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Die Kunst des Papa-Seins: „Männer sind die besseren Väter“ von Beatrix Mannel jetzt als eBook bei dotbooks. Nick ist gerade stolzer Papa geworden. Und nimmt seine Rolle sehr ernst. Zu ernst? Denn seine Frau Eva fühlt sich ganz fürchterlich bevormundet. Um dem zu entkommen, flüchtet sie sich in die Berufstätigkeit. Wie praktisch, dass Evas Freundin Carla ebenfalls gerade Mutter geworden ist und die beiden Kinder Vollzeit betreuen kann. Doch auf einmal scheint Nick sich besonders um Carla zu kümmern … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Männer sind die besseren Väter“ von Beatrix Mannel. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 326
Über dieses Buch:
Nick ist gerade stolzer Papa geworden. Und nimmt seine Rolle sehr ernst. Zu ernst? Denn seine Frau Eva fühlt sich ganz fürchterlich bevormundet. Um dem zu entkommen, flüchtet sie sich in die Berufstätigkeit. Wie praktisch, dass Evas Freundin Carla ebenfalls gerade Mutter geworden ist und die beiden Kinder Vollzeit betreuen kann. Doch auf einmal scheint Nick sich besonders um Carla zu kümmern …
Über die Autorin:
Beatrix Mannel studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Erlangen, Perugia und München. Danach arbeitete sie zehn Jahre als Redakteurin beim Fernsehen. Seitdem schreibt sie auch unter ihrem Pseudonym Beatrix Gurian Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in mehr als zehn Sprachen übersetzt wurden. Für ihre aufwändigen Recherchen reist sie um die ganze Welt. Außerdem unterrichtet sie kreatives Schreiben für alle Altersstufen.
Mehr Informationen auch auf der Website der Autorin: www.beatrix-mannel.de
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Neuausgabe Juli 2015
Dieses Buch erschien bereits 2000 unter dem Titel Voll ins Schwarze bei Econ Ullstein List Verlag GmbH und Co. KG, München.
Copyright © der Originalausgabe 2000 Econ Ullstein List Verlag GmbH und Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de
Titelabbildung: Thinkstockphoto (oksix/claudia balasoiu)
ISBN 978-3-95824-245-6
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Beatrix Mannel
Männer sind die besseren Väter
Roman
dotbooks.
Jemand zupfte am Ärmel meiner dunkelblauen Kostümjacke und weckte mich aus einem wunderbaren Traum, in dem Nick und ich in einem Whirlpool akrobatische Höchstleistungen vollbrachten. Es war die Stewardeß mit der Frage, welches Menü ich denn gern essen wollte. Ich entschied mich für Huhn. Sie nickte knapp, so daß ihr Pferdeschwanz, der von einem blauroten Seidentuch mit dem Emblem der Fluglinie umwickelt war, einmal hin- und herwippte. Dann kniete sie sich vor die ramponierte Menüverteilerbox und machte sich auf die Suche nach einem Tablett mit Hühnchen. Ich versuchte, Carla neben mir zu wecken. Aber sie schlief so fest, daß ich es nicht übers Herz brachte und mit der leicht genervten Flugbegleiterin vereinbarte, daß Carla ihr Essen auch später bekommen könnte.
Wie liebenswert Menschen doch aussehen, wenn sie schlafen. Instinktiv möchte man eine Decke über sie breiten und »Sch sch!« machen. Carla war so oder so liebenswert. Allerdings war mir das nicht von Anfang an klar gewesen, und unsere Freundschaft hatte sich erst allmählich entwickelt. Ich versuchte, den Deckel der Salatsauce aufzureißen, ohne mich vollzuspritzen. Durch Carla hatte ich ziemlich überraschende Seiten an meinem Mann Nick kennengelernt, von denen ich vorher nicht das mindeste geahnt hatte. Ich schüttete das schleimig aussehende Dressing über die vier Salatblätter und nahm eine Gabel voll. Wie ein Kommentar zu diesem widerlich matschigen Geschmackserlebnis kam ein leises Seufzen von Carla. Was sie wohl träumen mochte? Hoffnungsvoll öffnete ich den Aludeckel meines Huhnmenüs. Rosarote Pampe mit etwas Reis. Sei nicht so wählerisch, Eva, wir sind hier nicht im Vier-Sterne-Lokal! Außerdem, was sollte man denn sonst schon machen, auf diesem endlos langen Flug von Los Angeles nach Frankfurt? Auf dem Hinflug war ich allein gewesen und völlig verzweifelt, da hatte ich mich nicht gelangweilt, sondern nur meine Wunden geleckt. Wenn Carla nicht nach Los Angeles gekommen wäre und wir dieses unglaubliche Geheimnis nicht gemeinsam gelüftet hätten, wer weiß, wo ich jetzt wäre. Was wäre aus unseren Kindern geworden? Und was aus meiner Ehe? Wieso hatte ich eigentlich nicht schon viel früher gemerkt, was gespielt wurde? Aber mein eher langweiliges, unspektakuläres Leben hatte mich eben nicht auf die Begegnung mit Carla vorbereitet. Ich erinnere mich ganz deutlich an die Nacht, in der ich sie zum erstenmal sah, denn es war an Max’ Geburtstag …
Nick winkte noch einmal und verschwand dann hinter den automatischen Glas-Schiebetüren.
Sofort wich meine unglaubliche Euphorie der schrecklichen Erkenntnis, daß ich bereits in diesem frühen Stadium der Mutterschaft – 30 Minuten – einen Fehler gemacht hatte. Ich hatte kein Handy mitgebracht. Total allein mit mir, einem Laken und dem klebrigsten Säugling der Welt, lag ich auf diesem Rollbett und starrte die weißgekachelten, gut abspritzbaren Wände an, durch die das gedämpfte Schreien und Keuchen der anderen Frauen deutlich zu hören war. Ich kam mir jämmerlich allein vor. Dabei wollte ich so gerne mit jemandem reden. Eine menschliche Stimme hören. Ich hatte gerade den Mount Everest bestiegen, und niemand war da, dem ich von meinen Heldentaten berichten konnte. Nicht mal die Hebamme ließ sich blicken, um nach mir oder Max zu schauen.
Endlich ging die Tür zum Kreißsaal auf, und noch eine Mutter wurde hereingerollt. Sie lag mit geschlossenen Augen auf der Seite. In ihrem schlanken Arm hielt sie in einer eleganten, graziös wirkenden Haltung ihr Baby, das wie mein Sohn viele schwarze Haare hatte. Die Hebamme parkte die beiden direkt neben uns. Ihr Baby starrte mit weit aufgerissenen Augen zu uns herüber. Das war eindeutig der Versuch einer Kontaktaufnahme.
»Hallo«, flüsterte ich hoffungsvoll. Keine Reaktion. Ich probierte es noch einmal lauter. »Hallo!« Sie öffnete langsam ihre schwarzbewimperten Augen und sah mich an. »Was is’n los?«
»Herzlichen Glückwunsch, Junge oder Mädchen?« Ich zeigte auf ihr Neugeborenes. Genervt zog sie ihre dunklen, buschigen, ungezupften Augenbrauen zusammen. »Was zur Hölle geht Sie das an?«
Unser Gespräch begann ja nicht gerade vielversprechend, aber es war immerhin eine Art der Kommunikation. »Eigentlich nichts, aber es hat mich einfach interessiert, wie es bei Ihnen gelaufen ist?«
Sie schüttelte den Kopf, dabei löste sich das weiße Haarnetz, das sie ihr übergestülpt hatten, und ihr langes, dunkelbraunes Haar fiel fließend über den Bettrand. Interessiert betrachtete ich ihr Gesicht. Sie war sehr blaß und sah aus wie die blutleere Kopie eines präraffaelischen Engels mit dunklen Haaren. Sie hatte einen großen Mund mit fahlen Lippen, die sie häßlich zusammenpreßte, als sie mir antwortete. »Ich will jetzt bloß noch meine Ruhe!« Sie schloß wieder ihre Augen. Vielleicht hatte ich ihr einfach die falsche Frage gestellt. Ich mußte irgendwie ihr Interesse wecken. In der Hoffnung, sie neugierig zu machen, fragte ich sie, ob sie die Geburt auch für das größte sexuelle Erlebnis ihres Lebens halten würde. Instinktiv tastete sie nach ihrem Baby und sagte dann, immer noch mit geschlossenen Augen: »Sind Sie schwachsinnig, oder hat man Ihnen bei der Geburt was amputiert?« Gottseidank! Sie hatte angebissen. Ein Mensch redete mit mir.
»Ich bin überhaupt nicht schwachsinnig, diese These stammt nicht von mir, sondern von Sheila Kitzinger.«
Sie veränderte sehr vorsichtig ihre Körperhaltung. Das sah nach einem Dammschnitt, vielleicht auch einem Kaiserschnitt aus.
»Und wer zur Hölle soll das sein?«
Unvorstellbar! Mit wem war ich denn da ins Gespräch gekommen? Diese mitteleuropäische Frau hatte in einem deutschen Krankenhaus entbunden und nichts von der Prophetin der sanften, natürlichen und einzigartigen Geburt gehört?
»Soll das heißen, Sie haben sich vor der Geburt nicht mal ein bißchen Literatur zum Thema besorgt?«
»Schwachsinn.«
»Das ist doch kein Schwachsinn. Nicht, daß ich dieselbe Meinung hätte wie Frau Kitzinger, aber so ein bißchen Geburtsvorbereitung ist doch obligatorisch?!«
»Möchte mal wissen, wozu das Gehopse auf Gummibällen mit anschließendem Gruppengestöhne gut sein soll?«
Ich war gegen meinen Willen beeindruckt. Neben mir lag die erste Mutter des Universums, die sich über die heiligen Riten der Geburtsvorbereitung hinweggesetzt hatte. »Ja, aber wie haben Sie sich denn dann auf die Geburt vorbereitet, oder ist das hier vielleicht schon Ihr zweites Kind?«
Sie bettete ihr Baby auf die andere Seite und betrachtete es dabei voller Stolz. »Nee, das ist mein Erster, und wir haben einfach alles auf uns zukommen lassen. Ist doch echt gelungen, oder nicht?«
Ihr Kind sah tatsächlich ganz o. k. aus, natürlich konnte ich nicht beurteilen, ob es alle zehn Punkte beim Apgar-Test bestanden hatte, so wie mein Max. Wir hatten uns schließlich optimal vorbereitet. Ich nickte.
»Also, was hat es dir denn schließlich gebracht, das ganze Gedöns?« Ziemlich aggressiv strich sie mit der freien Hand ihre Haare nach hinten und sah mich herausfordernd an. Unser Gespräch lief nicht besonders gut, aber ich wollte auf jeden Fall weiterreden. Also unterdrückte ich meinen Ärger darüber, daß sie mich auch noch unaufgefordert duzte! Statt dessen suchte ich verzweifelt nach einer überlegenen, intelligenten Antwort.
»Na?« kam es noch mal.
»Nichts«, gegen meinen Willen war ich ehrlich. Das überraschte mich selbst, denn meinen Freundinnen Anja und Doris, den Supermüttern in meinem Bekanntenkreis, würde ich natürlich etwas anderes erzählen: Von dem »einzigartigen, emotionalen Erlebnis, das mein Leben als Frau gekrönt hatte«, und nichts von der »unnatürlichen« kleinen Rückenmarksanästhesie. In ihren Augen hatte ich mich als Mutter sowieso schon disqualifiziert, denn der arme Max war ja in der direkten Vorhölle auf die Welt gekommen: im Krankenhaus!
Anja und Doris gebaren – sie waren überzeugte Anhängerinnen des aktiven Ausdrucks »ich gebar«, das fanden sie passender als »ich habe ein Kind bekommen« – prinzipiell ohne Arzt und niemals im Krankenhaus. Das wichtigste, so ihr Credo, sei die Ankunft des Kindes. Sie müsse in einer herrlichen, streßfreien Umgebung stattfinden. Deshalb spielten sie bei ihren Geburten auch immer ganz sanfte Musik oder esoterische Highlights mit Meeresrauschen und klingkling klong aus dem All.
Unerwartet erwies mir die andere Mutter noch mal die Gnade ihrer Aufmerksamkeit.
»Ich hatte mit den Schmerzen nichts am Hut«, sagte sie. »Ich war gottfroh, daß sie mir diese klasse Betäubung gemacht haben. Der Kleine hat ja auch einen riesigen Kopfumfang gehabt!«
Noch bevor ich ihr sagen konnte, daß das bei Max auch so war, kam leider die Hebamme herein und rollte mich aus der Geburtsabteilung.
Das dezent altrosafarbene Zweibettzimmer mit großen Fenstern zum dunklen, trostlosen, spätherbstlichen Englischen Garten hin war winzig und roch nach einem undefinierbaren Gemisch aus Blut, Fencheltee und Apotheke.
Aber wenigstens hatte ich hier ein Telefon, so konnte ich endlich meinen Mann Nick anrufen. Leider war nur der Anrufbeantworter dran. Seine atemlose, leicht gepreßte Stimme teilte triumphierend mit: »Max, Eva und Nikolaus Herbst sind leider nicht zu Hause, bitte hinterlassen Sie Ihre Nachricht nach dem Pieps …«
3 Uhr nachts, wen konnte man da noch anrufen? Ich war sehr müde und trotzdem total aufgekratzt. Halb vier, die Tür ging auf, und die Mutter von vorhin wurde hereingerollt.
Sie hatte sich auch für Rooming-in entschieden. Die beiden Kinderbettchen wurden so gestellt, daß die Mutterbetten nebeneinander waren, und die Babys außen neben den jeweiligen Müttern standen.
Sie schaute sich gründlich in dem Raum um und fragte die kleine, zierliche Schwester, deren Brille nur schlecht ihre dunklen Augenringe verbarg: »In welche Himmelsrichtung geht denn dieser Raum?«
Die Schwester antwortete leicht verwirrt: »Ich weiß nicht, ich bin nur zur Aushilfe hier.«
»Waren Sie noch nie bei Tageslicht in diesem Raum? Wo scheint denn mittags die Sonne?«
»Ich habe immer nur Nachtschicht.«
»Das gibt’s doch nicht. Wenn Sie sich das Krankenhaus mal von außen vorstellen, in welcher Himmelsrichtung befindet sich denn der Haupteingang?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht!«
Die andere Mutter griff sich gereizt an den Kopf. »Und was ist mit dem Hintereingang?«
Die Schwester schüttelte den Kopf. Sie schaute meine Bettnachbarin an, als hätte sie eine Verrückte vor sich. »Ich habe den Hintereingang überhaupt noch nie benutzt, ich fahre immer gleich in die Tiefgarage!«
Die beiden waren immer lauter geworden, und die Babys reagierten auf den ungewohnten Lärm mit Gebrüll. Die Schwester reichte meiner neuen Bettnachbarin ihren Sohn und murmelte eine unverständliche Kurzfassung zum Thema »Stillen für Anfängerinnen«, dann verließ sie fluchtartig den Raum.
Die andere Mutter drehte sich zu mir um, hob dramatisch wie eine antike Priesterin die Arme hoch, und die roten Seidenärmel ihres Pyjamas fielen zurück. »Ist das nicht unglaublich! Da geht diese Person hier ein und aus, und weiß nicht, in welcher Himmelsrichtung dieses Zimmer liegt.«
Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum das so wichtig sein sollte. Aber ich wußte, was sie wissen wollte, schließlich hatte ich mich ja anständig auf die Geburt vorbereitet und diese Zimmer sechs Monate vor der Geburt besichtigt! »Nach Südwesten«, sagte ich, gespannt, ob sie mir jetzt mitteilen würde, warum sie das wissen wollte.
»Und die Hintertür?« fragte sie.
»Nach Norden, glaube ich.«
»Wenn man von innen nach außen geht, oder von außen nach innen?« Ich überlegte kurz. »Von außen nach innen.«
»Dann sollten wir unbedingt die Kinderbettchen umstellen: Dein Bett sollte an diese Wandseite und dein Sohn hier herüber.«
Ich protestierte. Ein bißchen aus Prinzip. Sie duzte mich, ohne mich zu fragen, und dann kommandierte sie mich herum, ohne zu verraten, wofür das alles gut sein sollte. »Aber hier sind keine Steckerleisten und keine Lampen, ich finde das nicht richtig. Die Leute haben sich bestimmt etwas dabei gedacht, als sie die Zimmer so eingerichtet haben.«
Die andere überlegte, dabei knabberte sie hektisch an den Fingernägeln ihrer rechten Hand. »Dann laß uns bitte wenigstens die Kinderbettchen von den Wänden wegstellen, das ist nicht gut für die Kleinen.«
Sie wirkte tatsächlich ziemlich beunruhigt, deshalb stimmte ich schließlich zu. Immerhin hatte sie sogar »bitte« gesagt.
Dann schob sie die Kinderbettchen zusammen in die Mitte, so daß wir durch die Babys getrennt waren.
Sie seufzte tief. »So ist es in jedem Fall besser.« Sie legte ihren Sohn an ihre rechte Brust, und ich fragte mich, wieso sie schon nicht mehr diesen entsetzlichen weißen OP-Kittel anhatte, der hinten offen war. Sie trug einen scharlachroten Seidenpyjama mit aufgestickten Drachen. Das wirkte zusammen mit ihren dunkelbraunen Haaren sehr exotisch. Ich dagegen hatte noch diesen Kittel an und darunter den Gipfel an erotischer Bekleidungskunst: ein steriles Netzhöschen. Komisch, ich hatte gedacht, daß einem nach der Geburt solche Äußerlichkeiten egal wären. Statt dessen überlegte ich, welches Nachthemd ich für die Besucher, die später sicher nach und nach eintrudeln würden, anziehen könnte. Aus unserem Wäschegeschäft »Gabys Wäscheparadies« hatte ich mir unter Gabys hämischen Kommentaren zur Mutterschaft nur die allerbeste Qualität genehmigt. Es war ein Fehler, an Gaby zu denken, denn Gaby war der Nagel zu meinem Sarg, eine Nervensäge, eine Heimsuchung und Landplage, und sie war leider auch der andere Teil von »Gabys Wäscheparadies«, meine Geschäftspartnerin. Sie würde natürlich sagen, ich sei ihre Geschäftspartnerin, denn sie hatte den Laden aufgemacht, daher auch der Name: »Gabys Wäscheparadies«, und ich war nachträglich erst eingestiegen.
Nick fände es wunderbar, wenn ich das kakaofarbene französische Satinhemdchen anziehen würde, aber das war mir zu frivol. – Jetzt als Mutter! Ich entschied mich für ein klassisches weißes Batistnachthemd, oben mit einer kleinen Passe aus Baumwolltüll, trotzdem kochfest und knöpfbar, und damit angemessen für die stillende Mutter.
Mäxchen war mittlerweile eingeschlafen, und ich war immer noch hellwach. Langsam begannen draußen im Park ein paar einsame Vögel zu zwitschern.
Meine Bettnachbarin wechselte ihren Sohn an die linke Brust.
»Tut verdammt weh!« sagte sie.
Da war ich zur Abwechslung mal einer Meinung mit ihr.
»Mir geht’s ähnlich. Sagen Sie, wie heißen Sie denn eigentlich?«
»Ich heiße Lala«. Sie sprach es aus, wie Oh là là!
»Ja?« Diese Person wollte mich auf den Arm nehmen. Lala, das war doch Blödsinn, aber ich würde nicht nachfragen, das hätte sie jetzt gern. Exaltierte Person. Ich meine, jemand, der sich ernsthaft Lala nannte, konnte doch nur gaga im Hirn sein! Mein Gesichtsausdruck mußte mich irgendwie verraten haben. Aber Lala störte das überhaupt nicht.
Im Gegenteil, sie setzte lachend zu einer Erklärung an: »Na ja, eigentlich heiße ich Carla, aber als ich klein war, habe ich zu mir selbst immer nur La La gesagt, und später fand ich’s cool. Vor allem numerologisch gesehen, ich meine, nach der kabbalistischen Zahlentabelle ist es ein Spitzenname.«
»Kabba was?« Davon hatte ich noch nie gehört. Es klang nach abgehobenem Esoterikschwachsinn.
»Die kabbalistische Zahlentabelle ordnet jedem Buchstaben des Alphabets Zahlen zu, z. B. A=1. Wenn man alle Buchstaben anhand der Zahlentabelle addiert, ergibt die Summe konkrete Hinweise auf deine Zukunft.«
»Interessant«, murmelte ich und fragte mich, was für Namen sie sich wohl daraufhin für ihren Sohn ausgedacht hatte, Lassie wahrscheinlich, Flipper, Pipi oder Gaga. Ich beschloß, sie Carla zu nennen. Schließlich war ich erwachsen, und ihr könnte es auch nicht schaden, erwachsen zu werden, jetzt als Mutter!
»Und wie heißt du?« fragte sie.
»Ich heiße Eva-Maria Herbst.«
»Das ist ja kabbalistisch gesehen fantastisch! Warte mal.« Sie kramte mit einer Hand in ihrer Nachttischschublade, mit der anderen hielt sie ihren Sohn an der Brust fest und rechnete dann wichtigtuerisch irgendwelche Zahlen anhand einer völlig zerfledderten Liste zusammen.
Sie überraschte mich. In meinen Ohren hatte sich mein Name ziemlich langweilig angehört, neben Lala.
»Also, Eva Maria Herbst ergibt die 1112, unglaublich, 1000 bedeutet gnädig, verständnisvoll, hilfreich, Freundschaft wird angeboten, dann die 100 weist auf göttliche Gunst und ein von Glück gesegnetes Leben hin, und die 12 ist immer ein gutes Omen für die Zukunft.«
Sie war ganz aus dem Häuschen und wedelte mir mit ihrer Liste zu, als sei sie eine Trophäe, die ich mir für gute Führung verdient hätte.
Es freute mich, daß sie so viel Positives für mein Leben prophezeien konnte, aber was bedeutete schon »gnädig, hilfreich«?
»Und wie wirst du ihn nennen?« deutete sie auf meinen Sohn, der friedlich in seinem Bettchen schlummerte.
»Wir wollen ihn auf den Namen Maximilian taufen lassen.«
Sie nickte. »Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich meinen Sohn Rasmus, Pontus oder Urmel nennen soll. Was findest du denn, nach was sieht er denn am meisten aus?« Sie nahm ihren Sohn von der Brust, hielt ihn mir zur Begutachtung hin und erwartete tatsächlich eine Antwort.
»Was sagt denn der Vater des Kindes dazu?« fragte ich.
Sofort schossen ihre riesigen, dunkelbraunen Augen Kugelblitze in meine Richtung ab, dann sah sie mich herausfordernd an. »Es gibt keinen Vater!«
Sie war unberechenbar. Eben noch fragte sie mich nach einem Namen für ihr Kind, und jetzt blockte sie das Gespräch schon wieder völlig ab. Das war natürlich Quatsch, es gab immer einen Vater. Oder zumindest einen Mann. Ohne Mann kein Kind! Aber vielleicht hatte er sie sitzenlassen, als sie schwanger war, oder das Kind war das Ergebnis eines »One-Night-Stands«? Es schien jedenfalls ein wunder Punkt zu sein.
»Tja, wie heißt ihr zwei denn mit Nachnamen? Ist doch auch wichtig, daß das zusammenpaßt, oder finden Sie nicht?«
Sie nickte. »Wir heißen Schuh mit Nachnamen.«
Jetzt war ich allerdings reif für einen Lachkrampf. Lala Schuh, exquisite Zusammenstellung.
»Was gibt’s denn da zu lachen?« fragte sie.
»Nichts, wirklich nichts. Was paßt zu Schuh? Hmmm, wie wäre es mit Gerd, oder mit Markus?«
»Das ist mir zu angepaßt und spießig«, konterte sie.
Na, das konnte sie haben. Zu spießig! Ich hatte auch andere Namen auf Lager. »Mahatma klingt toll mit Schuh. Und vor allem so weise!«
Sie legte ihren Sohn wieder zurück in den Glaswagen und seufzte. »Mahatma Schuh, das ist ja echt ‘ne irre Idee, aber ich glaube nicht, daß ich das bei einem deutschen Standesbeamten durchkriege, hast du vielleicht noch einen Vorschlag?«
Ihre Ernsthaftigkeit entwaffnete mich völlig. Und ich dachte noch mal ohne Bosheit nach. Für meinen Sohn hätte mir der Name Joshua gut gefallen oder Jonathan, aber Nick zog nicht mit, er fand das zu abgehoben. »Wie finden Sie Joshua?«
Sie überlegte eine Weile. »Joshua Schuh, das klingt sehr edel. Hmm, da muß ich mal drüber schlafen.« Sie drehte sich um, rollte sich dann noch mal zurück und sagte: »Übrigens, du kannst ruhig du zu mir sagen. Ist o. k.«
Ich konnte mir nicht verkneifen zu antworten. »Hmm, da muß ich wirklich noch mal drüber schlafen.«
Tatsächlich war ich jetzt auch ziemlich müde, holte meinen Sohn aus seinem Bettchen, legte ihn neben mich und wollte nichts anderes mehr als einschlafen.
Leider wurde nichts daraus. Eine Schwester kam rein, superfröhlich und geschäftig. »Aufwachen, meine Damen, heute ist ein herrlicher Tag, und wir messen gleich mal Fieber.« Es war sinnlos, mit ihr zu diskutieren. Der Krankenhausalltag hatte begonnen …
Endlich kam Nick. Nick sah nicht aus wie der Vater von Max, sondern wie sein Großvater. Müde und grau im Gesicht, mit hängenden Schultern schlurfte er an mein Bett und ließ sich mit einem derart erleichterten Plumps drauffallen, daß alle meine Nähte vibrierten. Vielleicht war die Geburt doch zu anstrengend für ihn gewesen, schließlich hatte er erst vor drei Monaten als verantwortlicher Statiker in einer großen Baufirma angefangen. Manchmal fragte ich mich, ob es so eine gute Idee von ihm war, das alte Architekturbüro zu verlassen. Aber als ich schwanger wurde, hatte Nick plötzlich unglaublichen Ehrgeiz entwickelt. Er wollte seinem Sohn er war von Anfang an sicher, daß wir einen Sohn bekommen würden das Beste vom Besten bieten. Seine breiten Wangenknochen wirkten eingefallen, und er hatte dunkle Ringe unter den braunen Augen. Er war kleiner als sonst und schmaler. Die dunkelbraunen Locken klebten am Kopf, und seine Brille war auf die äußerste Spitze der geraden, blassen Nase gerutscht. Trotzdem hatte er sich zur Feier des Tages ein graues Jackett angezogen.
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