Marquanteur schafft sie alle in Marseille: 4 Frankreich Krimis - Alfred Bekker - kostenlos E-Book

Marquanteur schafft sie alle in Marseille: 4 Frankreich Krimis E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis von Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille Commissaire Marquanteur und der Kämpfer von Marseille Commissaire Marquanteur und der Fall Bel Hugo Commissaire Mquarquanteur und der Psychopath In der Sportarena Le Dôme in Marseille wird ein Wrestler ermordet, und der Verdacht richtet sich auf den Ganoven Janton, der auch des Wettbetrugs verdächtigt wird. Aber dann wird ein weiterer Mann bei einer Sportveranstaltung im Ring getötet, und plötzlich werden die Commissaire Marquanteur und Leroc mit einem Serienkiller konfrontiert. Er wird LA MOUCHE genannt hat sich vorgenommen, ein teuflisches Spiel mit Marquanteur zu beginnen… Mit mörderischem Ausgang!

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Alfred Bekker

Marquanteur schafft sie alle in Marseille: 4 Frankreich Krimis

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Inhaltsverzeichnis

Marquanteur schafft sie alle in Marseille: 4 Frankreich Krimis

Copyright

​Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille: Frankreich Krimi

​Commissaire Marquanteur und der Kämpfer von Marseille: Frankreich-Krimi

Commissaire Marquanteur und der Fall Bel Hugo

Commissaire Marquanteur und der Psychopath

Marquanteur schafft sie alle in Marseille: 4 Frankreich Krimis

von Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis

von Alfred Bekker:

Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille

Commissaire Marquanteur und der Kämpfer von Marseille

Commissaire Marquanteur und der Fall Bel Hugo

Commissaire Mquarquanteur und der Psychopath

In der Sportarena Le Dôme in Marseille wird ein Wrestler ermordet, und der Verdacht richtet sich auf den Ganoven Janton, der auch des Wettbetrugs verdächtigt wird. Aber dann wird ein weiterer Mann bei einer Sportveranstaltung im Ring getötet, und plötzlich werden die Commissaire Marquanteur und Leroc mit einem Serienkiller konfrontiert. Er wird LA MOUCHE genannt hat sich vorgenommen, ein teuflisches Spiel mit Marquanteur zu beginnen… Mit mörderischem Ausgang!

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

​Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille: Frankreich Krimi

von Alfred Bekker
In eine Marseiller Galerie wird eingebrochen. Der Besitzer scheint ermordet worden zu sein – seine Leiche ist aber unauffindbar. Commissaire Pierre Marquanteur und sein Team beginnen mit ihren Ermittlungen und stellen schnell fest, dass der Galerist in höchst dubiose Geschäfte verwickelt war. Innerhalb kurzer Zeit werden weitere Personen aus seinem Umfeld ermordet. Dann meldet sich ein Kollege aus Russland, und der Fall bekommt eine Wendung …
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Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
1
Marseille – im Jahr 2007 …
»Und das soll nun Kunst sein!«, sagte der Mann im Bistro, in dem mein Kollege Commissaire François Leroc und ich uns gerade stärkten. »Wissen Sie, was ich denke, Monsieur Marquanteur?«
»Naja …«, sagte ich, denn ehrlich gesagt wusste ich nicht so genau, worauf der Bistro-Mann hinauswollte. Aber die Croissants, die er anbot, schmeckten gut. Und darauf kam es an.
Er deutete auf die Vogelscheuche, die an einem Laternenpfahl hing und durch den letzten Regen ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden war.
»Die lassen dies da nun vergammeln und keiner hängt den Müll weg, weil es ja eine Kunstaktion ist. Ich weiß nicht, das soll wohl den menschlichen Verfall und das Vergehen der Zeit illustrieren oder sowas.«
»Kann schon sein«, sagte ich kauend.
»Ja, kann sein oder ist wirklich so, Monsieur Commissaire?«
François und ich waren in letzter Zeit öfter hier gewesen. Deswegen kannte er unsere Namen. Ich seinen allerdings nicht. Eine Schande. Aber man kann nicht alles behalten.
»Habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht, muss ich jetzt ehrlich gestehen.«
»Also wenn ich meinen Sperrmüll zur falschen Zeit an die Straße stelle, kriege ich eine Verwarnung. Aber wenn ich Künstler wär‘, dann könnte ich jeden Mist einfach irgendwo lassen und das wär‘ in Ordnung?«
»So würde ich das jetzt nicht sehen«, sagte ich.
»Ja, aber ich sehe das so! Und richtig ist das nicht! Das kann mir keiner erzählen!«
»Von der Seite habe ich das noch nicht betrachtet.«
»Sollten Sie vielleicht mal, Monsieur Commissaire Marquanteur. Sie sind doch Commissaire?«
»In der Tat, ja.«
»Dann frage ich jetzt mal den Commissaire Marquanteur, mit seiner große Kenntnis von den Paragraphen und so: Kann man sowas nicht verbieten?«
Ich hatte mich verschluckt und irgendwie ein Stück Croissant in den falschen Hals gekriegt. Mein Kollege François haute mir auf den Rücken. Nach einem Moment war es wieder gut.
»Geht‘s wieder?«, fragte der Bistro-Mann.
»Alles in Ordnung«, sagte ich.
»Und meine Frage?«
»Wie?«
»Ja, die Antwort fehlt: Kann man so eine Verschandelung der Stadt, wie die da, nicht verbieten?«
»Also, genau genommen fällt das nicht in unsere Zuständigkeit«, sagte ich.
»Ah, ja«, sagte der Bistro-Mann.
»Gutes Croissant«, meinte François kauend. »Echt!«
»Gibt keine Besseren«, ergänzte ich.
»Das hört man gerne«, sagte der Bistro-Mann und streckte dann die Hand in Richtung der Vogelscheuche aus. »Aber davon kriegt man Augenkrebs!«
2
St. Petersburg, Russland
Das Café Rasputin war ein beliebter Szene-Treff, wo sich Künstler, Intellektuelle und alle, die sich dafür hielten einfanden, um über den Niedergang Russlands zu diskutieren oder der Performance eines experimentellen Dichters zu lauschen. An den Wänden hingen großformatige Gemälde in grellen Farben. Wladimir Basilov fiel in seinem biederen, dreiteiligen Anzug sofort auf. Er ließ suchend den Blick über die Gäste schweifen. Stimmengewirr erfüllte den Raum.
Und Zigarettenrauch.
In kalten Schwaden hing er über den Tischen und machte Basilov klar, wie sehr ihn zwanzig Jahre Marseille geprägt hatten. In Frankreich war das Rauchen beinahe überall verboten, und so war Basilov den in Augen und Nase beißenden Qualm nicht gewöhnt.
Sein Blick blieb an einem Mann im dunklen Rollkragenpullover haften, der allein an seinem Tisch saß.
Basilov ging an seinen Tisch.
Der Mann im Rollkragenpullover zog an seiner filterlosen Zigarette und blies Basilov den Rauch entgegen. »Na, endlich! Ich dachte, du kommst nicht mehr! Setz dich!«
Basilov nahm Platz. »Wir müssen miteinander reden, Sergej!«
Der Mann im Rollkragenpullover beugte sich nach vorn und sprach nun in gedämpftem Tonfall. »Ich steige aus, Wladimir! Die Sache ist zu heiß geworden. Und wenn du schlau bist und am Leben bleiben willst, tust du dasselbe!«
3
»Was ist passiert?«, fragte Basilov.
»Genug, um in Zukunft die Finger von der Sache zu lassen. Das Geschäft läuft nicht mehr, und ich habe keine Lust, mir die Finger zu verbrennen. Vor zwei Tagen wurde Korzeniowskij erschossen, und ich möchte nicht der Nächste zu sein.«
Basilov verengte die Augen.
»Korzeniowskij?«, echote er. »Das wusste ich nicht …«
»Du scheinst so manches nicht zu wissen, Wladimir!«
»Dann erkläre es mir, Sergej!«
»Ich sehe zu, dass ich mein Geld in die Schweiz bekomme, und dann bin ich weg!«, erklärte der Mann im Rollkragenpullover.
Er lehnte sich zurück und ließ den filterlosen Glimmstängel aufglühen.
Basilov wedelte mit der Hand, um den Rauch zu vertreiben.
Sergej grinste schief. »Verweichlichter Franzose!«, murmelte er verächtlich.
»Was den Pass betrifft, stimmt das«, konterte Basilov.
»Na, das wird es für dich ja etwas leichter machen, mit der neuen Situation fertig zu werden.«
Basilov lachte heiser. »Du hast gut reden, Sergej! Ich bin schließlich Verpflichtungen eingegangen! In Marseille gibt es Leute, die auf die nächste Lieferung so sehnsüchtig warten wie ein Junkie auf seinen Stoff! Die werden ziemlich sauer reagieren.«
Sergej zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid.«
»Was ist mit Lebedew?«
»Der ist schon vor Wochen von der Bildfläche verschwunden. Offenbar hat er den Braten etwas früher gerochen als der Rest von uns und zugesehen, dass er seine Schäfchen ins Trockene bekommt.«
»Verdammt!« Basilov ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Eine dunkle Röte überzog sein Gesicht.
Sergej wirkte gelassener. »So ist das nun mal. Jeder muss jetzt sehen, dass er so gut wie möglich aus dem Schlamassel herauskommt.«
»Na, großartig!«
Sergej drückte den Rest seiner Zigarette im Aschenbecher aus, trank seinen mit Wodka vermengten Kaffee aus und erhob sich.
Basilov war bleich wie die Wand geworden.
Sergej sah ihn an und verzog das Gesicht. »Hey, bist du wirklich schon so ein französisches Weichei geworden, Wladimir? Ich dachte, ihr würdet den Unternehmergeist immer besonders groß schreiben!«
Basilov verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
»Das tun wir auch.«
»Da wird der deinige ja wohl nicht gleich versagen, nur, weil die Zeit der Riesenjackpots für dich jetzt erst mal eine Weile vorbei ist!«
»Sehr witzig!«
»Immerhin lebst du noch – das ist mehr, als man von so manch anderem sagen kann, der bei der Sache mitgemacht hat!« Gönnerhaft klopfte Sergej seinem Gesprächspartner auf die Schulter. »Nichts für ungut, Wladimir! War ‘ne schöne Zeit, und ich denke, wir werden dem warmen Euro-Regen noch lange nachtrauern.«
Basilov bleckte die Zähne wie ein Raubtier. »Du kannst mich mal!«, fauchte er.
»Wie auch immer. Vielleicht machen wir ja irgendwann, wenn sich die Lage beruhigt hat, mal wieder zusammen Geschäfte. Man sollte ja immer optimistisch bleiben!« Er grinste schief und setzte noch hinzu: »Außerdem kommen Ikonen nie aus der Mode!«
Sergej sah auf die Uhr.
Dann nickte er Basilov zu und ging in Richtung Ausgang.
Gerade hatte ein Mann in dunkler Lederjacke, dazu passenden Stiefeln und grauer Strickmütze den Raum betreten.
Sergej erstarrte, als er ihn sah.
Der Mann in Leder griff unter seine Jacke und riss eine Pistole hervor.
Er drückte sofort ab.
Sergej bekam einen Treffer in den Brustbereich, taumelte zwei Schritte zurück und wurde anschließend noch in Kopf und Hals getroffen.
Mit einem dumpfen Geräusch schlug der Getroffene auf den Holzboden. Blut sickerte aus den Wunden.
Überall im Café brach Panik aus. Entsetzensschreie gellten durch den Raum.
Basilov erhob sich vom Platz, drehte sich herum und griff unter seine Jacke.
Der Mann in Leder schwenkte den Lauf seiner Automatik in Basilovs Richtung. Die Blicke der beiden Männer begegneten sich kurz. Dann leckte erneut das Mündungsfeuer wie eine rote Drachenzunge aus dem Lauf der Automatik hervor.
Basilov bekam einen Schuss in die Brust, der ihn gegen die Wand taumeln ließ. Ein zweiter Treffer erwischte ihn nur Zentimeter daneben – genau dort, wo sich das Herz befand.
Basilov rutschte an der Wand hinunter, versuchte sich festzuhalten, und riss dabei eines der großformatigen Gemälde von den Haken.
Er ächzte und rang nach Luft.
Der Mann in Leder drängte sich derweil bereits durch die von Panik erfüllten Gäste des Café Rasputin in Richtung Ausgang.
Rechts und links stoben die Leute vor ihm zur Seite, so gut sie konnten. Niemand wollte schließlich mit der Waffe in seiner Rechten angeschossen werden.
Augenblicke später war er draußen in der Menge der Passanten verschwunden.
Inzwischen stöhnte Basilov schmerzerfüllt auf.
Er versuchte sich zu bewegen, aber er hatte das Gefühl, von mehreren Messern durchbohrt zu werden.
Er rang noch immer nach Luft. Das Atmen tat höllisch weh. Vorsichtig betastete er die Stellen, an denen er getroffen worden war. Die Projektile hatten seine Kleidung aufgerissen. Unter dem edlen Tuch seines Marseiller Schneiders kamen die ersten Lagen grauen Kevlars zum Vorschein.
Immerhin, dachte er, die Weste hat gehalten, was der Hersteller verspricht, auch wenn die Treffer trotzdem sehr schmerzhaft gewesen sind.
Aber die Kevlar-Weste hatte das Eindringen der Kugeln in den Körper verhindert und Basilov damit das Leben gerettet. Ein paar blaue Flecken würden ihm von der Attacke bleiben – wenn er Pech hatte, vielleicht auch eine angeknackste Rippe. Basilov berührte eine der Stellen ein zweites Mal. Er war sich noch nicht ganz sicher, wie schwer die Verletzungen tatsächlich waren.
Vorsichtig stand er auf und stützte sich dabei auf einen der Tische.
Im Café Rasputin herrschte jetzt vollkommenes Chaos. Alle rannten durcheinander und versuchten, sich irgendwie in Sicherheit zu bringen.
Da auch Basilov eine Waffe in der Hand hielt, wich ihm jeder aus.
Nur weg, so lange die Miliz noch nicht hier ist!, ging es ihm durch den Kopf.
Er hatte keine Lust, sich den langwierigen Fragen der Polizei zu stellen und am Ende noch ein kleines Vermögen investieren zu müssen, um die betreffenden Beamten zu schmieren.
Vielleicht hat Sergej recht gehabt und es ist wirklich Zeit, dass ich aussteige!, überlegte Basilov, als er ins Freie taumelte.
4
»Na, gewöhnst du dich langsam an den neuen Dienstwagen?«, fragte mich mein Kollege François Leroc, als ich ihn an diesem Morgen abholte. Wie üblich hatte François an der bekannten Ecke gewartet. Es regnete Bindfäden, und er war ziemlich durchnässt.
»Ich versuche es«, erwiderte ich. François hatte einen wunden Punkt angesprochen.
Der Porsche, den ich die letzten Jahre über gefahren hatte, war mir gestohlen worden. Wir fanden ihn später in einer Schrottpresse als handliches Päckchen wieder, und es stellte sich im Laufe der Ermittlung heraus, dass die Diebe es auf den Inhalt des installierten Dienstrechners abgesehen hatten. Die darauf gespeicherten Daten waren für die Gangster ein Hilfsmittel gewesen, um einen groß angelegten Cyberangriff auf die Polizei zu starten.
Inzwischen fuhr ich einen handgefertigten Hybriden aus einer Dodge Viper SRT-10, auf die man die Karosserie eines Porsche aufgesetzt hatte.
Die technische Innenausstattung mit integriertem TFT-Bildschirm und Computer entsprach dem Standard, den auch der alte Porsche gehabt hatte.
Seit einiger Zeit war der Zwitter aus Porsche und Dodge nun fertig gestellt, und ich hatte Gelegenheit, die Fahreigenschaften kennen zu lernen.
Bis jetzt war ich vollauf zufrieden, auch wenn ich dem alten Porsche immer noch etwas nachtrauerte. Aber das hatte wohl eher sentimentale Gründe, die wohl auch verantwortlich dafür waren, dass ich vom neuen Porsche sprach – und nicht etwa vom neuen Dodge.
Kollege François Leroc schnallte sich an.
»Na, dann zeig mal, was der Neue kann!«, meinte er.
»Witzbold.«
»Wieso?«
»So lange wir uns im Großraum Marseille aufhalten, dürfte das wohl kaum praktikabel sein, wenn wir nicht eine unangenehme Begegnung mit unseren Kollegen in Uniform riskieren wollen. Schließlich gibt es ja auch für unsereins keine gesonderten Verkehrsregeln.«
»Zumindest, solange nicht irgendein gerechtfertigter Notfall vorliegt«, gestand ich zu.
Der Regen wurde so heftig, dass es selbst die unermüdlich hin und her schwingenden Wischblätter kaum schafften, einen klaren Durchblick zu gewährleisten.
»Wieso bist du ausgerechnet heute so spät dran, Pierre?«, fragte François, als wir wenig später an einer Ampel halten mussten. »Ich bin fast aufgeweicht bei der verdammten Nässe!«
»Ich war heute Morgen noch in der Werkstatt und hatte dort einen Sondertermin außerhalb der Geschäftszeiten.«
François grinste.
»Ach, hat das gute Stück schon seine Mucken?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Es waren nur noch ein paar Feineinstellungen vorzunehmen. Routinekram eben.«
»Wer es glaubt, wird selig. Mal ehrlich, ich weiß nicht, ob ich diesem zusammengeschraubten Zwitter trauen soll!«
5
Als wir das Präsidium erreichten, ließ der Regen zum Glück endlich nach.
Noch bevor wir unser gemeinsames Dienstzimmer erreichten, lief uns Kollege Maxime Valois über den Weg. Der Innendienstler aus der Fahndungsabteilung grüßte knapp und wies uns darauf hin, dass unser Chef in einer halben Stunde eine Besprechung in seinem Büro angesetzt hatte.
»Du bist doch sicher informiert, worum es geht, Maxime«, vermutete ich.
Maxime nickte. »Das wird eine groß angelegte Operation mit internationaler Zusammenarbeit und so weiter …«
»Drogen?«
»Nein. Schon mal was von der Eremitage gehört?«
»Ist das nicht ein Museum in St. Petersburg?«
»Richtig.«
»Dann geht es um illegalen Kunsthandel?«
»Lass dich einfach überraschen, Pierre! Ich muss noch mal ein Dossier für euch zusammenstellen.«
»Bis nachher.«
Der illegale Kunsthandel hatte finanziell gesehen längst Dimensionen wie der Handel mit Drogen, Waffen oder Müll erreicht und war zu einem wichtigen Zweig des organisierten Verbrechens geworden, ohne dass die Öffentlichkeit davon besonders Notiz genommen hatte.
Wir fanden uns zusammen mit einer Reihe weiterer Beamter pünktlich im Besprechungszimmer von Monsieur Jean-Claude Marteau, Commissaire général de police, ein und nahmen Platz.
Seine Sekretärin Melanie grüßte uns knapp.
Sie servierte Kaffee für alle. Außer uns waren unter anderem die Kollegen Stéphane Caron und Boubou Ndonga anwesend. Die Commissaire Josephe Kronbourg und Léo Morell trafen kurz nach uns ein.
Maxime Valois schlich sich erst auf leisen Sohlen in den Raum, als Monsieur Jean-Claude Marteau bereits zu sprechen begonnen hatte.
»Über die Bedeutung des illegalen Kunsthandels für das organisierte Verbrechen brauche ich wohl kaum noch ein Wort zu verlieren«, erklärte unser Chef. »Da werden Milliarden umgesetzt, und wir kommen an die Hintermänner noch schwerer heran als im Drogenhandel. Jetzt erreichte uns eine Bitte des Innenministeriums der Russischen Föderation um Zusammenarbeit, die für uns möglicherweise die Chance bietet, einige dieser mafiösen Strukturen endlich aufzudecken. Wir kommen auf diese Weise an Informationen heran, die uns da weiterhelfen werden. Sie haben vielleicht von dem Skandal um die Kunstgüter der Eremitage in St. Petersburg gehört. Offenbar sind dort seit Jahren massenhaft Kunstgegenstände verschwunden und auf dem schwarzen Markt verkauft worden. Vom Wachpersonal bis zur Kuratorin steckten maßgebliche Teile des Museumspersonals mit den Kriminellen unter einer Decke. Die Ware tauchte später zu einem Teil auch hier in Marseille auf. Und das geht nun schon seit Jahren so. Jetzt ist dieser Connection der Kopf abgeschlagen worden. Aber an dieser Stelle übergebe ich das Wort besser an Commissaire Marcel Duval.«
Monsieur Marteau deutete auf einen Mann in den Fünfzigern. Außer einem schmalen, dunklen Haarkranz hatte er keine Haare mehr am Kopf. »Kollege Duval wurde uns als Experte für den internationalen Kunsthandel zugeteilt und wird uns mit seiner Sachkenntnis unterstützen. Bitte Marcel, Sie haben das Wort.«
»Danke.« Marcel Duval erhob sich und aktivierte den Beamer des Laptops, das vor ihm auf dem Tisch stand. Auf Knopfdruck wurde das Bild einer Frau von Mitte fünfzig projiziert. »Sie sehen die Kuratorin der Eremitage in St. Petersburg. Nachdem eine Revision der Bestände angekündigt wurde, traf sie buchstäblich der Schlag. Die Revision ergab dann auch den Grund. Es fehlten erhebliche Teile des Bestandes, die offenbar über ein kriminelles Netzwerk auf den Markt gebracht wurden. Eine Reihe von Personen wurde verhaftet, darunter der Ehemann und der Sohn der Kuratorin. Der festgestellte Schaden ist kaum abzuschätzen, denn ein Teil des Eremitage-Bestandes ist noch nicht einmal richtig katalogisiert gewesen. Man weiß bis heute nicht, wie viele Stücke wirklich verschwunden sind. Tatsache ist, dass eine Art Panikwelle durch den illegalen Kunstmarkt fegte, die einmal um den ganzen Globus schwappte und wohl noch nicht ganz abgeebbt ist. Selbst hier in Marseille waren ein paar Ausläufer davon zu spüren. So verzeichnen wir seit einiger Zeit ein deutlich erhöhtes Angebot an Kunsthandwerk, Ikonen und Schmuck, die genau zum Bestand der Eremitage passen. Hin und wieder haben wir Glück und können die Herkunft nachweisen. Häufiger ist das jedoch nicht der Fall, und es bleibt nur die Vermutung, dass mit der Herkunft etwas nicht stimmt.«
Marcel Duval betätigte noch einmal den Beamer. Das Gesicht eines Mannes im dunklen Rollkragenpullover wurde sichtbar. »Wir haben im Zusammenhang mit dem Auftauchen von inflationär vielen Ikonen in Marseille, Düsseldorf, New York und London einige wertvolle Hinweise des Innenministeriums der Russischen Föderation erhalten, die es uns vielleicht möglich machen, auch bei uns ein paar Leuten das Handwerk zu legen, die schon seit Jahren den illegalen Kunsthandel als organisiertes Verbrechen betreiben und dabei bereit sind, über Leichen zu gehen. Der Mann, den Sie hier sehen, heißt Sergej Sergejewitsch Michailov. Er arbeitet für ein Kunsthandels-Syndikat in St. Petersburg. Letzte Woche wurde er dort im Café Rasputin von einem Killer erschossen, als er sich mit einem Mann namens Wladimir Basilov traf.«
Duval sorgte dafür, dass der Beamer das nächste Bild zeigte. Ein Mann im konservativen Dreiteiler war zu sehen. Er wirkte so bieder wie ein Bankangestellter. »Basilov lebt seit zwanzig Jahren in Marseille. Davor war er Angestellter der russischen Botschaft und KGB-Agent. Wir nehmen an, dass seine Verbindungen zu dieser Organisation auch noch fortbestanden, nachdem sich der KGB in FSB umbenannt hatte und Basilov aus dem Botschaftsdienst ausschied. Offiziell übrigens deswegen, weil er Mitglied der Kommunistischen Partei war, die Boris Jelzin kurz nach dem Putsch gegen Gorbatschow verbieten ließ. Aber seine angebliche Treue zum Kommunismus hat ihn nicht daran gehindert, anschließend nach allen Regeln der Kunst zu einem kapitalistischen Geschäftsmann zu werden. Er blieb in Marseille, hatte offenbar gute Fürsprecher bei den Behörden, und ist inzwischen Franzose.«
»Hat er vielleicht ein paar KGB-Geheimnisse verraten, damit jemand die Hand über ihn hält?«, fragte Stéphane Caron.
Duval drehte sich zu ihm um und nickte. »Daran habe ich auch gedacht. Und ich habe versucht, etwas darüber in den Archiven zu finden. Zumindest, was FoPoCri betraf, waren sie mir zugänglich. Bisher Fehlanzeige! Aber das muss nichts heißen. Möglicherweise schlummert da noch etwas beim Geheimdienst. Oder Basilov hat es sogar geschafft, dass dort alles verschwunden ist, was ihn irgendwie hätte kompromittieren können. Denn eins ist klar: Ohne seine alten KGB-Verbindungen hätte er nicht der wichtige Verbindungsmann im illegalen Kunsthandel werden können, der er zweifellos ist.« Duval atmete tief durch. »Leider konnte man ihm nie etwas nachweisen, aber das könnte sich nun ändern.«
FoPoCri - das war die Force spéciale de la police criminelle.
Unsere Abteilung.
»Inwiefern?«, hakte Monsieur Marteau nach.
»Nun, ich erwähnte ja gerade die Ermordung von Sergej Michailov. Einen Tag zuvor starb Boris Korzeniowskij in seiner Datscha unweit von St. Petersburg. Korzeniowskij stand auch mit Basilov in Kontakt und gehörte derselben Szene an. Er residierte normalerweise am Genfer See und sorgte für die Geldwäsche der Gewinne aus den illegalen Deals. Offenbar findet da gerade eine Säuberungsaktion innerhalb der Kunstmafia statt, die durch die Aufdeckung des Eremitage-Skandals verursacht wurde. Jeder, der irgendwie in der Sache drinhängt, versucht jetzt erstens Kunstobjekte, die er noch auf Lager hat, möglichst schnell abzustoßen und zweitens diejenigen loszuwerden, die ihn als Mitwisser kompromittieren würden.«
»Und Basilov soll dahinter stecken?«, fragte Monsieur Jean-Claude Marteau.
»Das wissen wir nicht«, bekannte Duval. »Wir wissen nur, dass es eine Verbindung zwischen Basilov und den bisherigen Opfern gibt.«
»Dann könnte es durchaus sein, dass er selbst auch auf der Todesliste steht«, folgerte ich.
»Durchaus«, stimmte Duval zu. »Falls jemand, der über ihm in der Organisation steht, ihn als Gefahr ansieht.«
»Jedenfalls wird Monsieur Basilov uns einige Fragen zu beantworten haben«, stellte Monsieur Marteau fest. »Bei unserem Vorgehen geht es in erster Linie darum, Basilovs Hintermänner zu ermitteln, die offenbar schon seit Jahren ihr Geschäft auch hier in Marseille betreiben.«
Duval ergriff noch einmal das Wort und ergänzte: »Um das von Monsieur Marteau skizzierte Ziel dieser Operation zu erreichen, wurde uns die Unterstützung des russischen Innenministeriums zugesagt. Sie schicken einen hochrangigen Ermittler, der sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat. Sein Name ist Valerij Markov, und eigentlich sollte er bereits eingetroffen sein.«
»Es wundert mich, dass ich nichts davon gehört habe«, erklärte Monsieur Marteau, während sich auf seiner Stirn eine Falte bildete.
Duval hob die Augenbrauen. »Ich habe keine Ahnung, wo Markov bleibt. Dass Sie noch nicht informiert wurden, liegt wohl einfach daran, dass diese Art von internationaler Zusammenarbeit auf höchster Ebene im Präsidialamt und im Außenministerium verhandelt wird.«
»Möglich«, brummte unser Chef.
»Dass der Typ hier nicht aufgetaucht ist, liegt wahrscheinlich mal wieder an der schlechten Organisation der Russen«, äußerte sich unser Kollege Josephe Kronbourg.
Duval warf dem ehemaligen Beamten der Schutzpolizei einen tadelnden Blick zu. »Haben Sie Vorurteile?«, fragte er kühl.
»War ja nur eine Vermutung«, meinte Josephe.
»Was auch immer Sie für Vorurteile gegen Russen haben mögen – auf Markov treffen sie wohl kaum zu. Er ist ein hervorragender Ermittler und durch kompromissloses Vorgehen gegen die alten Seilschaften hervorgetreten.«
Duval deutete auf unseren Kollegen Maxime Valois. »Ihr Kollege Valois war so freundlich, heute noch in aller Schnelle ein paar Dossiers über die Leute zusammenzustellen, von denen seit Langem bekannt ist, dass sie auf dem illegalen Kunstmarkt in Marseille irgendeine Rolle spielen. Wir werden nicht umhin kommen, einen Großteil dieser Leute abzuklappern und zu befragen, um ein klareres Bild darüber zu bekommen, was gegenwärtig in der Szene so los ist. Ich bin überzeugt davon, dass es uns mit dem entsprechenden Einsatz auch gelingen wird, die verschlungenen Pfade der Ikonen zurückzuverfolgen, die gegenwärtig den Markt überschwemmen.«
»Gut«, nickte Monsieur Marteau. »Ich schlage vor, dass Sie die Befragung von Basilov vornehmen.«
Duval lächelte dünn. »Das hatte ich mir auch so vorgestellt.«
»Pierre und François werden Sie dabei begleiten«, ergänzte unser Chef. »Und die Dossiers gehen an alle Mitarbeiter, die ich für diesen Fall abstelle.«
6
Wenig später saßen François und ich im Porsche. Der Motorenklang kam mir immer noch ziemlich fremd vor. Aber was die Leistung anging, konnte es die Dodge Viper mit jedem Original-Porsche aufnehmen.
Marcel Duval benutzte seinen eigenen Wagen. Es handelte sich um einen Renault, der ihm von der Fahrbereitschaft unseres Präsidium für die Dauer seines Aufenthalts zur Verfügung gestellt worden war.
Basilov wohnte in einem umgebauten Bürogebäude, das jetzt vornehmlich Eigentumswohnungen enthielt. Wir stellten den Wagen auf einem der wenigen Parkplätze ab, die es in der Umgebung gab, und mussten die letzten fünf Minuten bis zur Haustür zu Fuß laufen.
Dort trafen wir Duval, der ebenfalls zugesehen hatte, dass er seinen Wagen irgendwo in der Gegend abstellen konnte.
»Ich habe bereits geklingelt«, erklärte Duval. »Leider macht niemand auf. Weder in der Galerie, noch in der Privatwohnung.«
»Versuchen wir es noch mal«, schlug François vor. »Um Basilov in die Fahndung zu geben, ist es vielleicht noch ein bisschen früh, oder?«
Duval drückte erneut auf die Klingel.
Wir warteten ab.
Im Untergeschoss war seine Galerie untergebracht. Darüber bewohnte er eine Etage, die mindestens zweihundert Quadratmeter hatte und damit für Marseiller Verhältnisse schon fast unverschämt groß war.
Die Galerie machte erst am frühen Nachmittag auf.
Offenbar konnte sich ihr Besitzer nicht vorstellen, dass es Kunstfreunde gab, die bereits am Vormittag Interesse daran hatten, sich ein paar Stücke anzusehen.
»Die Galerie ist mehr oder minder zur Tarnung da!«, erklärte Marcel Duval. »Da finden Sie ein paar Gemälde von ausgeflippten modernen russischen Künstlern, die Basilov zu exorbitanten Preisen einkauft.«
»Na, wenn er Sie hier in Marseille mit Gewinn verkaufen kann …«, gab François zurück.
»Genau das ist der Punkt«, erklärte Duval. »Wahrscheinlich kann er das nicht.«
»Geldwäsche?«, fragte ich.
»Ich würde sagen, ja – nur ist ihm das bisher vor Gericht nicht bewiesen worden. Aber der Verdacht liegt natürlich nahe.«
Eine ziemlich breit gebaute Frau in den Fünfzigern kam zu uns an die Tür. Sie musterte uns.
»Wer sind Sie?«
Ich hielt ihr meinen Ausweis unter die Nase. »Pierre Marquanteur, FoPoCri. Dies sind meine Kollegen François Leroc und Marcel Duval. Wir suchen Monsieur Wladimir Basilov.«
»Da sind Sie hier leider verkehrt«, behauptete sie und drängte sich zwischen uns hindurch zur Tür.
»Wieso, wohnt Monsieur Basilov seit Neuestem nicht mehr hier?«, fragte Duval überrascht.
»Doch, das tut er schon. Aber Monsieur Basilov ist ein sehr arbeitsamer Mann. Der steht um fünf Uhr auf und erledigt seine Büroarbeit.« Sie sah auf ihre Uhr. »Jetzt treffen Sie ihn zwei Straßen weiter im Café Capute an. Da frühstückt er für gewöhnlich. Und zwar ziemlich ausgedehnt. Das ist auch gut so, dann stört er mich nicht dabei, wenn ich alles in Ordnung bringe.«
»Die Galerie und die Wohnetage?«
»Ja. Da muss man schon im Akkord arbeiten, wenn alles sauber sein soll. Aber Monsieur Basilov kann es nicht leiden, wenn er dabei ist und durch den Staubsauger oder ähnliches aus seinen Gedanken herausgerissen wird. So was geht ihm unheimlich auf die Nerven!« Die korpulente Frau atmete tief durch. »Aber ich will nicht meckern, schließlich bezahlt er mich hervorragend. Ich bin jetzt schon seit zehn Jahren bei ihm. Damals kam unsere Jüngste ins Collège und wir konnten das Geld gut …«
»Schon gut«, sagte François. »Wir werden es mal bei diesem Café Capute versuchen.«
»Einfach fünf Minuten die Straße entlang, dann können Sie das Schild gar nicht verfehlen!«
»Danke.«
Sie schloss die Tür auf. »Falls wir noch Fragen haben: Wie ist denn Ihr Name?«, fragte ich.
Sie musterte mich erneut von oben bis unten. »Florentine Masperone. Was wollen Sie eigentlich von Monsieur Basilov?«
»Nur ein paar Routinefragen«, sagte ich, schrieb mir anschließend noch Florentine Masperones Adresse auf und hinterließ ihr meine Karte. Madame Masperone studierte sie eingehend, bevor sie das Stück Papier in ihrer Manteltasche verschwinden ließ, die Tür vollends öffnete und in der Galerie verschwand.
»Also auf zu diesem Laden, der sich Café Capute nennt«, forderte Duval uns auf.
Wir hatten schon ein paar Schritte hinter uns gebracht, als wir aus der Galerie einen furchtbaren Schrei hörten.
Instinktiv ging unser Griff sofort zur Dienstwaffe.
7
Wir kehrten zur Haustür zurück.
Madame Masperone öffnete sie.
Kreidebleich trat sie uns entgegen.
»Kommen Sie!«, flüsterte sie. »Ich weiß gar nicht, wie ich das Monsieur Basilov beibringen soll.«
»Wovon sprechen Sie, Madame Masperone?«, fragte ich.
»Es ist eingebrochen worden. Die Galerie ist ein einziges Chaos. Seien Sie vorsichtig! Vielleicht sind die Täter noch da drin!«
Mit der Waffe in der Hand drangen wir in die Galerie ein. Madame Masperone folgte uns.
In der Galerie waren mehrere Vitrinen für Ausstellungsstücke zerschlagen worden. Außerdem hatten die Täter Gemälde von den Wänden gerissen und auf den Boden geschleudert. An anderen Stellen gab es leere Haken. Moderne russische Kunst schien den oder die Eindringlinge nicht besonders interessiert zu haben, denn sie hatten sie achtlos liegengelassen.
François rief per Handy Verstärkung.
In sämtlichen Räumen der Galerie sah es ähnlich aus. Ein in die Wand eingelassener Safe stand offen. Er war leer.
Neben einer zerschlagenen Glasvitrine fand sich eine deutliche Blutspur auf dem Boden.
»Scheint, als wäre Monsieur Basilov der nächste auf der Todesliste der Kunstmafia gewesen«, meinte Duval.
»Sie setzen voraus, dass das Blut von Basilov stammt«, erwiderte ich.
»Ich finde, das liegt nahe.«
»Jedenfalls dürfte das vorhandene Spurenmaterial ausreichen, um einen DNA-Test durchzuführen«, stellte François fest und steckte seine Waffe ein. »Abgesehen davon werden die Kollegen der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst hier zweifellos jeden Millimeter unter die Lupe nehmen. Mal sehen, was noch so an Spuren hinterlassen wurde.«
»Wenn es sich um die Leute handelt, die ich in Verdacht habe, wird man gar nichts weiter finden«, stellte Duval klar. »Zumindest nichts, was wir nicht finden sollten. Das sind nämlich Profis.«
»Warten wir es ab«, schlug ich vor.
Madame Masperone war uns gefolgt.
Die Blutlache sah sie jetzt offenbar auch zum ersten Mal. Sie war ganz bleich geworden. »Mein Gott«, flüsterte sie. »Monsieur Basilov wird doch wohl nichts passiert sein …«
»Haben Sie auch einen Schlüssel für die Wohnung?«, fragte ich.
»Ja. Da muss ich schließlich auch saubermachen, und Monsieur Basilov ist oft für längere Zeit auf Geschäftsreisen … Zum Lift kommen Sie über die Tür dahinten!«
»Und das Treppenhaus?«
»Ist direkt daneben.«
»Gibt es hier eigentlich eine Alarmanlage?«
Madame Masperone nickte. »Ja, aber sie war ausgeschaltet.«
»Hat Sie das nicht gewundert?«
»Ehrlich gesagt nein. Es kommt öfter vor, dass Monsieur Basilov vergisst, sie wieder einzuschalten, wenn er hier ist. Ich habe ihn schon des Öfteren deswegen angesprochen. Schließlich nützt es nichts, eine Direktleitung zu einem privaten Sicherheitsdienst zu haben, wenn die Anlage gar nicht aktiviert ist.
»Kennen Sie den Code?«, fragte ich.
Madame Masperone runzelte die Stirn. »Natürlich kenne ich den Code, der eingegeben werden muss …«
Ich wandte mich an François. »Sehen wir uns in der Wohnung um.«
»Okay«, nickte mein Kollege.
Madame Masperone gab mir den Schlüssel für die Wohnung.
Wir gingen durch die Tür, die sie uns gezeigt hatte, während Duval bei ihr blieb.
Die Chance, dass sich der oder die Täter noch im Gebäude aufhielten, schätzten wir zwar gering ein. Aber auszuschließen war es nicht.
»Wer von uns nimmt den Lift und wer das Treppenhaus?« fragte François.
»Das Treppenhaus ist immer für den, der fragt!«, erwiderte ich grinsend.
»Ich würde sagen, du lässt mich den Lift nehmen.«
»Wieso?«
»Schließlich bist du mir noch was schuldig.«
»Habe ich da was verpasst, François?«
»Schon vergessen? Du hast mich heute Morgen im Regen stehen lassen, nur, damit noch irgendwas an deinem Wagen herumgeschraubt werden konnte!«
»Porsche!«
»Wie auch immer, Pierre.«
Ich seufzte. »Okay. Ich will mal nicht so sein.«
8
Ich pirschte mich über das Treppenhaus ein Stockwerk höher und stand sogar schneller vor der Wohnungstür als François, was daran lag, dass er die Liftkabine erst aus dem obersten Stock hatte holen müssen.
Neben dem Ausgang durch die Galerie gab es auch noch einen separaten Zugang für die Wohnungen in den oberen Stockwerken, die deutlich kleiner ausfielen als der von Basilov bewohnte Bereich.
Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen. Ein Kameraauge war auf den Flur gerichtet. Allerdings war es starr. Ich fragte mich, ob die Überwachungsanlage abgeschaltet war.
Mit der Dienstwaffe in der Hand gingen wir hinein und sahen uns um. Schon im Eingangsbereich waren die Spuren des Einbruchs zu sehen. Die Schubladen waren ausgezogen und der Inhalt auf dem Boden verstreut worden. In dem sehr großen Wohnzimmer fanden wir die Polstermöbel aufgeschlitzt vor. Zum Teil großformatige Gemälde mit moderner Kunst waren ebenso wie in der Galerie von den Wänden gerissen und achtlos auf dem Boden liegen gelassen worden.
Auf einer der Leinwände war etwas zu sehen, was vielleicht Fußabdrücke waren.
Hinter einem der Bilder war ein weiterer Safe verborgen gewesen, dessen Stahltür weit offen stand. Er war genauso leer wie der Safe in der Galerie.
Nachdem wir alle Räume durchsucht hatten, steckten wir die Dienstwaffen ein. Hier war niemand mehr.
François fand ein Display samt Tastatur, von dem aus die gesamte Überwachungsanlage für die Wohnung die Galerie zu regeln war.
»Abgeschaltet«, stellte François fest.
»Wie praktisch für den Einbrecher.«
»Da es von Basilov keine Spur gibt, müssen wir das Schlimmste befürchten, Pierre.«
»Jedenfalls waren an den Türen keinerlei Spuren für ein gewaltsames Eindringen zu sehen«, gab ich zu bedenken. »Basilov könnte den Täter selbst hereingelassen haben. Der hat ihn dann umgebracht, die Wohnung durchsucht und anschließend die Leiche entsorgt.«
»Warum hat er dann nicht dafür gesorgt, dass der Blutfleck verschwindet?«, fragte ich.
»Gute Frage. Vielleicht wurde er gestört, und es war nicht mehr möglich, noch einmal in die Wohnung zu gehen.«
»Und was könnte der Täter hier gesucht haben?«
»Jedenfalls nicht die moderne russische Kunst, die hier überall hängt. Ich nehme an, es war der Inhalt der Safes.«
»Was könnte da drin gewesen sein?«
»Wenn unser Kollege Marcel Duval mit seiner Hypothese Recht hat und Basilov auf einer Säuberungsliste der Kunstmafia steht, würde ich sagen, dass nach belastendem Material gesucht wurde.«
Ich ließ den Blick schweifen.
Die zertrümmerte Telefonanlage fiel mir auf. Offenbar sollte es erschwert werden, herauszubekommen, mit wem Basilov zuletzt telefonischen Kontakt hatte. Aber früher oder später würden wir die Verbindungsdaten über die Telefongesellschaft schwarz auf weiß vor uns haben.
Ich streifte mir Latexhandschuhe über.
Die Kollegen des Erkennungsdienstes sehen es im Allgemeinen nicht gerne, wenn sich die Ermittler im Außendienst am Tatort allzu gründlich umsehen. Zu viele Spuren konnten dadurch vernichtet werden. Andererseits war der Zeitfaktor nicht zu unterschätzen, denn der arbeitete grundsätzlich für den Täter. Je mehr Zeit verging, desto schwieriger wurde es, die Tat aufklären zu können.
Ich betrat einen Raum, der offenbar als Arbeitszimmer diente.
Bücher waren aus Regalen herausgerissen und auf dem Boden verstreut worden. Etwa ein Drittel davon war in russischer Sprache, der Rest auf Französisch und Englisch, einige wenige in Deutsch. Neben ein paar Science-Fiction-Romanen fanden sich dort vor allem Bücher zur Kunstgeschichte und Kataloge mit Werkverzeichnissen. Außerdem Werke zum Steuer- und Bilanzrecht Frankreichs, der Cayman Islands und der Schweiz.
Die Schubladen des Schreibtischs lagen umgedreht auf dem Boden.
Auf der Holzplatte war ein Abdruck zu sehen, der dafür sprach, dass hier noch vor Kurzem ein Computer gestanden hatte. Die Täter hatten ihn offenbar einfach mitgenommen.
»Eine Leiche und ein Computer sind verschwunden«, stellte ich fest. »Das muss doch jemandem aufgefallen sein, zumal man vor der Haustür nicht parken kann.«
»Das heißt, die Täter haben beides – und wer weiß, was sonst noch – mit dem Aufzug in die Parkgarage der Mieter gebracht. Wahrscheinlich haben sie dort auch ihren Wagen abgestellt, Pierre.«
»Was bedeutet, dass sie in irgendeiner Form registriert gewesen sein müssen, um dort hinein und wieder hinauszukommen!«, zog ich einen meiner Meinung nach logischen Schluss.
François war derselben Ansicht.
»Wir werden mit der Hausverwaltung und dem privaten Sicherheitsdienst sprechen müssen, der für dieses Haus zuständig ist, Pierre.« Mein Kollege schüttelte den Kopf und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Da wohnt jemand schon unter einer Adresse, die sicherheitstechnisch mit allen nur erdenklichen Schikanen ausgestattet ist, und dann geschieht so etwas!«
»Jedenfalls scheint der Sicherheitsdienst nichts bemerkt zu haben«, nickte François.
Wir nahmen uns anschließend noch das Schlafzimmer vor.
Sowohl der Inhalt der Kleiderschränke als auch die Utensilien im Bad zeigten, dass hier zumindest zeitweilig auch eine Frau gelebt haben musste.
»Wir werden Madame Masperone danach fragen«, schlug François vor. »Ich würde ja lachen, wenn Basilov gleich gesund und munter zurückkehrt, nach dem er im Café Capute gefrühstückt hat!«
»Den Laden werden wir uns auch noch vornehmen müssen«, kündigte ich an.
François nickte. »Das tun wir, sobald die Kollegen der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst hier das Terrain übernommen haben.«
Ich hatte damit begonnen, systematisch die Taschen von Basilovs Anzügen zu durchsuchen. Ich fand einen Zettel mit einer Handynummer. »Mal sehen, vielleicht bringt uns das hier ja weiter, François.«
Ich tippte die Nummer in meine Handytastatur und wartete ab. Aber niemand nahm das Gespräch entgegen. »Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar«, wurde mir mitgeteilt.
Wir kehrten zu Duval zurück.
Unser Kollege deutete auf ein Loch in der Wand.
»Hier hat eine Kugel dringesteckt«, meinte er. »Sie muss durch den Körper Basilovs gegangen sein und ist dann hier gelandet.«
»Der Täter scheint ein Profi gewesen zu sein«, sagte François.
Ich hob die Augenbrauen. »Trotzdem ist es doch seltsam, dass die Kugel in der Wand und die Leiche beseitigt wurden und der Blutfleck nicht. Dafür gibt es einen Grund!«
»Warten wir ab, was die Kollegen dazu sagen!«, schlug François vor.
Nach fünf Minuten trafen Kollegen der Schutzpolizei ein, um den Tatort zu sichern. Nach zwanzig Minuten erreichten unsere Erkennungsdienstler Sami Opporte und Jean-Luc Duprée den Tatort.
Dieser Fall wurde auf Grund der internationalen Dimension mit besonderer Priorität behandelt. Aus diesem Grund sollten die Kollegen der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst von unseren eigenen Erkennungsdienstlern unterstützt werden. Die Beamten des zentralen Marseiller Erkennungsdienstes hatten im Übrigen ihre Labors am Stadtrand und brauchten um diese Zeit entsprechend lange, um den Tatort zu erreichen. Wir rechneten erst eine Dreiviertelstunde später mit ihnen.
In der Zwischenzeit unterhielten wir uns noch einmal mit Florentine Masperone.
»Wir haben Anzeichen dafür gefunden, dass Monsieur Basilov mit einer Frau zusammengewohnt hat«, eröffnete ich ihr. »Was wissen Sie darüber?«
»Eigentlich lebte Monsieur Basilov immer sehr zurückgezogen«, erklärte sie. »Aber vor zwei Monaten zog eine junge Frau bei ihm ein. Ich schätze, sie war halb so alt wie er. Mitte zwanzig, schwarzes Haar, zierlich und immer elegant gekleidet.«
»Wissen Sie ihren Namen?«
»Er nannte sie Nora. Mehr weiß ich nicht.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
Florentine Masperone wirkte nachdenklich. »Ehrlich gesagt, das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe, war, kurz bevor Monsieur Basilov zuletzt verreist ist.«
»Wann war das?«
»Vor anderthalb Wochen. Ich glaube, er sagte etwas von St. Peter Ording. Liegt an der Nordsee in Deutschland, glaube ich. Da würde ich gerne sein. Bestimmt schön kühl da. Monsieur Basilov ist dort öfter hingeflogen.«
»Meinen Sie wirklich St. Peter Ording?«, fragte ich.
»Was weiß ich?«
»Könnte es sein, dass er nach St. Petersburg in Russland geflogen ist?«, mischte sich François ein.
Florentine Masperone wirkte etwas ratlos. »Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen«, gestand sie.
»Hat Basilov irgendwann mal geäußert, dass er sich bedroht fühlt?«, fragte ich.