Manege frei für Lili - Lili Paul-Roncalli - E-Book

Manege frei für Lili E-Book

Lili Paul-Roncalli

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Beschreibung

Spätestens seit ihrem Sieg bei Let's Dance 2020 kennt fast jeder die Artistin Lili Paul-Roncalli. In ihrer beeindruckenden Autobiografie erzählt die 23-Jährige, wie sie zum Star in der Manege geworden ist. Von der Kindheit im Circus Roncalli über erste Auftritte als Rollschuhakrobatin bis zu ihrem Erfolg als "Schlangenmensch" im Zirkus ihres Vaters und auf anderen Bühnen in Europa. Ein aufregendes Buch, extra für Kinder geschrieben, mit vielen privaten Fotos und Hintergrundinfos.

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Über dieses Buch

Vorhang auf für Lili

 

Schlangenmensch und Rollschuh-Akrobatin:

Wenn du Lili Paul-Roncalli in der Manege zuschaust, stockt dir der Atem. Doch hinter den glitzernden Kostümen und dem Applaus im Zirkus ihres Vaters steckt jede Menge hartes Training – und dabei musste sie ja auch noch zur Schule gehen!

 

Wie hat Lili ihren mutigen Traum verwirklicht? Erlebe, wie sie ihre Zuschauer in der Manege und auf der großen Fernsehbühne bei »Let’s Dance« verzaubert.

 

Komm mit in die aufregende Zirkuswelt!

Vorwort

Hallo, ihr Lieben,

ich freue mich, dass ihr mein Buch aufschlagt. Ihr kennt mich vielleicht aus dem Fernsehen oder der Manege des Circus-Theater Roncalli – aber hier lernt ihr mich ganz ohne Glitzer und völlig ungeschminkt kennen. Das eine ist nämlich das Leben im Rampenlicht und das andere ist das Leben dahinter, das wirklich echte Leben. Das Leben hinter den Scheinwerfern. Ich möchte euch von großen Glücksmomenten, Schwierigkeiten, Entscheidungen und Ängsten erzählen und was mir geholfen hat, meinen Weg zu finden. Ich möchte euch erzählen, warum mir Familie, Freunde und ein gutes Team so wichtig sind. Und was mich meine Kindheit im Zirkus gelehrt hat.

Ich hatte das Glück, eine große Schwester und einen großen Bruder zu haben. In vielen Dingen konnte ich ihnen folgen und von ihren Erfolgen und aus ihren Fehlern lernen. So hatte ich es manchmal leichter, weil der Pfad für mich schon ein wenig ausgetrampelt war. Ich würde mich freuen, wenn ich dasselbe als große Schwester für euch tun könnte. Wenn ihr aus dem, was ich erlebt habe, etwas für euer Leben mitnehmen könnt. Und natürlich hoffe ich, dass ihr Spaß am Lesen habt. Ich hatte da nämlich so meine Schwierigkeiten. Ich bin Legasthenikerin. Lesen und ohne Fehler zu schreiben, hat mir echt Mühe bereitet. Ich musste das wie eine neue Zirkusnummer angehen: mit viel positiver Energie und ordentlich Disziplin. Das habe ich nämlich im Circus-Theater Roncalli gelernt: Grenzen zu überwinden und über sich hinauszuwachsen. Aber lest selbst.

Ganz viel Spaß,

eure Lili

Ich bin ein Zirkuskind

Meine Familie stammt aus Italien und Österreich, geboren wurde ich in München, unser Haus steht in Köln – aber mein Zuhause ist der Zirkus. Genau genommen: der Circus Roncalli, den mein Papa vor über 40 Jahren gegründet hat. Die Welt meiner Kindheit lag hinter dem rot-weißen Zirkuszaun mit den goldenen Kugeln, und mein Spielplatz war die Manege – ganz egal, in welcher Stadt, in welchem Land wir uns gerade befanden.

Dabei hätte es auch völlig anders kommen können. Mein Papa Bernhard kommt nämlich gar nicht aus einer Zirkusfamilie. Meine Großeltern waren ganz normale Leute, die in einer Wohnung in St. Pölten lebten, einem Städtchen in der Nähe von Wien, in Österreich. Mein Papa war ein sehr kreatives Kind. Er zeichnete, baute, bastelte. Zudem hatte er feuerrote Haare. All das machte ihn zu etwas Besonderem. Und besonders zu sein, heißt auch, anders zu sein. Ich glaube, mein Papa fühlte sich mit seinen Talenten und seinem Aussehen immer etwas fremd in diesem Städtchen – bis eines Tages ein kleiner Zirkus anreiste. Als er die glitzernden Kostüme sah, die Pferde mit dem Federschmuck, Feuerspucker, Jongleure, Schlangenfrauen – da war er wie elektrisiert. Das war eine andere, fremde Welt. Sie war bunt, schillernd, aufregend. Uns Kindern hat er hunderte Male von dem Moment erzählt, als die Clowns mit ihren großen Schuhen und den roten Nasen die Manege betraten. Die waren komplett anders – aber sie scherten sich nicht darum. Die wollten gar nicht sein wie die Menschen um sie herum. Das war der Moment, an dem mein Papa beschloss: Ich werde Clown und gründe einen eigenen Zirkus.

Als der Zirkus nach einer Woche wieder abreiste, war er unendlich traurig. Immer wieder lief er zu der Festwiese und stand allein an dem Kreis aus Sägespänen, der mit dem jedem Tag mehr verblasste. Ich denke, von dem Moment an wollte er nie mehr von einem Zirkus zurückgelassen werden. Und so verfolgte er seinen Traum und schuf den Circus Roncalli. Ein Zirkus, der genauso aussah, wie er ihn sich in seinen kühnsten Kindheitsträumen ausgemalt hatte – und vielleicht sogar noch ein bisschen schöner. Mein Papa, der Grafik studierte, wollte übrigens, dass man seinen Circus Roncalli mit »C« schreibt. Erstens, weil es schöner aussieht, und zweitens, weil es internationaler ist.

Bei meiner Mama ist es ganz anders. Sie stammt aus einer der alten italienischen Zirkusfamilien. Alle – Cousins, Cousinen, Tanten, Onkel, Geschwister – sind seit acht Generationen Artisten und Artistinnen. Meine italienischen Verwandten sind überall auf der Welt verstreut und arbeiten als Hochseilartisten, Trapezkünstler, Akrobaten, Dompteure oder Clowns. Meine Mama ist im Wohnwagen groß geworden und hatte schon als Kind halb Europa bereist.

Getroffen hatten sich meine Eltern dann – wie sollte es anders sein – im Zirkus Krone. Dort waren meine Mama und ihre Familie damals engagiert. Zu dieser Zeit performte meine Mama eine Säbel-Balance. Ihre langen schwarzen Haare reichten ihr bis zum Po, und sie sah wunderschön aus.

Mein Papa sagt immer, dass er auf der Stelle verliebt war. Er hat damals zu einem Freund gesagt, der mit ihm die Vorstellung anguckte: »Die heirate ich mal.« Und wie man sieht: Er hat es geschafft. Wenn mein Papa sich mit seinem Dickkopf etwas vornimmt, dann klappt das auch.

Es waren völlig gegensätzliche Welten, die sich da begegneten – die sich jedoch bis heute super ergänzen: Meine Mama weiß alles über das Traditionelle vom Zirkus, und mein Papa steht für das Neue, das Innovative.

Das Lustige ist: Zu Beginn konnten die beiden kein Wort miteinander sprechen. Damals konnte mein Papa nur Deutsch und Englisch – und meine Mama sprach Italienisch, Spanisch und Französisch.

Mein Papa hat meine Mama dann trotzdem einfach mitgenommen – vom Zirkus Krone zum Circus Roncalli. Ich glaube, diese Mischung, die die beiden mit sich bringen, macht den Circus Roncalli zu etwas ganz Besonderem und auch zu einem echten Zuhause für alle Menschen, die dort arbeiten. Es gibt viele Artisten, die uns nach Jahren besuchen kommen und sagen, dass sie sich nirgends so wohl gefühlt haben wie bei uns, im Circus Roncalli. Meine Mama mit dem Background dieser riesigen Zirkusfamilie kann allen Menschen ein besonderes, familiäres Gefühl vermitteln. Dieses Sich-zu-Hause-Fühlen. Mein Papa steht, wie gesagt, mehr für die Erneuerungen, für schräge Ideen und mutige Änderungen. Er macht vieles anders als im herkömmlichen Zirkus – und das ist, wie sich immer wieder gezeigt hat, der absolut richtige Weg.

Und weil meine Eltern den Zirkus und das Zirkusleben nun einmal so sehr lieben, war es auch überhaupt keine Frage, dass meine Geschwister und ich im Zirkus aufwachsen.

Darüber bin ich sehr, sehr froh, denn ich kann mir keine bessere Kindheit vorstellen. Dabei ist mir als kleines Mädchen gar nicht bewusst gewesen, wie anders unsere Welt eigentlich war. Zum Beispiel war es für mich ganz normal, dass mein Papa zum Mittagessen oder Kaffeetrinken mit bunt geschminktem Gesicht erschien, weil er ja gleich wieder in die Manege musste. Besonders komisch war es, wenn er sich mal über etwas aufregte oder mit uns Kindern schimpfte (was nicht oft vorkam). Er saß dann mit runder, roter Clownsnase vor uns, haute mit der Hand auf den Tisch und sagte mit strenger Miene: »Es reicht.« Wir Kinder konnten dann einfach nicht ernst bleiben. Ganz besonders ich.

Meine Mutter sagt oft, dass keines von uns Kindern Papa so gut um den Finger wickeln konnte wie ich. Vielleicht, weil ich denselben Dickkopf habe wie er?

 

Auch sonst ist es bei uns im Zirkus nie langweilig. Es ist immer etwas los. Wir Zirkusleute sind ein wilder, bunt gemischter Haufen. So ein Zirkusplatz ist wie ein Dorf – nur dass hier unzählige Nationalitäten dicht an dicht in den Wohnwagen leben, Menschen verschiedener Religionen, Alte, Junge, Kinder. Es herrscht immer ein Sprachengewirr. Für Vorurteile ist da wenig Platz. Wir haben auch schlichtweg keine Zeit dazu, uns Gedanken darüber zu machen, wer warum wie isst oder spricht oder wie die jeweiligen Menschen zusammenleben. Auch wer wen liebt, interessiert niemanden. Kein Zirkuskind wundert sich, wenn Männer sich schminken oder glitzernde Kostüme tragen. Wir hatten unter unseren Artisten oft zwei Männer oder zwei Frauen, die ein Paar waren. Ich fand das ganz normal, wenn die sich küssten oder umarmten. Meine Eltern haben immer gesagt: »Wo die Liebe hinfällt. Es ist total wurscht. Hauptsache, die Menschen sind glücklich.« Damit war die Sache gegessen. Erst viel später, so mit siebzehn, achtzehn Jahren habe ich gemerkt, was für eine Feindlichkeit da draußen, außerhalb der Zirkuswelt, gegen manche Menschen herrscht. Das war für mich schockierend, und ich dachte, das kann doch nicht wahr sein! So sieht es da draußen aus? Ich kannte solche Vorurteile nicht, denn bei uns zählt einzig und allein, ob du ein guter Artist bist und wie du dich ins Team einbringst. Der Rest ist komplett uninteressant. Dieses Verständnis von »das ist normal« existiert in der Welt des Zirkus nicht. Genauso wenig wie die Nationalität. Es ist egal, was für einen Pass du hast oder woran du glaubst. Für uns steht an erster Stelle, dass wir uns aufeinander verlassen können. Viele von uns riskieren jeden Tag ihr Leben. Eine Unaufmerksamkeit, nur ein kleiner Fehler, kann eine katastrophale Konsequenz haben.

Darum lernen wir von Anfang an, wie wichtig der Respekt vor der Arbeit jedes Einzelnen ist: Ohne Unterstützung der Beleuchter, Musiker, Requisiteure könnte ich nicht auftreten. Alle sind wichtig, damit am Ende eine perfekte Show herauskommt.

Nun riskiere ich bei meiner Darbietung als Schlangenfrau nicht mein Leben, aber die Rollschuhnummer, die ich mit meinen Geschwistern mache, ist wirklich gefährlich. Wenn mein Bruder mich nicht hält und ich bei vollem Tempo stürze, dann könnte das fatale Folgen haben. Oder meine Schwester! Sie arbeitet in acht Metern Höhe am Luft-Ring. Unser Chefrequisiteur Peter bedient den Motor, der sie hoch- und runterzieht. Macht er einen Fehler – puh, darüber möchte ich gar nicht nachdenken! Darum geht das Team über alles, und ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich das von Anfang an gelernt habe.

Und es gibt noch etwas, das ich am Zirkusleben sehr schätze: Alle lieben, was sie tun. Warum sonst geben wir Shows in einem brütend heißen Zelt? Oben, unter der Plane sind es im Sommer manchmal 50 Grad! Oder im Winter, wenn es so kalt ist, dass uns die Wasserleitungen einfrieren und wir kein Wasser im Wohnwagen haben. Der Weg von der Garderobe bis zum Zelt ist dann eisig. Trotzdem geben wir immer hundert Prozent, denn jede Show muss perfekt sein.

Wie sehr wir alle unser Zirkusleben lieben, habe ich oft erlebt, wenn ich mit meiner Familie einen anderen Zirkus besucht habe, der in der Nähe gastierte. Plötzlich standen wir dort Roncalli-Artisten gegenüber, die sich ebenfalls die Show ansehen wollten. Mein Papa hat dann immer gesagt: »Habt ihr jemals gesehen, dass Fabrikarbeiter hundert Kilometer fahren, nur um sich eine andere Fabrik anzugucken? Ganz sicher nicht.«

Ja, wir Zirkusleute sind ein besonderer, bunter Haufen – darum begann mein Leben vielleicht auch schon ziemlich turbulent.

Mein Start ins Leben

Zehn Tage vor meinem Geburtstermin war die Premiere eines neuen Programms im Apollo-Varieté. Dieses Zirkus-Theater in Düsseldorf gehört zum Circus Roncalli. Meine Mama kannte dort einige Artisten und wollte sich die Show gern ansehen. Meine Schwester Vivi und mein Bruder Adri konnten natürlich nicht mitkommen. Sie waren damals neun und acht Jahre alt und mussten am nächsten Morgen in die Schule. Darum passte ein Babysitter auf sie auf. Als meine Mama spätabends von der Premiere nach Hause zurückkehrte, war Vivi noch wach und in Tränen aufgelöst. Der Babysitter war offensichtlich sehr streng gewesen. Darüber hat sich meine Mama mit ihrem echt italienischen Temperament so sehr aufgeregt, dass die Wehen eingesetzt haben! Mein Papa hat sofort unseren Arzt in München angerufen – denn da sollte ich zur Welt kommen. Da die Wehen zum Morgen hin etwas nachließen und nur sehr unregelmäßig kamen, sagte der Arzt, meine Mama solle sofort nach München kommen.

Nun hatte mein Vater aber an diesem Tag die Präsentation seiner ersten eigenen Zirkus-Parfüm-Kreation. Es war ein besonderer Flakon mit einer kleinen Artisten-Figur, die er selbst entworfen hatte. Auch den Blütenduft hatte er eigens in einer spanischen Manufaktur zusammengestellt. Für die Präsentation des Parfüms wurden rund hundert Journalisten im Zirkuszelt erwartet. Mein Papa sagte zu meiner Mama: »Elli, ich kann die Leute da nicht einfach stehen lassen. Flieg du nach München, ich gebe dir jemanden zur Begleitung mit, dann komme ich nach.«

Also ist meine Mama ohne meinen Papa nach München geflogen. Begeistert war sie natürlich nicht. Als sie dann im Krankenhaus ankam, wurde sie auf einen Stuhl in den Gang gesetzt. Es sollte zwar eigentlich gleich losgehen, aber dann gab es einen Notfall nach dem anderen, und meine arme Mama wartete Stunde um Stunde. Weder mein Papa erschien, noch kam sie endlich an die Reihe. Irgendwann ist ihr der Kragen geplatzt und sie hat einen zweiten italienischen Wutanfall bekommen – und siehe da, plötzlich ging alles ganz schnell – und schwupps, kam ich auf die Welt. So schnell, dass es mein Papa nicht mehr pünktlich zu meiner Geburt geschafft hat.

Wahrscheinlich habe ich damals, mit dem ersten Atemzug schon gelernt: Wir leben für den Zirkus – nimm dich mal selbst nicht so wichtig. Keine schlechte Lektion, finde ich.

 

Übrigens: Mit meinem Namen folgten meine Eltern dann einer kleinen Familien-Zirkustradition: Meine Mutter heißt nämlich richtig Eliana, meine Schwester Vivian – und ich Lilian. Aber jeder ruft uns nur: Elli, Vivi und Lili. Mein Bruder Adrian, den wir meist Adri rufen, hat seinen Namen wegen des berühmten Clowns Grock. Der heißt in Wirklichkeit Adrian Wettach und war das große Vorbild meines Vaters.