boom". Wie konnte ich vorher nicht darauf kommen? Es war der Moment, in dem mir klar wurde, was mein Problem war.

Mir wurde bewusst, dass ich dieses Gefühl einer Depression, dieses sich Verloren-Fühlen, dass nichts Spaß macht, man auf nichts Lust hat und das Gefühl hat, in einem unendlich tiefen Loch zu stecken, kannte. Ich hatte diese Gefühle vor knapp 10 Jahren schon einmal, damals nur viel schlimmer, und ich hatte keinen Namen dafür. Jetzt weiß ich, dass es damals eine sehr schwere Depression gewesen sein muss, welche ich nie ganz verarbeitet habe. Eine Depression, die durch eine damalige Beziehung kam und dazu führte, dass ich über Jahre hinweg ein unglaublich schlechter und schlimmer Mensch war. Das alles hatte ich zwar überwunden, aber nie wirklich darüber geredet und verarbeitet. Jetzt, vor der Hochzeit, muss das aus meinem Unterbewusstsein hochgekommen sein und für die Angst gesorgt haben, ein schlechter Ehemann zu werden, weil ich damals so ein schlimmer Mensch war.

Also war mir klar, dass ich mich mit mir und meiner Vergangenheit befassen muss. Ich ging sehr viel spazieren, hörte Musik, dachte über alles nach, was damals passiert ist und über all die involvierten Personen. Ich merkte, wie es mir immer besser ging, aber gleichzeitig verspürte ich immer mehr den Drang und das Verlangen, darüber zu reden. Ich nahm all meinen Mut zusammen und redete mit meiner Verlobten darüber und erzählte ihr alles. Sie war und ist eine unglaublich tolle Unterstützung. Ich spürte, wie gut es tat, meine Geschichte zu erzählen, und hatte das Gefühl, ich möchte sie noch mehr Menschen erzählen. Ich wollte noch mehr Menschen daran teilhaben lassen und ja, was soll ich sagen, deswegen sitze ich nun hier. Ich sitze hier wenige Wochen vor meiner Hochzeit und schreibe ein Buch über mich, meine Geschichte, mein Leben, meinen Schmerz und meine Depressionen. Hätte mir das jemand vor einem Jahr erzählt, den hätte ich sofort für verrückt erklärt.

Um jedoch zu verstehen, wer ich bin, wie ich bin und wie ich der Mensch werden konnte, der ich heute bin, möchte ich euch zuerst eine Einführung in mein Leben geben und beleuchten, was so passiert ist, bis mein Leben anfing, den Bach runter zu gehen.

Dafür fangen wir mal im Kindergarten an, denn bei vielen Kindern ist es ja so, dass sie das andere Geschlecht nicht so mögen und niemals zugeben würden, dass sie ein Junge oder ein Mädchen gern haben. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, ich war nämlich so eine. Ich mochte Mädchen schon immer. Ich war im Kindergarten und 5 Jahre alt, spielte wie fast immer mit meinen Dinos, als plötzlich ein Kind, welches neu in meiner Gruppe war, vor mir stand. Es war ein Mädchen, sie hatte dunkle braune, lange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren und eine Brille. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass ich sofort dachte: "Wow, das Mädchen ist schön, und die mag ich." Sie sagte "Hallo" und fragte, ob wir zusammen "Hase" spielen wollen. Ich zögerte nicht und fing an, mit ihr durch den Raum zu hoppeln. Das ging dann die nächsten Wochen und Monate fast jeden Tag so, außerdem aßen wir immer zusammen und hielten unseren Mittagsschlaf immer zusammen und lagen nebeneinander. Um es kurz zu fassen: Wir waren unzertrennlich. Leider sollte diese kleine Verbundenheit bald wieder auseinandergerissen werden. Ich weiß noch: eines Morgens wurde ein Stuhlkreis gebildet, um den Geburtstag von Melanie zu feiern. (Ich hatte ihr ein Bild mit Hasen gemalt) Nachdem alle zusammen für sie gesungen hatten, fing eine der Erzieherinnen an zu reden und sagte, dass wir das letzte Mal zusammen Melanies Geburtstag feiern, weil sie ab dem nächsten Tag nicht mehr da sein wird, da sie mit ihrer Mutter umzieht. Sie und ich schauten uns an, und wir fingen beide an zu weinen. Mittags, als ihre Mutter da war, um sie abzuholen, kam sie weinend zu mir, umarmte mich und sagte mir, dass ich der beste Hasenfreund der Welt war. Das war es dann, sie war weg, und ich sah sie nie wieder, aber der Fakt, dass ich mich heute noch so gut daran erinnern kann und sogar noch ein Bild von ihr im Kopf habe, zeigt, wie sehr mich das geprägt hat. Dann kam auch schon die Grundschule, und da gab es immer wieder Mädchen, die mir gefielen, aber eines hatte es mir ganz besonders angetan. Sie war in meiner Klasse und hieß Julia, die ganzen vier Jahre himmelte ich sie an. Tatsächlich war es so, dass immer, wenn es hieß, es sollen Paare gebildet werden, wir uns zusammengetan haben, und wenn es hieß, wir gehen irgendwo hin und jeder muss seinen Partner an die Hand nehmen, sind wir strahlend aufeinander zugelaufen und haben uns sofort die Hand gegeben. Außerdem wohnte sie im gleichen Dorf wie ich, und obwohl es einen Umweg von fast 10 Minuten bedeutete, brachte ich sie fast jeden Mittag nach Hause. Dazu kam, dass wir uns dann auch öfter nachmittags noch bei ihr vor der Tür getroffen haben. Mittlerweile im vierten Schuljahr machten wir einen Klassenausflug in eine größere Stadt ,zu einem dortigen Amphitheater. Dort sollten wir wieder Paare bilden, um an Ausgrabungen teilzunehmen. Wie immer bildeten Julia und ich ein Team, jedoch war unsere Ausgrabungsstelle ziemlich abgelegen. Wie das dann bei Kindern so ist, kamen dann unsere Klassenkameraden und machten Späße, dass wir bestimmt rumknutschen würden, so ganz alleine in der Ecke. Mir war das Ganze total peinlich, aber Julia entgegnete den anderen ganz locker, dass sie ja nur neidisch sind, weil wenn, würde sie eh nur mit mir rumknutschen, und dabei nahm sie meine Hand. Den Rest des Tages waren wir nicht mehr voneinander zu trennen, und ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, dass sie meine Freundin ist, doch am nächsten Tag in der Schule kam dann alles anders. Wahrscheinlich hatten wir beide zu viel Angst oder waren einfach zu unsicher, denn anstatt einfach weiterzumachen wie am Tag zuvor, waren wir totale Deppen und verhielten uns so, als wäre nichts passiert.

Anstatt den Mut aufzubringen, uns einzugestehen, dass wir uns ineinander verliebt hatten, taten wir so, als wären wir nur Freunde. So ging es dann bis zum Ende des Schuljahres weiter.

Selbst nachdem wir die Grundschule verlassen hatten und sie aufs Gymnasium und ich auf die Realschule gingen, trafen wir uns immer noch oft nachmittags.

Trotz all dem habe ich mich über die ganzen Jahre nie getraut, ihr zu sagen, wie sehr ich sie mag. Und so kam es, wie es kommen musste: Wir sahen uns immer weniger, bis der Kontakt nach und nach abbrach. Sie blieb für mich immer nur mein großer Schwarm aus der Grundschule. Jahre später, als ich sie übrigens zufällig traf, hatten wir endlich den Mut, uns zu beichten, dass wir damals die ganze Zeit ineinander verliebt waren. Tja, so spielt das Leben: es sollte wohl nicht sein.

Nun kommen wir zu einer Sache, über die zu schreiben mir, seit ich diese Geschichte begonnen habe, große Angst gemacht hat. Es ist ein Kapitel meines Lebens, das unglaublich schlimm war und mit dem schlimmsten Tag meines Lebens begann.

Es war Anfang Juni 1999, ich war gerade 8 Jahre alt, und eigentlich war es ein ganz normaler Tag wie jeder andere. Die Schule war aus, ich war daheim, hatte Mittag gegessen und saß dann auf der Couch, guckte meine Kindersendungen, während meine Mutter den Wohnzimmertisch deckte, damit mein Vater, wenn er von der Arbeit kommt, sofort Kaffee trinken kann.

Doch an diesem Tag schien er sich zu verspäten. Während ich da saß und auf die Kaffeetasse starrte, passierte etwas, das mir bis heute, allein beim Gedanken daran, einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Ich hörte die Sirene eines Krankenwagens und plötzlich hatte ich ein ganz klares Bild im Kopf: der Krankenwagen fuhr in Richtung des Arbeitsplatzes meines Vaters. Das war seltsam, da wir nur etwa 100 Meter Luftlinie vom Krankenhaus entfernt wohnten und ich das Geräusch der Sirenen gewohnt war. Es war auch seltsam, weil ich die Strecke zum Arbeitsplatz meines Vaters in meinem Alter noch nie bewusst gesehen hatte, aber das Bild in meinem Kopf stimmte bis ins kleinste Detail mit der Realität überein.

Ich machte mir große Sorgen, dass meinem Vater etwas passiert sein könnte, und fragte meine Mama, warum er noch nicht daheim sei. Sie meinte, er sei wahrscheinlich direkt nach der Arbeit zu Oma und Opa gefahren, weil er zu der Zeit dort am Haus strich. Das beruhigte mich nicht wirklich, denn ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Während meine Mutter an diesem Nachmittag zur Putzstelle nur ein paar Meter die Straße hochging, passte meine drei Jahre ältere Schwester auf mich auf.

Meine Mutter war noch nicht lange aus dem Haus, da klingelte es an der Tür. Meine Schwester machte auf, und dort stand die Polizei, die nach unserer Mutter fragte. Ich bekam Panik, aber meine Schwester sagte mir, ich solle mich beruhigen, unser großer Bruder hätte bestimmt mal wieder was angestellt (was nicht das erste Mal gewesen wäre). Also gingen wir zusammen mit den Polizisten zur Arbeitsstelle unserer Mutter. Ich wartete ein paar Meter entfernt und konnte nicht hören, was gesagt wurde, aber ich spürte, dass etwas nicht stimmte, als ich meine Mutter plötzlich weinen sah. Es wurde hektisch, ich war verängstigt.

Meine Mutter, meine große starke Mutter, bekam Besuch von der Polizei und weinte. Ich wollte zu ihr laufen, aber meine Schwester hielt mich fest. Ich schaute ihr ins Gesicht und sah, dass auch sie weinte. Die Panik in mir breitete sich aus, ich wollte wissen, was los ist. Dieser Moment hat sich bis ins kleinste Detail in meinen Kopf eingebrannt. Noch heute sehe ich meine weinende Schwester mit ihrem schmerzerfüllten Gesicht genau vor mir und höre ihre qualvolle, zitternde Stimme, als sie zu mir sagte, dass unser Papa tot ist. Der Schmerz, den ich in diesem Moment spürte, traf mich wie ein Schlag in den Magen und zerriss mir das Herz. Der Rettungswagen, dessen Sirene ich mittags gehört hatte und von dem ich diese Bilder imKopf hatte, war tatsächlich zu dem Arbeitsplatz meines Vaters unterwegs gewesen. Sie fanden ihn leblos in einem Kellerraum, nachdem er sich zurückgezogen hatte, weil es ihm nicht gut ging. Die Ärzte versuchten alles, um sein Leben zu retten, aber es war vergebens, es war zu spät. Es war eine unglaublich schwere Zeit, und ich kann nicht oft genug betonen, welch unglaubliche Leistung meine Mutter damals vollbracht hat. Von einem Moment auf den anderen stand sie ganz alleine mit drei kleinen Kindern da. Wir hatten nicht viel Geld, sie hatte keinen Führerschein und arbeitete nur Teilzeit, und dennoch sorgte sie dafür, dass es uns an nichts fehlte. Ich kann nicht einmal im Geringsten abschätzen, wie hart es für sie gewesen sein muss. Meine Mutter hat Unglaubliches geleistet, und dafür bin ich ihr auf ewig dankbar. Aber ich denke, es ist keine große Überraschung, dass dieses Erlebnis bei einem kleinen Kind wie mir Spuren hinterlassen hat. Ich habe ein Trauma erlitten, das ich nie ganz überwunden habe. Diese Spuren zeigen sich heute noch, denn ich habe Verlustängste und große Probleme mit Abschieden.

Selbst wenn es nur darum geht, dass man nach einem Besuch nach Hause fahren möchte. Es bereitet mir immer noch Probleme, obwohl es in den letzten Jahren besser geworden ist. Ich denke, dass dies auch dazu beigetragen hat, dass ich in der Vergangenheit Probleme mit Beziehungen hatte. Okay, das war echt hart, so offen über diese Zeit und den Tod meines Vaters zu schreiben. Aber jetzt wird es Zeit, sich wieder anderen Dingen zu widmen, denn ich möchte euch von meinem ersten richtigen Kuss erzählen. Das fünfte Schuljahr neigte sich dem Ende zu, und meine Kumpels und ich hatten immer mehr Interesse an Mädchen. Themen wie Küssen oder Petting wurden immer präsenter. Wir beschlossen, dass wir endlich mal richtig knutschen wollten und überlegten, wie wir das hinbekommen könnten.

Einer schlug dann vor, dass wir am letzten Schultag ein paar Mädels aus der Klasse zu ihm nach Hause einladen, um Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Also suchten wir uns die Mädels aus, die uns am besten gefielen, und fragten sie, ob sie Lust hätten. Komischerweise sagten tatsächlich alle zu, obwohl ihnen ja bewusst sein sollte, worauf das hinausläuft. Der Plan stand also, und jetzt war Recherche und Üben angesagt. Da das Internet damals noch so gut wie nicht existent war, kauften wir uns jede Bravo, die wir bekommen konnten, und setzten uns zusammen, um Infos zu sammeln. Das Knutschen übten wir dann vor einem Spiegel, während die anderen Jungs zuschauten und bewerteten, ob es gut aussah. Man, das war eine coole Zeit. Wie gerne wäre ich nochmal so jung. Jedenfalls kam dann der große Tag, und obwohl ich mich gut vorbereitet fühlte, war ich total aufgeregt. Denn mein heimlicher Schwarm war auch dabei, und ich hatte natürlich die Hoffnung, meinen ersten richtigen Kuss mit ihr zu haben. Letztlich verlief der Tag noch viel besser als gedacht, denn ich bekam tatsächlich meinen ersten richtigen Kuss und zwar mit meinem Schwarm. Aber noch besser war die Tatsache, dass sich herausstellte, dass sie auch in mich verliebt war. An dem Tag wurden wir sogar ein Paar.

Dass so eine kleine Schwärmerei in der Jugend nichts von Dauer ist, muss ich wohl nicht genauer erklären. In den nächsten Jahren wurde es dann etwas ruhiger, bis auf ein paar Schwärmereien mit hier und da mal Knutschen und Händchenhalten passierte nichts Erwähnenswertes. Doch das sollte sich ändern, als dann irgendwann das Unvermeidliche passierte.

Ich war gerade 14 Jahre alt geworden, und da schlug sie zu. die erste Liebe. Es war das erste Mal, dass ich wirklich tiefe Gefühle für ein Mädchen hatte, das erste Mal, dass ich Liebe für ein Mädchen empfand. Sie hieß Lea, ging auf meine Schule und war eine Stufe unter mir. Irgendwann in der Pause kamen zwei ihrer Freundinnen zu mir und sagten mir, dass Lea mich gut fand und ob ich nicht mal zu ihr gehen wollte, um etwas mit ihr zu reden. Da sie relativ weit weg stand, konnte ich sie nicht genau erkennen, aber was ich sah, gefiel mir auf Anhieb. Noch mehr beeindruckte mich jedoch ihr Mut. Ja, sie kam nicht selbst zu mir, sondern schickte ihre Freundinnen vor, aber sie stellte sich ganz alleine und offen damit dar, dass ich zu ihr kommen könnte, um sie kennenzulernen. Sie ergriff die Initiative, und das imponierte mir ungemein, denn das war zur damaligen Zeit seltener als ein lebendes Einhorn zu finden. Wie blöd wäre ich gewesen, wenn ich nein gesagt hätte? Also ging ich zu ihr hin. Je näher ich ihr kam und je besser ich sie erkannte, desto mehr war ich von ihr begeistert. Ich fand sie wunderschön, für mich war sie ein Engel. Das war dann auch das erste Mal, dass sich der Typ Frau zeigte, auf den ich in Zukunft am meisten stehen sollte: lange dunkle Haare, große Augen, kleiner als ich und ein offenes, lustiges Auftreten. Ich verliebte mich Hals über Kopf in sie, und wir kamen auch umgehend zusammen. Ich betete sie an, machte alles für sie, kaufte ihr Geschenke, und da sie nicht gerade um die Ecke wohnte, bettelte ich jeden Verwandten mit Auto an, mich zu fahren, um sie so oft wie möglich zu sehen. Doch letztlich war das auch unser größtes Problem: wir sahen uns viel zu selten, was immer wieder zu Streitereien führte. Tja, wie die meisten sicher aus eigener Erfahrung wissen, geht die erste Liebe meistens mit viel Schmerz einher.

Auch bei mir war es nicht anders. Hier zeigten sich die ersten Anzeichen, dass ich zu Depressionen neigte. Ja, ich weiß, in dem Alter spielt man verrückt wegen all der Hormone und dem Gefühlschaos, aber durch unsere Streitereien über das zu seltene Sehen kam es immer wieder zu Trennungen. Wir führten eine On-Off-Beziehung, konnten nicht miteinander, aber da wir uns liebten, zog uns eine unglaubliche Anziehungskraft immer und immer wieder zusammen. Manchmal hatten wir zwei Monate lang keinen Kontakt und hatten jeweils einen anderen Partner. Doch schon ein einziger Blick reichte aus, um alles und jeden zu vergessen, und wir stürzten uns wieder in die nächste zum Scheitern verurteilte gemeinsame Beziehung. Und so ging das knapp 1,5 Jahre lang. Durch all das fiel ich immer wieder in tiefe Löcher, vergrub mich in meinem Zimmer, wollte nur alleine sein und hatte teilweise sehr dunkle Gedanken. In dem Alter war es jedoch schwer, mit meinen Kumpels über solche Gefühle zu reden, und somit trug ich die meiste Zeit alleine daran. Bis ich eines Abends nicht mehr konnte. Ich ging zu meiner Mutter, legte mich in ihren Arm, und als sie fragte, was los ist, platzte es aus mir heraus. Ich weinte und erzählte ihr alles. Sie tröstete mich, das half auch, aber es hielt nicht lange an. Am nächsten Tag war ich wieder in meinem Loch. Auch wenn ich nie mit ihr darüber sprach, glaube ich, dass meine Schwester spürte, wie schlecht es mir teilweise ging. Sie versuchte, mich aufzumuntern, indem sie mich immer mal wieder mitnahm, um etwas zu unternehmen. So lieb es gemeint war, gelang es auch immer nur für einen kurzen Zeitraum. Irgendwann fing ich an, mich mit anderen Mädchen abzulenken, und da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich anscheinend ganz gut bei der Frauenwelt ankam. Es fiel mir nicht schwer, Mädchen zu finden, ganz im Gegenteil. Doch das führte zu einem ganz anderen Problem, mit dem ich mich neu auseinandersetzen musste: das Thema Sex.

Ich war inzwischen 15 Jahre alt, und da reichte ein wenig Küssen und Händchenhalten nicht mehr. Da wollte man mehr, und auch die Mädchen, mit denen ich zusammen war oder mit denen ich etwas hatte, wollten inzwischen mehr. Ich wollte auch mehr und machte auch fast alles, aber wenn es um Sex ging, hatte ich ein Problem. Versteht mich nicht falsch, ich wollte es schon, aber es gab da zwei Probleme. Erstens hatte ich wahnsinnige Angst, etwas falsch zu machen. Aber es gab noch einen zweiten Grund, der das eigentliche Problem war: Ich hatte damals die romantische Vorstellung, mein erstes Mal mit Lea, der Frau, die ich liebe, zu haben. Wir hatten auch schon öfter darüber gesprochen, und sie wollte es auch. Jedoch kamen wir nie in eine Situation, in der es möglich gewesen wäre. Aber ich liebte sie und hielt daran fest, mein erstes Mal mit ihr zu haben.

So ergaben sich im Laufe der Zeit Situationen, in denen es kurz davor war, aber ich machte teilweise im allerletzten Moment einen Rückzieher wegen Lea. Da möchte ich mal zwei Beispiele nennen. Da war ein Mädchen, sie hieß ebenfalls Lea. In den Sommerferien traf ich mich mehrere Wochen fast täglich mit ihr, und wir waren eigentlich dauerhaft im Bett, und es lief einiges. Da sie jedoch ein Jahr älter als ich war und keine Jungfrau mehr, wollte sie irgendwann auch gerne Sex mit mir. Ich sagte auch zu, war fest davon überzeugt, es zu tun, aber dann, wirklich im allerletzten Moment, hatte ich wieder Lea im Kopf, mein Versprechen an mich selbst, es mit ihr zu tun, und so zog ich doch noch zurück und machte es nicht. Ein weiteres Beispiel war mit Paula: wir waren seit dem Kindergarten beste Freunde und machten alles miteinander. Irgendwann ergab es sich dann, dass wir uns näherkamen, und sie mich zu sich nach Hause einlud. Doch als sie dann ihren Nachttisch öffnete, ein Kondom herausnahm und mit mir schlafen wollte, passierte das, was immer geschah: Ich hatte nur noch Lea im Kopf, und nichts ging mehr. So oder so ähnlich gab es noch mehrere Situationen. Ich hatte mich schon damit abgefunden, auf ewig Jungfrau zu bleiben, denn die Hoffnung, dass ich doch irgendwann mit Lea dauerhaft glücklich sein kann, hatte ich fast aufgegeben. Deswegen beschloss ich, mich nach all den Abenteuern auch mal wieder auf etwas Festes einzulassen. Sie hieß Emma und war in meiner Klasse. Emma zählte zu den beliebtesten und heißesten Mädchen der Schule, aber auch ich war durch meine Frauengeschichten bei allen sehr bekannt, und deswegen erregte unsere Beziehung einiges an Aufregung. Ich muss zugeben, es gefiel mir damals, im Mittelpunkt zu stehen. Ich mochte Emma wirklich und hatte die Hoffnung, dass es mit ihr, und meinem ersten Mal, endlich klappen könnte. Es war Winter, und ich glaube, wir hatten Ferien. Jedenfalls hatten wir ausgemacht, dass sie zu mir kommt und abends irgendwann abgeholt wird. Ich freute mich total auf den Tag, und insgeheim machte ich mir ein wenig Hoffnung, dass es vielleicht passieren könnte. Doch surprise, surprise sorry, wenn ich die Spannung nehme, aber natürlich passierte nichts. Ja, wir hatten einen schönen Abend und es lief auch etwas, aber es gab keinen Sex.

Das hatte mehrere Gründe: Erstens hätte ich mich wahrscheinlich mal wieder nicht getraut und zweitens hätte sie es wohl auch gar nicht gewollt. Das ich es aber gar nicht versucht hatte, lag daran, dass ich an dem Tag eine Nachricht erhalten hatte.

Eine Nachricht von Lea, nachdem wir seit fast zwei Monaten keinerlei Kontakt mehr hatten. Aus dem Nichts schrieb sie mir, ob ich abends Zeit hätte. Ich antwortete ihr nicht, weil ich mit Emma zusammen war und ja mit ihr verabredet war. Trotzdem ließ mich diese Nachricht nicht los. So sehr ich es auch versuchte zu ignorieren, sie warf mich sofort wieder zurück und machte alle meine Fortschritte der letzten Wochen zunichte. Die Gefühle für Lea waren nie weg, sie war meine erste Liebe, und ich konnte sie nicht vergessen. So kam es, dass Emma zwar da war, aber ich mit dem Kopf dauerhaft bei Lea war. Wie ich schon sagte: Zwischen Lea und mir gab es eine Anziehungskraft, die durch nichts aufzuhalten war. So war es dann auch an diesem Abend, sobald Emma weg war, schrieb ich Lea und fragte, was los sei. Sie antwortete, dass sie über Nacht bei ihrem Vater sei, der aber nicht zuhause sei, und ob ich vorbeikommen wolle. Da gab es für mich nichts zu überlegen, ich vergaß alles um mich herum und sagte sofort zu. Ich war unendlich glücklich, aber es gab da ein Problem. Wie schon erwähnt, war es Winter und in der Zwischenzeit hatte es heftig angefangen zu schneien, wodurch es mir nicht möglich war, mit dem Roller zu ihr zu fahren. Daraufhin schlug sie vor, ich könnte ja zu Fuß kommen, und sie käme mir auch entgegen. Scheiße, man, wir reden hier von einem ausgewachsenen Schneesturm, der da herrschte, und einer Strecke von ca. 6 Kilometern, einen Weg durch diesen Sturm und das fast ausschließlich bergauf? Egal, denn an diesem Abend lag eine Magie in der Luft, das spürte ich, ich wusste, dass dieser Abend etwas ganz Besonderes in meinem Leben werden sollte, und nichts hätte mich daran hindern können, mich mit ihr zu treffen. Wir stapften also in absoluter Dunkelheit mitten durch den Wald, durch kniehohen Schnee, bis wir endlich bei ihrem Vater daheim ankamen. Ich sollte auch Recht behalten, dieser Abend sollte noch sehr wichtig werden, aber nicht so, wie ich es vermutet hatte. Ich erinnere mich nicht an viele Einzelheiten, ich weiß, wir waren auf der Couch und küssten uns, bis es irgendwann ziemlich hektisch wurde. Ich glaube, ihr Vater hatte sich gemeldet, dass er früher nach Hause kommt. Ich, Orientierung wie eine Bockwurst, hatte nicht einmal ansatzweise eine Ahnung, wie ich nach Hause finden soll, und außerdem lagen mittlerweile gefühlt 14 Meter Schnee in dem Wald, durch den wir gekommen sind. Also rief ich meine Schwester an, ob sie mich abholen kommen kann. Ich glaube, Lea sagte ihr am Telefon, wo sie hinkommen soll. Man bedenke, nicht nur im Wald lag Schnee, es herrschte ein Schneesturm, die Straßen waren komplett vereist und zugeschneit, und meine Schwester hatte den Führerschein gerade einmal ein halbes Jahr. Trotz der Gefahr nahm sie den Weg auf sich, um mich abzuholen. Meine Mutter hatte ja keine Ahnung, wo ich unterwegs war. Sie dachte, ich bin daheim im Bett. Also musste meine Schwester mir versprechen, nichts zu erzählen. Als sie ankam, blieb sie sogar noch an einem Hang im Schnee stecken.

Zusammen bekamen wir das Auto aber noch mit Mühe und Not frei, und sie schaffte es, mich heil nach Hause zu bringen.

Für den Abend bin ich ihr bis heute sehr dankbar.

Jetzt fragt man sich bestimmt, was bitte war an diesem Abend besonders? Es ist doch alles schief gelaufen, und dein erstes Mal hattest du immer noch nicht. Das stimmt zwar, aber an dem Abend passierte etwas viel Wichtigeres. Es war der Abend, an dem ich frei wurde. Ich weiß nicht, warum, aber es war, als hätten sich an dem Abend alle Ketten gelöst, und meine Abhängigkeit von Lea war plötzlich verschwunden. Dieser Abend stellte für mich gewissermaßen einen Abschluss dar. Klar, die Gefühle für Lea waren nicht weg, aber ich hatte das Gefühl, dass ich endlich aus diesem Loch gekrabbelt war und mein eigenes Leben beginnen konnte zu leben. Nach diesem Abend haben wir uns nie wieder getroffen und auch nicht mehr viel Kontakt gehabt. Ich hatte noch Gefühle, aber es war okay, ich wusste, dass es vorbei war. Ich konnte damit leben und nach vorne schauen. So kam es, dass wir immer weniger schrieben, bis der Kontakt irgendwann komplett abbrach. Lea und ich hatten nie mehr richtig über diesen Abend gesprochen, und so weiß ich bis heute nicht, weshalb sie mich unbedingt sehen wollte. Da sie danach aber auch nicht mehr das große Interesse an mir zeigte, gehe ich davon aus, dass auch für sie, weshalb auch immer, dieser Abend einen Abschluss bedeutete, und so endete unsere Geschichte, die Geschichte meiner ersten Liebe.

Lea arbeitet heute übrigens als Flugbegleiterin, bereist die ganze Welt und hat mittlerweile eine Lebenspartnerin (vielleicht hat es auch deswegen nie so richtig mit uns geklappt).

Die neu gewonnene Freiheit sollte dann auch Früchte tragen, denn ja, es geschah dann tatsächlich doch noch, der kleine Feigling hatte endlich sein erstes Mal. Ich hatte eine Freundin, und das sogar ziemlich lange, aber von vorne: An Fastnacht war ich wie all die Jahre davor und viele danach in einem Dorf ( nennen wir es mal Lieblingsdorf ) auf den Kappensitzungen. Ich war 15 und hatte viel zu viel getrunken, aber war noch klar genug im Kopf, um beim Einzug der Garde ein wunderschönes Mädchen zu erkennen. Sie war der absolute Wahnsinn, und auf meine sofortige Nachfrage bei meinem Kumpel verriet er mir, dass sie Mara heißt. Ich war auf der Stelle verliebt und war ich vorher so oder so schon ständig in Lieblingsdorf, war ich es seitdem fast täglich, um sie zu sehen. Ich unternahm dann auch oft was mit ihr und meinen Freunden oder auch mit ihr und ihrer besten Freundin. Ihre beste Freundin konnte mich ziemlich gut leiden und unterstützte mich auch tatkräftig, um uns zu verkuppeln. Aber irgendwie war Mara unsicher und schwankte von "Ja, ich will" bis hin zu "Lass mich in Ruhe". Dann waren wir mit vielen Leuten bei einem Kumpel im Wald an einem Weiher zum Grillen und Zelten verabredet. Dort wollte ich dann den endgültigen Angriff auf Mara wagen. Blöd nur, dass sie mich mal wieder sitzenließ und nicht auftauchte. Ich war verdammt traurig, da es nicht das erste Mal war, dass sie das machte. Also beschloss ich, mir mal getrost die Batterien abzuklemmen. Der Plan funktionierte tatsächlich ziemlich gut. Nachdem ich von einem Hochsitz gefallen bin, zum Glück ohne Verletzungen, weil ich in einem Gebüsch landete (mal wieder mehr Glück als Verstand) und meinen Mageninhalt im ganzen Wald verteilte, lag ich in der Waldhütte, um wieder fit zu werden.

Maras beste Freundin, Isabell, war übrigens auch da. Sie hatte auch den ein oder anderen Schnaps zu viel getrunken und legte sich deswegen zu mir. Es dauerte nicht lange, und wir lagen zusammen unter einer Decke, knutschten wild und fummelten, was das Zeug hält. Für mich war das, was dort passierte, eigentlich nichts Ernstes. Ich wollte nur etwas Spaß, jedoch keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte. Ein paar Tage später waren wir dann ein Paar. Mit Isabell hatte ich dann auch mein erstes Mal. Nachdem wir knapp 2,5 Monate zusammen waren, durfte sie am Geburtstag meiner Mutter das erste Mal bei mir schlafen, und da passierte es. Um ehrlich zu sein, war es nichts Besonderes, es war relativ schnell vorbei, und ja, es war okay.

Aber ab dann gab es kein Halten mehr, und wir hatten ständig Sex und probierten so einiges aus. Es war eine verrückte Zeit.

Aber nach einiger Zeit kamen die Probleme. Wie soll ich es ausdrücken, Isabell war, um es nett zu sagen, etwas besitzergreifend. Ich durfte nichts alleine machen, sie war immer dabei.

Manche Freunde konnte ich deshalb kaum noch sehen, und es gab ständig Streit. Um mal zu verdeutlichen, dass ich nicht übertreibe: Als ich kurz davor war, die Schule abzuschließen und eine Ausbildung anzufangen, wollte sie das nicht. Sie wollte nicht, dass ich arbeite, weil ich dann weniger Zeit für sie hätte. Sie wollte, dass ich daheim bleibe, und nein, ich übertreibe nicht, sie meinte das ernst. Wochenlang war sie sauer auf mich und weinte fast täglich. Wir hatten deswegen richtig bösen Streit. Jedenfalls konnte ich irgendwann nicht mehr. Ich wollte nur noch raus aus dieser Beziehung und mich deswegen trennen, aber Isabell drohte mir damit, sich etwas anzutun, wenn ich mich trenne. Da ihr Verhalten echt krankhaft schien, machte ich mir Sorgen, dass sie ihre Drohungen wirklich wahrmachen könnte, und deswegen blieb ich bei ihr. So vergingen noch einige Monate, in denen es manchmal besser und manchmal schlechter zwischen uns lief. Eines Abends, nachdem wir uns mal wieder heftig gestritten hatten, weil ich mit Freunden etwas unternehmen wollte, lief das Fass jedoch endgültig über. Ich konnte nicht mehr, es war mir zu viel, ich machte endlich Schluss. Ja, ich machte mir zwar Sorgen wegen ihrer Drohungen, jedoch konnte ich einfach nicht mehr. Trotzdem redete ich mit einem guten Freund, der auch in Lieblingsdorf wohnte, ob er nach ihr gucken gehen kann, damit sie nichts Dummes macht. Natürlich tat sie sich nichts an, es war nur viel Gejammer um Nichts. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gut das tat. Ich war endlich befreit, ich fühlte mich wie neu geboren und konnte mein Leben wieder genießen. Das sollte ich auch umgehend in die Tat umsetzen, denn bei mir auf der Arbeit gab es eine Frau, die mit mir zusammen die Ausbildung machte und die mir schon seit längerem ganz eindeutig klar machte, dass sie auf mich steht und mir schon öfter anbot, dass ich doch mal vorbeikommen könnte. Ging halt vorher nicht, da ich ja vergeben war, aber das hatte sich ja dann geändert. Es gab jedoch zwei Sachen, die mich verunsicherten. Erstens hatte ich ja erst mit einer Frau geschlafen und somit kaum Erfahrung. Und zweitens, und das war die viel schlimmere Sache, war ihr Alter.

Ich war damals bescheidene 17 Jahre alt, und sie bereits 25. Ich hatte solche Angst, einer älteren und viel erfahreneren Frau nicht gerecht zu werden. Andererseits machte sie mir ja unmissverständlich klar, dass sie mich wollte, und wie heißt es doch so schön: Auf alten Pferden lernt man reiten. So entschloss ich mich, gerade einmal einen Tag Single, abends, als meine Mutter schlief, mich auf meinen Roller zu schwingen und zu ihr zu fahren. Bei ihr angekommen, öffnete sie sofort die Tür ihrer Wohnung und ließ mich herein. Meine Aufregung war dann auch schnell verflogen, denn sie übernahm direkt die Führung und zeigte mir, was und wie sie es wollte. Ja, das war eine echt außergewöhnliche Erfahrung und sollte nicht die einzige mit ihr bleiben, denn die nächsten Monate sollten ziemlich verrückt werden. Ich genoss meine neu gewonnene Freiheit in vollen Zügen. Ob wir am nächsten Tag arbeiten mussten oder nicht, spielte keine Rolle. Meine Freunde und ich betranken uns fast jeden Abend, und an den Wochenenden wurde entweder der Lieblingsdorf Jugendclub unsicher gemacht, oder wir waren mit einigen Leuten bei mir und gingen von dort aus durch die Kneipen.

Da kam es auch das ein oder andere Mal vor, dass wir meine Arbeitskollegin in einer der Kneipen trafen. Einer meiner Kumpels gefiel ihr dabei ziemlich gut, und das führte dazu, dass wir zu dritt zu mir nach Hause gingen. Dort angekommen, küsste sie zuerst mich und dann ihn, und somit war uns sofort klar, worauf das hinauslaufen sollte. Wie kleine, unerfahrene Schuljungen saßen er und ich auf dem Bett, während sie sich auszog.

Sie war bis auf die Unterhose komplett nackt, als plötzlich meine Zimmertür geöffnet wurde und meine Mutter dort stand.

Total peinlich, entschuldigte sie sich und schloss sofort wieder die Tür. Wir waren alle drei ziemlich angetrunken, und im Eifer des Gefechts habe ich nicht daran gedacht, dass meine Mutter, immer wenn ich mit Kumpels nachts vom Trinken heim kam, zu mir ins Zimmer kam und fragte, ob sie uns noch etwas zu essen machen solle. Sie begründete das damit, dass sie lieber mitten in der Nacht aufstand, um das zu machen, bevor wir selbst etwas kochen und die Bude im besoffenen Kopf abbrennen.

Wahrscheinlich war sie einfach immer nur vorwitzig.

Jedenfalls war nach der Aktion die Lust verständlicherweise etwas verflogen, also legten wir uns zu dritt ins Bett und schliefen ganz brav. Eine Woche später dann der nächste Versuch. Wieder hatten wir meine Kollegin in der Kneipe getroffen und gingen zu dritt zu mir. Dieses Mal sagte ich meiner Mutter jedoch sofort, als wir die Tür reinkamen, Bescheid, dass wir keinen Hunger haben und sie uns bitte nicht stören soll. In meinem Zimmer angekommen, das gleiche wie letztes Mal. Wir schauten, sie zog sich aus, kam dann ins Bett und legte sich zu uns. Er und ich küssten sie abwechselnd, befummelten sie, und sie befummelte uns. Aber irgendwann stoppten mein Kumpel und ich, wir hatten uns beide die gleiche Brust zum Berühren ausgesucht. Als sich unsere Hände trafen, schauten wir uns an, und in dem Moment wurde uns wohl bewusst, was wir da gerade taten. Wir nickten uns kurz zu und hörten beide auf. Wir hatten damals die Gabe, wir mussten nicht reden, wir kannten uns so gut, wir verstanden uns auch ohne zu reden, und in diesem Moment, mit unseren Blicken, sagten wir uns, dass dies keine gute Idee ist und wir es besser sein lassen sollten. Somit drehten wir uns beide um und schliefen ein, ohne dass weiter etwas passierte. Danach habe ich, beziehungsweise wir, nie mehr etwas mit ihr unternommen. Auf der Arbeit verhielten sie und ich uns dann wie ganz normale Freunde und als sei nie etwas gewesen, und redeten auch nie wieder darüber. Durch diesen Kumpel lernte ich dann kurze Zeit später ein Mädchen kennen.

Er traf sich mit einem Mädchen, das er im Internet kennengelernt hatte. Dieses Mädchen brachte aber eine Freundin mit zu dem Treffen, und damit er nicht so alleine war, begleitete ich ihn. Das Mädchen hieß Helena, ich fand sie auf Anhieb süß und wir verstanden uns super, sodass wir kurze Zeit später auch zusammenkamen. Eigentlich war die Beziehung nichts Besonderes, wir waren nicht lange zusammen, weil sie nicht gerade um die Ecke wohnte. Ich war noch keine 18 und hatte deswegen nur einen Roller. Wir sahen uns viel zu selten, woran die Beziehung letztlich scheiterte. Warum ich sie hier trotzdem erwähne? Weil sie später nochmal eine größere, wenn auch gleich eine sehr tragische Rolle einnehmen sollte. Aber zuerst einmal war ich wieder Single, ich war jung und, um ehrlich zu sein, ein notgeiler Bock. Das Problem zu der Zeit war aber, dass ich gleichzeitig sehr schüchtern war und eine Frau aufreißen, nur um etwas Spaß zu haben, funktionierte nicht so gut, wenn man zu feige ist, sein Maul aufzumachen. Zu meinem Glück war am Wochenende wieder Zelten angesagt, und da konnte man meistens, wenn der Pegel hoch genug war, etwas abgreifen, auch wenn man schüchtern war. Tja, leider hatte ich mich zu früh gefreut, denn alles, was auch nur halbwegs interessant für mich gewesen wäre, war bereits vergeben. Also schaute ich mich um, ob vielleicht doch noch jemand anderes für mich übrig ist, und ja, da war ja noch jemand: Isabell war ja auch noch da. Ich sagte zu mir: "Scheiß drauf, besser so als gar nicht", ich ging zu ihr und versuchte mein Glück. Leider war sie nicht so leicht rumzukriegen, wie ich dachte, und anstatt es gut sein zu lassen, was das Beste gewesen wäre, tat ich etwas, was ich viel zu häufig machte. Ich sprach von großen Gefühlen, nur um eine Frau ins Bett zu bekommen. Es klappte, wir hatten in dieser Nacht eine Menge Spaß, aber am nächsten Morgen, als ich wieder nüchtern war und sie neben mir liegen sah, wurde mir bewusst, was ich da getan hatte. In der Nacht erzählte ich ihr, dass ich sie noch liebe, und deswegen waren wir jetzt wieder ein Paar. Anstatt klarzustellen, dass es eine Lüge war, war ich zu feige und musste nun damit leben, wieder mit ihr zusammen zu sein. Sie versprach zwar, dass sie sich geändert hat, nicht mehr so eifersüchtig zu sein und mir meinen Freiraum zu lassen, aber mir war klar, dass es nicht so sein wird. Tja, und ich sollte Recht behalten. Alles war wie früher, und ganz ehrlich? Für meine Dummheit hatte ich es auch nicht besser verdient. Das hatte ich Idiot jetzt davon, dass ich nur mit dem Schwanz gedacht hatte.

Mir war von Anfang an klar, dass ich so nicht glücklich werden kann und dass ich das nicht noch einmal aushalten könnte.

Also gab es zwei Möglichkeiten: Zähne zusammenbeißen und irgendwie durchhalten oder Eier in der Hose haben und es beenden. Ich jedoch entschied mich ganz klassisch für Variante drei. Drauf scheißen und einfach mit anderen Frauen treffen.

Ich will das hier auch gar nicht schönreden, denn das war falsch, das war unter aller Sau. Allerdings wusste ich Idiot damals keinen anderen Ausweg. Im Nachhinein kann ich mich dafür nur entschuldigen. Jedenfalls kam es, wie es kommen musste, es dauerte nicht lange, bis ich anfing, Scheiße zu bauen.

Alles fing an, als wir ein einjähriges Klassentreffen planten. Ein Klassenkamerad, zwei Klassenkameradinnen und ich beschlossen, uns schon einen Tag vorher bei einer der Mädels zu treffen und dort zu viert etwas zu trinken. Es dauerte nicht lange, bis der Alkoholpegel sehr hoch war und die Hemmungen etwas fielen. Nun war es aber so, dass meine männliche Unterstützung ziemlich früh schlapp machte und einschlief, wodurch ich mit den zwei Mädels alleine war. Je später es wurde, desto näher rückten wir zusammen, bis irgendwann eine Decke über uns landete. Unter dieser Decke dauerte es nicht lange, bis das eine Mädchen und ich wild zu fummeln begannen. Zu meiner Überraschung kam plötzlich eine weitere Hand dazu, okay, das überraschte mich, denn plötzlich hatte ich mit zwei Frauen gleichzeitig etwas am Laufen. Mit der einen knutschte ich, mit der anderen fummelte ich und das ganze immer abwechselnd, bis die Klamotten immer weniger wurden. Irgendwann aber stand eine der beiden auf und sagte, sie müsse ins Bett, denn ihr Freund würde nicht gut finden, was sie da gerade macht. Alles klar, damit hatten wir nicht gerechnet, und natürlich killte das die Situation. Die andere Klassenkameradin und ich machten danach zwar noch ein wenig rum, aber mehr lief dann auch nicht mehr. Trotzdem änderte das nichts daran, dass ich Isabell fremdgegangen war, aber das war erst der Anfang. In der folgenden Zeit traf ich mich mit mehreren Mädchen, von denen ich mit einigen auch etwas hatte. So lief das alles dann über ein paar Monate, bis ich dann, ich weiß gar nicht mehr, wie es dazu kam, wieder Kontakt mit Helena hatte. Dieser Kontakt entwickelte sich zu einer Affäre, die komplett geheim war, und niemand davon wusste, aber sie nahm ein plötzliches Ende, als einer meiner besten Freunde (Thomas) mir erzählte, dass er Kontakt mit Helena hat und sich in sie verliebt hat. Nachdem Thomas mir das erzählte, war für mich klar, dass ich die Finger von Helena lassen sollte und traf mich danach nicht mehr mit ihr.

Währenddessen wurde die Situation mit Isabell immer unerträglicher. Natürlich merkte sie, dass ich mich veränderte und von ihr entfernte, was immer mehr zu Streit führte und die Situation immer schlimmer machte. So kam es, dass ich irgendwann genug hatte und Isabell klar machte, dass es so nicht mehr weitergehen kann und ich das nicht mehr will. Es lief aber wieder wie damals: sie wollte die Trennung nicht akzeptieren und versuchte, mich mit Erpressung zum Bleiben zu zwingen, was dieses Mal jedoch nicht klappte. Um das genauer zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen und eine Geschichte erzählen, die mich tatsächlich sehr stark prägte. Eine Geschichte, die mein Denken über die Liebe nachhaltig veränderte.