Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin - Eric-Emmanuel Schmitt - E-Book

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin E-Book

Eric-Emmanuel Schmitt

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Beschreibung

Das neue Buch von Bestsellerautor E.-E. Schmitt – humorvoll und inspirierend

Seit Eric als Kind das erste Mal ein Klavierstück von Chopin gehört hat, lässt ihn dessen Musik nicht mehr los. Doch auch nach Jahren des Klavierunterrichts vermag er dem Instrument nicht jene überirdischen Klänge zu entlocken, die ihn damals verzaubert hatten. Schließlich bittet Eric die exzentrische Lehrerin Madame Pylinska um Hilfe. Doch anstatt ihn Klavier spielen zu lassen, mischt sie sich mit ihren kuriosen Unterrichtsmethoden mehr und mehr in seinen Alltag ein, um den etwas linkischen Eric aus der Reserve zu locken. Eric ist alles recht – solang sie ihm hilft, hinter Chopins Geheimnis zu kommen. Doch insgeheim fragt er sich: Lehrt Madame Pylinska ihn wirklich nur das Klavierspiel? Oder nicht vielmehr das Wesentliche des Lebens?

Wunderschön illustriert, edel ausgestattet – das ideale Geschenk für alle Sinnsuchenden und Musikliebhaber*innen

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Seitenzahl: 93

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Zum Buch

Seit Eric als Kind das erste Mal ein Klavierstück von Chopin gehört hat, lässt ihn dessen Musik nicht mehr los. Doch auch nach Jahren des Klavierunterrichts vermag er dem Instrument nicht jene überirdischen Klänge zu entlocken, die ihn damals verzaubert hatten. Schließlich bittet Eric die exzentrische Lehrerin Madame Pylinska um Hilfe. Doch anstatt ihn Klavier spielen zu lassen, mischt sie sich mit ihren kuriosen Unterrichtsmethoden mehr und mehr in seinen Alltag ein, um den gutmütigen, aber etwas linkischen jungen Mann aus der Reserve zu locken. Eric ist alles recht – solang sie ihm hilft, hinter Chopins Geheimnis zu kommen. Doch insgeheim beginnt er sich zu fragen: Lehrt Madame Pylinska ihn wirklich nur das Klavierspiel? Oder ist ihr Unterricht nicht vielmehr eine Schule des Lebens?

»Sensibel, humorvoll und intelligent! Eine Initiation in das Leben und die Liebe durch den Zauber der Musik.«  L’Agenda

Zum Autor

Eric-Emmanuel Schmitt, französischer Schriftsteller, Bühnenautor und Filmregisseur, geboren 1960 in St.-Foy-lès-Lyon, wurde mit seinem Roman Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran weltberühmt und 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Sein Werk erreicht im deutschsprachigen Raum eine Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren. In Frankreich stand Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin wochenlang auf den vorderen Plätzen der Bestsellerliste. Die Bühnenfassung steht regelmäßig auf vierzig Spielplänen europäischer Theater. Schmitts Werke wurden in vierzig Sprachen übersetzt.

Eric-Emmanuel

Schmitt

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin

Mit Illustrationen von

Daphne Patellis

Aus dem Französischen

von Michael von Killisch-Horn

C. Bertelsmann

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

Madame Pylinska et le secret de Chopin

bei Éditions Albin Michel, Paris.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © 2018 der Originalausgabe

by Éditions Albin Michel

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgaben

by C. Bertelsmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlag: www.buerosued.de, München

Umschlagmotiv: Daphne Patellis, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-25609-8V004

www.cbertelsmann.de

Im Haus meiner Kindheit lebte ein Eindringling. Von außen glaubten alle, die Familie Schmitt zähle vier Mitglieder – zwei Eltern, zwei Sprösslinge –, obwohl fünf Personen unser Zuhause bewohnten. Der Eindringling hielt sich dauerhaft im Wohnzimmer auf, schlafend, wach, meckernd, reglos, lästig.

Ganz und gar in Anspruch genommen von ihren Aufgaben, ignorierten die Erwachsenen ihn, mit Ausnahme meiner Mutter, die manchmal verärgert dafür sorgte, dass er sauber blieb. Nur meine Schwester unterhielt eine Beziehung zu dem Störenfried, indem sie ihn jeden Tag gegen Mittag weckte, worauf er geräuschvoll reagierte. Ich hasste ihn; sein Grollen, sein finsteres Aussehen, seine strenge Gestalt, seine Verschlossenheit stießen mich ab; wenn ich abends im Bett lag, betete ich oft, er möge uns verlassen.

Seit wann wohnte er bei uns? Für mich hatte er immer zum Inventar gehört. Braun, gedrungen, fett, voller Flecken, das Elfenbein der Zähne vergilbt, wechselte er von hinterhältigem Schweigen zu aufdringlichem Lärm. Wenn meine ältere Schwester ihm ihre Zeit widmete, zog ich mich schleunigst in mein Zimmer zurück, wo ich vor mich hin trällerte und mir die Ohren zuhielt, um ihren Dialog nicht hören zu müssen.

Sobald ich das Wohnzimmer betrat und argwöhnisch um ihn herumschlich, warf ich ihm einschüchternde Blicke zu, damit er an seinem Platz blieb und begriff, dass es niemals Freundschaft zwischen uns geben würde; und er tat so, als bemerkte er mich nicht. Wir mieden uns mit einer solchen Hartnäckigkeit, dass unsere Fehde die Atmosphäre vergiftete. Abends hörte er sich unsere Unterhaltungen kommentarlos an, was nur mich auf die Palme brachte, so sehr waren meine Eltern seine stumpfsinnige Gegenwart gewohnt.

Der Eindringling hieß Schiedmayer und war ein Klavier. Unsere Familie duldete diesen Parasiten seit drei Generationen.

Unter dem Vorwand des Musikunterrichts quälte meine Schwester ihn täglich. Oder umgekehrt … Keine Melodie drang aus diesem Büfett aus Nussholz, sondern Hammerschläge, falsche Töne, Geklirre, zahnlose Tonleitern, lahme Rhythmen, dissonante Akkorde; zwischen Le dernier soupir und dem Türkischen Marsch fürchtete ich besonders eine Tortur, die meine Schwester Für Elise nannte, komponiert von einem Folterer namens Beethoven, die meine Ohren quälte wie der Bohrer des Zahnarztes.

Eines Sonntags, es war mein neunter Geburtstag, deutete Tante Aimée, blond, weiblich, seidig, gepudert, nach Iris und Maiglöckchen duftend, auf das schlafende Ungeheuer.

»Dein Klavier, Eric?«

»Ganz und gar nicht!«, entgegnete ich.

»Wer spielt darauf? Florence?«

»Sieht so aus«, brummte ich und verzog das Gesicht.

»Florence! Komm, spiel uns etwas.«

»Ich kann nichts«, maulte meine Schwester, und zum ersten Mal schätzte ich ihre Hellsicht.

Aimée rieb sich das Kinn, das ein hübsches Grübchen schmückte, und betrachtete den Unerwünschten.

»Mal sehen …«

Ich lachte, da der Ausdruck »Mal sehen« mich immer amüsiert hatte, zumal meine Mutter ihn in der Formulierung »Mal sehen, sagte der Blinde« benutzte.

Unbeeindruckt von meiner Heiterkeit, hob Aimée vorsichtig den Holzdeckel hoch, als öffnete sie den Käfig eines Raubtiers, ließ den Blick über die Tasten gleiten, berührte sie leicht mit ihren schlanken Fingern und zog sie plötzlich zurück, als ein Fauchen durch den Raum drang: Die Raubkatze sträubte sich, widerspenstig, bedrohlich.

Daraufhin wiederholte Tante Aimée geduldig ihre vorsichtigen Annäherungsversuche. Mit der linken Hand streichelte sie die Tastatur. Das Tier gab einen gedämpften Ton von sich; unglaublich, es muckte nicht auf, zeigte sich fast liebenswürdig. Aimée spielte ein Arpeggio; der Grobian schnurrte wohlwollend; er gab nach, sie zähmte ihn.

Aimée unterbrach befriedigt ihre Geste, musterte den Tiger, den sie in ein Kätzchen verwandelt hatte, setzte sich auf den Hocker und begann, selbstsicher und dem Tier vertrauend, zu spielen.

In dem sonnendurchfluteten Wohnzimmer war eine neue Welt aufgetaucht, ein leuchtendes Anderswo, das in Schwaden durch den Raum schwebte, friedlich, geheim, wogend, das uns erstarren ließ und aufmerksam machte. Worauf? Ich wusste es nicht. Ein außerordentliches Ereignis spielte sich da ab, das Erblühen eines Paralleluniversums, die Epiphanie einer anderen Art zu existieren, dicht und ätherisch, reich und flüchtig, zart und stark, die sich hingab und doch die Tiefe eines Geheimnisses bewahrte.

In der von unserer Hingerissenheit gesättigten Stille betrachtete Tante Aimée die Tastatur, lächelte ihr dankbar zu, und als sie zu uns aufblickte, konnten ihre Lider kaum die Tränen zurückhalten.

Meine Schwester starrte niedergeschlagen mit scheelem Blick den Schiedmayer an, der ihr niemals die Ehre erwiesen hatte, so zu klingen. Meine Eltern sahen sich an, fassungslos, dass diese dunkle und dickbäuchige Anrichte, mit der sie ein Jahrhundert gelebt hatten, so sehr zu bezaubern vermochte.

Und ich rieb mir die Unterarme, deren Haare sich aufgerichtet hatten, und fragte Tante Aimée: »Was war das?«

»Natürlich Chopin.«

Noch am selben Abend verlangte ich, Unterricht zu bekommen, und eine Woche später begann ich, das Klavierspiel zu erlernen.

Da er bemerkte, wie sehr seine Komplizenschaft mit Tante Aimée mich erschüttert hatte, kostete der Schiedmayer seinen Triumph nachsichtig aus: Er vergaß meine frühere Feindseligkeit und fügte sich meinen Tonleitern, Arpeggios, Oktaven und Etüden von Czerny. Sobald ich diese Anfangsgründe mühsam erworben hatte, machte Madame Vo Than Loc, meine Lehrerin, mich mit Couperin, Bach, Hummel, Mozart, Schumann, Debussy vertraut … Entgegenkommend beugte die Anrichte sich meinen Ansprüchen und erfüllte bereitwillig meine Wünsche. Wir waren auf dem besten Weg, uns zu schätzen.

Kurz bevor ich sechzehn wurde, wollte ich unbedingt endlich Chopin spielen. Hatte ich nicht das Klavier gewählt, um sein Geheimnis zu ergründen? Meine Lehrerin entschied sich für einen Walzer, ein Prélude und ein Nocturne, und ich erbebte bei dem Gedanken, die höchsten Weihen zu erlangen.

Doch so sehr ich mich auch anstrengte, die schwierigen Partituren zu meistern, mir die Stücke einzuprägen, die Tempi zu respektieren, ich empfand nie mehr das Erschauern des ersten Mals, dieses wollüstige Anderswo, das die Samtigkeit der Töne, die Liebkosungen der Akkorde, die kristalline Klarheit der Melodie gewebt hatten. Das Klavier gehorchte zwar den Impulsen meiner Finger, klang aber nicht wie in meinen Träumen und meinen Erinnerungen. Das Wunder fand nicht statt. Das Instrument, das unter den Fingern von Tante Aimée sanft, klar und zart geklungen hatte, tönte männlich und eindeutig unter den meinen. Lag es an ihm? An mir? An meiner Lehrerin? Irgendetwas entzog sich mir. Chopin floh mich.

Meine literarischen Studien beanspruchten meine Energie, und dann zwang mich mein zwanzigster Geburtstag, Lyon, meine Familie und den Schiedmayer zu verlassen, um nach Paris zu gehen und mich in die École normale supérieure einzuschreiben, deren Aufnahmeprüfung ich bestanden hatte. Dort, dem Kloster der Schule entkommen, endlich frei, auszugehen, zu tanzen, zu trinken, zu flirten, mit Mädchen zu schlafen, stürzte ich mich glücklich ins Leben und verausgabte meine Kräfte, indem ich mich amüsierte und arbeitete. Da ich jetzt freier über meinen Tagesablauf verfügen konnte, suchte ich einen Lehrer, der mir helfen sollte, den Fall Chopin zu lösen. Er ließ mir keine Ruhe. Sein Licht, sein Frieden, seine Zärtlichkeit fehlten mir. Die Spur, die er eines Frühlingsnachmittags an meinem neunten Geburtstag in mir hinterlassen hatte, schwankte zwischen Abdruck und Verletzung. Obwohl ich jung war, empfand ich so etwas wie Sehnsucht; ich musste ihm sein Geheimnis entreißen.

Nach einer Umfrage unter meinen Pariser Kommilitonen schien eine Person geeignet zu sein, eine gewisse Madame Pylinska, die sich eines ausgezeichneten Rufs erfreute, eine nach Paris emigrierte Polin, die im 13. Arrondissement unterrichtete.

»Hallo?«

»Guten Tag, ich würde gern mit Madame Pylinska sprechen.«

»Am Apparat.«

»Also: Ich heiße Eric-Emmanuel Schmitt, ich bin zwanzig, studiere Philosophie in der Rue d’Ulm und würde gern meinen Klavierunterricht fortsetzen.«

»Mit welchem Ziel? Um Karriere zu machen?«

»Nein, nur um gut spielen zu können.«

»Wie viel Zeit können Sie dafür aufbringen?«

»Eine Stunde am Tag. Anderthalb Stunden.«

»Sie werden niemals gut spielen!«

Es rauschte im Hörer. Hatte sie aufgelegt? Da ich eine derartige Ungehörigkeit nicht zu glauben wagte, wählte ich erneut die Nummer. Madame Pylinska hatte meinen Rückruf erwartet, denn sobald sie abgenommen hatte, schrie sie, ohne sich meiner Identität zu versichern, in den Hörer: »Was für eine himmelschreiende Überheblichkeit! Wird man etwa Primaballerina, indem man eine Stunde am Tag trainiert? Oder Arzt? Oder Architekt? Und Sie, Monsieur, sind Sie an Ihrer renommierten Schule angenommen worden, indem Sie eine Stunde am Tag studieren?«

»Nein …«

»Sie beleidigen die Pianisten, wenn Sie unter so erbärmlichen Umständen zu spielen beabsichtigen! Sie demütigen uns. Ich fühle mich persönlich herabgesetzt, geohrfeigt, gekränkt, weil ich, stellen Sie sich vor, seit vierzig Jahren sechs bis zehn Stunden am Tag übe und immer noch der Meinung bin, dass ich nicht gut spiele.«

»Verzeihen Sie meine Ungeschicklichkeit. Ich will nicht gut spielen, Madame, sondern nur besser. Ich werde nicht auf Chopin verzichten.«

Es gab eine Pause, ich hörte, wie sie zögerte. Milder gestimmt, murmelte Madame Pylinska: »Chopin?«

Ich spürte so etwas wie Wohlwollen und nutzte die Atempause.

»Ich habe Klavier gelernt, um Chopin zu spielen, aber ich schaffe es nicht. Die anderen Komponisten misshandele ich vielleicht, aber sie überleben es, wohingegen Chopin … Chopin … er leistet mir Widerstand.«

»Natü