Magnus Garbe - Gerhart Hauptmann - E-Book

Magnus Garbe E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Eine schockierende wie fesselnde Tragödie über Hexenverfolgung und Inquisition von Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann. Im Zeitalter der Reformationsbewegung lehnt sich Bürgermeister Magnus Garbe gegen die wahnhafte Verfolgung von "Hexen" und Häretikern auf und gerät dabei selbst zwischen die Fronten. Doch dann wird seine Frau als Hexe angeklagt...-

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Gerhart Hauptmann

Magnus Garbe

Tragödie

Saga

Magnus Garbe

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1942, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726956931

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Dramatis Personae

Magnus Garbe, Bürgermeister Felicia, seine Frau Monica, eine Begine Jan Gossaert, Maler Dominik, Diener Peter Plank, Schreiner Doktor Cornelius Anselo, Ratsherr und Arzt Gößwein, Ratsdiener Doktor Johannes Wyk, Syndikus der Stadt Eine SchaffnerinZwei junge MägdeEckart, Winzer Jörg, Enkel Eckarts Jakob, Enkel Eckarts Hans Meulin, Bader Adam, Scharfrichter Görg, Heinz, seine Gesellen Apollonia Fischrossin, Magd Adams Drei DominikanerpatresBruder Thomas, Dominikanermönch Bruder Reinhold, Dominikanermönch Ein dritter DominikanermönchDas Stück spielt im 16. Jahrhundert in einer reichsfreien Stadt.

Erster Akt

Hoher getäfelter Raum in einem Patrizierhause. Eine Staffelei mit Bildtafel darauf ist aufgestellt. Felicia Garbe, die junge Frau des Bürgermeisters Magnus Garbe, tritt ein. Sie ist gesegneten Leibes. Monica, eine Begine, begleitet sie.

Felicia. Wieder soll ich gemalt werden, Monica?

Monica. Ja.

Felicia. Ich bin unruhig.

Monica. So sollt Ihr dem Maler nicht zu dem Bild sitzen, Frau Bürgermeisterin!

Felicia. Magnus will es. Aber sage mir doch um Gottes willen, was ist es für ein Rauch, der über den Marktplatz zieht? Oder wären es Wolken, Monica? Die Sonne ist doch heut an einem wolkenlosen Himmel aufgegangen. Welche Schatten! – Welche eilenden Schatten, Monica! Es ist sonderbar, wie du immer unter dem Schatten erbleichst. – Sollte ein Brand in der Vorstadt ausgebrochen sein?

Monica. Es ist auch mitunter etwas in der klaren Luft, was den Essenqualm in die Gassen drückt.

Felicia. Ich fürchte, der Maler wird nicht sehen. Findest du es eigentlich richtig, wenn man eine Frau malt, die gottgesegneten Leibes ist?

Monica. In der Kapelle unseres Beginenhauses ist ein Altarbild. Ihr kennt es selbst. Die heilige Jungfrau Maria besucht die heilige Elisabeth. Die heiligen Frauen sind im Hause des Zacharias beieinander. Zu der Zeit aber trägt Elisabeth, wie Ihr wißt, Johannes den Täufer unter dem Herzen.

Felicia. Versündige dich nicht, Monica! Gott kennt mein Inneres, er weiß gewiß, ich vergleiche mich mit seinen Heiligen nicht.

Monica. Die Meister der Malerei haben oft im Stande der Sünde befindliche Menschen zu Vorbildern ihrer Altartafeln genommen.

Felicia. Dann hat Gott ihren Griffel, hat Gott ihren Pinsel geführt. Ihr frommes Beginnen ist durch den Heiligen Geist durchglüht, gereinigt und ins Wunderbare verändert worden. Ich bin nur ein schlechtes, ein sündiges Weib.

Monica. Seid Ihr schon keine Himmelskönigin, ich nenne Euch wenigstens eine irdische.

Felicia. Immer sprichst du ungehörige, törichte Worte, Monica. Willst du die strafende Hand des Himmels herabfordern?

Monica. Dazu seid Ihr eine unserer heiligen Kirche zu demutsvoll ergebene Dienerin.

Felicia. Ach, könntest du Menschen auf Herz und Nieren prüfen ... Aber sage, warum erscheint dir ein solches armes Weib als Königin, das angstvoll seine Stunde erwartet?

Monica. So mancher habe ich beigestanden und keine gefunden, die so fröhlich ihrer Stunde entgegengegangen ist.

Felicia. Bange bin ich und bin auch fröhlich. Weshalb nennst du mich Königin?

Monica. Eure Schönheit rühmt man bis an des Kaisers Hof. Ihr seid reich wie die Fugger. Magnus Garbe ist der prächtigste und mächtigste Mann in der Stadt.

Felicia. Magnus Garbe hat auch seine Schmerzen.

Maler Jan Gossaert kommt.

Jan Gossaert, etwas außer Atem. Ich habe Euch warten lassen, vergebt!

Felicia. Könnt Ihr uns denn nicht sagen, was für ein Rauch noch immer die Stadt verfinstert?

Jan Gossaert, mit geflissentlicher Eile seine Arbeit aufnehmend. Würdet Ihr nun wohl den Platz auf dem Sessel einnehmen?

Felicia, lächelnd. Er hört nicht. Das Fieber der Arbeit hat unseren Meister bereits mit allen Sinnen gefangengenommen.

Jan Gossaert. Oh, war ich zerstreut? Es ist möglich. Ich bin sehr hastig gelaufen.

Felicia. Habt Ihr Euren gewohnten Morgengang vor der Stadt durch die Gärten gemacht?

Jan Gossaert. Ihr habt recht, ich war in den Gärten und Weinbergen.

Felicia. Sind die Winzer zufrieden?

Jan Gossaert, immer zerstreut. Die Stöcke haben gut angesetzt. – Da der Pinsel in seiner Hand allzu stark zittert, legt er ihn weg. Verzeiht, meine Hand ist noch etwas unsicher!

Felicia. Meister, was ist Euch zugestoßen?

Jan Gossaerthat sich erschöpft und tief erblassend niedergelassen. Bei Gott, es ist mir nichts zugestoßen. – Außer, daß ich gedacht und gesonnen habe; was ein Fehler ist. Wer grübelt, kann nur immer zu ein und demselben Schluß kommen.–

Felicia. Zu welchem?

Jan Gossaert. Daß die Welt am hellen Tage vom Satan verfinstert ist.

Felicia. Ich habe das zuletzt von der Kanzel der Kathedralkirche herunter gehört, Meister. Ein Dominikaner von auswärts predigte. Von Euch aber war ich bisher das Loblied der Schöpfung gewohnt. Vielleicht wollt Ihr mir nun aber meine erste Frage beantworten, was es mit dem ziehenden Rauch für eine Bewandtnis hat!

Monica macht dem Maler abwehrende Zeichen.

Jan Gossaert. Nein, ich kann sie Euch nicht beantworten.

Felicia. Ihr seid übereingekommen – sogar Magnus, mein Mann, nicht ausgenommen–, mich in allerlei Sachen zu hintergehen. Ihr tut sehr unrecht, daran zu glauben, daß ein solches Versteckenspiel einem Weibe meiner Art und besonderen Umstände dienlich ist. Und endlich: allzu Offenbares verbirgt sich nicht.

Monica. Nun also: das Haus der Witwe des Magisters Johannes Textor, heißt es, soll in Brand geraten sein.

Felicia. Unser Augustiner soll für das Seelenheil des armen Magisters noch heut in der Hauskapelle Messe lesen. Glaubt Ihr übrigens, der Einzug des heiligen päpstlichen Tribunals in die Stadt könne irgend jemand verborgen bleiben? Meint Ihr, ich hörte das tägliche, ja fast stündliche Brausen unserer gewaltigen Kirchenglocken nicht, deren einige ich schon kannte, als sie der Meister Erzgießer aus dem Mantel schlug? Eine jede, die anschlägt, nenne ich ja mit Namen; Glockenspiele und Armsünderglöckchen auch.

Jan Gossaert. Also ist Euch das eine kein Geheimnis, hochmögende Frau: daß die Canes Domini die Gebeine des Magisters aus dem Grabe gewühlt, durch die Gassen geschleift und verflucht haben. Auch der rauchende Schutthaufen des Hauses ist verflucht, das er seiner Witwe und seinen Kindern als Zufluchtsort hinterließ. Sic fiat locus sanctionum et cedat in locum sterquilini et foetoris.

Der alte, würdige Diener Dominik tritt ein.

Dominik. Peter Plank ist da. Er bringt die Wiege.

Felicia. Habt Ihr etwas dawider, Meister, wenn ich die Wiege hier besichtige?

Jan Gossaert. Bewahre Gott! Eine Wiege zu sehen ist immer erquicklich. Obgleich Salomo den Tod und die Toten lobt und glücklicher schätzt als die Lebenden und hinzusetzt: »Der noch nicht ist, ist besser denn alle beide, weil er des Bösen, das unter der Sonne geschieht, nicht innewird.« – Aber eine Wiege zu sehen bringt einen Hauch von Beseligung, als frühester Gedanke der Mutterliebe.

Auf einen Wink Feliciens hatte sich Dominik entfernt. Er ist nun mit Peter Plank, dem Schreiner, der eine Wiege trägt, wieder eingetreten.

Felicia. Tretet her, Peter Plank! Ich darf mich nicht rühren, dieweil ich ein Bild geworden bin. Aber Ihr auch, wie es scheint. Was gibt's mit Euch?

Dominik. Dem Meister Schreiner ist eine getigerte Dogge über den Weg gelaufen.

Felicia. Was willst du damit sagen, braver Dominik?

Dominik. Es geht das Gerücht, ein wutkranker Hund mache die Stadt unsicher.

Peter Plank. Er hing den Kopf, zog den Schwanz zwischen die Beine, trottete planlos kreuz und quer und ließ die Zunge zum Halse heraushängen.

Felicia. Ihr sagt, ein wutkranker Hund mache die Stadt unsicher?

Dominik. So geht das Gerücht.

Jan Gossaert. Es schleicht ein wutkranker Hund durch die Gassen herum?

Dominik. So redet man.

Monica. Ihr seid einem tollwutkranken Hund begegnet, Peter Plank?

Peter Plank. Und habe gesehen, wie er einem jungen Rinde mit einem Biß ein tellergroßes Stück Fleisch aus dem Schenkel gerissen hat.

Felicia. Habt Ihr es denn heute alle auf ein armes Weib abgesehen, das im Herzen fröhlich ist? Wißt, ich bin fröhlich in meinem Herzen! Ich will nichts wissen von Euren eingebildeten Schrecken. Bleibt draußen mit Eurer gottlosen Bangigkeit!

Jan Gossaert. Ich unterscheide nun weder Form noch Farbe mehr.

Monica. Ist's Mittag, oder ist's Mitternacht?

Felicia. Dominik, bringe nun die Wachskerzen! Ein Sturm erhebt sich. Am Himmel steht eine schwarze Wolkenwand.

Jan Gossaert. Scherben! Ein Fenster! – Himmel, welche rasende Staubwolke über den Marktplatz steigt!

Felicia. Wofür sind wir im Brachmond? Es ist ein Gewitter. Geh, man soll durch das Haus alle Fenster schließen, Monica!

Jan Gossaert. War das ein Blitz?

Peter Plank. Es war kein Blitz, Meister. – Jesus, Maria und Joseph! Er zittert und faltet die Hände.

Jan Gossaert. Aber nun war es einer.

Peter Plank. Jetzt ist eine mächtige Feuerkugel von der obersten Spitze am Turm der Erlöserkirche herunter das Dach entlanggerollt und auf das Rathaus übergesprungen. Ich habe gesehen, wie sie mit einer Flamme über den ganzen Himmel auseinanderging.

Felicia. Von der Erlöserkirche, wo heute das heilige Tribunal versammelt ist?

Jan Gossaert. Von der Erlöserkirche, wo heute das heilige Tribunal versammelt ist. Ich habe die Kugel auch gesehen.

Felicia. Auch Magnus Garbe ist in der Kirche.

Jan Gossaert. Ich dachte, nun würde ein wahrer Sinaidonner die Grundfesten unserer Stadt erschüttern.

Peter Plank. Es donnert nicht, und es regnet nicht.

Felicia. Es ist nichts. Ich glaube, es zieht vorüber. Zeiget mir nun endlich, was Ihr gemacht habt, Peter Plank!

Peter Plank, mit der Wiege zu Felicia tretend. Sie ist einfach, nach Eurer Weisung geraten. Es liegt nicht an mir, wenn sie für Euer Haus allzu einfach ist.

Felicia. Die Krippe des Heilands war noch einfacher.

Jan Gossaert. Es löscht nicht den Staub. Die verschmachtete Erde dürstet nach Wasser nicht anders, als die Welt nach dem Erlöser schreit. Aber der Schoß des Himmels bleibt verschlossen.

Feliciabewegt die Wiege und singt dazu leise

Da droben auf jenem Berge,

da wehet der Wind,

da sitzt die Maria

und wieget ihr Kind.

Sie wiegt es mit ihrer schneeweißen Hand,

dazu braucht sie kein Wiegenband.

Jan Gossaert. Was habt Ihr gesungen, himmlische Frau? Was habt Ihr gesungen, allerseligste Königin?

Felicia. Ihr sündigt, Meister.

Jan Gossaert. Es riecht nach Schwefel. Brennender Sturm deckt die Dächer ab, der leere Himmel kann nicht gebären; aber Euch, holdseligste Frau, wird inmitten der Wirrnis das holdseligste Kindlein beschert werden.

Felicia. Verzeih uns Gott, was an Euren Worten unfromm, eitel und nicht gar demütig ist. Aber möge er meine Stunde segnen! – Monica kommt wieder. Habt ihr Türen und Fenster wohl verwahrt?

Monica. Ja. – Es ist allbereits wieder heller geworden. Der Bürgermeister mit einigen Ratsherren schreitet über den Markt heran.

Felicia. Dann wollen wir alles eilig forträumen.

Felicia erhebt sich eilig, winkt dem Meister zum Abschied und entfernt sich. Dominik, der mit Monica gekommen war, hilft die Malutensilien hinaustragen. Der Maler entfernt das Bild. Es ist alles in Hast gegangen; darüber ist die Wiege vergessen worden und stehengeblieben. Magnus Garbe, der Bürgermeister, und Doktor Cornelius Anselo, der Ratsherr und Arzt, begleitet vom Ratsdiener Gößwein, treten ins Zimmer.

Garbe. Lege einstweilen alles dort auf den Tisch, braver Gößwein!

Der Ratsdiener legt einen gewaltigen Stoß Akten ab, macht seine Verbeugung und entfernt sich.

Garbe, auf die Verbeugung des Ratsdieners, ihn damit gleichsam entlassend. Leb wohl! – Er geht langsam umher, übergibt Dominik, der erscheint, Barett und Handschuhe, prüft ohne Eile, nachdem Dominik sich entfernt hat, ob alle Türen geschlossen sind, tritt dann ebenso dem Arzt und Ratsherrn gegenüber. Nun sind wir allein, lieber Doktor Anselo.

Doktor Anselonickt ernst mit dem Kopf. Beide sehen einander gerade und tief in die Augen. So ist's, Magnus Garbe, wir sind allein.

Garbe