Man mordet, wo man kann - Gabriele Ketterl - E-Book

Man mordet, wo man kann E-Book

Gabriele Ketterl

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Beschreibung

Neue Luxuswohnungen entstehen in München – mit einer Leiche gratis dazu
Der dritte Band der humorvollen Cosy Krimi-Reihe um Hobbyermittlerin Lady Ilse 

Endlich kehrt Toni, der Sohn von Lady Ilses bester Freundin Marga, aus Australien zurück und sorgt sofort für Aufregung. Ilse und Marga wollen ihm eine traumhafte Wohnung in Schwabing renovieren, doch bei der Besichtigung erwartet sie eine böse Überraschung: Das Nachbarhaus wird gerade luxussaniert und gleicht einer chaotischen Großbaustelle. Der charmante Chef der Baufirma, Arnold Freiherr von und zu Löwenberg, lässt sich von Ilses Wut aber nicht beeindrucken und stellt ihr sogar seine Arbeiter zur Verfügung. Doch die beiden Damen sind nicht so leicht zu besänftigen, denn sie wissen, wie der Hase läuft – Ilse in adligen Kreisen, Marga auf Baustellen: Die "Profis", die Arnold ihnen vermittelt, sind alles andere als das. Als einer der beiden auf der Baustelle schwer verunglückt, und dabei eine Leiche zum Vorschein kommt, ist Lady Ilse nicht mehr zu halten. Wäre doch gelacht, wenn sie nicht herausfindet, wer hier alles Dreck am Stecken hat …

Weitere Titel in der Reihe
Spiel, Satz und Mord (ISBN: 9783987787072)
Mörderisch entspannt (ISBN: 9783987787256)

Erste Leser:innenstimmen
„Ein bezaubernder Cosy Crime, der nicht nur durch die spannenden Ermittlungen, sondern auch durch die humorvollen Dialoge überzeugt.“
„Die beiden Protagonistinnen sind wunderbar ausgearbeitete Charaktere, deren Ermittlungstalent und scharfsinnige Beobachtungen mich bestens unterhalten haben.“
„Auch in diesem Fall gibt es eine tolle Mischung aus spannender Ermittlungsarbeit und witzigen Charakteren!“
„Die Fortsetzung dieser Cosy Krimi Reihe rund um die sympathische Lady Ilse ist wunderbar gelungen!“

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Seitenzahl: 315

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Über dieses E-Book

Endlich kehrt Toni, der Sohn von Lady Ilses bester Freundin Marga, aus Australien zurück und sorgt sofort für Aufregung. Ilse und Marga wollen ihm eine traumhafte Wohnung in Schwabing renovieren, doch bei der Besichtigung erwartet sie eine böse Überraschung: Das Nachbarhaus wird gerade luxussaniert und gleicht einer chaotischen Großbaustelle. Der charmante Chef der Baufirma, Arnold Freiherr von und zu Löwenberg, lässt sich von Ilses Wut aber nicht beeindrucken und stellt ihr sogar seine Arbeiter zur Verfügung. Doch die beiden Damen sind nicht so leicht zu besänftigen, denn sie wissen, wie der Hase läuft – Ilse in adligen Kreisen, Marga auf Baustellen: Die "Profis", die Arnold ihnen vermittelt, sind alles andere als das. Als einer der beiden auf der Baustelle schwer verunglückt, und dabei eine Leiche zum Vorschein kommt, ist Lady Ilse nicht mehr zu halten. Wäre doch gelacht, wenn sie nicht herausfindet, wer hier alles Dreck am Stecken hat …

Impressum

Erstausgabe August 2024

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-729-4 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-736-2 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-501-8

Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © saranyoo, © DAIYAN MD TALHA, © Daniel Strauch, © Nik_Merkulov, © Ljupco Smokovski depositphotos.com: © MKucova, © yupiramos, © hlavkom Lektorat: Sandra Florean

E-Book-Version 17.09.2024, 10:58:07.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Man mordet, wo man kann

„Wenn des oida Adel is, friss I mein Walpurgisbäsn!“ Ilse von Karburg. (78).

Dürfen wir übersetzen?

„Wenn das alter Adel ist, verspeise ich mein Walpurgisnachts-Flugobjekt

Die liebe Familie

„Donnerwetter, der wiegt ja eine Tonne! Qualität hat anscheinend so ihr Gewicht.“ Stöhnend wuchtete Ilse von Karburg ihren funkelnagelneuen Bademantel aus der Waschmaschine. Schneeweiß, kuschlig und sehr edel …, aber eben auch schwer, vor allem jetzt, also, nass. Aber Ilse lebte nach dem Motto: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“.

Das schöne Stück war eines der Abschiedsgeschenke des Romantik-Hotels „Tölzer Oase“ gewesen. Eines von vielen, wie sie sich eingestand. Allerdings fand Ilse das auch angemessen, nach allem, was sie und ihre beiden Freundinnen Marga und insbesondere die arme Tilde dort hatten erleben müssen. Immerhin waren die letzten zwei Wochen sehr angenehm und letztendlich auch erholsam verlaufen. Der Hoteldirektor war konstant damit beschäftigt gewesen, ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Ilse verfrachtete den Bademantel mit ein wenig Mühe in den Wäschetrockner und stellte diesen an. Ächzend richtete sie sich auf und rieb sich die Oberarme. Kühl wurde es langsam. Sie warf einen neugierigen Blick aus dem Fenster ihres Hauswirtschaftsraumes. Blauer Himmel, ein paar Wölkchen und trotzdem spürte man den herannahenden Herbst. Nachdenklich betrachtete Ilse die sich langsam verfärbenden Blätter an ihren Bäumen. Sie hatte den Winter immer gern gemocht, solange Franz-Josef gelebt hatte. Skiurlaube, Schlittenfahrten mit dem Pferdeschlitten in eisigen Winternächten, warm eingepackt und eng aneinander gekuschelt. Winter-Barbecue mit den Freunden auf der heimischen Terrasse und so vieles mehr. Seit Franz-Josef nicht mehr lebte, mochte sie den Winter nicht mehr gar so gern. Vielleicht auch, weil sich die Knochen und Gelenke jedes Jahr lauter zu Wort meldeten. Seufzend zog sie die Tür des Wirtschaftsraumes hinter sich ins Schloss. In der Küche goss sie Wasser in den Teekocher, entschied sich für einen feinen und geschmacksintensiven Vahdam Silver Needle und gönnte sich einen der buttrigen schottischen Ingwer-Kekse, die sie immer im Haus hatte.

Phillip hatte ihr vor einigen Tagen angeboten, mit ihm und Manuela die Weihnachtstage auf einer Hütte in den Bergen zu verbringen. Den Teufel würde sie tun, so sehr sie Phillip liebte und so sehr es sie reizen würde, mit den jungen Leuten die Feiertage zu verbringen. Die Zwei waren frisch verliebt und rundum glücklich, da hatte die olle Tante nichts verloren. Stattdessen ging ihr das Angebot des Romantik-Hotel-Chefs nicht aus dem Kopf. Drei Wochen im Luxus-Anwesen auf Mallorca klang gar nicht so übel. Nun musste sie nur noch Marga und Tilde überzeugen. Sie goss den Tee auf und stellte den Timer, feiner Tee war kapriziös, den musste man mit Respekt behandeln. Ihr Blick fiel auf die antike Küchenuhr, die sie zum Entsetzen aller Antiquitäten-Spezialisten knallrot lackiert hatte. Sie fand das passte zu ihrer Küche. Es war bereits kurz nach drei und eigentlich wollte sich Marga nach ihrer heutigen Trainingsstunde mit Marcus längst gemeldet haben. Seufzend schenkte sich Ilse eine Tasse des duftenden Tees ein. Hoffentlich war nicht schon wieder etwas passiert. So langsam reichte es ihr … zumindest für dieses Jahr.

Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als ihr Handy losjaulte. Knurrend stellte sie die Tasse ab. Dieser Klingelton machte sie kirre. Ab und an fand sie Phillips Humor geringfügig seltsam. Die Melodie zu Highway to Hell war ab einem gewissen Alter nur noch bedingt amüsant.

„Marga, ich hab mir schon wieder Sorgen gemacht. Wart, ich schalt dich auf laut, mein Tee ist gerade fertig.“ Sie legte das Handy auf die Anrichte und ließ braunen Kandis in die Tasse rieseln. „Sag schon, meine Liebe, was gibt’s Neues im Club?“

„Was es im Club gibt, ist total nebensächlich, aber sowas von dermaßen nebensächlich. Ilse, halt dich fest, du wirst es nicht glauben, aber der Bub kommt heim.“

Sie war dezent überfordert. „Marga, etwas mehr Zusammenhänge bitte. Ich steh auf dem Schlauch. Wer kommt heim und warum?“

„Mensch, Lady Ilse, wer wohl? Wenn ich sag der Bub, dann kann das wohl nur einer sein, oder?“

Langsam dämmerte es Ilse. „Dein Bub? Der Anton? Der, der dem tranigen Deutschland für immer und ewig abgeschworen hat?“

„Genau der. Ilse, ich bin so aufgeregt, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, ich zittere am ganzen Leib und ich …“

„… und du setzt dich jetzt sofort in dein Auto und kommst hierher. Deine Panikattacken spür ich durchs Telefon. Auf geht’s und zwar flott. Ich koche dir einen schönen Beruhigungstee und dann erzählst du mir alles in Ruhe. Hörst du? In Ruhe! Sonst kapier ich es eh wieder nicht, du weißt schon … mein hohes Alter.“ Ilse beendete kurzerhand mit einem Lächeln auf den Lippen das Telefonat.

***

„Liebe Lady, das ist kein Beruhigungstee, das ist ein Grog.“ Stirnrunzelnd schnupperte Marga an dem großen Pott mit Tee.

„Ja, und? Ein Schuss Rum hat noch nie geschadet. Noch ein Hauch Kandis?“ Ilse hielt der Freundin die Schale mit dem Zucker entgegen.

„Danke, nein. Ich gebe es ungern zu, aber wahrscheinlich brauch ich das Gesöff. Als Toni mich heute Mittag angerufen hat, war ich vollkommen neben mir. Du weißt, dass ich nach Hans’ Tod vorsichtig gehofft habe, er käme wieder zurück, aber da hatten sie sich in Australien schon so viel aufgebaut.“

Ilse nickte. „Verständlich. Dein Toni war immer ein Guter, ein Fleißiger … schade, dass Hans das nie gesehen hat.“

„Hans war blind, wenn es um seinen einzigen Sohn ging. Er war ein herzensguter Mensch, aber bei Toni war er hart wie Stein. Das kam von seiner eigenen Erziehung, davon, dass er seinem Vater schnurzegal war. Der alte Menzing hat sich nie um Hans als Menschen geschert. Wichtig war der Hof und dessen Fortbestand. Darum zählte nur der älteste Sohn. Ich glaub, am liebsten wäre dem alten Zausel gewesen, wenn Hans als Knecht bei seinem Bruder gearbeitet hätte. Darum hat er ja dann so geschuftet und sich ein riesiges Vermögen erarbeitet, um es allen zu zeigen und wahrscheinlich auch für sich selbst und sein Ego.“

Ilse zog eine leichte Grimasse. „Um dann bei dem eigenen Sohn den gleichen Fehler zu machen und ihn in ein Leben zwingen zu wollen, welches der Bub wiederum nicht wollte.“

„Wenn’s nur das gewesen wäre. Toni wollte ja. Er ist so geschickt, so erfinderisch, immer lösungsorientiert, aber er hatte eine andere Herangehensweise. Erinnerst du dich, wie stolz und glücklich er war, als er seine Lehre so gut abgeschlossen hatte? Davor schon die sehr gute Mittlere Reife, da bin ich schon schier geplatzt vor Stolz. Hans damals auch noch. Dass Toni dann eine Zimmermannslehre gemacht hat und nebenbei die Schreinerei gleich noch mit, das hat er schon misstrauisch beäugt. Ihr wart bei der Feier dabei, erinnerst du dich, wie Hans ihn bedrängt hat, sofort einzusteigen und das Geschäft auszubauen? Hast du Tonis Gesicht gesehen?“ Marga nippte mit trauriger Miene an ihrem gehaltvollen Tee.

„Hab ich. Herrschaftszeiten, ich hab damals noch so gehofft, dass Hans Vernunft annimmt und es zulässt, dass Toni seine eigenen Erfahrungen sammelt. Aber ihm die Walz zu verbieten, ihn so dermaßen unter Druck zu setzen. Warum musste das denn sein?“

Marga zuckte ratlos die Schultern. „Weil Hans Angst um sein Lebenswerk hatte. Menzing & Sohn, das war sein größter Traum. Er hat es nicht begriffen, dass er selbst diesen Traum kaputt gemacht hat. Als Toni darauf bestand loszuziehen, hat Hans ihm ja sogar damit gedroht, ihn zu enterben, was für ein Irrsinn. Sonst hat er immer auf mich gehört, aber hier war er dermaßen verbohrt, dass alles zu spät war. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Marga wischte sich eine Träne von der Wange. „Am nächsten Tag war sein Schrank leer, seine Sachen alle weg. Wenn mein Sohn etwas ist, dann gründlich und er steht zu dem, was er sagt. Ich hab so sehr geweint, als ich seinen Abschiedsbrief gelesen hab. Aber da saß er schon im Flugzeug nach Sydney. Australien. Für Hans ist eine Welt zusammengebrochen. Australien, Neuseeland, das war für ihn ein anderer Planet. Er, der Urbayer, für den der Gardasee das exotischste war, das er sich vorstellen konnte. Und der war schon ein Wagnis. Schließlich musste man dafür Alpenpässe überqueren, du weißt schon, der Brenner und so weiter.“

„Ich kann mich gut erinnern. Damals hab ich dir pfundweise Taschentücher und Pralinen gebracht und bin mit dem von dir so geliebten Apfelstrudel in Massenproduktion gegangen. Immerhin habt ihr euch wieder zusammengerauft. Ich hatte große Angst, dass die Sache mit Toni euch kaputt macht.“

Marga verneinte. „Nein, nur beinahe. Die Tatsache, dass sein einziger Sohn für ihn gestorben war, konnte ich nur schwer ertragen. Aber da der Bub immer heimlich Kontakt zu mir gehalten hat, ging es einigermaßen.“

Ilse betrachtete grübelnd ihre Hände, aber irgendwie reichten ihre Finger nicht mehr aus. „Hilf mir mal auf die Sprünge. Das ist doch mindestens fünfzehn Jahre her oder täusch ich mich?“

Marga schüttelte den Kopf. „Die Zeit vergeht schneller, als es uns lieb ist. Das sind fast zwanzig Jahre, meine Liebe. Der Bub wird Ende November neununddreißig Jahre alt. Und diesen Geburtstag will er schon in Bayern und mit mir feiern.“

„Moment mal, mir fehlt, glaub ich, ein wichtiger Zwischenteil von der Geschichte, oder?“ Ilse runzelte fragend ihre Stirn.

„Ach so, ja, klar, entschuldige bitte, aber ich sag doch, ich bin aufgeregt. Ja, also eigentlich sollte ich irgendwann zu Besuch zu ihm und Terry kommen, das ist seine Lebensgefährtin. Sie hatten eine wunderschöne Farm in Queensland. Alles selbst gebaut und mit Schafen und Rindern, also richtig groß und beeindruckend. Nebenbei hat er noch als Handwerker gearbeitet und das sehr erfolgreich. Die sind in Australien noch immer gefragt. Heute will ja keiner mehr richtig arbeiten. Heute influenzen sie lieber, so ein Schmarrn. Daraus, aus dem Besuch mein ich, wird aber nichts mehr. Beim letzten gefährlichen Feuer in Queensland ist die Farm zu einem großen Teil abgebrannt. Das war das zweite Mal, beim ersten Mal haben sie alles wiederaufgebaut. Jetzt haben sie keine Nerven mehr, es nochmal zu machen. Es wird immer trockener, immer gefährlicher und somit wird auch das Wagnis immer größer. Sie haben eine sauteure Versicherung gehabt, die sich jetzt tatsächlich rentiert hat. Das Vieh und das Land konnten sie noch dazu vernünftig verkaufen. Sie sind bereits am Packen, bleiben dann noch etwa einen Monat bei Terrys Eltern in Melbourne, danach geht’s auf ins Bayernland.“

Ilse lächelte die Freundin an. „Du strahlst so dermaßen, dass es unglaublich ist.“

„Frag nicht nach Morgensonne. Ich bin so glücklich. Es ist schon schön, ihn im Videochat zu sehen und mit ihm zu reden, aber ihn wieder hier zu haben, ihn in den Arm nehmen zu können, das ist eben schon was anderes. Ja, ich freu mich unbändig!“

„Ja, die Familienbande. Ich freu mich gleich für dich mit. Jetzt musst du dem Bengel nur noch beibringen, dass du ein italienisches Gspusi hast.“

Margas Grinsen wirkte sehr zufrieden. „Das hab ich ihm schon längst verraten. Er freut sich für mich. Toni findet, dass ich mein Leben mit einem Lächeln auf dem Gesicht leben soll.“

Spontan umarmte Ilse die Freundin. „Ich wusste, dass du einen richtig großartigen Sohn hast.“

„Hab ich. Allerdings brauchen die beiden Kinder eine Wohnung. Du kennst meine schöne Wohnung am Eisbach, direkt am Englischen Garten? Der Mieter ist vor zwei Wochen ausgezogen, der hat Frau und Kind eingepackt und ist nach Griechenland ausgewandert.“

Ilse musste wohl oder übel lachen. „Vom Eisbach im Englischen Garten nach Griechenland? Mein Respekt.“

„Na ja, ich bin froh drum. So können Toni und Terry gleich in eine eigene Wohnung ziehen. Aber ich muss jetzt schauen, was da drin alles getan werden muss. Es bleiben nur vier Wochen, ehe sie fertig sein muss. Küche ist drin, aber ansonsten …“

„So schlimm wird’s wohl kaum sein. Dein Mieter war, soweit ich weiß, ein ordentlicher Mensch und kein Mietnomade, oder? Wie lang hat er da gewohnt? Vier Jahre, stimmt doch, oder? Ein Eimer Farb, bissl lüften, putzen und alles ist gut.“

Marga seufzte lautstark. „Ich liebe deinen Optimismus. Es soll halt alles perfekt sein, wenn der Bub kommt. Mir graust es ein bissel davor, da reinzugehen. Die Abnahme hat der Makler gemacht und seitdem hatte ich keine Zeit. Du weißt schon, französisch-mexikanische Verwicklungen. Apropos, hast du was von Tilde gehört? Wollte sie nicht schon wieder hier sein?“

Ilse schüttelte traurig den Kopf. „Wollte sie, ja, aber sie bleibt jetzt noch bei ihrer Schwester am Chiemsee. Ich kann sie sogar verstehen. Zuerst die schreckliche Enttäuschung mit diesem falschen Fuffziger und dann waren wir die letzten drei Wochen unzertrennlich. Danach allein in dem Haus, ich glaub, da wären zu viele Erinnerungen auf sie eingeprasselt. Ich finde es ganz in Ordnung, dass sie bei ihrer Schwester ist. Die hat aber auch ein ganz besonders hübsches Häuschen am Seeufer. Da kann Tilde die Seele baumeln lassen.“

„Hast auch wieder recht! Ähm, darf ich dich um etwas bitten? Würdest du morgen früh mit mir in die Wohnung kommen und mir helfen? Ich bin sonst nicht so unsicher, aber wenn’s nach so langer Zeit um meinen Sohn geht … Du verstehst das schon, oder?“

Ilse nickte stoisch. „Einigermaßen. Vertrau mir, der Kerl ist erwachsen, er hat sich in Australien ein Leben aufgebaut, alles mit seiner Hände Arbeit. Das ist kein ‚ich kann nur am PC sitzen‘-Weichei. Dein Toni ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Aber wenn’s dich beruhigt, dann komm ich halt mit und greife dir unter die Arme. Soll ich was mitbringen? Zollstock, Wasserwage, … Baldrian?“

Immerhin lachte Marga wieder. „Kein Baldrian, der ist nicht nötig, in dem Haus ist es geradezu paradiesisch ruhig. “

Staubige Überraschungen

„Ruhig? Das wage ich jetzt aber zu bezweifeln.“ Ilse hüstelte dezent.

Es war knapp nach halb neun Uhr am Morgen des nächsten Tages und die beiden Frauen standen staunend und ein wenig erschrocken vor dem schönen vierstöckigen Mietshaus am Münchner Eisbach. Das Haus selbst sah aus wie immer. In zartgelb gestrichen, sattgrüner Efeu, der an den Seitenwänden emporrankte, gepflegte Blumenkästen an den schmiedeeisernen Balkonen und das antikhölzerne Tor mit den Kupferbeschlägen an den Scharnieren glänzte rötlich. Offenbar war es erst vor Kurzem neu lasiert worden. Nein, das Problem lag vielmehr im Nachbarhaus oder wohl eher in dem Haus, das es einmal gewesen war. Sofern man den Begriff Haus überhaupt noch verwenden konnte. Eigentlich beinahe im gleichen Baustil errichtet wie das Haus, in dem sich Margas Wohnung befand, war davon nichts mehr zu erkennen. Das Gebäude erinnerte vielmehr an ein Skelett. Keine Türen, keine Fenster, selbst die Balkone waren entfernt worden.

Marga war ganz offensichtlich fassungslos. „Davon hat uns niemand in Kenntnis gesetzt. Das ist ja gruselig. Der Lärm, der Dreck, schau dir das mal an. Die werden niemals fertig, ehe Toni hier ankommt. Ich kann ihm doch nicht zumuten, neben einer Großbaustelle zu leben.“

„Jetzt brems dich aber mal ein. Schatzerl, ganz im Ernst, der bisherige Mieter hat, korrigier mich, wenn ich falsch lieg, für die hundert Quadratmeter dreitausend Euro Miete warm bezahlt, richtig? Also nix für ungut, aber der Herr Sohn ist ja nun nicht die Prinzessin auf der Backerbse oder sowas. Schließlich überlässt du ihm die Wohnung ohne Miete. Das sehe ich schon richtig, oder? Da kann man schon mal ein Äuglein zudrücken und ein bisserl Staub wischen.“

„Stimmt schon, aber ich will eben, dass er sich von Anfang an wohlfühlt, weißt du?“ Marga deutete nachdrücklich auf die Großbaustelle. „Das da ist kein Wohlfühlfaktor.“

„Nutzt halt nur nichts, wenn wir uns aufregen. Jetzt gehen wir erst einmal in deine Wohnung und dann sehen wir weiter. Auf geht’s.“ Ilse zupfte das Bolerojäckchen ihres rosa Hosenanzuges zurecht und stöckelte auf ebenso rosa Pumps zielstrebig auf den Eingang zu.

„Pass auf mit deinen Schühchen. Nicht, dass du stolperst.“ Marga und ihre Dauersorgen …

Ilse drehte sich elegant einmal halb um die eigene Achse.

„Hasilein, mit denen kletter ich dir auf den Arber im Bayrischen Wald wenn’s sein muss. Hab ein bisschen mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten.“

Immerhin grinste Marga jetzt. „Weißt du was? Daran erinner ich dich bei Gelegenheit. Das will ich sehen, so kommst du mir nicht davon.“

„Ausgmacht! I konn des!“ Hocherhobenen Hauptes erklomm Ilse die leicht geschwungene Treppe vor dem Wohnhaus und stand sodann erwartungsvoll vor der Pforte. „Und jetzt sperr auf.“

Langsam und mit suchendem Blick schritt sie durch die wunderschöne Altbauwohnung. Die hohen Decken mit den Stuckapplikationen begeisterten Ilse ebenso sehr wie die doppelflügeligen Türen mit den hoch angesetzten antik anmutenden Türklinken. Die Wände waren allesamt in Ordnung, mussten nur gestrichen werden. Die Fenster waren erst vor Einzug des Mieters erneuert worden und perfekt in Schuss. Lediglich das Badezimmer bedurfte einer helfenden Hand. Hier musste eine Wand neu gekachelt werden und die Duschkabine musste ausgetauscht werden, die dank des harten Münchner Wassers ein wenig das Flair einer Tropfsteinhöhle vermittelte.

„Marga, das ist nicht sehr viel Arbeit. Wenn die Küche in Ordnung ist, dann sind das knapp drei Wochen.“ Sie stockte. „Wo eher das Problem liegen dürfte, das ist, woher wir die Handwerker nehmen, die gleich anfangen könnten. Das dauert bei uns schließlich fast ein halbes Jahr, bis sich einer bequemt, sich der Arbeiten anzunehmen.“ Sie betrat die helle, mit einer Theke zum Wohnbereich hin abgegrenzte Küche.

Marga schloss soeben alle Schränke, die sie zur gründlichen Inspektion geöffnet hatte. „Tja, da haben wir den Salat. Weil wir unseren Handwerkerstand sträflich vernachlässigt haben. Es muss ja neuerdings ein jeder unbedingt studieren. So ein Blödsinn. Es gibt nichts Schöneres und Erfüllenderes, als sich am Abend das ansehen zu können, was man mit seinen eigenen Händen erschaffen hat. Aber erklär das mal den ganzen hochfliegenden, überambitionierten Eltern. Ich seh es kommen, dass Toni die Wohnung selbst herrichten muss. Aber das würd ich halt gern vermeiden.“

„Es wäre kein Weltuntergang. Was spricht denn die Küche?“ Ilse strich über das glatte, fast weiße Holz der edlen Einbauküche.

„Die ist in Ordnung. Alle Geräte sehen aus wie neu. Ich glaub, die Familie hat viel auswärts gegessen oder vielleicht Lieferservice. Soll mir nur recht sein.“ Marga wurde von einem lauten Knall und einem Rumms unterbrochen. „Herrschaftszeiten, was machen die denn da drüben?“

Ilse zuckte die Schultern. „Vielleicht reißen sie den Rest auch noch ab, wer weiß?“ Sie eilte zurück ins Wohnzimmer und öffnete vorsichtig die Balkontür. Vom Nachbargrundstück erklangen wütende Rufe und ein infernalischer Lärm. Soweit sie es erkennen konnte, war man damit beschäftigt, Zementsäcke von einem Lastwagen abzuladen. Es schien, als habe der Fahrer versucht, die Säcke einfach per ausgefahrener Hubfläche abzuladen. Offensichtlich war das nicht die klügste Entscheidung gewesen, denn bei diesem unüberlegten Manöver waren einige Säcke aufgeplatzt und der Staub hing zäh in der Luft.

Ilse schüttelte ungläubig den Kopf. „Was ist das denn bitteschön für ein Bautrupp? Wenn Dummheit weh tät, wär’s da drüben noch lauter.“ Sie sah genauer hin. Was sie entdeckte, gefiel ihr gar nicht.

Kaum einer der Männer da drüben trug einen Bauhelm. Auf einer Baustelle wie dieser war das unerlässlich, so viel Erfahrung hatte sie dann doch. Außerdem fehlte bei einigen das richtige Schuhwerk. Ausgelatschte Turnschuhe hatten hier nichts verloren. Sie beugte sich über die kühle, eiserne Brüstung und spähte weiter nach hinten. Tatsächlich, sie trugen die Zementsäcke ohne Schutzkleidung in das entkernte Haus. Noch etwas wusste sie nach den vielen Jahren mit Franz-Josef, nämlich, dass die Baustelle hundsmiserabel abgesichert war. Sie reichte bis zur Straße und lediglich ein rot-weißes Flatterband, das an dünnen Eisenstangen festgebunden war, zeigte annähernd an, wo sich die Grundstücksgrenze befand und somit die Baustelle begann. Das war sehr seltsam. Ilse kannte das pingelige Münchner Lokalbaureferat zur Genüge. Zu gern hätte sie gewusst, wer das hier so genehmigt hatte. Falls es denn genehmigt war.

Just in diesem Moment strauchelte einer der Arbeiter samt Zementsack auf seinen Schultern und wäre um ein Haar in einen offenen und – natürlich – ungesicherten Kellerfensterschacht gefallen.

Ilse hatte genug gesehen. „Marga, da drüben ist eine totale Chaotengang am Werk. Da weiß, so scheint mir, keiner, was der andere tut. Außerdem ist die Baustelle viel zu nah an der Grundstücksgrenze. Des gibt’s irgendwie alles gar nicht.“

Marga trat neben sie auf den Balkon hinaus. „Nicht nur das. Schau mal, die Ausschachtungen neben dem Haus waren vorher nicht da. Was soll das denn werden?“

Ilse straffte entschlossen die Schultern. „Das, meine Liebe, werde ich nunmehr in meiner ausnehmend liebreizenden Art höflichst erfragen.“

Nachdem Ilse in gewohnt routinierter Manier samt hohen Absätzen die frisch geölten Holzstiegen des Treppenhauses überwunden hatte, trat sie hinaus ins Freie. Ohrenbetäubender Lärm, Staub und ungehaltene Rufe empfingen sie. Kopfschüttelnd betrachtete sie das Durcheinander eine Weile. Letztendlich glaubte sie, den für diese Baustelle Zuständigen ausgemacht zu haben, sofern hier überhaupt jemand zuständig war. Sie atmete tief ein und aus und eilte zielstrebig auf den Mann in grauem Hemd und verstauber Jeanslatzhose zu.

„Entschuldigung! Hey, Sie da! Ich sagte Entschuldigung. Ich müsste einmal dringend mit Ihnen reden.“

Der Kerl drehte sich zu ihr um und musterte sie mit sichtlichem Erstaunen. Welch Wunder. Wahrscheinlich waren wutschnaubende ältere Damen im rosa Hosenanzug und passenden Pumps eher selten auf Baustellen. Sein Blick war eine Mischung zwischen genervt und erschrocken.

„Frau, du bist auf Baustelle. Du darfst nicht hier sein.“ Aha, sprechen konnte er also, sogar annähernd verständlich.

„Frau ist aber hier. Zeig mir ein Schild, auf dem steht, dass das Betreten der Baustelle verboten ist. Ich sehe nichts!“ Ilse machte eine ausladende Bewegung mit beiden Armen. „Kein Verbotsschild, kein Bauzaun. Was glauben Sie, was Sie hier tun?“

Sie ahnte, dass sie recht beindruckend wirken musste, das war immer so, wenn sie richtig in Fahrt war. Wohl darum sah sie nun noch einen Hauch mehr an Verunsicherung in seinen Augen.

„Kann ich nix tun. Ich bin hier nicht Chef. Ich warte auf Anweisung.“ Er musterte sie mit gerunzelter Stirn.

„Anweisung können Sie haben und zwar gerne sofort. Ihre Arbeiter sind unzureichend ausgestattet. Sie tragen keine Schutzkleidung und ihre Baustelle ist hundsmiserabel abgesichert. Ich habe selbst gesehen, wie einer ihrer Leute beinahe in diesen ungesicherten Kellerschacht gefallen wäre. Mann, so geht das nicht!“ Ärgerlich stemmte sie die Arme in die Hüften.

Der Mann setzte soeben zu einer Antwort an, stutzte dann aber. Irgendwo hinter ihr musste er etwas entdeckt haben. Seine Gesichtszüge entspannten sich zunehmend. „Frau, komm mit. Ich habe den Chef gefunden, er kann erklären.“

„Da bin ich aber sehr neugierig und wo ist dieser angebliche Chef, bitte?“ Sie blickte sich suchend um.

„Da ist Chef, komm mit, ich zeige dir.“ Sehr eilig stapfte der Kerl an ihr vorbei und auf das Haus zu.

Ilse folgte ihm auf dem Fuße und entdeckte einen Mann, der soeben aus einer der Eingangstüren, oder eher aus deren einstigen Umrissen, trat. Ihr Begleiter hatte es plötzlich sehr eilig. Sie konnte ihm nur mit Mühe über die steinige, unebene Fläche folgen. Endlich hatten sie den Mann erreicht und der Arbeiter atmete hörbar aus. Aha, da war aber einer erleichtert.

„Chef, Frau hat Fragen. Viele Fragen und ist, glaube ich, sauer.“ Er deutete auf Ilse und dann auf den Fremden.

Der entpuppte sich bei näherem Hinsehen als großer, schlanker Mann ungefähr Mitte bis Ende Fünfzig. Er trug ein hellblaues Hemd, eine graue, edle Tuchhose und – man höre und staune – einen gelben Bauhelm auf dem Kopf. In den Händen hielt er, so sah es für sie zumindest aus, diverse Baupläne, mehr oder weniger ordentlich zusammengerollt. Er blickte zuerst sehr ungnädig auf seinen Arbeiter, dann auf Ilse.

„Wie bitte? Ich verstehe leider im Moment überhaupt nichts. Kann mich bitte jemand aufklären? Denn, und das möge man mir unbesehen glauben, sauer bin ich derzeit auch und zwar nicht zu knapp.“

Der Arbeiter wollte anscheinend gerade erneut zum Sprechen ansetzen, das aber wusste Ilse zu verhindern. Sie legte ihm ihre Linke auf die Schulter. „Sie können gehen, ich übernehme das hier.“ Auf seinen verblüfften Blick reagierte sie nur mit einem ungeduldigen Handwedeln und einem „Ist schon gut, geh wieder an die Arbeit, das ist wichtiger.“

Diese Wendung schien ihm nur recht zu sein, denn er trollte sich, ohne seinen Chef eines weiteren Blickes zu würdigen, der die Szene mit staunenden Augen verfolgte.

Ilse hingegen holte erneut tief Luft und wandte sich ihm zu. „So, und jetzt zu uns. Sie sind also hier derjenige, der das Sagen hat?“

„Ähm, eigentlich schon. Zumindest dachte ich das bis gerade eben. Sie möchten nicht zufällig die Bauleitung übernehmen? So schnell hat der noch nie reagiert.“

Ilse schüttelte grinsend den Kopf. „Das wollen Sie nicht, vertrauen Sie mir.“

„Da bin ich nicht so sicher. Aber, bitte, darf ich mich Ihnen vorstellen? Arnold von Löwenberg und, ja, ich bin der Chef dieser unkoordinierten Truppe.“

Ilse reichte ihm ihre Rechte. „Ilse von Karburg, meiner Freundin gehört eine Wohnung im Nachbarhaus. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie überrascht wir waren, als wir heute zu einer Begehung hier eintrafen und das vorgefunden haben.“ Sie deutete nachdrücklich auf die Großbaustelle.

„Darf ich ehrlich sein? Da haben wir etwas gemeinsam. Ich hatte zwar ein Gebot für die Arbeiten abgegeben, allerdings nie damit gerechnet, den Zuschlag zu bekommen. Ich war nicht mal der preiswerteste Anbieter. Da ich zu Hause in Wien noch eine Baustelle fertigzustellen hatte, war ich tatsächlich mehr als unvorbereitet. Ich bin jetzt seit etwa zwanzig Minuten hier und wahrscheinlich ebenso entsetzt, wie Sie es sind. Es tut mir leid, egal was, ganz ehrlich.“ Sein Lächeln war offen und er klang aufrichtig.

„Hm, ich bin gewillt, Ihnen zu glauben. Dazu müssen Sie aber kurzfristig die Arbeiten einstellen und zuallererst Ihre Arbeiter anständig ausstatten. Außerdem braucht es einen vernünftigen Bauzaun. Nicht weit entfernt ist ein Spielplatz, wenn sich Kinder hierher verirren, dann könnte das fatale Folgen haben. Das geht mich alles eigentlich nichts an, das weiß ich schon, aber ich habe eben auch langjährige Erfahrung. Mein verstorbener Mann war im Baugewerbe, wissen Sie …“

„Franz-Josef von Karburg, der beste Stahl im Land. Ich glaube, ich weiß, wer Sie sind. Einige meiner Handwerker habe ich nur, weil Sie die von Karburg-Stiftung gegründet haben.“

Ilse war ausnahmsweise sprachlos. „Die kennen Sie? Ich bin überrascht, aber ich freu mich. Sind wir uns schon mal begegnet?“ Sie musterte den gutaussehenden Adligen eingehend.

„Ich glaube nicht, dass ich bisher das Vergnügen hatte. An Sie würde ich mich erinnern, Frau von Karburg.“

„Da ist was Wahres dran. Komischerweise habe ich das schon öfter gehört.“ Ilse nickte seufzend. „Aber im Ernst, ich hoffe, Sie nehmen das hier in die Hand, denn alles, was ich sehe, ist reines Chaos.“

„Versprochen. Ich mache gerade eine Bestandsaufnahme und sobald ich mir einen einigermaßen vernünftigen Überblick verschafft habe, herrschen hier andere Zustände. Aber ich kann es regelrecht fühlen, dass Sie noch etwas auf dem Herzen haben, richtig?“

„Richtig. Hier rechts neben dem Haus sind große Ausschachtungen gemacht worden. Was wird das bitte schön? Da gehören Büsche und vielleicht kleine Laubbäume hin aber keine Betonplatten oder irre ich mich?“

Er drehte sich in die Richtung, die sie ihm zeigte. „Ach das, ja, das ist eine der Neuerungen. Das werden neue Kellerabteile, aber sobald alles fertig ist, wird’s oben wieder grün.“

„Neue Kellerabteile? Da hat doch jede Wohnung ihr Abteil, dachte ich zumindest immer?“ Grübelnd legte Ilse die Stirn in Falten. „Seit wann darf man da einfach mal die Grundstücksgrenzen verlegen?“

Von Löwenberg schöpfte tief Atem. „Liebe Frau von Karburg, ich bitte Sie herzlich um etwas Zeit. Wie gesagt, ich bin soeben erst in München eingetroffen, da ich in Wien alles anständig zu Ende bringen wollte. Ich möchte mich wirklich, ehrlich und aufrichtig, um die Sicherheit auf der Baustelle kümmern und, wie Sie sehen, liegt da einiges im Argen. Darf ich Ihnen anbieten, das morgen in Ruhe zu besprechen?“

Gezwungenermaßen nickte sie, da sie diesem Argument schwerlich etwas entgegensetzen konnte. „In Ordnung, eine Frage hab ich noch. Wie lange denken Sie, wird das hier dauern? Der Sohn meiner Freundin kommt in vier Wochen und wir müssen da oben die Wohnung vorab renovieren. Sie hat Angst, dass er hier ankommt und zum einen nebenan eine riesige Baustelle vorfindet und wir wegen Handwerkermangel noch nicht mal seine Wohnung fertig haben.“

Statt einer Antwort musterte er sie lange und nachdenklich. Endlich antwortete er. „Aufrichtig gesagt, kann ich das Ende der Baustelle nur vage auf drei bis fünf Monate bestimmen. Selbst wenn wir uns beeilen. Ich hoffe einfach, dass das Wetter lange hält. Aber wegen Ihres Handwerkermangels bin ich neugierig. Was ist denn in der Wohnung alles zu tun?“

Ilse zauberte ein höchst charmantes Lächeln auf ihre Züge. „Also, das wäre schnell geklärt.“

***

„Das haben wir binnen höchstens zwei Wochen erledigt. Die Wände streichen und im Bad die neue Duschkabine einsetzen, die Armatur am Waschbecken erneuern, das geht schnell.“ Von Löwenberg drehte sich zu ihr und Marga um. „Darf ich einen Vorschlag machen, der Sie vielleicht ein wenig milde stimmen wird?“

Ilse setzte eine sehr ernste Miene auf. „Versuchen können Sie es gerne.“

Von Löwenberg lächelte. „Sie sind nicht so leicht zu knacken, was?“

„Knacken tut es bei mir mittlerweile eh überall, ich selber bin dann schon eine härtere Nuss, wie gesagt, einen Versuch ist es wert, schießen Sie einfach los.“

„Also, da ich dank meines Vorarbeiters einige Leute mehr auf der Baustelle habe als eigentlich befürchtet, kann ich Ihnen ein Angebot machen. Ich stelle für Sie zwei Arbeiter ab, die für den Einbau der Duschkabine wie auch für das Neustreichen Ihrer Wände das passende Knowhow haben. Da ich leider nichts zu verschenken habe, Sie wissen, die Baubranche hat’s schwer, ich Ihnen aber helfen möchte, schlage ich vor, pro Mann einen Stundenlohn von zwölf Euro neunzig zu veranschlagen. Was sagen Sie dazu?“

Ilse reagierte prompt. „Klingt verlockend, aber sagten Sie nicht vorhin, dass Sie von der Zusage für das Projekt geradezu überrumpelt waren, oder so ähnlich? Brauchen Sie da nicht jeden Mann, um das zu stemmen?“

„Prinzipiell schon, aber Ihre Kleinbaustelle machen wir nebenbei. Außerdem sind sie beide im Recht. Was da direkt neben Ihrem Eigentum derzeit geschieht, ist sehr unangenehm und lästig. Da ich das leider nicht ändern kann, möchte ich wenigstens ein bisschen helfen. Was sagen Sie?“

Marga wirkte zögerlich. „Ich finde auch, dass das gut klingt, aber ist das auch wirklich in Ordnung und wie regeln wir das mit dem Material?“

„Meine Damen, mein Angebot steht und ich verspreche, dass alles seine Ordnung haben wird. Jetzt im Augenblick müsste ich dringend wieder drüben auf die Baustelle. Sie haben mit eigenen Augen gesehen, dass da einiges im Argen liegt. Ich möchte schnellstmöglich für einen ordentlichen Ablauf sorgen, darum muss ich Sie jetzt leider verlassen. Mein Vorschlag: Ich lade Sie beide morgen zum Brunch ein. Ich war schon länger nicht mehr hier, gibt es das schöne Café Reitschule noch?“

Spontan nickte Ilse. „Das gibt’s noch. Ich denke auch, dass wir heute nichts übers Knie brechen müssen. Also, wenn es nach mir geht, ich könnte morgen um elf Uhr in der Reitschule sein, Marga, wie schaut’s aus?“

Die Freundin nickte zustimmend. „Ich bin dabei, dann können Sie uns sicher auch gleich erklären, was da drüben alles verändert wird, denn so, wie es da ausschaut, wird das nie wieder wie zuvor.“

„Nichts für ungut, die Damen, aber ist das nicht der Sinn einer Komplettsanierung? Es soll nicht mehr so aussehen wie vorher.“ Der adlige Bauherr schmunzelte amüsiert auf sie und Marga herunter.

Ilse blickte zu ihm auf und grinste zurück. „Ausgmacht, dann klären wir das morgen. Eine Frage hätt ich aber jetzt schon noch. Sie kommen nicht von hier, oder? Ich könnt ja schwören, Sie sind ein Landsmann, also aus … Wien?“

Von Löwenberg verbeugte sich elegant. „Treffsicher erkannt. Geborener Wiener, international tätig, jedoch immer wieder dahin zurückgekehrt. Wir sehen uns morgen Vormittag. Ich bringe ein paar Unterlagen mit und wir besprechen alles, einverstanden? Ich müsste jetzt wirklich endlich los.“

„Raus mit Ihnen und wir reden dann morgen weiter. Gutes Gelingen dabei, diesen Augiasstall einigermaßen auszumisten.“ Ilse öffnete ihm die Tür und grinste ihn breit an.

„Geben Sie mir Herkules mit, gnädige Frau, und ich schaffe es im Handumdrehen.“ Lachend verschwand der wortgewandte Österreicher.

Charmeoffensive

„Auf den Mund gefallen ist er schon einmal ganz gewiss nicht. Was hältst du von deinem adligen Landsmann?“ Marga schien sich noch nicht mit der Idee einer Kooperation mit dem Herrn anfreunden zu können.

„Kann ich, ehrlich gesagt, noch nicht einschätzen. Er macht einen freundlichen, entgegenkommenden Eindruck. Blöd ist er auch nicht. Er scheint von dem, was er drüben vorgefunden hat, ebenso wenig begeistert gewesen zu sein, wie wir. Wenn seine Behauptung, dass er den Zuschlag vollkommen unerwartet erhalten hat, stimmt, dann könnte das alles seine Richtigkeit haben.“ Ilse knispelte nachdenklich an ihrem Daumennagel herum.

„Aber …?“, versuchte Marga, ihr auf die Sprünge zu helfen.

„Aber ich zweifle ein bisserl an, dass man den Zuschlag für ein solches Bauvorhaben quasi aus heiterem Himmel erhält und davon überrascht wird. Hier in München, wo sie für so ein Objekt wahrscheinlich auf Knien nach Canossa rutschen würden? Alles andere könnt ich ihm glauben, weil es spontan und aufrichtig rauskam, aber das? Ah, geh, doch ned bei uns.“

„Und jetzt?“ Marga warf einen unsicheren Blick auf die Badezimmertür. „Gleich zwei Männer hier zu haben, wär schon gut. Du weißt schon: Handwerkermangel und so.“

„Ich weiß, meine Liebe, und eben darum werden wir morgen dem edlen Herrn ein bissi auf den adligen Goldzahn fühlen. Ich hab schon lang kein Reitstall-Frühstück mehr gegessen. Die Eier im Glas sind herrlich.“

Marga kicherte. „Von wem sind die denn? Also, die Eier?“

„Oiso de vom Richard sans ned, weil die host ja du scho.“ Ilses Antwort klang todernst, wohingegen Marga schier explodierte vor Lachen.

„Du bist eine dermaßen gspinnerte Urschel, aber genau darum mag ich dich so. Und jetzt holst du bitte deinen Meterstab raus und wir messen das Bad aus, einverstanden?“

***

Der nächste Morgen brachte Nieselregen und wolkenverhangenen Himmel. Ilse klopfte ihrem Schnucki tröstend auf das geschlossene Verdeck. „Hilft leider nichts, mein Schnuckilein, Regen ist angeblich gut für die Haut, aber nicht für deine Sitze.“ Während sie in gemächlichem Tempo von Grünwald in Richtung Schwabing aufbrach, rekapitulierte sie den vergangenen Tag.

Der Österreicher erschien freundlich, sympathisch und hilfsbereit und, wenn er Wort hielt und Marga unter die Arme griff, dann war das ein weiterer Pluspunkt für ihn. Was ihr nach wie vor Kopfzerbrechen bereitete, das war die Riesenbaustelle samt der vorgefundenen Zustände. Sollte er heute in der Lage sein, alles vernünftig zu erklären, dann sei dem so.

Ilse setzte den Blinker, um auf den Mittleren Ring abzubiegen, der um diese Zeit nicht mehr ganz so überfüllt war wie am früheren Morgen. An und für sich hatte sie sich vorgenommen, den Rest des Jahres ein vorbildliches, altersgerechtes Dasein zu fristen. Gern auch mit Kaffee und Bienenstich, unterbrochen von den Trainerstunden mit Marcus, ab und an brauchte es einfach etwas Hübsches für das weibliche Auge. Aber sie fühlte tief in sich, dass irgendwo in den vorgefundenen und elegant angeprangerten Umständen ein Widerspruch lauerte. Nicht umsonst war sie immer an Franz-Josefs Seite gewesen, nicht umsonst hatte sie vieles im Büro für ihn erledigt und ihn so unterstützt. Da war es nur verständlich, dass, tief in ihrem Inneren, schon wieder so ein dummer Sensor ansprang. Aber sie war gewillt, diesen Schalter auch gern wieder umzulegen, sollte das Gespräch an diesem Vormittag positiv verlaufen.

Sie erreichte das Café überpünktlich. Suchend huschte ihr Blick die Reihe parkender Autos entlang. Da war es wieder, das alte Schwabinger Problem. Schon am Vormittag keine Parkplätze. München, deine Sterne! Aber Ilse wusste sich zu helfen. Langsam fuhr sie bis zu einem großen, sichtlich alten, aber wunderschön restauriertem Haus. Das fünfstöckige Gebäude beherbergte zahlreiche Anwaltskanzleien und zwei Notare. Otto Normalverbraucher konnte sich die hier aufgerufenen Mieten wohl auch kaum leisten. Sie griff zum Handy und tippte eilig eine Nummer ein.

„Bernhard? Mei bin ich froh, dass du da bist. Ich steh hier draußen auf der Straße und suche seit Stunden einen Parkplatz. Wäre es bitte, bitte möglich, mich auf einen eurer Kundenparkplätze zu stellen? Ich bin schon ganz durch den Wind, wenn’s so weitergeht, verpass ich meinen Termin.“