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Obwohl sie selbst überzeugter Single ist, geht die Wahlsalzburgerin Julia völlig darin auf, für glückliche Paare den schönsten Tag ihres Lebens zu planen. Einziger Wermutstropfen ist die neue Kollegin Annemarie, die als Nichte der Chefin ihre Sonderstellung voll auskostet und für Unruhe in der Agentur sorgt. Als Julia eine Auszeit nehmen will, um ihrer Schwester Kathrin bei einer Familien- und Ehekrise zu helfen, überschlagen sich die Ereignisse und Julia droht ihren Job zu verlieren. In ihrem Heimatort Maria Alm spielen die beiden Frauen nun mit dem Gedanken, sich als Hochzeitsplanerinnen selbstständig zu machen. Ein weiterer Grund, vorerst zu bleiben, ist der attraktive Kindergartenleiter Alexander. Kann er Julias Überzeugung ins Wanken bringen?
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Die nachfolgende Geschichte spielt größtenteils in Salzburg und Maria Alm, realen Orten in Österreich, und der umliegenden Umgebung. Die Personen und Handlungen sind jedoch rein fiktiv. Übereinstimmungen mit lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind nicht beabsichtigt.
LESEPROBE zu
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2018
© 2018 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim
www.rosenheimer.com
Titelfoto: © auergraphics – Fotolia.com (oben) und
Peter Atkins – Fotolia.com (unten)
Lektorat und Satz: BuchBetrieb Peggy Sasse, Leipzig
Worum geht es im Buch?
Andrea Eichhorn
Märchenhochzeit zum Verlieben
Obwohl sie selbst überzeugter Single ist, geht die Wahlsalzburgerin Julia völlig darin auf, für glückliche Paare den schönsten Tag ihres Lebens zu planen. Einziger Wermutstropfen ist die neue Kollegin Annemarie, die als Nichte der Chefin ihre Sonderstellung voll auskostet und für Unruhe in der Agentur sorgt.
Als Julia eine Auszeit nehmen will, um ihrer Schwester Kathrin bei einer Familien- und Ehekrise zu helfen, überschlagen sich die Ereignisse und Julia droht ihren Job zu verlieren. In ihrem Heimatort Maria Alm spielen die beiden Frauen nun mit dem Gedanken, sich als Hochzeitsplanerinnen selbstständig zu machen. Ein weiterer Grund, vorerst zu bleiben, ist der attraktive Kindergartenleiter Alexander. Kann er Julias Überzeugung ins Wanken bringen?
1
Mit eiligen Schritten lief Julia Oberfeld an diesem Freitagvormittag in einem fliederfarbenen Etuikleid und neuen hochhackigen Schuhen, die dummerweise ein wenig drückten, die berühmte Marmortreppe des Schlosses Mirabell hinauf. Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie in den letzten Jahren diesen Weg genommen hatte. Interessanterweise verspürte sie nach wie vor ein leichtes Prickeln in ihrer Bauchgegend angesichts des prunkvollen und feierlichen Palastes. So auch an diesem Tag. Und das trotz der sündhaft teuren Schuhe, die ihr vermutlich in Kürze blutige Blasen an den Fersen bescheren würden. Doch daran wollte die Hochzeitsplanerin gerade nicht denken. Stattdessen freute sie sich über das großartige Gefühl, welches sich soeben bei ihr eingestellt hatte. Heute durfte sie erneut ein verliebtes Brautpaar zu einer traumhaften Hochzeitslocation, an welche sich die beiden bestimmt ihr ganzes Leben lang erinnern würden, begleiten. Am – wie man so sagte – schönsten Tag des Lebens. Noch im Laufen steckte sich Julia eine Strähne ihres dunkelblonden, schulterlangen Haares hinters Ohr zurück und ging erneut alle wichtigen Punkte, die angesichts der Hochzeit zu bedenken waren, im Geiste durch. Nachdem sie festgestellt hatte, dass wirklich alles perfekt geplant war, huschte ein erleichtertes Lächeln über ihr, auch mit Ende zwanzig, noch mädchenhaftes Gesicht mit den großen grauen Augen.
»Ich kann es nicht fassen!«, hatte Julia noch die begeisterten Worte der jungen Braut im Ohr, als sie Pauline und ihrem Liebsten Georg das Schloss Mirabell als Trauungsort vorgeschlagen hatte. »Im Marmorsaal, in dem wir beide heiraten werden, hat sogar schon Mozart mit seinem Vater und seiner Schwester musiziert!«
Tja, und in nicht mal einer halben Stunde würden sich die beiden dort, wo einst Wolfgang Amadeus und das Nannerl aufgetreten waren, tatsächlich das Jawort geben. Ein letztes Mal wollte Julia noch einen kurzen Blick auf die Braut werfen. Reine Routine, im Grunde hätte sie ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass bei der fröhlichen Pauline alles in bester Ordnung war. Aber sicher war sicher. »Manchmal verlieren selbst die anfangs noch völlig lockeren Bräute im letzten Moment die Nerven. Dann ist es gut, wenn man sie noch einmal aufbaut«, hätte Julia die Ermahnungen ihrer Chefin Margarete Kordes, der Inhaberin der Agentur »Salzburger Hochzeitsträume«, schließlich sogar im Schlaf aufsagen können.
Vorsichtig klopfte sie an die Tür des Vorbereitungsraumes, der nur wenige Meter vom Marmorsaal entfernt lag. Auch nach einigen Sekunden bekam sie keine Antwort, was offenbar daran lag, dass man drinnen ihr Klopfen gar nicht wahrgenommen hatte. Stattdessen drangen aufgebrachte Stimmen nach draußen auf den Schlossflur. Etwas anderes, das Julia ebenfalls hörte, erschien ihr jedoch noch um einiges schlimmer: ein mühsam unterdrücktes Schluchzen. Die Hochzeitsplanerin musste mehrmals schlucken, doch der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer, denn nach rührseligem Weinen am Tag des großen Glücks hörte sich das leider nicht an. Absolut nicht!
Kurz schoss es Julia durch den Kopf, dass womöglich der Bräutigam noch in allerletzter Minute kalte Füße bekommen hatte – alles schon mal dagewesen. Gleich darauf beruhigte sie sich selbst. Unmöglich, Pauline und Georg wirkten viel zu vernarrt ineinander. Ja, die beiden schienen geradezu miteinander in einem Kokon der Liebe zu stecken, nahmen, wenn sie Händchen hielten oder sich tief in die Augen sahen, ihre Umwelt kaum wahr. Genau das hatte Julia nicht ganz ohne Kummer selbst mehrmals erlebt, als sie mit dem Paar Einzelheiten der Hochzeit besprechen musste und die beiden dabei immer wieder in ihre Liebeszauberwelt abgeglitten waren. Sozusagen eine sehr, sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne der Turteltäubchen, mit der Julia hatte umgehen müssen. Aber auch diese Hürden hatte sie, anstatt sich zu ärgern, mit einem insgeheimen Schmunzeln überwunden. Doch jetzt durfte der Traumhochzeit nichts mehr im Wege stehen! Oder etwa doch? Obwohl nach ihrem neuerlichen Anklopfen immer noch niemand »Herein!« rief, entschloss sich Julia, den Raum zu betreten. Gleichzeitig stieg eine böse Ahnung in ihr hoch. Annemarie, die Nichte ihrer Chefin, war ebenfalls an diesem Tag auf Schloss Mirabell dabei. Die Vierundzwanzigjährige sollte in einigen Jahren die Hochzeitsagentur der kinderlosen Tante übernehmen und wurde nun bereits seit vier Monaten eingearbeitet. Doch nicht nur einmal hatte Julia bis jetzt das ungute Gefühl beschlichen, dass dieser Beruf absolut nicht der richtige für die eher forsch auftretende junge Frau war. Und mit dieser Meinung stand sie keineswegs alleine da. Auch ihre Kolleginnen Ellen und Claudia fanden Annemarie in etwa so einfühlsam wie einen Felsbrocken, der einem mit vollem Karacho auf den Kopf donnerte. In letzter Zeit hatte Julia sogar beobachtet, dass Ellens Nase bereits nervös zuckte, wenn der Name Annemarie Kordes auch nur beiläufig fiel. Aber gut, Julia konnte die Entscheidung ihrer Chefin nicht ändern, wollte das auch gar nicht. Stattdessen versuchte sie, Geduld bei Annemarie an den Tag zu legen. Manche Menschen brauchten nun einmal etwas länger, bis sie richtig in ihrem Beruf ankamen. Bei Annemarie würde es bestimmt auch bald so weit sein.
Als Julia nun vorsichtig die Tür öffnete und Annemarie mit rollenden Augen vor sich stehen sah, zweifelte sie prompt an ihrer bisherigen Einschätzung.
»Ich kapiere es nicht! Wie kann man nur so ungeschickt sein und mit dem Brautkleid alleine auf die Toilette gehen?«, fuhr Annemarie in diesem Moment die in Tränen aufgelöste Braut an.
Deren Make-up war längst dabei, sich talwärts zu verabschieden, da half es auch nicht viel, dass Paulines Schwester mit einem Wattebausch verzweifelt in ihrem Gesicht herumtupfte, auf dem bereits akuter »Pandabärenalarm« herrschte.
»Was ist denn passiert?«, fragte Julia ganz erschrocken.
»Mein Kleid …«, begann die Braut mit weinerlicher Stimme, kam jedoch nicht weit, da Annemarie sie brüsk unterbrach.
»Frau Reling hat offensichtlich vergessen, dass der Spitzenstoff sehr empfindlich ist. Und obwohl wir sie mehrmals davor gewarnt haben, dass sie keinesfalls alleine auf die Toilette gehen soll, hat sie es getan …«
»Ich habe es in der Aufregung vergessen! Und dann wurde mir am Waschbecken plötzlich schwarz vor Augen!«, warf Pauline kläglich ein.
Julias Kollegin ignorierte diese Worte, sprach ungerührt weiter: »Da ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass sie am Seifenspender hängen geblieben ist und … ritsch, ratsch … ein riesiges Loch in das Designerkleid gerissen hat.«
Huch, jetzt erst bemerkte Julia das wirklich nicht gerade kleine Loch in der Spitze, dummerweise auch noch gut sichtbar im vorderen enganliegenden Taillenbereich des bodenlangen Prinzessinnenkleides. Wirklich übel. Doch Julias Meinung nach immer noch kein Grund, Pauline wie eine Schwerverbrecherin zu behandeln. Annemarie Kordes spielte sich ja wie ein wild gewordener Staatsanwalt auf!
Mit einem hoffentlich aufmunternd wirkenden Lächeln ging Julia vor Pauline, die mehr auf ihrem Stuhl kauerte, als dass sie saß, in die Hocke. »Das Loch kann man bestimmt nähen«, sagte sie, dabei strich sie der Braut sanft über den Handrücken.
»Ja, wenn wir eine Schneiderin bei der Hand hätten«, posaunte Annemarie ihr von hinten so laut ins Ohr, dass man es wohl noch am Salzburger Domplatz hören konnte. »Ich habe angerufen, aber alle verfügbaren Damen sind woanders schwer beschäftigt.«
»Was ist denn mit Ute? Die war doch bei der letzten Trauung heute Morgen hier im Schloss noch dabei …«, fragte Julia nach.
Sie hatte den Kopf in Richtung ihrer Kollegin gedreht und sah diese nun abwartend an. Als sich deren Wangen röteten, begann es ihr zu dämmern. Da war doch etwas mit einem Cocktailkleid gewesen, welches sich Annemarie von Ute hatte nähen lassen wollen, fiel Julia wieder ein. Nun erinnerte sie sich auch an das Gespräch zwischen den beiden Frauen, welches sie in der letzten Woche zufällig in der Teeküche der Hochzeitsagentur aufgeschnappt hatte. »Wenn du mir das Kleid übers Wochenende nähst, kannst du am nächsten Freitag gleich nach der ersten Trauung zu deinen Eltern aufs Land fahren und du kriegst deine Pauschale trotzdem«, hatte Annemarie der Schneiderin erklärt.
Diese hatte zögerlich geantwortet: »Meinst du wirklich? Danach kommt doch eine Braut mit einem wahren Spitzentraum an Kleid …«
»Kein Problem! Dieses Kleid sitzt perfekt«, war Annemaries entschlossene Antwort gewesen.
Julia hatte sich einfach einmischen müssen. »Aber bei einem solchen Kleid kann immer etwas passieren.«
»Bin ich die Juniorchefin oder du?«, hatte Annemarie sie bloß mit überheblicher Miene angeherrscht.
Darauf hatte Julia, inzwischen ziemlich verärgert, keine Antwort mehr geben wollen, war kopfschüttelnd aus der Teeküche marschiert. Dennoch hatte sie darauf vertraut, dass die sonst so zuverlässige Ute nicht auf Annemaries Vorschlag eingehen würde. Und ein kleines bisschen hatte sie vielleicht auch auf die Vernunft von Margaretes Nichte gehofft. Klar, die hatte vor ihr nicht einknicken wollen, das verstand Julia sogar. Zumindest bei Annemarie, die nicht gerne einen Ratschlag annahm, sehr von sich selbst überzeugt war. Ehrlich gesagt zu sehr.
»Ute musste schnell weg«, sagte Annemarie nun schnippisch, »ein wichtiger Einsatz.«
Aber sicher doch. Nun musste sich Julia beherrschen, um nicht selbst wild mit den Augen zu rollen. Gleich darauf hatte sie sich wieder im Griff. Es machte absolut keinen Sinn, hier und jetzt auszuflippen, stattdessen musste sie eine Lösung finden. Schnellstmöglich. »Keine Sorge, das kriegen wir hin«, tröstete sie die Braut. »Ich kann auch ein wenig nähen. Außerdem habe ich eine Idee …«
»Wirklich?«, hauchte Pauline nun etwas hoffnungsvoll.
Julia nickte, entschlossener als ihr Gemütszustand eigentlich hergab. Aber es half doch alles nichts. In nicht einmal dreißig Minuten sollte die Trauung beginnen, die man kaum nach hinten verschieben konnte, da bereits die nächsten Brautpaare warteten. Julia wandte sich nun an die Schwester der Braut, die ebenfalls den Tränen nahe zu sein schien, sich jedoch zusammenriss. »Bitte nochmals abschminken und die Augen mit kalten Kompressen kühlen!«
Die junge Frau nickte, offenbar dankbar, etwas Konstruktives tun zu können, und machte sich sogleich an die Arbeit. Währenddessen holte Julia Nähzeug aus ihrem »Erste-Hilfe-Hochzeitskoffer«, den sie stets dabeihatte und der in einer Ecke des Vorbereitungsraumes geparkt war, hervor. »Wie von einer echten Schneiderin wird das wohl nicht werden«, konnte Annemarie sich nicht verkneifen, in überheblichem Tonfall zu erklären.
Julia warf ihr einen bösen Blick zu, langsam reichte es ihr wirklich. Gleichzeitig stellte sie erneut verwundert fest, wie sehr sich die Stimmen von Annemarie und ihrer Tante Margarete ähnelten. Nur würden Julias Chefin, die höchstens mal ein wenig hektisch werden konnte, niemals so missgünstige Worte über die Lippen kommen. »Du könntest frisches Mineralwasser aus dem Kühlschrank im Nebenraum holen«, sagte Julia so freundlich wie möglich zu Annemarie. Als sie weitersprach, lächelte sie der unglücklichen Braut zu: »Eine kleine Abkühlung würde uns wohl allen guttun.«
»Stimmt«, sagte Pauline, während sich ihre Mundwinkel nun ebenfalls zu einem kleinen Lächeln hochzogen.
Ein sehr gutes Zeichen, wie Julia fand. Mit gar nicht mal so ungeschickten Stichen nähte sie das Loch in der Spitze zusammen, nach wenigen Minuten war dieses dann auch schon Vergangenheit. Doch natürlich hatte Annemarie recht gehabt: Julia konnte zwar recht gut nähen, war aber noch lange kein Profi. Die Naht des Unglücks war leider noch viel zu gut zu erkennen. Bedrückt sah Pauline zwischen ihren gekühlten Wattepads an sich herab. »So und jetzt kommt die Verfeinerung!«, rief Julia gespielt fröhlich aus, auf keinen Fall wollte sie neuerliche Tränen der Braut riskieren.
Wie ein Zauberkünstler wühlte sie in ihrem Koffer und holte zwei Seidenrosen in nur leicht voneinander abweichenden Cremetönen hervor. Diese hingen jeweils an einem Seidenband, welches wie ein Gürtel um die Taille gebunden werden konnte. Pauline verstand sofort. »Die hier passt farblich perfekt!«, rief sie aus und zeigte auf die Seidenrose in einem etwas helleren Elfenbeinton.
Julia hielt die Rose prüfend an das Kleid. »Ja, sieht sehr schön aus.«
Mit sicheren Handbewegungen – schließlich übte sie ihren Job bereits fünf Jahre aus – schlang sie das Band um Paulines Taille, bedeutete der Braut, aufzustehen und sich im Spiegel zu betrachten. Diese nickte mit einem geradezu verzauberten Grinsen. »Ist ja fast schöner als vorher«, sagte sie seufzend. Himmel, war Julia erleichtert!
»Stimmt«, sagten Paulines Schwester und Julia gleichzeitig, prompt fingen sie an zu kichern.
Zufrieden stellte Julia fest, dass die Stimmung wieder gelöst war. Sie befestigte das Band am Rücken, dann wurde die Braut noch von ihrer glücklicherweise nervenstarken Schwester erneut geschminkt – und stand gleich darauf mit ihren strahlend blauen Augen und den langen honigblonden Locken unter dem eben aufgesetzten zarten Schleier wunderschön vor ihnen. Obwohl sie schon so oft bei Hochzeiten dabei gewesen war, musste Julia gerührt blinzeln, um die Tränen in Schach zu halten. Dennoch verfing sich ein Tränchen in ihren Wimpern.
»Sie sind so ein Schatz«, sagte Pauline, dann fügte sie lachend und mit erhobenem Zeigefinger hinzu: »Aber jetzt nicht heulen, sonst fließen auch bei mir wieder die Tränen!«
»Bitte nicht! Ich habe mich schon wieder gefangen«, lachte nun auch Julia mit und nahm einen kräftigen Schluck von dem Mineralwasser, das Annemarie eben mit feindseliger Miene vor sie auf ein Tischchen gestellt hatte.
Julia konnte Annemaries schlechte Stimmung nicht nachvollziehen, schließlich war doch alles gut gegangen. Und wenn jemand Schuld an dieser peinlichen Situation hatte, dann wohl nur Annemarie selbst. Aber im Moment wollte sie sich nicht mit Margaretes Nichte befassen. Stattdessen freute sie sich im Anschluss umso mehr über die wunderschöne Trauung im historischen Marmorsaal. Spätestens als eine Sängerin gekonnt »I Will Always Love You« sang, blieb kein Auge trocken, wie Julia bei einem prüfenden Rundblick registrierte. Ja, so sollte es sein: Diese wunderschöne Hochzeit würde wohl kein Gast so rasch vergessen. Auch das Wetter spielte an diesem sonnigen Maitag mit, bescherte danach noch wunderschöne Hochzeitsfotos im Mirabellgarten. Vor dem Hintergrund der Festung Hohensalzburg sah man nur glückliche Gesichter, die dem Fotografen entgegenstrahlten – und die rein gar nichts von der kleinen Katastrophe im Vorfeld erahnen ließen.
Es war bereits kurz nach Mitternacht, als Julia die Tür ihrer Miniwohnung unweit der Salzburger Innenstadt aufschloss. In ihrem Reich angekommen, schlüpfte sie sofort aus ihren hochhackigen Pumps. Die an der rechten Ferse entstandene Blase hatte sie zum Glück mit einem Pflaster in Schach halten können. Mit einem wohligen Seufzer ließ sich Julia auf ihr Sofa fallen, das sie, sobald sie nach einem kurzen Durchschnaufen wieder ein wenig zu Kräften gekommen war, zum Bett ausziehen würde. Anstrengend, aber schön – so lautete ihr insgeheimes Resümee der heutigen Trauung. Gemeinsam mit den Festgästen war sie natürlich auch noch in den Gasthof am Stadtrand von Salzburg gefahren, in dem nach dem ersten Glas Sekt im Schlossgarten die eigentliche Feier stattgefunden hatte. Julia hatte das Buffet, den Einsatz der Musikband und zu späterer Stunde auch noch das Feuerwerk beaufsichtigt, war Ansprechpartnerin für den Discjockey und die Kellner gewesen. Zum Glück war der weitere Tag ohne schlimmere Zwischenfälle für das Brautpaar abgelaufen. Dass es ein bisschen zu wenig Schokoladenmousse, dafür mehr Erdbeermousse als gewünscht zum Dessert gab, war nun wirklich kein Weltuntergang gewesen. Erschöpft strich sich Julia mit dem Handrücken über die Stirn. Nun merkte sie erst so richtig, wie sehr sie den ganzen Tag unter Strom gestanden war, seit Paulines Brautkleid gerissen war. Wie schön, dass sie die Braut den Rest des Tages wirklich nur noch restlos glücklich gesehen hatte, dennoch durfte so eine Schlamperei mit einer Schneiderin, die früher Feierabend machte, natürlich nicht noch einmal vorkommen.
In Gedanken versunken stand Julia auf und ging mit müden Schritten zum Fenster. Nachdem sie es geöffnet hatte und die frische Nachtluft in das Einzimmerappartement eindrang, fühlte sie sich wieder ein wenig belebter. Jedoch war sie immer noch unsicher, wie sie mit Annemaries unprofessionellem Verhalten umgehen sollte. Es war ja nicht nur der Fehler mit der Schneiderin, über den sich Julia wahnsinnig ärgerte. Viel schlimmer noch war in ihren Augen Annemaries Verhalten gegenüber der unglücklichen Braut gewesen. Offenbar hatte die Nichte der Chefin weder die Regel »Der Kunde ist König«, noch ein grundlegend höfliches Verhalten, welches man überhaupt allen Menschen gegenüber an den Tag legen sollte, im Kopf. Langsam ging Julia wieder zum Sofa zurück und begann ihr Bett zu machen. Morgen würde sie sich überlegen, wie sie am Montag mit ihrer schwierigen Kollegin über den Vorfall sprechen würde. Kurz kam ihr auch in den Sinn, mit ihrer Chefin direkt darüber zu reden. Eigentlich hätte sie das längst tun sollen, denn Annemarie war schon öfters pampig zu Kunden gewesen, wenn ihr etwas gegen den Strich gegangen war. Aber irgendwie kam sich Julia unkollegial vor, wenn sie Annemarie bei ihrer Tante verpetzen würde. Außerdem hast du Angst, dass sie dir ohnehin nicht so recht glauben würde, schoss es ihr in der nächsten Sekunde durch den Kopf, weil Margarete bei »ihrem Engerl« einfach total blind ist und die Fehler gar nicht sehen möchte.
Wohl wahr. Während Julia aus ihrem engen Kleid schlüpfte, seufzte sie leise auf. Im Moment fühlte sie sich vor allem ein wenig ratlos. Aber irgendeinen Weg, um gut mit Annemarie zusammenarbeiten zu können, würde sie finden müssen. Dafür liebte sie ihren Job bei den »Salzburger Hochzeitsträumen« einfach viel zu sehr. Nach der Matura hatte sie eine Ausbildung zur Tourismuskauffrau gemacht, kurz nach ihrem Abschluss auf einer Messe ihre heutige Chefin Margarete Kordes kennengelernt. An einem Stand, an dem für romantische Hochzeitsreisen geworben worden war, waren die beiden Frauen miteinander ins Gespräch gekommen und sich auf Anhieb sympathisch gewesen. Bereits kurz nach ihrer Anstellung in Margaretes Firma war Julia klar gewesen, ihren absoluten Traumjob gefunden zu haben. Plötzlich musste sie jetzt schmunzeln. Gerade sie, die doch seit vier Jahren als völlig zufriedener Single durchs Leben ging, hatte Romantik und Liebe zu ihrer beruflichen Leidenschaft gemacht. Ihre um zwei Jahre ältere Schwester Kathrin wollte diese Sache mit dem überzeugten Singleleben allerdings so nicht stehen lassen, wie Julia gerade überlegte. »Du wirst sehen«, hatte sie erst Anfang des Jahres theatralisch verkündet, »wenn du im September deinen dreißigsten Geburtstag feierst, wird die Liebe deines Lebens an deiner Seite stehen.«
»Aber sicher doch, liebe Frau Hellseherin!«, war es von Julia amüsiert zurückgekommen, solche oder ähnliche Sätze hatte sie von Kathrin schließlich nicht zum ersten Mal gehört.
Auch jetzt musste sie beim Gedanken an die Beharrlichkeit ihrer Schwester, die sie zudem auch noch von Zeit zu Zeit verkuppeln wollte, schmunzeln. Sie beide waren grundverschieden, das musste Kathrin doch einsehen! Diese hatte recht bald ihre Jugendliebe Stefan geheiratet, lebte mit ihm und den drei Kindern glücklich und zufrieden in Maria Alm, dem Heimatort der beiden Schwestern. Als Julia »glücklich und zufrieden« in den Sinn kam, runzelte sie kurz die Stirn. Gut, seit der Geburt der inzwischen zehn Monate alten Zwillinge Niklas und Max wirkten Kathrin und Stefan ziemlich gestresst. Das war bei der vierjährigen Lisa damals anders gewesen. »Ein Kind ist kein Kind«, pflegte Kathrin dann meist zu sagen, wenn sie darüber klagte, dass ihr das Kindertrio langsam aber sicher über den Kopf wuchs.
Julia spürte einen kleinen scharfen Stich in der Brust, als sie daran dachte, dass sie sich eigentlich längst mal wieder bei Kathrin hätte melden sollen. Bestimmt hatten sie seit über zwei Wochen nicht mehr miteinander telefoniert. Das lag vor allem daran, dass im Wonnemonat Mai fast täglich eine Hochzeit betreut werden musste. Beim Zähneputzen nahm sich Julia jedoch ganz fest vor, gleich morgen Kathrin anzurufen. Am Nachmittag musste sie zwar eine standesamtliche Hochzeit auf der Festung Hohensalzburg betreuen, aber die Trauung sollte im kleinen Kreis stattfinden, danach gab es nur ein elegantes Abendessen im Stegerhof, einem gemütlichen Restaurant in der Nähe der Festung, das vor allem für seine mehr als fantastischen Salzburger Nockerln berühmt war. Unwillkürlich musste Julia schmunzeln, denn trotz ihrer Müdigkeit und der Zahnpasta auf der Zunge lief ihr beim Gedanken an die süße Köstlichkeit das Wasser im Mund zusammen. Vielleicht gönnte sie sich ja eine kleine Portion, wenn sie die Hochzeitsrunde in den Stegerhof begleitete. Wichtiger war jedoch, dass sie dort nur kurz überprüfen musste, ob alles stimmte, dann hatte sie Feierabend. Endlich mal früher daheim, schoss es ihr mit einem erleichterten Seufzer auf den Lippen durch den Kopf.
Als sie kurz darauf im Bett lag, überfiel sie erneut das schlechte Gewissen. Sie musste sich wirklich mehr um Kathrin kümmern und durfte nicht nur ihr unbeschwertes Singleleben in Salzburg genießen. Umso mehr, da ihre Eltern vor zwei Jahren, kurz nach deren Rente, auf die Sonneninsel Mallorca gezogen waren. »Die Meeresluft wirkt bei Papas Asthma wie das reinste Wunder«, hatte ihre Mutter Gerti erst neulich am Telefon fast entschuldigend erklärt. Mit dem hastigen Nachsatz: »Falls Kathrin mich jedoch mit ihren Sprösslingen braucht, bin ich natürlich jederzeit zur Stelle.«
Julia wusste, dass ihre Schwester ihren Eltern nichts vorjammern wollte. »Die beiden haben sich nach der langen Krankheit von Papa einen schönen Lebensabend redlich verdient«, war Kathrins feste Meinung.
Da wollte auch Julia nicht dazwischenfunken. Auch wenn es sie sorgte, wie niedergeschlagen ihre Schwester beim letzten Telefongespräch geklungen hatte – die Ältere hatte es jedoch nicht zugeben wollen. »Ich muss sie bald besuchen«, murmelte Julia, bereits im Halbschlaf.
Maria Alm lag bloß eine gute Autostunde von der Stadt Salzburg entfernt, da sollte es durchaus möglich sein, Kathrin öfters mal unter die Arme zu greifen. Aber jetzt freute sie sich einfach darauf, am nächsten Morgen auszuschlafen. Noch während diese Gedanken wie vom Wind aufgewirbelte Blätter durch ihren Kopf trudelten, fielen ihr endgültig die Augen zu.
Reichlich unsanft wurde Julia am nächsten Morgen kurz vor acht vom Klingeln ihres Handys aus dem Schlaf gerissen, lange bevor sich ihr Wecker hätte melden sollen. Im ersten Moment wusste sie gar nicht, was los war, nachdem sie mit müden Lidern die Annahmetaste ihres Telefons gedrückt hatte. Doch gleich darauf, als sie die aufgeregte weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung wahrnahm, war sie schlagartig hellwach. »Kerstin Staller hier. Es gibt eine totale Katastrophe!«, rief, oder vielmehr kreischte ihr eine Frau ins Ohr. »Unsere gesamte Hochzeitsfeier fällt ins Wasser!«
»Was ist denn passiert?«, versuchte Julia beherrscht zu klingen, auch wenn ihr der Puls plötzlich bis in die Ohren pochte.
Kerstin Staller war die Braut, die am Nachmittag auf der Festung Hohensalzburg heiraten würde. Im kleinen Kreis, danach würde es ein Abendessen im Stegerhof geben. Kein Problem, ging Julia im Kopf blitzschnell ihre Liste zur Kontrolle durch, alles war perfekt geplant. Nur komisch, dass Kerstin Staller, die Julia eigentlich als humorvolle und äußerst freundliche Frau in Erinnerung hatte, dermaßen aufgebracht war. Hatte sie hier die gleiche Frau am Apparat, die bei den Hochzeitsplanungen, welche völlig unkompliziert wie selten in Julias Arbeitsalltag über die Bühne gegangen waren, viel gelacht hatte und höchst zufrieden war? Nicht umsonst waren Kerstin und ihr Verlobter Bernhard, beide etwa Ende dreißig, mit einem breiten Grinsen aus Julias Büro gegangen. Beim besten Willen konnte sie die nette Kerstin nicht mit dem wütenden Derwisch, der hier mit scharfer Stimme ihr Trommelfell malträtierte, in Verbindung bringen. Hilflos fuhr sich Julia durch ihre zerzausten Haare, dann atmete sie tief durch. Letzteres hätte sie Kerstin Staller am liebsten auch geraten, traute sich jedoch nicht. So, wie die Frau wütete, würde wohl jeder auch noch so gut gemeinte Tipp sicher nicht eben positiv von ihr aufgenommen. Und es war schließlich am wichtigsten, erneut eine positive Stimmung aufzubauen. Äh, die nächsten Worte von Kerstin machten dieses Bestreben jedoch nicht gerade einfacher.
»Ich habe Ihnen wirklich vertraut«, zischte sie gerade. »Sie sind mir so kompetent und freundlich erschienen. Aber ich habe mich geirrt.« Bitter fügte sie hinzu: »Sie haben alles verdorben. Der schönste Tag unseres Lebens wird ein absolutes Fiasko. Bis an mein Lebensende werde ich mich dafür schämen.«
Julia zuckte erschrocken zusammen. Das hier klang wirklich bei Weitem dramatischer als die wohlvertrauten Wehklagen vieler Bräute, die – natürlich war es ihrer Aufregung geschuldet und Julia nahm es ihnen nicht übel – aus einer Mücke nicht einen Elefanten, sondern gleich eine ganze Herde machten. »Bitte sagen Sie mir endlich, was los ist!«, sagte sie nun mit einer etwas resoluteren Stimme.
»Aber gerne doch«, erwiderte Kerstin Staller mit einem sarkastischen Unterton, »nichts lieber als das.« Lautes Schnaufen war zu hören, bevor die Frau – endlich! – weitersprach: »Ich war eben im Stegerhof, die haben wegen ihrer Hotelgäste ja bereits frühmorgens geöffnet. Ich wollte nur noch überprüfen, ob alles perfekt laufen wird. Meine Schwiegermutter ist ja etwas schwierig. Also, ich wollte fragen, ob alle Vorbereitungen getroffen sind. Die Salzburger Nockerln mit den Wunderkerzen drin, der eisgekühlte Champagner mit Erdbeeren …«
Anstatt nun weiterzusprechen, begann Kerstin Staller bitterlich zu weinen. Julia, die längst aus ihrem Bett gesprungen war, lief mit einem im Stakkato pochenden Herzen im Zimmer auf und ab. »Frau Staller, egal was passiert ist, wir werden eine Lösung finden«, sagte sie. »Glauben Sie mir, Ihre Schwiegermutter wird sich im Stegerhof sehr, sehr wohlfühlen.«
»Ha!«, fiel ihr da die andere abrupt ins Wort, »wenn meine Schwiegermutter bloß die Möglichkeit dazu hätte!« Nun sprudelte es aus ihr heraus, wie aus dem Wasserfall am berühmten Pegasusbrunnen im Schlossgarten Mirabell. »Der Geschäftsführer des Stegerhofes hat mir erklärt, dass wir dort gar keine Reservierung mehr haben. Die hätte mal bestanden, doch dann wäre vor ein paar Tagen aus Ihrem Büro angerufen und unsere Reservierung wegen einer größeren Hochzeitsrunde storniert worden. Und natürlich ist das Restaurant restlos ausgebucht, und wir können wohl nun auf der Straße essen.«
Die letzten Worte gingen beinahe in einem Schluchzen unter, was Julia nur zu gut verstehen konnte. Innerlich litt sie richtiggehend mit, hier ging es um keine Mücke in der Art einer Haarlocke, die nicht richtig sitzen wollte. Eine gewaltige Elefantenherde rollte eben heran und wirbelte so viel Staub auf, dass man kaum noch Luft bekam. Dennoch musste sie einen klaren Kopf bewahren, das war sie ihrer Kundin schuldig. Auch wenn sie im Moment völlig verwirrt war: Die Reservierung im Stegerhof war doch problemlos verlaufen. Persönlich war sie dort gewesen und hatte mit dem Hubert, dem sympathischen Restaurantchef, mit dem sie bereits seit einigen Jahren gut befreundet war, die Details des Abendessens für die ungefähr fünfzehn Gäste durchgesprochen. Natürlich auch die Wunderkerzen und die Erdbeeren im Champagnerglas. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, diese Reservierung zu verändern. Aber das half jetzt alles nichts. Eine rasche Lösung musste her, nur zu gerne würde sie dazu jetzt magischen Feenstaub in Anspruch nehmen. Denn ein anderes exquisites Lokal für diese große Gruppe so kurzfristig an einem Samstag im Mai in Salzburg aufzutreiben, an dem Unmengen von Hochzeitsfeiern stattfanden, war ohne Zauberei kaum zu bewältigen. Nur leider hatte Julia in ihrer realen Welt kein bisschen Magie parat. Umso mehr sollte sie ihren Kopf anstrengen, auch wenn in diesem momentan Chaos herrschte. »Ich rufe den Restaurantleiter an, Frau Staller!«, sagte sie in einem hoffentlich zuversichtlichen Ton. »Dann haben wir bestimmt bald eine Lösung.«
»Sie melden sich dann gleich bei mir, ja?«, gab die Braut fast flehentlich zurück.
»Auf jeden Fall! Ganz sicher«, sagte Julia, erleichtert darüber, dass Kerstin Staller sich zumindest einigermaßen beruhigt hatte.
Kurz darauf war sie völlig verwirrt. »Ja, aus deiner Agentur wurde vor ein paar Tagen die Staller-Hochzeitsgesellschaft storniert und dafür die doppelt so große Gruppe der Bergtals angemeldet«, erklärte Hubert ihr am Telefon erneut, wohl als Reaktion auf ihr völlig perplexes Schweigen.
»Wer war denn das?«, fragte sie immer noch komplett entgeistert nach.
»Na die Annemarie«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück, »die Juniorchefin eurer ›Salzburger Hochzeitsträume‹, die ja immer alles besser weiß.«
Der spöttische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Offenbar war auch Hubert kein großer Fan von Annemarie. Aber das half Julia im Moment auch nicht weiter. »Sie hat mir kein Wort davon gesagt«, murmelte sie, der inzwischen eingefallen war, dass Annemarie, gemeinsam mit Julias Kollegin Ellen, die heutige Bergtal-Hochzeit betreuen sollte.
Natürlich war das ein Unding. Einfach eine Reservierung von Kunden der Agentur zu stornieren und eine andere anzumelden. Julia konnte sich absolut keinen Reim darauf machen, wie Annemarie auf diese absurde Idee gekommen war. Diese Frage konnte sie jedoch wohl oder übel erst am Montag klären. Jetzt war zunächst Schadensbegrenzung angesagt. »Hubert, bei uns in der Agentur hat es wohl ein schreckliches Missverständnis gegeben. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Aber jetzt haben wir wirklich Feuer am Dach«, sagte sie in bittendem Ton. »Kannst du nicht noch einen Platz für meine Hochzeitsrunde finden?«
»Julchen, Julchen«, sagte Hubert mit einem lauten Seufzer, »du weißt, wie sehr ich dich mag, aber wir sind voll, voll, voll …«
Abrupt hielt er inne, sagte nach einer kurzen Pause: »Aber vielleicht kann ich trotzdem etwas machen …«
Dann erzählte er Julia von dem hinteren Teil des Gartens der Gaststube, in dem er die großen Kübel mit den Rosensträuchern samt einigen Stehtischchen zur Seite schieben konnte. Wenn er dazu noch einen zusätzlichen Tisch aus dem Keller holen würde und das Wetter passte ja … die Stallers wären versorgt.
»Mensch, Hubert, du bist ein Schatz! Du hast mich gerettet!«, rief Julia begeistert aus. »Wenn ich nicht so durch und durch Single wäre, dann würde ich glatt auf der Stelle um deine Hand anhalten!«
»Mädel, das kannst du gerne machen«, lachte er, »aber da musst du zuerst meinen Schatz, den Toni fragen, ob er es erlaubt!«
Julia kicherte vergnügt. »Ui, ui, ui, dein Liebster ist mir etwas zu eifersüchtig. Dann muss ich mich eben mit einer schönen Flasche Wein bedanken.«
»Mach das«, gab Hubert zurück, »der Toni mag am liebsten spanischen Rioja.« Dann fügte er hinzu: »Aber jetzt ruf schnell deine Braut an, sonst dreht die noch völlig durch!«
Julia nickte, auch wenn Hubert es nicht sehen konnte. »Stimmt! Und danke! Danke! Danke!«
Natürlich hatte der Restaurantchef recht gehabt, Kerstin Stallers Stimme überschlug sich geradezu vor Aufregung. »Ich dachte schon, Sie melden sich nicht mehr. Aber jetzt wird ja hoffentlich doch noch alles gut.«
»Ja, jetzt wird alles gut«, beruhigte Julia sie, »ich bin eine halbe Stunde vor der Trauung im Burghof der Festung. Glauben Sie mir, es wird eine wunderschöne Hochzeit werden.«
»Na, wenn Sie das sagen«, gab Kerstin Staller zurück, und sie klang dabei schon wieder richtig munter.
Am Abend, als Julia inmitten etlicher Touristen und Einheimischer durch die Salzburger Innenstadt nach Hause spazierte, ließ sie die Hochzeit der Stallers in ihrem Kopf noch mal Revue passieren.
Im Burghof der Festung hatte ein sehr lockerer und liebenswerter Standesbeamter, Julia mochte den älteren Herrn besonders gern, Kerstin und Bernhard verheiratet. Auch unter den Augen von Kerstins Schwiegermutter, die zuerst streng dreingeschaut, aber sichtlich von Minute zu Minute mehr das Salzburger Ambiente genossen hatte. Julia hatte später beim Abendessen von der älteren Frau erfahren, dass sie aus einem winzigen Dorf im Pinzgau kam und das für sie enorm große Salzburg ihr zu Anfang einen schlimmen Schrecken eingejagt hatte. »Aber dann war es herrlich«, hatte sie, selig eine große Portion Salzburger Nockerln löffelnd, erklärt, »die festliche Trauung, der Ausblick von der Festung …« Anerkennend deutete sie mit der Hand auf den hübschen Gastgarten des Stegerhofes. »Und hier ist es ganz besonders schön – und für diese Salzburger Nockerln würde ich morden!«
Julia hatte hell aufgelacht und war später von der Braut, die ein entzückendes mintfarbenes Seidenkleid getragen hatte, freudestrahlend umarmt worden. »Danke für diesen wunderschönen Tag!« Mit gesenkter Stimme hatte sie nachgesetzt: »Und danke für die Betreuung meiner Schwiegermutter.«
Sie hatte eine kleine Grimasse gezogen, die so ulkig aussah, dass Julia hatte breit grinsen müssen. »Gern geschehen.« Und leiser: »Ihre Schwiegermutter ist eine ganz Liebe. Ich glaube, sie ist ein wenig ängstlich, deshalb wirkt sie vielleicht manchmal ein wenig schroff. Das dürfen Sie nicht persönlich nehmen.«
Kerstin Staller hatte genickt, und dann hatten sich die beiden Frauen verabschiedet. Rasch war Julia noch zum Hubert gegangen. »Der Wein kommt, mein Süßer!«, hatte sie gescherzt, bevor sie den feschen Mann an sich gedrückt hatte.
Er hatte breit gegrinst. »Am besten wir trinken ihn zu dritt!«
»Ja, das wird gemütlich mit dem Toni. Vielleicht gleich nächste Woche?«
»Super Idee!«, hatte Hubert gesagt, dann war er wieder an einen Tisch gerufen worden.
Julia hatte ihm zugewinkt und war dann aus dem Stegerhof geeilt.
Erleichtert darüber, dass nach der Hiobsbotschaft am Morgen die Hochzeitsfeier doch noch so glücklich über die Bühne gegangen war, atmete Julia tief durch. Am Montag würde sie mit ihrer Chefin und Annemarie sprechen müssen, so ging es einfach nicht weiter.
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