MAGNIFICO! - Mark Blake - E-Book

MAGNIFICO! E-Book

Mark Blake

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Beschreibung

Queen von A bis Z: Fakten, Listen, Anekdoten Die große Queen-Geschichte wurde schon oft erzählt - nicht zuletzt in dem äußerst erfolgreichen Biopic "Bohemian Rhapsody" aus dem Jahr 2018. Mark Blake, der bereits mehrere Bücher über Queen und Freddie Mercury verfasste, widmet sich in seinem A-Z vor allem den weniger bekannten Tatsachen und fördert dabei eine beeindruckende Fülle an Informationen zutage, die viele Fans überraschen dürfte. Dabei umreißt auch "Magnifico!" das Gesamtwerk der Band und setzt sich mit jedem Album und jedem großen Hit auseinander, legt das Hauptaugenmerk dabei auf die Insider-Geschichten hinter der Musik und arbeitet heraus, was diese Songs über die Musiker verraten, die sie erschufen. Es richtet den Blick auf Ereignisse, Personen und Orte, welche die Karriere der Band eher unabsichtlich beeinflussten - angefangen bei dem Bassisten, der zwei Gigs mit Queen spielte und gefeuert wurde, weil er auf der Bühne zu sehr aufgedreht hatte, oder den Mitgliedern von Freddie Mercurys Schülerband. Andere Einträge ergänzen die bekannten Fakten um zusätzliche Facetten oder bieten kurzweilige Exkurse - beispielsweise zu den LPs, die die Bandmitglieder 1970 gerade hörten, den 15 Großbritannien-Gigs von Jimi Hendrix, für die Freddie Mercury durchs ganze Land reiste, oder den bizarren Coverversionen, die Queen in ihren Anfangsjahren spielten. Doch auch tiefgreifende Analysen kommen in "Magnifico!" nicht zu kurz. Blake schildert, wie das Queen-Management Freddie Mercurys Beerdigung inszenierte und welchen Einfluss das Outing des Sängers auf die Sexualmoral des späten 20. Jahrhunderts hatte. Und auch auf den phänomenalen Erfolg des Films "Bohemian Rhapsody" geht der Autor natürlich gründlich ein und erläutert, welche Alternativ-Version der Queen-Geschichte hier erzählt wird und wie weit entfernt sie von der Wahrheit ist. Ein Buch, das sich ebenso schön am Stück lesen lässt, wie es zum Blättern einlädt - liebevoll illustriert und voller unerwarteter Erkenntnisse.

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Seitenzahl: 624

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Mark Blake

Magnifico!

Freddie Mercury und Queen von A–Z

Aus dem Englischen übersetzt von Marion Ahl

www.hannibal-verlag.de

Impressum

Deutsche Erstausgabe 2021

© 2021 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-720-6

Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-719-0

Titel der Originalausgabe: Magnifico! The A to Z of Queen

Copyright © 2021 by Nine Eight Books

An imprint of Bonnier Books UK, London

ISBN 978-1-7887-0478-6

Satz: Thomas Auer

Übersetzung: Marion Ahl

Lektorat: Dr. Rainer Schöttle

Korrektorat: Gisela Wunderskirchner

Bildnachweis (bezieht sich auf die Printausgabe): Titelbild – Look Press/Avalon; S. 24, 114, 288/289 – Michael Ochs Archives/Getty Images; S. 53 – Dave Hogan/Getty Images; S. 71, 81, 243, 254, 448 – Koh Hasebe/Shinko Music/ Getty Images; S. 99 – Mark and Colleen Hayward/Redferns/Getty Images; S. 106 – Artips/Alamy Stock Photo; S. 143 – Fox Photos/Hulton Archive/Getty Images; S. 156 – Ben Stansall/AFP/Getty Images; S. 176/177 – Michael Montfort/Michael Ochs Archives/Getty Images; S. 203 – Phil Dent/Redferns/ Getty Images; S. 220/221 – FG/Bauer-Griffin/Getty Images; S. 307 – Michael Putland/Getty Images; S. 321 – Ian Dickson/Redferns/Getty Images; S. 330 – Richard Creamer/ Michael Ochs Archives/Getty Images; S. 343 – Colin Davey/Evening Standard/Getty Images; S. 383 – Jack Garofalo/Paris Match/Getty Images; S. 375 – Ferdaus Shamim/WireImage/Getty Images; S. 399, 415 – Mick Hutson/Redferns/ Getty Images; S. 436 – Anthony Harvey/Getty Images

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Impressum

Inhalt

Vorwort

A

Alternative Bandnamen

„Another One Bites the Dust“

Austin, Mary

B

Baker, Roy Thomas

Bali

„Bicycle Race“ und „Fat Bottomed Girls“

„Big Spender“

Birmingham Town Hall

Bogie, Douglas

„Bohemian Rhapsody“

Bohemian Rhapsody

Bowie, David

„Brighton Rock“

C

Caballé, Montserrat

Celebrity Mastermind

Collins, Phil

The Cosmos Rocks

„Crazy Little Thing Called Love“

„Crazy Shopping“

D

Deacon, John

„Death on Two Legs“

Death Scrabble

Desert Island Discs

Dobson, Anita

„Don’t Stop Me Now“

E

Ealing Art College

Everett, Kenny

F

„The Fairy Feller’s Master-Stroke“

Ferry Road 40

Flash Gordon

Frank

Freddies Beerdigung

G

The Game

Grose, Mike

H

„Hammer to Fall“

The Hectics

Hendrix, Jimi

Herbst, Christian

Hot Space

Hyde Park

I

„I Want to Break Free“

Ibex und Wreckage

„I’m in Love with My Car“

Imperial College

Innuendo

Isleworth Polytechnic

„It’s a Hard Life“

„It’s Late“

J

Jackson, Michael

Jazz

„Jesus“

K

„Keep Yourself Alive“

Kensington Market

Keyboarder

„Killer Queen“

A Kind of Magic

Knebworth

Kritiken

L

Lambert, Adam

Larry Lurex and the Voles from Venus

Lennon, John

Live Aid

Live-Alben

Lynyrd Skynyrd

M

Mack, Reinhold

Made in Heaven

Madison Square Garden

Marx, Groucho

May, Brian

Mercury, Freddie

The Miracle

Mitchell, Barry

Mott the Hoople

Moustache

N

1984

New Orleans

News of the World

A Night at the Opera und A Day at the Races

„No Synthesizers!“

O

„One Vision“

The Opposition

P

Pinguine

Prenter, Paul

Q

Queen

Queen Elizabeth II

Queen II

R

„Radio Ga Ga“

Rainbow Theatre

The Reaction

Red Special

Reid, John

Rhodes, Zandra

Rock in Rio

Rodgers, Paul

Rotes Kreuz

Royal Ballet

Rushdie, Salman

S

Sansibar

„Seven Seas of Rhye“

Sex Pistols

Sheer Heart Attack

„The Show Must Go On“

Smile

Sour Milk Sea

Sparks

Spitznamen

„Spread Your Wings“

Staffell, Tim

Statuen

„Stone Cold Crazy“

Südamerika

Sugar Shack

Sun City

Sunbury Pop Festival

T

Taylor, Roger

„Tenement Funster“

„These Are the Days of Our Lives“

„Tie Your Mother Down“

Time

Tribute-Konzert

U

„Under Pressure“

V

Valentin, Barbara

W

Wade Deacon Grammar School for Girls

„We Are the Champions“

„We Will Rock You“

We Will Rock You

Wembley-Stadion

Williams, Robbie

The Works

X

X-Ray Spex

Y

„You’re My Best Friend“

Z

Zwischenfragen

Danksagung

Literaturverzeichnis

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Vorwort

„Danke, Gott segne euch! Und träumt süß, ihr geilen Tussis!“

Freddie Mercury, 1986

In den 1980er-Jahren waren Queen die einzige Band, die mich mit voller Absicht zum Lachen gebracht hat. Andere Bands und Leadsänger nahmen sich zu ernst. Queen und Freddie Mercury waren die Ausnahme.

Queens Musik konnte intelligent, schamlos, lustig, furchtlos, komplex und entwaffnend einfach sein – und im Verlauf eines Songs manchmal auch alles zusammen. Diese Musik zu produzieren, war eine ernste Angelegenheit, und im Studio schwitzten Queen Blut und Wasser. Doch auf der Bühne waren sie Entertainer, und wenn Freddie Mercury seine Späße machte, gab er dem Publikum immer das Gefühl, dazuzugehören.

Teilweise ist das der Grund dafür, dass Queen in diesem Jahrhundert sogar noch größer sind, als sie es im vorangegangenen waren, als Mercury noch lebte. In den letzten Jahren war es weniger ein Wieder-Beleben als ein Neu-geboren-Werden von Queen.

In diesem Buch finden sich 132 Geschichten, Anekdoten und Beobachtungen, die alle auf Queens Musik und Original-Interviews aus drei Jahrzehnten mit den Hütern des Andenkens der Band basieren: dem Gitarristen Brian May und dem Drummer Roger Taylor. Dieses Queen-Alphabet beleuchtet die Band, ihre Mitglieder, ihre Hits, ihre Fehlschläge und jene Personen, Orte, Inspirationen und zufälligen Dinge, die zu ihrer nicht enden wollenden Geschichte beigetragen haben.

„Wen kümmert’s, wenn ich mal tot bin?“, sagte Freddie Mercury einmal. Wie unrecht er doch hatte!

A

Alternative Bandnamen

Denn Queen hätten sich beinahe nicht Queen genannt

Es war Freddie Mercurys Idee, die Band „Queen“ zu nennen. Nicht alle fanden das gut. „Ursprünglich gefiel mir der Name nicht; Brian ebenfalls nicht, aber wir haben uns daran gewöhnt“, sagte Roger Taylor.

Das war auch gut so, denn unter den weiteren Namens-Kandidaten befanden sich die folgenden:

• Build Your Own Boat

Nach einem Buch, das Brian May bei einem Freund von Roger Taylor zu Hause bei ihm in Cornwall gesehen hatte. Im Jahr 2011 fand Taylor seine Tagebücher aus dem Sommer 1970 wieder: „Fast hätten wir uns ‚Build Your Own Boat‘ genannt. Ich hatte sogar schon ein Logo dafür gezeichnet. Meine Güte …“

• Great Dance

Nach einem Begriff aus dem Science-Fiction-Roman Perelandra des Autors C. S. Lewis aus dem Jahr 1943, dem zweiten Teil seiner Perelandra-Trilogie. Sowohl May als auch Taylor waren eifrige Leser seiner Bücher. „Ich war ständig am Lesen“, sagte Taylor. „Herr der Ringe natürlich, dann Heinlein, Asimov und C. S. Lewis’ Science-Fiction.“ Diesen damals in der Diskussion stehenden Bandnamen hatten einige Zeitzeugen als „Grand Dance“ in Erinnerung.

• Rich Kids

Unbekannten Ursprungs, doch der Name dürfte Ausdruck von Freddie Mercurys Wunschdenken gewesen sein. Glen Matlock, der ehemalige Bassist der Sex Pistols, benutzte den Namen später für seine 1977 gegründete kurzlebige neue Band.

* * *

„Another One Bites the Dust“

Queens Boogie-Night

Die „Disco sucks“-Kampagne ist eine der unschöneren Episoden der amerikanischen Musikgeschichte. Im Jahr 1978 war DJ Steve Dahl vom Chicagoer Radiosender WDAI entlassen worden, nachdem dieser seine Programmausrichtung von Rock- auf Discomusik verlagert hatte. (Der vom Saturday Night Fever inspirierte Tanzboom hatte in den ganzen USA tief greifende Veränderungen bei den Sendern zur Folge gehabt.) Dahl wurde später bei einem Konkurrenzsender angestellt und begann, im Rundfunk Stimmung gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber und dessen neues Format zu machen.

Was als Aktivitäten eines gekränkten DJs begonnen hatte, entwickelte sich bald zu einer Kampagne gegen ein gesamtes Musikgenre. Dahls Feldzug gipfelte im Juli 1979 in der „Disco Demolition Night“. 50 000 Zuschauer trafen im Comiskey Park-Baseballstadion in Chicago mit Discoplatten ein, die während der Halbzeitpause eines Spiels der Chicago White Sox feierlich in die Luft gesprengt wurden. Auf vielen Schallplatten war nicht einmal Discomusik, sondern Musik von schwarzen Künstlern, was der Protestaktion eine unschöne, rassistische Note verlieh. Es war eine extreme Reaktion, die jedoch sinnbildlich für das Stammeszugehörigkeitsgefühl der Fangemeinden stand. Eine Zeit lang tauchten sogar im UK „Disco sucks“-Anstecker auf, die Underground-, Punk- und Heavy-Metal-Fans sich an die Lederjacken steckten.

Ein Jahr später veröffentlichten Queen in diese polarisierte Welt hinein ihre Single „Another One Bites the Dust“, die eine neue Zuhörerschaft anzog, so manchen alten Fan verprellte und über die auch innerhalb der Band die Meinungen auseinandergingen.

Zu den ersten Opfern von Dahls Kampagne zählte die amerikanische R&B-Band Chic. Die Erfolgsserie der von Gitarrist Nile Rodgers angeführten Band endete im Sommer 1979 mit „Good Times“. „Unsere Karriere wurde durch die Gegenbewegung drastisch abgekürzt“, sagte Rodgers. „Chic hatten nie wieder einen Hit.“

In Queens überraschendem Ausflug in die Gefilde des Dancefloor spielte Chic jedoch eine Rolle. Im selben Sommer besuchte John Deacon die Power Station Studios in New York, wo Chic gerade „Good Times“ aufnahmen. Er kehrte mit einer auffallend ähnlichen Basslinie und der Idee zu einem Song, der sich von allem anderen im Songkatalog von Queen unterschied, in die Musicland Studios in München zurück.

„Wir hatten keine Ahnung, auf was Deaky aus war, als er mit ‚Another One Bites the Dust‘ anfing“, sagte Brian May. Da Deacon seine Meinung gern für sich behielt, war das jedoch nichts Ungewöhnliches. Wegen seiner Fähigkeit, so lange Stillschweigen zu bewahren, bis er ein „perfektes Ei“ legen konnte, bekam er von Produzent Reinhold Mack sogar den Spitznamen „Vogel Strauß“ verpasst.

Seine Bandkollegen waren noch immer so klug wie zuvor, als Deacon Roger Tayler darum bat, seine Drums zu dämpfen, bevor sie die Rhythmusspur aufnahmen. Dies stand im Widerspruch dazu, wie Taylor den Klang seines Instrumentes gern haben mochte, doch Deacon wollte, dass es so trocken klang wie auf der Platte von Chic. „Ich weiß noch, dass Roger keine Lust hatte, das Schlagzeug auf diese Art und Weise zu spielen“, sagte May. „Aber er steckte Decken hinein und spielte das Pattern, das John von ihm hören wollte, und er schaffte es, seine Drums sehr nach R&B oder Discomusik klingen zu lassen. Er spielte einen genialen Drumloop.“ Zu diesem Loop fügte Deacon noch Rhythmusgitarre, Klavier und Händeklatschen hinzu, während May die „schmutzigen Riffs“ in der Songmitte beisteuerte.

„Wir wurden da in eine Richtung gedrängt, in die Roger und ich von allein nie gegangen wären“, gab der Gitarrist zu. Doch Deacon hatte in Freddie Mercury, der ebenfalls Fan von Dancefloor-Musik war, einen Verbündeten. Deacon war kein Sänger, also fungierte Mercury als sein Interpret und sang die Vocals mit einer solchen Vehemenz, dass ihm die Kehle blutete. Mercurys Stimme war es, durch die Queens Song sich von anderen Discoscheiben unterschied. An seiner Darbietung ist nichts von der Geschmeidigkeit von Chics „Good Times“, er speit den Songtext aus wie abgebrochene Zähne.

Der Song war ein gewagter Schritt für Queen, insbesondere in dem damaligen musikalischen Klima. „Roger hasste ihn“, sagte May 2008. „Er wollte nicht, dass Queen funky wurde.“

„Ich habe den Song nicht gehasst“, beharrte Taylor. „Ich war nie dagegen; ich glaubte einfach nur nicht, dass er ein Hit werden könne.“

Im Juli 1980, als Queen vier ausverkaufte Konzerte im LA Forum gaben, kamen Michael Jackson und seine Brüder hinter die Bühne, um die Band zu treffen. „Sie waren in der Garderobe und redeten ununterbrochen von ‚Another One Bites the Dust‘“, erinnerte sich Taylor. Queen beteuern, dass es die Jackson 5 waren, die sie davon überzeugten, den Song als Single herauszubringen, während die Leute von Queens Roadcrew darauf bestehen, dass sie es waren. „Aber man wies uns an, noch mehr Cocktails zu mixen“, scherzte einer von ihnen.

So oder so, Queen gaben nach, und schon bald wurde eine Vorabauflage der Single von schwarzen Radiosendern gespielt, darunter WBLS in New York. Obwohl sich Queen zum kommerziell gesehen schlechtesten Zeitpunkt in Richtung Discomusik orientierten, hatten sie einen Hit. Der Song erreichte Platz sieben in den heimischen Charts und den zweiten in den Billboard Soul and Disco-Charts – was unerwartete Folgen hatte. „Viele Leute, die sich die Single kauften und dann zu unseren Gigs kamen, glaubten, wir wären schwarze Musiker“, sagte May, „und stellten dann plötzlich fest, dass das nicht der Fall war.“

Chics Bassist Bernard Edwards starb im Jahr 1996. Er hatte immer betont, dass er kein Problem damit hatte, dass Queen seine Basslinie für sich vereinnahmt hatten. Sein Groll gebührte eher den Kritikern, die in Unkenntnis der Chronologie der Ereignisse Chic beschuldigten, Queen kopiert zu haben. „Es war undenkbar für diese Leute, dass schwarze Musiker innovativ sein konnten“, ärgerte er sich. „Sie waren doch einfach nur blöde Discotypen, die einen Rock-’n’-Roll-Song ausschlachteten.“

Der Song wurde außerdem beinahe in einem Hollywood-Blockbuster verwendet. Im Jahr 1982 trat der Schauspieler und Regisseur Sylvester Stallone an Queens Management heran und fragte an, ob er den Song für Rocky III verwenden könne. In einem frühen Schnitt des Films war „Another One Bites the Dust“ sogar enthalten, aber der Deal kam nicht zustande. Stattdessen wurden die unbekannten amerikanischen Softrocker Survivor gebeten, ersatzweise einen Titel beizusteuern, und so schrieben sie „Eye of the Tiger“. „Danke, Queen!“, sagte Mitkomponist Jim Peterik, nachdem der Song in neunzehn Ländern zu einem Top-Ten-Hit wurde.

In den USA blieb „Another One Bites the Dust“ für mehr als ein Jahrzehnt Queens letzter Hit. Queen wurden in Amerika noch immer als reine Rockband wahrgenommen. Zusammen mit Mercurys kurz geschnittenem Haar und gerade erst gezüchtetem Schnauzbart verwirrte der Song all jene, die erwarteten, dass Rockbands so aussahen und klangen wie Van Halen oder eine Variation davon.

Im Jahr 2012 offenbarten medizinische Fachkräfte, dass sie „Another One Bites the Dust“ zum Trainieren von kardiopulmonalen Wiederbelebungsmaßnahmen nutzten. Offenkundig sind die 120 Schläge pro Minute, die der Songs aufweist, ideal dafür, Herzdruckmassage zu timen.

„Es überrascht mich noch immer, dass es ein Hit wurde“, sagte ein ratloser Roger Taylor. „Aber da kann man mal wieder sehen, wie man sich irren kann.“

* * *

Austin, Mary

Die Geschichte von der Ehefrau

Freddie Mercury hatte noch nie eine Glühbirne ausgewechselt. Und Auto fahren konnte er auch nicht. Diese Aufgaben fielen in den 1970er-Jahren und auch später noch seiner Partnerin und besten Freundin Mary Austin zu. Selbst nachdem sich Mercury seine wahre sexuelle Orientierung eingestanden hatte, blieben die beiden unzertrennlich.

Marys Erinnerung nach lernte sie Freddie Ende 1969 oder Anfang 1970 kennen. Damals lebte sie mit ihrem Vater (der wie ihre verstorbene Mutter gehörlos war) in einem kleinen Reihenhaus in Fulham. Mary hatte die Schule mit fünfzehn beendet und eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht, bevor sie bei Biba, einem schicken Bekleidungsgeschäft in Kensington, eine Stelle ergatterte. Es war mitten im Revier von Smile und lag sowohl in der Nähe des Imperial College als auch von Mercurys und Roger Taylors Verkaufsstand.

Eines Nachmittags schlenderten Freddie und Roger gemeinsam ins Biba. Mercury brauchte mehrere Monate, bis er es endlich schaffte, Mary um eine Verabredung zu bitten (in der Zwischenzeit ging sie mit Brian May aus). Im Sommer 1971 besuchten Freddie und Mary gemeinsam ein Konzert von Mott the Hoople im Marquee. Mercury konnte sich kaum einen Drink leisten, doch er bezauberte sie dennoch. „Freddie war anders als alle anderen, die ich zuvor kennengelernt hatte“, sagte sie. „Er war extrem von sich überzeugt, fast schon arrogant.“

Irgendwann nahm Mary ihn mit nach Hause, damit er ihren Vater kennenlernte, den sie jedoch nicht vorgewarnt hatte, wie ungewöhnlich ihr Freund aussah. Die Vorhänge der Nachbarn bewegten sich, als der selbst ernannte „persische Dandy“ in hautengen Hosen, mit gewelltem schwarzem Haar und seinen großen Zähnen den Gartenweg entlangstolzierte. „Es muss für meinen Vater ein ziemlicher Schock gewesen sein“, räumte sie ein. Vater und Tochter kommunizierten in Gebärdensprache. Freddie lächelte freundlich und fragte sich, was sie einander wohl erzählten.

Fünf Monate nach ihrer ersten Verabredung zogen Mary und Freddie zusammen in eine Einzimmerwohnung in der Victoria Road 2 in Kensington. Die Miete (10 Pfund die Woche) zahlte üblicherweise Mary, da Freddie keinen Penny besaß. Zwei Jahre später zogen sie in eine etwas größere Wohnung in der Holland Road 100 um, die sie sich mit ihren beiden Katzen Thomas und Jerry teilten – und mit Freddies Klavier.

Die Miete betrug 19 Pfund die Woche. Die Wohnung war mit farbenfrohen Überwürfen, Federn, Farnwedeln und Ornamenten dekoriert, und Gästen wurde der Tee in Porzellantassen gereicht. Doch das Paar war kaum imstande, sich selbst zu verpflegen. „Wir hatten damals so wenig Geld, dass wir uns nur ein Paar Vorhänge leisten konnten, und die hängten wir im Schlafzimmer auf“, erinnerte sich Mary. „Küche und Bad teilten wir uns mit einem anderen Paar.“

Später sagte Mary, dass sie drei Jahre gebraucht habe, um sich heftig in Mercury zu verlieben. In dieser Zeit erkannte sie, dass sein zur Schau getragenes Selbstvertrauen eine tiefe Unsicherheit und Scheu kaschierte. Queen verdienten jetzt mehr Geld, doch sie misstrauten ihrem Management. Das ließ Freddie gegenüber Menschen und ihren Handlungsmotiven generell argwöhnisch werden, jedoch niemals Mary gegenüber. „Wir wussten, dass wir uns vertrauen konnten und uns niemals verletzen würden“, sagte sie.

„Mary war wirklich ein Schatz“, schwärmte der Musiker Alan Mair, der damals ebenfalls einen Stand auf dem Kensington Market betrieb. „Sie war praktisch veranlagt, geerdet und geradlinig. Sie war sehr schön und hatte etwas Liebreizendes an sich.“

Nach 1974 verwandelte sich Mercurys Leben in ein schwindelerregendes Karussell von Tourneedaten, Aufnahmesessions und Presseterminen. „Als ich ihn kennenlernte, war er Freddie Bulsara“, sagte Mary. „Aber dann war er Freddie Mercury.“

Mary half ihrem Partner, sein neues Leben zu organisieren, kümmerte sich um die täglichen Angelegenheiten. Nach außen hin waren sie noch immer ein Paar. Mercury fragte Mary sogar, ob sie ihn heiraten wolle, und kaufte ihr einen Verlobungsring – einen wunderschönen ägyptischen Skarabäus. Nachdem er es vorgeschlagen hatte, erwähnte er es jedoch nie wieder. Insgeheim rang er mit seiner sexuellen Orientierung. „Es gab da etwas, das er verbarg, und ich glaube nicht, dass es ihm besonders gut dabei ging, sich selbst zu belügen“, sagte sie.

Die entscheidende Wende kam mit „Bohemian Rhapsody“. Brian May und andere ließen durchblicken, dass der Songtext verschlüsselte Hinweise auf Mercurys Privatleben lieferte. Doch der Erfolg des Songs stärkte sein Selbstvertrauen und seinen Glauben an sich selbst. Im Jahr 1976 gestand Freddie Mary, dass er bisexuell sei. Sie erwiderte, dass sie ihn für schwul hielt.

Mary zog aus dem gemeinsamen Zuhause in Kensington aus und in eine nahe gelegene Wohnung. Freddie bezahlte die Miete mit den Tantiemen aus seinen Veröffentlichungen. Nach ihrem Umzug bemerkte Mary, dass sie Freddies Wohnung von ihrem Badezimmerfenster aus sehen konnte. Die Art ihrer Beziehung veränderte sich, doch ihre Freundschaft blieb dieselbe. Mercurys Freunde kamen und gingen, doch – in den Worten eines Vertrauten von Queen – „Mary war das steinerne Fundament von Freddies Leben.“ Und seine Muse. Weithin wird angenommen, dass er die Ballade „Love of My Life“ für sie geschrieben hat, auch wenn Freddie, zurückhaltend wie stets, dies nie bestätigte.

1980 bat er Mary, ihm eine neue Bleibe zu besorgen. Sie fand Garden Lodge – ein wunderschönes georgianisches Stadthaus in Logan Place, Kensington. Später sorgte sie unter anderem dafür, dass Freddies Angestellte bezahlt wurden. Zu ihnen gehörte auch sein Freund, Jim Hutton, der nominell als sein Gärtner angestellt war. Beide, Ex-Partnerin und Liebhaber, kümmerten sich in seinen letzten Jahren um Mercury.

In allen Belangen bis auf den Namen Mercurys Frau zu sein, war jedoch eine Herausforderung. Nach seinem Tod erbte sie Garden Lodge, dazu einen gewaltigen Prozentsatz seines Einkommens aus Verkäufen und Tantiemen. Sie war inzwischen mit dem Maler Piers Cameron verheiratet, mit dem sie zwei Söhne hatte, Richard und James. Mercury, Richards Patenonkel, wollte, dass sein altes Haus zu einem Familienhaus wurde.

Marys Ehe mit Cameron ging 1993 auseinander. In der Zwischenzeit versuchte Mary, sowohl mit ihrer Trauer als auch mit den rechtlichen Konsequenzen und persönlichen Auswirkungen von Freddies Tod zurechtzukommen. Außer Jim hatten noch Peter Freestone (Mercurys persönlicher Assistent) und Joe Fanelli (sein Koch) bei Freddie in Garden Lodge gewohnt und sich um ihn gekümmert. Obwohl Mercury ihnen allen beträchtliche Geldmengen in seinem Testament vermacht hatte, verließen sie das großzügige Haus nur widerwillig.

Mary übernahm Garden Lodge, aber sie brauchte drei Jahre, bevor sie es über sich brachte, Freddies altes Schlafzimmer zu betreten. Sie führte ihr Leben weiter, aber es war nicht leicht. Ihre zweite Ehe mit dem Geschäftsmann Nicholas Holford wurde 2002 geschieden. Für die Öffentlichkeit und einige aus dem Queen-Lager blieb sie immer Freddies Witwe.

Über viele Jahre waren die Tore und Mauern, die Garden Lodge umgaben, mit Graffiti übersät – Liebesbotschaften und Beileids­bekundungen, die Fans aus aller Welt hinterlassen hatten. 2017 wurde alles dann gereinigt und neu gestrichen und Warnhinweise draußen angebracht, was bei vielen Fans für Entrüstung sorgte. „Einige sagten sogar zu mir, ich sei doch bloß die Haushälterin“, erzählte sie.

Mary Austins Leben mit Freddie Mercury wurde in dem Film Bohemian Rhapsody mit großer dramaturgischer Freiheit nachgestellt. Ihre Liebesgeschichte wurde zur zentralen Handlung der Geschichte: wie Mary Freddies sexuelle Neigung akzeptierte, ihn ermutigte und sich um ihn kümmerte. Die echte Mary hat sich bisher öffentlich noch nicht dazu geäußert. „Sie ist sehr zurückhaltend“, erklärte der Produzent des Films, Graham King, „und wir möchten das respektieren.“

„Wir haben eine reine Freundschaft, und zwar auf höchstem Niveau“, sagte Mercury einmal, als er nach der Liebe seines Lebens gefragt wurde. „Mary ist meine Lebensgefährtin. Für mich war es eine Ehe – und was ist eine Ehe überhaupt?“

B

Baker, Roy Thomas

Der fünfte Hahn

Queens Koproduzent Roy Thomas Baker war schon von Kindesbeinen an von Klängen fasziniert. Er erinnert sich noch, wie er mit fünf Jahren ins Badezimmer seiner Eltern stiefelte und feststellte, dass es mehr Echo gab, wenn er nackt war, als wenn er Kleidung trug. „Und das hat mich neugierig gemacht“, sagte er.

Der 1946 in Hampstead im nördlichen London geborene Baker wuchs mit Popmusik auf. Als er sich Platten von den amerikanischen Labels Tamla Motown und Stax anhörte, wollte er wissen, weshalb sie besser klangen als ihre britischen Gegenstücke.

Um das herauszufinden, nahm Baker mit vierzehn Jahren einen Job bei den Decca Studios an. Er ging bei Elton Johns künftigem Produzenten Gus Dudgeon in die Lehre und half – ein Vorgeschmack auf das Leben mit der Band Queen – bei der Tontechnik für die D’Oyly Carte Opera Company. 1970 arbeitete Baker dann als Angestellter in den Trident Studios in Soho. Von dort aus wurde er angeheuert, um beim neuen Abmischen von „All Right Now“, einer Single der Bluesrocker Free, zu assistieren. Für Island Records wurde es ein Hit, doch Bakers Name tauchte bei den Credits nicht auf, da er inoffiziell mitgearbeitet hatte. „Wir mussten ihn einschmuggeln“, erinnerte sich Bassist Andy Fraser. „Der arme Roy war ganz nervös …“

Nach dieser Erfahrung waren Nerven für Baker kaum noch ein Problem. Zum ersten Mal traf er im Winter 1971 auf Queen, als er die De Lane Lea Studios in Wembley besuchte: „Als ich mir gerade das Studio anschaute, war da diese unbekannte Band, die dort spielen durfte, während die Tontechniker dafür sorgten, dass alles funktionierte.“ Der erste Song, den Baker hörte, war „Keep Yourself Alive“.

„Das Studio vergaß ich völlig“, sagte er. „Ich war total beeindruckt.“

Baker hatte bereits zusammen mit John Anthony von Trident, der davor mit Smile gearbeitet hatte, und Robin Geoffrey Cable die Produktionsfirma Neptune gegründet. Alle drei wollten die neue Band unter Vertrag nehmen. In der Folge sollte Baker Queens erste vier Alben und im Jahr 1978 das Album Jazz koproduzieren.

Was Baker und die Band gleich zu Beginn verband, waren ihre gemeinsamen Zielsetzungen. „Queen hatten die ganzen musikalischen Ideen, die sie auf eine Platte packen wollten, und ich hatte Ideen für die Produktion“, erklärte er. „Aber sie waren auch stur, überspannt und aggressiv.“

Freddie Mercury verglich Queen einmal mit „vier Kampfhähnen“. Baker wurde zum fünften Hahn. Ganz anders als das Porträt eines unterdrückten Ja-Sagers durch den Schauspieler Tim Plester in Bohemian Rhapsody gab sich der echte Roy so unverblümt wie seine Kunden. Er und Queen stritten zwar miteinander, doch sie respektierten sich auch.

„Es gab diese unausgesprochene Übereinkunft mit Fred, dass ich, wann immer wir zusammenarbeiteten, nicht hinter der Aufnahmekonsole, sondern zwischen Konsole und Fenster saß“, erinnerte sich Baker. „Freddie konnte dann an meinem Gesichtsausdruck ablesen, ob ich eine Gesangsspur für gut genug hielt.“

Auf Queen II, einer LP, die Baker scherzhaft das „Kitchen-sink-Album“ („Ausguss-Album“) nannte, packten sie alles in den Mix, was ging: phasenverschobene Vocals, vorab aufgenommene und dann rückwärts abgespielte Gong-Klänge, vielfache Overdubs, „virtuose Kastagnetten“. In analogen Zeiten strebten Band und Produzent einen digitalen Klang an. „Roy war Perfektionist und seine technische Herangehensweise war fehlerlos“, sagte Brian May. Die wechselseitige Bewunderung hielt noch zwei weitere Alben an, Sheer Heart Attack und A Night at the Opera. „Doch dann ging Roys Ego mit ihm durch“, ließ ein Queen-Insider durchblicken.

Baker verschwand in die Vereinigten Staaten, um Platten mit anderen Künstlern zu produzieren. Es war eine zügellose Zeit. Er verpulverte das Budget der Plattenfirma, als er versuchte, aus Dusty Springfields Album It Begins Again einen Hit zu machen, und Ian Hunters LP Overnight Angels wurde von einer Vielzahl von Pannen und Katastrophen begleitet. (Die an dem Album Beteiligten brachten es untereinander auf vierzehn Autounfälle, und in ihrem Studio in Quebec brach ein Feuer aus. Baker musste nackt aus einem Fenster im oberen Stockwerk in eine Schneeverwehung springen und wurde später wegen seiner Erfrierungen behandelt.) In dieser Phase verfeinerte Baker jedoch seinen Sound. Es war nicht mehr nötig, alles einzusetzen, es galt nicht mehr das „Kitchen-sink“-Prinzip, bei dem einfach alles in den Ausguss kam, was in der Küche zusammengerührt worden war. Im Februar 1978 produzierte er das Debütalbum der aus Boston stammenden New-Wave-Band The Cars innerhalb von drei Wochen und ganz ohne „virtuose Kastagnetten“. Die LP und Hitsingles daraus erlangten Platinstatus.

Bald danach wurde Baker zum Mutterschiff (wie Queen sich nannten) zurückbeordert, um das Album Jazz zu produzieren. Er sah das Projekt als Erfolg an („Ich glaube, wir hatten alle eine Menge Spaß“), doch es war das letzte Mal, dass er und Queen zusammenarbeiteten.

Baker ging voll in den 1980ern auf. Es war die Ära großer Bands, großer Bilder und noch größerer Produktionen. Mit seinem zotteligen Aussehen, stets mit Ringen unter den Augen und der Hollywoodvilla in einer bewachten Wohnanlage wirkte und benahm sich Roy mehr wie ein Rockstar als manche seiner Auftraggeber. Mit unterschiedlichem Erfolg produzierte er Platten für Journey, Cheap Trick, Foreigner und Alice Cooper und wurde bei Elektra Senior Vice President der A&R-Abteilung.

Im Jahr 1982 fragten Mötley Crüe, eine aufstrebende Glam-Metal-Band, Baker, ob er ihre Debüt-LP neu abmischen könne. Sie wollten ihn, weil er mit Queen gearbeitet hatte. Mötley Crüe nannten ihn „RTB“, und sie klebten förmlich an seinen Lippen.

„Dadurch, dass ich ihm bei der Arbeit zusehen konnte, habe ich eine Menge gelernt“, erinnerte sich Produzent Tom Zutaut in den Memoiren der Crües, The Dirt. „Nachdem die Band den Tag im Studio verbracht hatte, lud Roy sie für gewöhnlich zu sich nach Hause ein, wo sie von seinem Plexiglas-Flügel Kokainlines zogen. Dabei erzählte er ihnen von der Zeit, als Freddie Mercury „Bohemian Rhapsody“ genau an diesem Flügel komponiert hatte, während er einen Blowjob bekam.“

Das stimmte natürlich nicht. Aber Baker verstand die Tragweite, die eine solche Legende hat. Er würde bis ins gegenwärtige Jahrhundert hinein von ihr profitieren können.

Im Jahr 2005 produzierte er das Album One Way Ticket to Hell … and Back für die britische Band The Darkness, deren geistreicher Pomp-Rock Queen viel zu verdanken hat. The Darkness wollten den Roy Thomas Baker der 70er, der Queen produziert hatte, und er enttäuschte sie nicht. Ihr Album enthielt maßgearbeitete Panflöten, tausend Spuren allein für einen Song, und Leadsänger Justin Hawkins sang in einen Champagnerkübel hinein. Freddie hätte das sicherlich gutgeheißen.

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Bali

John Deacons große Flucht

Im Jahr 1984 produzierten Queen das Album The Works. Die Arbeit daran gestaltete sich nicht sonderlich angenehm. Alle wetteiferten miteinander darum, ihre Songs auf die Platte zu bekommen. Freddie Mercurys lukrativer Solodeal lag den drei anderen Bandmitgliedern schwer im Magen. Ihr Verhältnis zueinander war in Gefahr.

Auch John Deacon spürte den Stress. Er gab später zu, während der Pause zwischen der Hot Space-Tournee und den Aufnahmen zu The Works „wirklich gelangweilt und deprimiert“ gewesen zu sein. Doch auch bei der Arbeit am Album verbesserte sich seine Gemütsverfassung nicht.

Queen reisten im Herbst 1983 – nach zwei Monaten, in denen sie in Los Angeles Aufnahmen zu The Works gemacht hatten – wieder nach München, arbeiteten in den Musicland Studios und gaben sich den vertrauten Ablenkungen der Stadt hin: Männer, Frauen, Alkohol, Drogen und dem Nachtclub Sugar Shack. Eines Morgens um fünf Uhr hörte Roadie Peter „Ratty“ Hince ein Klopfen an der Tür seines Hotelzimmers. Draußen stand sein Boss, Deacon. Er sagte, er brauche etwas Geld, da er einen Flug auf die indonesische Insel Bali gebucht habe. Die Maschine würde in wenigen Stunden abfliegen.

„Wann kommst du zurück?“, fragte Hince.

„Keine Ahnung“, erwiderte Deacon. „Ich ruf dich an. Ich brauch ’ne Pause. Ich hab das alles so satt. Sag du bitte dem Rest der Band Bescheid.“

In seinen Memoiren (Queen intim: Groupies, Gin und Glitter – auf Tour mit Queen) erinnerte sich „Ratty“, wie er Deacon das Geld holte (das im Musicland in einem Flightcase versteckt war), ihn zum Flughafen fuhr und zum Gate brachte. Im Studio überbrachte er den übrigen Bandmitgliedern die Nachricht. Mercury sprang sofort auf einen Tisch und stimmte „Bali Ha’i“ aus dem Musical South Pacific an: „Bali Ha’i may call you“, trällerte er und grinste breit, „any night, any day …“

„Es war okay für uns, da wir auch alle ziemlich am Rad drehten“, sagte Brian May. Er behauptete allerdings, Deacon habe auf seinem Bass die Notiz „Bin in Bali“ hinterlassen. Hince beharrt darauf, dass das nicht stimmt.

Niemand hat je preisgegeben, warum John Deacon eine Pause brauchte und weshalb er gerade Bali dafür gewählt hatte. „Es waren persönliche Gründe“, sagte Hince. Eine Woche später erhielt „Ratty“ jedoch einen Anruf von Deacon, der ihn bat, ihm im Münchner Hotel Hilton eine neue Suite zu buchen. Er war auf dem Rückweg.

Hince sammelte Deacon am Flughafen ein. Es wurde kein Wort mehr darüber verloren und Queen fuhren mit den Aufnahmesessions da fort, wo sie aufgehört hatten. Der einzig merkliche Unterschied war, dass John einen ziemlichen Sonnenbrand hatte und im ganzen Studio Hautschuppen verlor. Mercury prägte sogar einen neuen Spitznamen für ihn: Von jetzt an hieß Queens entflohener Bassist John „Snakeman“ Deacon.

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„Bicycle Race“ und „Fat Bottomed Girls“

Nackte Tatsachen

Im Juli 1978 gewann der französische Radrennfahrer Bernard Hinault, genannt „der Dachs“ und „der Boss“, die ehrwürdige Tour de France. Als Hinault das begehrte Gelbe Trikot überstreifte und dann 10 000 Francs Preisgeld einstrich, konnte er nicht wissen, dass er und die anderen Fahrer gerade einen von Queens größten Hits inspiriert hatten.

Queen hatten gerade mit der Arbeit an ihrem Album Jazz begonnen, abwechselnd in den Mountain Studios in Montreux und den Super Bear Studios in den Ausläufern der französischen Seealpen. Roger Taylor erinnerte sich, dass Freddie Mercury sich an einer Etappe der Tour de France unter das Publikum mischte und von dem Spektakel hingerissen war, vermutlich wegen der vorbeihuschenden strampelnden Schenkel und des allgegenwärtigen Lycra. „Er sah absolut begeistert zu, und ich glaube, es löste irgendetwas in seiner Vorstellung aus“, sagte Taylor.

Die Super Bear Studios befanden sich vier oder fünf Stunden von der Radrennstrecke entfernt, doch vielleicht waren Queen zu der Zeit, in der das Rennen stattfand, auch in Montreux. Dessen ungeachtet, wie oder wann Mercury von der Eingebung getroffen wurde, er schrieb „Bicycle Race“ zu Ehren der Tour de France.

Es ist ein seltsames Stück. Bisweilen lässt der Stopp/Start-Rhythmus weniger an ein Rennrad denken, das durch die französischen Alpen saust, als an ein Hochrad mit Reifenpanne, das eine Straße mit Kopfsteinpflaster hinunterholpert. Aber es passt hervorragend.

„Dann sagte uns Freddie, dass es in der Mitte des Songs ein Fahrradklingelsolo geben solle“, sagte Taylor.

„Und jeder Fahrradladen in der Gegend um Montreux wurde durchstöbert, um eine Sammlung von verschiedenen Klingeltönen zusammenzutragen“, wie sich Roadmanager Peter „Ratty“ Hince erinnert.

Im Oktober 1978 wurde „Bicycle Race“ mit „Fat Bottomed Girls“ als Doppel-A-Seiten-Single veröffentlicht. Jeder Popsong, der damit beginnt, dass das Wort „bicycle“ dreimal im Stil eines Barbershop-Quartetts gesungen wird, erregt zwangsläufig Aufmerksamkeit. Dann werden im Songtext zwei damals aktuelle Blockbuster-Filme erwähnt, Der weiße Hai und Krieg der Sterne, außerdem der Vietnamkrieg und Mercurys gerade bevorzugte Droge Kokain. Danach kommt das fünfzehn Sekunden lange Fahrradklingelsolo. Bis dahin hatte Mercury auch bereits die Ankunft der Mädchen mit den dicken Hintern, der „fat bottomed girls“, angekündigt, und die Zuhörer dazu eingeladen, die Platte umzudrehen und die andere Seite abzuspielen.

Brian Mays „Fat Bottomed Girls“ sagt insofern eine Menge über Queen und Sex aus, als es nicht wirklich sexy ist. Heute würde der Text vielleicht gerade mal ein scharfes Einsaugen der Luft bewirken. Der Protagonist des Songs ist offenbar von einer „naughty nanny“, einem unanständigen Kindermädchen, verdorben worden, die aus dem „skinny lad“, dem schmalen Knaben in ihrer Obhut, einen „bad boy“, einen bösen Jungen, gemacht hat. Der Songschreiber behauptet, dass es weniger der Sex als vielmehr die ergebenen Fans der Band waren, die den Song inspirierten. „Es geht um eine Gemeinschaft von Leuten“, erläuterte May. „Die Leute, die man beim Spielen im Blickfeld hat. Es ist ein Song über sie, und es müssen nicht die schönsten Mädchen oder die attraktivsten Männer sein, aber sie sind mit ihren Herzen dabei.“ Bald nach Veröffentlichung der Single brachten genau die Fans, auf die sich May bezog, Fahrradklingeln zu den Konzerten von Queen mit.

Auch der Songtitel selbst hat einen weiter reichenden Einfluss gehabt. Michael McKean, der in der Pseudo-„Rockumentation“ This Is Spinal Tap aus dem Jahr 1984 „Derek St. Hubbins“ spielte, bestätigte, dass Queens Song für die Single „Big Bottom“ der Parodierocker Spinal Tap Pate stand.

„Get on your bikes and ride!“, fleht Mercury ungefähr bei Minute 3:25 von „Fat Bottomed Girls“. Alles spielte sich irgendwie auf einer Art Metaebene ab: zwei Songs auf einander gegenüberliegenden Seiten einer Single, die sich gegenseitig namentlich erwähnen. Alles an diesen beiden Songs, von ihren provokanten Titeln bis hin zu den wechselseitigen Bezügen in ihren Songtexten, strotzte vor Selbstvertrauen. Queen klingen hier gänzlich überzeugt von sich selbst.

Auch das Promo-Video zu „Bicycle Race“ ist vom selben Selbstbewusstsein, das in Richtung Arroganz umschlägt, durchdrungen. Es zeigt abwechselnd Queen beim Auftritt und Filmsequenzen mit nackten weiblichen Models, die im Wimbledon Greyhound Stadium auf der Rennstrecke in die Pedale treten. Unbestätigtem Klatsch aus dem Hause EMI zufolge mussten Queen dem Fahrradverleih neue Sättel bezahlen, da diese, nachdem der Besitzer herausgefunden hatte, dass die Fahrerinnen nackt gewesen waren, ersetzt werden sollten.

Im Jahr 1978 erachtete man das Video als viel zu gewagt, um es auszustrahlen, dennoch erreichte die Single Platz elf der UK-Charts. Heute kommt einem das alles recht zahm vor, eher wie bei Das total verrückte Campingparadies, in dem nicht einmal flüchtig Brustwarzen oder Schambehaarung zu sehen sind, als bei Emmanuelle – Die Schule der Lust. „Sex ist in unserer Musik entweder unausgesprochen enthalten oder es wird scherzhaft Bezug darauf genommen“, sagte Brian May. „Aber er ist immer da.“

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„Big Spender“

Queen am Broadway

Queen wurden nicht zuletzt dank „Big Spender“ zum ersten Mal unter Vertrag genommen. Freddie Mercury schwärmte für den Hit der walisischen Gesangsdiva Shirley Bassey aus dem Jahr 1967, und Queen hatten den Song von Anfang an gespielt. Am 24. März 1972 spielten sie auf einer Tanzveranstaltung in einer Schwesternschule in Forest Hill in Südlondon. Im Publikum befand sich der Produzent John Anthony von Trident, der Barry Sheffield begleitete, einen der Miteigentümer des Studios.

Sheffield und sein Bruder Norman waren damals unentschlossen, ob sie mit Queen arbeiten wollten. Doch als Brian May mit dem Riff von „Big Spender“ loslegte, wandte sich Sheffield an seinen Produzenten, lachte und sagte: „Okay, das ist es. Wir nehmen sie unter Vertrag.“

„Big Spender“ war für Sweet Charity komponiert worden, Cy Colemans und Dorothy Fields’ Broadway-Musical über eine New Yorker Tänzerin und ihre Missgeschicke in Liebesdingen (wobei die Figur in der Originalgeschichte eine Prostituierte war). Nach der Filmversion aus dem Jahr 1969, in der Shirley MacLaine die Hauptrolle spielte, wurde der Song zu einer universellen Striptease-Hymne.

Queens Version war wuchtiger als jene von Bassey oder die aus dem Film – man stelle sich Black Sabbath vor, die in einem Club spielen, in dem an der Stange getanzt wird –, doch zu einer Zeit, als Prog-Rock angesagt war, war sie eine Abweichung von der Norm. „Ich höre mir alle möglichen Musikrichtungen an, von Hendrix über Liza Minnelli bis hin zu Mae West“, erklärte Mercury. „Big Spender“ versinnbildlichte Queens Fähigkeit, sich über sich selbst lustig zu machen und Erwartungshaltungen zu trotzen. Bei ihrer letzten UK-Tournee mit Freddie Mercury 1986 spielten sie noch immer einen Teil des Stücks. „Es hat Spaß gemacht“, sagte Roger Taylor, „und es war lustig, die Gesichter im Publikum zu sehen, wenn wir den Song anspielten.“

Shirley Bassey hat sich nie zu Queens Version geäußert, doch sie nahm später zwei Queen-Songs auf. In den Jahren 1995 und 1996 verwandelte Bassey „Who Wants to Live Forever“ und „The Show Must Go On“ in Show-Tunes im Broadway-Stil – womit sich der Kreis schloss.

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Birmingham Town Hall

Queen-Gigs, die schiefgingen, Teil 1

Die Birmingham Town Hall am Victoria Square der Stadt wurde in den 1830er-Jahren erbaut. Die Architekten ließen sich für die Stadthalle vom Castortempel des antiken Rom inspirieren. Passenderweise hatte Queens erster Auftritt dort etwas von einem Gladiatorenkampf.

Es war der 27. November 1973, und Queen spielten als Vorgruppe von Mott the Hoople, deren Publikum niemand anderen hören wollte als Mott the Hoople. Der Gig begann unschön. Freddie Mercurys „Hallo, Birmingham!“ wurde von dem Ruf „Verpiss dich, du Arschloch!“ beantwortet.

„Charmant“, sagte Mercury und verzog das Gesicht.

Nach dem Augenzeugenbericht eines Zuschauers war dieses Verhalten in der Town Hall üblich. Eine Woche zuvor hatte der Sänger-Songwriter Leo Sayer als Support Act von Roxy Music die Bühne wie Pierrot der Clown gekleidet betreten, was einen missbilligenden Roxy-Fan dazu veranlasste, seine Blase von der Galerie hinunter in Leos Richtung zu entleeren.

Mit dem fünften Song ihres Sets, der Single „Keep Yourself Alive“, konnten Queen dennoch einige Zweifler für sich gewinnen. Dann rutschte Mercury aus und landete auf seinem Hinterteil. Er sang weiter, obwohl er hörbar kurzatmig war, und tat so, als ob das alles zu der Show gehörte. Leider richteten sich die Zweifler daraufhin erneut gegen ihn. Beim letzten Song, „Jailhouse Rock“, flog ein halb gegessener Hotdog aus der Menge, traf Freddie genau im Gesicht und hinterließ deutliche Spuren von Würstchen und Tomatenketchup.

Unverdrossen wagten sich Queen noch einmal in die Höhle des Löwen und spielten auch im Folgejahr in der Town Hall. Nun waren sie selbst der Hauptact, und der Gig verlief ohne Zwischenrufe, fliegendes Essen oder öffentliches Urinieren.

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Bogie, Douglas

Queens Bassist Nr. 2,5

Im Frühjahr 1980 war der schottische Gitarrist Douglas Bogie in den Londoner AIR Studios, wo er mit seiner neuen Band RAF ein Album aufnahm. Plötzlich und unerwartet erspähte er Brian May auf dem Flur. Bogie war peinlich berührt, blieb aber entspannt, als May ihn entdeckte und eine Unterhaltung begann. Der Grund für Douglas’ Unbehagen war, dass er einst Queens Bassist gewesen, jedoch nach nur zwei Gigs wieder gefeuert worden war.

Die übrigen Bandmitglieder von RAF staunten nicht schlecht, als ihr Gitarrist sie seinem alten Bandkollegen vorstellte. „Es war mir peinlich, dass Queen mir den Laufpass gegeben hatten“, sagte Bogie. „Daher habe ich nie davon gesprochen. Ich fürchtete, die Leute könnten es für ein blödsinniges Ammenmärchen halten.“

Im Februar 1971 machte der achtzehnjährige Douglas Bogie gerade eine Ausbildung zum Fernmeldetechniker, als er auf eine Anzeige im Melody Maker antwortete, die lautete: „Fantastische neue Band sucht Bassisten.“ Queen hatten Probleme damit, an ihren Bassisten festzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits zwei gehabt: Mike Grose und Barry Mitchell.

Bogie spielte Queen am Imperial College vor und gab am 19. Februar seinen Einstand, als sie als Vorgruppe der Sechzigerjahre-Rockband Pretty Things in der Hornsey Town Hall auftraten. Das Publikum bestand anscheinend aus nicht einmal zehn Leuten. Am nächsten Abend spielten sie als Vorband der Prog-Rock-Größen Yes am Kingston Polytechnic College vor deutlich mehr Gästen.

Bogie fand, dass beide Auftritte gut gelaufen waren, und bekundete später, seinem Vergnügen dadurch Ausdruck gegeben zu haben, dass er auf der Bühne „herumsprang“. Doch als sie nach dem Gig in Kingston im Van saßen, erklärte Freddie Mercury Queen für Zeitverschwendung und behauptete, die ganze Welt sei gegen ihn und er wolle in keiner Band mehr spielen. Am Ende der Fahrt war Bogie davon überzeugt, dass sich Queen gerade getrennt hatten.

Heute glaubt er, dass das alles eine clevere List war, um ihn sanft aus der Band zu befördern. Seine lebendige Performance hatte die anderen gestört. In einem Interview wurden Queen 1991 nach einem mysteriösen Ex-Bassisten gefragt, an den man sich bloß als „Doug“ erinnerte. Alles, was Brian May dazu einfiel, war, dass „er auf eine Art und Weise auf und ab hopste, die nicht stimmig war.“

„Ich wünschte, sie hätten mir damals etwas gesagt“, erklärte Bogie nicht ganz ohne Grund. „Niemand sagte mir, dass sie das nicht mochten.“ Fünf Monate nach seinem Fortgang ersetzten Queen ihn durch John Deacon.

Der Name von Bogies neuer Band RAF im Jahr 1980 stand für „Rich And Famous“ – reich und berühmt. Die Ironie entging ihm nicht, und er bemerkte später: „Als RAF machten wir zwei Alben, die so unglaublich erfolgreich waren, dass wir nie darum gebeten wurden, ein drittes zu produzieren …“

Douglas Bogie besitzt heute eine Fernsehproduktionsfirma und spricht gern über seine kurze Zeit in einer der größten Rockbands der Welt.

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„Bohemian Rhapsody“

Queens größter Hit in sechs Akten

I. AKT

„Is this the real life …“

Die ersten vierzehn Sekunden von „Bohemian Rhapsody“ sind a cappella gesungen. Intro und Outro wurden in den Rockfield Studios in Monmouthshire aufgenommen, wobei mit den Einschränkungen der Technik, wie sie im Jahr 1975 zur Verfügung stand, jongliert werden musste, um Platz für Piano, Leadgesang, Backgroundgesang und noch mehr Backgroundgesang zu finden.

Das Intro erinnert an die Beach Boys in ihrer richtungsweisenden „God Only Knows“-Phase. Der Kopf der Beach Boys, Brian Wilson, sagte später, dass Queens Song ihn in Schrecken versetzt habe. „Da gibt es eine Band namens Queen“, erzählte er 1976 dem amerikanischen Musikmagazin Creem begeistert. „Sie haben eine Platte gemacht, ‚Bohemian Rhapsody‘, und die war für mich die Verwirklichung des Wunschtraums eines Teenagers von künstlerischer Musik.“

An dieser Stelle wurde Wilson sehr lebhaft. „Ich analysierte die Platte eingehend“, fuhr er fort. „Sie wurde mir sehr vertraut, und ich war gleichzeitig total von ihr angetan und erschreckt. Oh, so etwas Hervorstechendes hat es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegeben! Es ist einfach total verblüffend, was Leute so vollbringen, wenn sie durchdrehen, ins Studio gehen und die Sau rauslassen. Genau das haben Queen getan. Sie hatten genug von dem, was es so gab, und, mein Gott, sie gingen rein und machten einfach ihr Ding!“

Irgendwann hörte Wilson auf, über „Bohemian Rhapsody“ zu reden, und der Interviewer wechselte das Thema.

II. AKT

„Mama, just killed a man …“

In der ersten Strophe wird die Story ordnungsgemäß vorgestellt: das Geständnis eines Mords, gefolgt von Reue. Ein literarisches Stilmittel der griechischen Tragödie, wie es auch Shakespeare und Dickens verwendet haben und wie es noch heute verwendet wird. Das Klavierintro sollte Mercury allerdings noch durch seine ganze Karriere bei Queen hindurch Schwierigkeiten bereiten.

„Freddie hatte nie behauptet, ein großer Pianist zu sein“, schrieb sein ehemaliger persönlicher Assistent Peter Freestone. „Tatsächlich graute ihm bei den Auftritten absolut vor ‚Bohemian Rhapsody‘, weil er fürchtete, sich bei dem Lauf zu verspielen.“

Bei Worten war er da selbstbewusster. „Das Erste, was Freddie uns vorspielte, war ‚Mama, just killed a man‘“, sagte Roger Taylor. „Ich dachte, ‚Wow, das ist wirklich ein fantastischer Vers.‘ Der Songtext ist ein typisches Libretto. Der Protagonist soll wegen Mordes hingerichtet werden und bereut seine Tat. Doch am Ende betrachtet er die Sache aus philosophischer Sicht, glaube ich.“

Keiner von Queen ist sich dessen sicher, aber einer Person zufolge ist diese einleitende Zeile älter als die Band. Im Jahr 1969 verbrachten Mercury und sein Freund Chris Smith (der ehemalige Keyboarder von Smile und Kommilitone an der Kunstschule) ihre Mittagspausen damit, im Musikzimmer der Akademie Songs zu schreiben.

„Fred hatte da etwas, das wir den ‚Cowboy Song‘ nannten“, sagte Smith. „Die einführende Zeile lautete: ‚Mama, just killed a man.‘ Das war alles, was er hatte. Als ich Jahre später ‚Bohemian Rhapsody‘ hörte, dachte ich: ‚Oh, Fred hat den Song fertiggeschrieben.‘“

„‚Bohemian Rhapsody‘ bestand eigentlich aus drei Songs, die ich einfach zusammengefügt habe,“ sagte Mercury. „Ich hatte schon immer etwas Opernartiges machen wollen. Ich wollte einfach, dass es Oper im Rock-’n’-Roll-Sinne ist. Warum nicht? Ich ging so weit, wie es mir meine begrenzten Möglichkeiten gestatteten.“

Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass in den Songs von Queen eine Matriarchin vorkam. So zum Beispiel in Brian Mays „Tie Your Mother Down“ sowie in „My Fairy King“, wo Freddie „Mother Mercury, Mercury look what they’ve done to me“ sang.

„Oh, Mutter ist heute Abend im Publikum“, sagte Mercury für gewöhnlich zu seinen Bandkollegen, wann immer Jer Bulsara ein Queen-Konzert besuchte. „Ich muss ein paar Kraftausdrücke einwerfen.“

„Freddies Mutter war immer wunderbar zu ihm, doch er hatte Angst vor ihr“, sagte Taylor.

John Deacon fand Bohemian Rhapsody als Titel zu wortgewaltig und schlug vor, dass sie den Song besser „Mama“ nennen sollten und fertig.

III. AKT

„Scaramouche! Scaramouche! …“

Roy Thomas Baker erinnert sich noch daran, wie Mercury ihm eine frühe Version des Songs auf dem Klavier vorspielte. „Dann sagte er: ‚Und hier kommt dann der Opernpart hin.‘ Ich fing an zu lachen.“

Der Opernteil wurde in den Londoner Scorpio Sound Studios ausgearbeitet. Er wuchs und wuchs und bedurfte so vieler Vocal-Overdubs (genauer gesagt 180, auch wenn dazu unterschiedliche Ansichten kursieren), dass Queen es fast schafften, das Tonband auszuleiern. Auch wenn diese Geschichte denselben Anklang von urbaner Mythologie erlangt hat wie die kokain-tragenden Zwerge, so ist sie doch wahr.

Der Songtext enthält italienische, iberische, islamische und hebräische Elemente mit einer Bildersprache, die auch in späteren Songs wieder auftaucht. „Scaramouche“ kommt vom italienischen „scaramuccia“, was so viel wie „kleines Schlitzohr“ bedeutet. Er ist ein Clown, der fester Bestandteil der Commedia dell’arte ist – eine frühe italienische Theaterform, in der Pantomime und maskierte Charaktere zum Einsatz kamen.

Queen hatte etwas für Clowns übrig. „It’s a Hard Life“ gräbt eine Melodie aus Ruggero Leoncavallos Oper Der Bajazzo aus dem neunzehnten Jahrhundert wieder aus, in der es um einen Clown mit gebrochenem Herzen geht. Ein Clown/Hofnarr taucht auch auf dem Cover von Innuendo auf. Das Bild ist eine Bearbeitung der Zeichnung Les Mystères de l’infini des französischen Karikaturisten Grandville aus dessen Buch Un Autre Monde. Die englische Übersetzung des Buchtitels lautet „Another World“ – der spätere Titel von Brian Mays Soloalbum aus dem Jahr 1998. Überall Clowns …

„Will you do the fandango?“, fragt Mercury seinen Scaramouche und vermengt die Commedia dell’arte mit einer traditionellen Tanzform aus Spanien und Portugal, die mit Gitarren, Kastagnetten und Klatschen aufgeführt wird. (Queen packte auch in die Mitte des Titelsongs von Innuendo einen Fandango, gespielt von Steve Howe, dem Gitarristen von Yes, wobei Queen vermutlich die Kastagnetten spielten und klatschten.)

Mercury bringt mit der Zeile „Galileo, Figaro!“ eine weitere Bemühung um europäische Einheit auf die Bühne – wobei mit „Galileo“ Galileo Galilei, der italienische Mathematiker und Astronom aus dem sechzehnten Jahrhundert, gemeint ist, der wegen seiner wissenschaftlichen Entdeckungen mit der katholischen Kirche in Konflikt geriet, und mit „Figaro“ der spanische Barbier aus der Oper Der Barbier von Sevilla und der Kammerdiener „Figaro“ aus Die Hochzeit des Figaro. Dann folgt „Magnifico” – die italienische Bezeichnung für einen venezianischen Edelmann.

Das Wort „Bismillah!“ gibt dem Song noch einen anderen Impuls. „Bismillah“ oder „Basmala“ ist arabisch und heißt „im Namen Allahs“. Es ist ein im muslimischen Alltag häufig verwendetes Wort – in Gebeten und vor dem Zubereiten eines Essens, das halal sein soll – und wird bis auf die neunte in jeder Koransure rezitiert.

Mercury, von Geburt her Zoroastrier und seinem Wesen nach areligiös, hatte das Wort vermutlich irgendwann als Kind gehört. Sansibar hatte einen muslimischen Bevölkerungsanteil, der bis ins zehnte Jahrhundert zurückreichte. Mercury griff die islamische Kultur mit Queens Song „Mustapha“ aus dem Jahr 1978 wieder auf, in dem er englische, arabische und vorgeblich persische Worte miteinander verquickt. Bei Konzerten stellte Mercury der Zeile „Mama, just killed a man“ manchmal eine Zeile des Songtextes von „Mustapha“ voran: „Allah, we’ll pray for you.“

Der Schluss des Opernteils – „Beelzebub has a devil put aside for me“ – greift auf einen alternativen Ausdruck für Satan zurück, der zuerst in der hebräischen Bibel verwendet wurde. Auch wenn Queen einmal eine Hardrockband waren, überließen sie das Okkulte normalerweise eher Bands wie Led Zeppelin, Black Sabbath und den Rolling Stones. Letzten Endes schien Mercury größeres Interesse an Jesus zu haben, daher auch der Song gleichen Namens auf dem Album Queen.

„Können Sie mir erklären, worum es bei dem Teil mit ‚Mama mia‘/‚Galileo‘/‚Scaramouche‘ geht?“, wurde Brian May im Jahr 2010 in einem Radiointerview gefragt.

„Natürlich nicht“, lachte er. „Weil ich es nicht geschrieben habe.“

„Was bedeutet es, Brian?“, fragte man ihn 2012 abermals.

„Ich habe da so meine eigene Vorstellung“, erwiderte er. „Aber ich spreche nicht darüber. Wir haben niemals darüber diskutiert, was unsere Songs bedeuten. Es war ein ungeschriebenes Gesetz bei Queen, dass es da Dinge in den Songtexten gab, die persönlich waren. Aber man fragte denjenigen, der es geschrieben hatte, nicht danach, was er bedeutet.“

„Was hat es damit auf sich, Brian?“, bohrte das Musikmagazin Mojo im Jahr 2020 nach.

„Ich glaube, da ist viel Autobiografisches drin, so, wie Freddie es geschrieben hat“, gestand May ein. „Freddie war zu dieser Zeit beim Ausdrücken seiner inneren Gefühle viel mutiger geworden.“ Das legt nahe, dass die Geschichte eine Metapher dafür war, dass sich Mercury als Gay outete, insbesondere seiner Partnerin Mary Austin gegenüber, wie er es bald nach Erscheinen des Songs im Winter 1975 auch tat.

„‚Bohemian Rhapsody‘ ist einigermaßen selbsterklärend, mit ein wenig Unfug im mittleren Teil“, gibt Roger Taylor spitzbübisch zu verstehen.

IV. AKT

„So you think you can stop me …“

Das schnelle Finale legt möglicherweise nahe, dass „Mercury“ seine Ankläger herausfordert und sich aus seinem physischen oder metaphorischen Gefängnis herauskämpft. Genau wie das Ende von Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ klingt es sehr groß und bedeutungsschwer, auch wenn es das vielleicht gar nicht ist. Der Song endet mit der Zeile: „Any way the wind blows …“ – wohin auch immer der Wind weht, als hätte Freddie Frieden und Erlösung gefunden.

Der letzte vernehmbare Sound des Songs ist jedoch Roger Taylors Gong. Queen transportierten dieses klobige Instrument um die ganze Welt, nur damit es einmal am Abend bei „Bohemian Rhapsody“ erklingen durfte.

„Für einen einzigen kurzen Augenblick in nur einem Song war das eine sehr große Instrumentenkiste“, fand Taylor. Heutzutage haben Queen kein Problem mehr mit dem Gong. Er ist neben dem Standbild von Freddie Mercury zu einer Verzierung von Taylors Garten geworden, auf dem sich Moos ansammelt.

V. AKT

„… wie von einem Lkw überrollt zu werden …“

Queens früher Mentor Ian Hunter von Mott the Hoople erinnert sich daran, wie er „Bohemian Rhapsody“ zum ersten Mal im Studio hörte. „Ich wurde nicht schlau aus dem Ganzen“, gab er zu. „Es war so, wie von einem Lkw überrollt zu werden. Als der Song zu Ende war, fragte Fred: ‚Wie findest du es?‘ Ich hatte keinen blassen Schimmer. Er fragte: „Hast du auf die dritte Harmonie in der zweiten Stimme geachtet? Da gibt es eine ganz leichte Variation.‘ Ich sah ihn einfach nur entgeistert an und erwiderte: „Ich muss das erst mal sacken lassen.“

Hunter ging es nicht allein so. Queens damaliger Manager John Reid spielte seinem Kunden und Liebhaber Elton John eine Vorabpressung vor. „Ich schüttelte ungläubig den Kopf“, schrieb Elton 2019 in seinen Memoiren Ich: Elton John. „Du willst das doch nicht wirklich veröffentlichen, oder? Das ist der theatralischste Song, den ich je gehört habe, und der Titel ist genauso albern.“

Selbst John Deacon war sich nicht sicher. „Ich weiß noch, wie John sagte: ‚Ich bin davon überzeugt, dass der Song ein Hit werden könnte, aber dazu müsste er vereinfacht werden‘“, erinnerte sich May. „John meinte: ‚Kürzen wir ihn ein, dann kann man ihn auch gut im Radio spielen.‘“

EMI, Queens Zahlmeister, stimmten Deacon zu. Sie wollten „Bohemian Rhapsody“ nicht als Single herausbringen. Es war Mercurys Freund Kenny Everett, DJ bei Capital Radio, der dabei half, EMI zu überzeugen. Everett spielte wiederholt eine Testpressung des Songs über ein ganzes Wochenende im Radio.

Samstagmorgen am besagtem Wochenende lag Brian May in seiner Wohnung im Bett, nachdem er die ganze Nacht auf gewesen war, um A Night at the Opera abzumischen. Er döste gerade unruhig, als er aus dem Radio seines Nachbarn über ihm die unfertige „Bohemian Rhapsody“ hörte und sich fragte, ob er schlecht geträumt habe.

„Bohemian Rhapsody“ wurde am 31. Oktober 1975 als Single herausgegeben. Der Song, der zuerst auf Platz siebenundvierzig in den UK-Charts verzeichnet wurde, war zehn Tage später bereits in die Top 20 geklettert und dann in die Top 10. Queen engagierten Regisseur Bruce Gowers für das Promo-Video. Sie wussten bereits, dass sie den kompletten Song live nicht würden spielen können. Der Opernteil musste vom Band kommen, „um uns Gelegenheit zu geben, backstage unsere Kutten zu wechseln“, wie May sich ausdrückte.

Gowers’ Film wurde in nur vier Stunden in den Elstree Studios gedreht. Wie der Song selbst waren auch Queens singende Köpfe und die Spezialeffekte im Doctor Who-Stil eine Garantie dafür, dass es Reaktionen geben würde. Am 21. November sahen Queen das fertige Video auf einem TV-Gerät im Hotel in Taunton zum ersten Mal. „Wir fanden es großartig“, sagte Taylor. Vier Tage später waren Queen gerade in Southampton, als sie erfuhren, dass der Song an die Spitze der Charts geklettert war. Taylors Mutter Winifred war am Abend davor bei Queens Konzert im Gaumont Theatre gewesen. Roger kam im Hotel zum Frühstück runter und sagte: „Alright, Mum, wir sind die Nummer eins.“

VI. AKT

„Auf einen Picasso zu pinkeln …“

Im Jahr 1991 erhielt Brian May einen Anruf von Saturday Night Live-Comedian und -autor Mike Myers. Er wollte „Bohemian Rhapsody“ in seinem neuen Film verwenden. Wayne’s World war eine Filmkomödie über ein paar einfach gestrickte kleinstädtische Rockfans aus Illinois. Myers hatte eine Szene geschrieben, in der seine Figur Wayne und ein paar gleichgesinnte Freunde sich „Bohemian Rhapsody“ anhören, während sie in ihrem sogenannten „Mirthmobil“ herumfahren.

Obwohl die Regisseurin und der Produzent von Wayne’s World andere Vorstellungen hatten (sie wollten einen Song von Guns N’ Roses, der zu jener Zeit größten Band der Welt), setzte sich Myers durch. Er drohte damit, aus der Produktion auszusteigen, sollten sie ihn nicht den Song von Queen verwenden lassen.

Myers benötigte dazu allerdings Freddie Mercurys Zustimmung. Also besuchte May ihn im Herbst 1991 mit einem Video des Films. Mercury war zu dem Zeitpunkt bereits sehr krank, aber die beiden sahen sich die Szene gemeinsam an.

„Ich denke, ich werde mal ein bisschen ‚Bohemian Rhapsody‘ anmachen, meine Herren“, sagt Myers’ „Wayne“ und steckt eine Kassette in das Laufwerk des Autoradios.

„I see a little silhouetto of a man“, dröhnt er beim Mitsingen.

„Scaramouche! Scaramouche!“, antworten seine Fahrgäste, bevor sie einander im Wechsel ihre „Galileos“ entgegenschmettern. Das große Finale des Songs wird von synchronem Headbanging, Luftschlagzeug- und Luftgitarre-Spielen begleitet. Myers offenbarte später, dass er und seine Freunde als Teenager immer genau das taten, während sie im „mit Flecken von Erbrochenem übersäten Camaro“ seines Bruders „Bohemian Rhapsody“ hörten.

Mercury und May waren begeistert von der Szene. Sie waren auch davon überzeugt, dass es werbewirksam sein würde. Nach Hot Space im Jahr 1982 waren Queen in den USA nicht mehr erfolgreich gewesen. „Und ich weiß noch, wie Freddie sagte: ‚Dieser Film könnte uns bringen, wozu nichts sonst imstande ist‘“, erinnerte sich May. Noch immer hat er Mercurys Abschiedsworte im Ohr: „,Vermutlich muss ich erst verfickt noch mal sterben, bevor wir in Amerika je erfolgreich sein werden‘, scherzte Freddie.“

Mercury starb am 24. November 1991. Wayne’s World erschien am 14. Februar 1992. „Bohemian Rhapsody“ wurde im gleichen Monat neu aufgelegt und ein neues Video dazu herausgebracht, in dem Bruce Gowers’ ursprünglicher Clip und die Headbang-Szene aus Wayne’s World zusammengefügt wurden. Mike Myers war entsetzt und verglich die Zusammenstellung des Videos damit, „auf einen Picasso zu pinkeln.“

Queen waren da anderer Ansicht. Wayne’s World brachte sie in Amerika wieder in Erinnerung. „Bohemian Rhapsody“ kletterte auf Platz zwei der amerikanischen Charts und damit fünf Plätze weiter als 1975. Freddie Mercurys Prognose hatte sich bewahrheitet. Im Jahr 2018 fragten die Produzenten des Films Bohemian Rhapsody Mike Myers, ob er einen Gastauftritt machen wolle. Man musste ihn nicht zweimal bitten.

Myers spielte „Ray Foster“, ein Kompositum aus allen EMI-Managern, die Queen je gesagt hatten, dass „Bohemian Rhapsody“ niemals als Single ausgekoppelt werden könne. Myers nahm für die Rolle einen mürrischen Nordstaaten-Akzent an. „Das nimmt ja kein Ende, sechs verdammte Minuten lang“, mault er, nachdem er sich den Song angehört hat. „Um was zum Teufel geht es darin überhaupt? Um ein verdammtes Bismillah?“

„Wahre Poesie für den Zuhörer“, erwidert Rami Malek als „Freddie“.

Foster schlägt weitere Songs vor, die sich für Queens nächste ­Single eignen könnten. „Was ist mit ‚I’m in Love with My Car‘?“

Die Bandmitglieder stöhnen alle – bis auf den von Ben Hardy gespielten „Roger Taylor“.

„‚I’m in Love with My Car‘ – bei solchen Songs können die Teenager den Lautstärkeregler voll aufdrehen und headbangen!,“ schwärmt Foster. „‚Bohemian Rhapsody‘ wird nie ein solcher Song sein.“

* * *

Bohemian Rhapsody

Sechsunddreißig Anmerkungen zu Queens großem Kinoerfolg

In der Anfangsszene des Films sieht man, wie „Freddie“ in der Interpretation von Rami Malek am Morgen des Live-Aid-Konzerts erwacht. An der Wand hängt ein Porträt der Schauspielerin Marlene Dietrich, das für ihren Film Shanghai-Express aus dem Jahr1932 aufgenommen worden war. Dies war das Bild, dessen Stil der wirkliche Freddie den Fotografen Mick Rock für das Cover von Queen II nachzubilden bat.Im Film gibt es in Mercurys Haus fünf Katzen. Im echten Leben besaß er zwischen 1970 und 1991 zehn: Dorothy, Tiffany, Tom, Jerry, Lily, Goliath, Miko, Oscar, Romeo und Delilah (Letzterer ist ein Song auf Queens Album Innuendo gewidmet).Anders als im Film trug Freddie niemals eine Flasche Stolichnaya-Wodka oder eine Packung Zigaretten der Marke Consulate in seinem Mikrofonkoffer mit sich herum. Außerdem rauchte er im echten Leben Silk Cut. „Selbstverständlich kaufte er sich nie seine eigenen“, erinnerte sich der ehemalige Roadie Peter Hince. Genau wie John Deacon begann auch Freddie erst Anfang der Achtziger mit dem Rauchen.Als Freddie auf dem Live Aid auf die Bühne geht, wird gezeigt, wie eine andere Band, die U2 darstellen soll, diese gerade verlässt. Die Band, die tatsächlich vor Queen auf Live Aid spielte, waren die Dire Straits.Freddie schreibt den Songtext zu „Liar“, während er an einer Bushaltestelle wartet. Es war eine seiner ersten Kompositionen aus der Zeit vor Queen, die zunächst als „Lover“ bekannt war. (Seine Mutter, Jer Bulsara, erinnerte sich daran, wie sie zu Hause unter sein Kissen gestopfte Textfragmente fand. „Wirf das nicht fort, Mum“, bat er sie. „Es ist sehr wichtig.“)Freddie besucht im Jahr 1970 einen Gig von Smile und bestellt sich ein Pint Lagerbier. Der wirkliche Freddie trank hingegen nur selten Bier und ermahnte sogar andere, „auf ihre Linie zu achten“. Nach der Show stellt Freddie sich Smile vor. Ihr Leadsänger, Tim Staffell, war gerade aus der Band ausgetreten, und Freddie bietet sich als Sänger an. In Wirklichkeit kannte er die Band zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits seit fast zwei Jahren.„Nicht mit diesen Zähnen, Kumpel“, bekommt er von „Roger“, gespielt von Ben Hardy, zu hören. „Ich wurde mit vier zusätzlichen Schneidezähnen geboren“, entgegnet Freddie blasiert. Der wirkliche Tim Staffell war, nachdem er sich den Film angesehen hatte, ob Maleks Darbietung fassungslos. „Er hat einige von Freddies Eigenarten“, sagte er. „Zum Beispiel, dass er sich die Lippe über die Zähne zieht, wie ein nervöser Tick.“ Schauspieler Gwilym Lee gibt Brian Mays Stimme und seine nachdenkliche Art gut wieder, besonders das typische Schrägstellen des Kopfes. „Er hat die Körpersprache richtig drauf“, stimmte das Original zu. „Er hat meine Kids getäuscht. Sie haben ernsthaft geglaubt, dass ich meine Stimme über seine synchronisiert hätte.“„Roger“ wurde nicht ganz so detailgetreu dargestellt. „Ben hat seine Sache wunderbar gemacht“, befand der echte Roger, „aber ein paar der Klamotten hätte ich so nie getragen. Meinen Haarschnitt haben sie auch nicht richtig hinbekommen.“ (Im Jahr 1982 ließ Freddie Denni Godber, seinen und Rogers Coiffeur, aus Londons modischem Sweeny’s Salon für einen Haarschnitt nach Deutschland einfliegen.)Lucy Boynton mimt „Mary Austin“ mit Nuancen von Paul McCartneys Ex, der ehemaligen Schauspielerin und späteren Backwaren-Unternehmerin Jane Asher. Als Freddie sie in ihrem Modeladen Biba antrifft, ermutigt sie ihn, sich zu schminken und Frauenhosen anzuprobieren. „Ich mag deinen Stil“, sagt sie zu ihm. „Wir sollten alle mehr Risiken eingehen.“ Tatsächlich war Mary, als sie den Sänger zum ersten Mal traf, Brians Freundin.