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Newton war ein dreiunddreißigjähriger Mann mit kurzen, dunklen Haaren. Ich hatte ihn als gut aussehenden Typen in Erinnerung, einen Mann, der ein hohes Maß an Ruhe ausstrahlte und den man respektierte.
Jetzt lag er im Bett, zerschunden, rasselnd atmend, mit erschlafften Gesichtszügen und leerem Blick, der starr hinauf zur Zimmerdecke gerichtet war – ein Schatten seiner selbst. Newtons Gesicht wies viele Schürfwunden auf, die zu verharschen begannen, seine Hände waren dick verbunden, und ich vermutete, dass auch der Rest seines Körpers, der unter der Decke lag und den ich nicht sehen konnte, ziemlich ramponiert war.
Er sah furchtbar zugerichtet aus, und das Bild, das er bot, sprang mir mit einer fast erschreckenden Schärfe in die Augen. Sekundenlang schien mich eine unsichtbare Hand zu würgen und ein seltsamer Druck legte sich auf meine Brust, und ich fragte mich, wann der Terror, der im Panhandle von der PCC ausging, endlich aufhörte. Nichts beschäftigte uns Marshals vom ‚District Court for the Northern District of Texas’ mehr als der Streit der Company mit den Farmern, Smallranchern und Heimstättern, der oftmals in blutigen Auseinandersetzungen gipfelte und der auch schon Tote gefordert hatte.
„Hallo, Sheriff“, grüßte ich und erreichte, dass er den Kopf ein wenig in meine Richtung drehte und mich anschaute.
Seine Mundwinkel zuckten, er musste zweimal ansetzen, und schließlich entrang es sich ihm: „Marshal Logan, dem Himmel sei dank. Auf der Circle-M spielen sie verrückt. Price hat mich gestern …“
Er verstummte, denn ich winkte ab, weil ich erkannte, wie sehr ihn das Sprechen anstrengte. „Man hat es mir erzählt“, gab ich zu verstehen. „Und nun erwartet man hier, dass Griffith eine ganze Mannschaft schickt, die in der Stadt für Furore sorgen soll.“
Cover: STEVE MAYER
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Band 10
Marshal Logan und eine Stadt in Angst
Western von Pete Hackett
U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Als ich zwischen die ersten Häuser von Wheeler ritt, spürte ich, dass hier etwas nicht stimmte. Es war um die Mitte des Nachmittags, es war nicht sehr heiß und es kündigte sich auch kein Unwetter an – und dennoch mutete die Straße an wie leergefegt, die ganze Stadt wie ausgestorben. Die Geräusche, die eine Ortschaft wie Wheeler normalerweise produzierte, fehlten. Ich konnte die Impulse, die den Ort durchströmten nicht deuten – aber sie berührten mich wie ein fauliger Atem.
Mein Pferd ging im Schritt, die Hufe pochten leise und rissen kleine Staubfontänen in die warme Luft, manchmal klirrte die Gebisskette, manchmal knarrte das Leder meines Sattels. Mein Blick tastete sich an den Häusern zu beiden Seiten entlang bis ans Ende der Main Street, ich nahm die Eindrücke, die sich mir boten, auf und verarbeitete sie, sah hinter so manchem staubblinden Fenster den hellen Fleck eines Gesichts und fragte mich, was hier nicht stimmte.
Ich war nicht zum ersten Mal in Wheeler. Der Ort war Sitz des Wheeler Countys im Osten des Panhandle, an der östlichen Grenze des Countys begann das Indianerterritorium Oklahoma. Die Stadt war erst vor einigen Jahren gegründet worden und in ihr lebten etwa hundert Menschen. Vor einiger Zeit war hier ein Sheriff eingesetzt worden. Ihn wollte ich aufsuchen, von ihm wollte ich erfahren, ob es irgendwelche besonderen Ereignisse gegeben hatte in den vergangenen Wochen, in denen ich im Rahmen meiner routinemäßigen Stippvisiten nicht in der Stadt gewesen war. Hierbei dachte ich besonders an die Circle-M Ranch, einem großen Viehzuchtbetrieb, der zur Panhandle Cattle Company gehörte und der sich vehement gegen die Besiedlung des Landes zur Wehr setzte. Die PCC war der Meinung, das texanische Panhandle sei ein Rinderzuchtland und die Siedler würden die freie Weide gravierend einschränken – eine Meinung, die sie mit aller Härte und Entschiedenheit vertrat.
Vor dem Sheriff’s Office zügelte ich den Grullahengst, den ich ritt, und saß ab. Nachdem ich den langen Zügel lose um den verwitterten Holm geschlungen hatte zog ich die Winchester aus dem Scabbard, stieg die vier Stufen zum Vorbau hinauf und klopfte gleich darauf gegen die Tür.
Drin blieb es still.
Ich versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war abgeschlossen. Ein Blick durch das verstaubte Fenster war mir verwehrt, denn von innen war ein Vorhang von brauner Farbe vorgezogen.
Nachdem ich noch einmal mit der Faust gegen die Tür gehämmert hatte und auch jetzt keinen Erfolg verbuchen konnte, verließ ich den Vorbau, rammte die Winchester wieder in den Sattelschuh, nahm mein Pferd am Kopfgeschirr und führte es zum Mietstall. Das Hoftor stand offen, der Hof lag im Sonnenlicht, und auch das Stalltor war geöffnet. Der Geruch von Heu und Stroh sowie Pferdeausdünstung empfing mich im Stallinnern. „Hallo, Stall!“
Ein bärtiger Bursche um die dreißig trat aus einer Box, in der rechten Hand hielt er einen Striegel, er starrte mich finster an, dann erkannte er mich und sein Gesicht hellte sich auf. „Ah, Marshal. Endlich schickt das Gericht jemand. Wir dachten schon, dass man sich in Amarillo nicht darum schert, was aus dieser Stadt wird.“
Natürlich war jetzt mein Interesse geweckt. Ich hatte Wheeler rein routinemäßig angeritten, dass es hier scheinbar immense Probleme gab war mir völlig neu. „Klären Sie mich auf“, bat ich den Burschen. „Ich bin – Ihre Probleme betreffend – so unbedarft wie ein Säugling. Was ist los hier? Schon als ich vorhin die Stadt betrat hatte ich das Gefühl, dass man hier regelrecht die Luft anhält.“
„Sie wissen von nichts?“, fragte der Stallbursche, dabei hatte er die Stirn gefurcht. Er trat zwei Schritte näher, leckte sich über die trockenen Lippen und ergriff wieder das Wort, indem er hervorstieß: „Wenn es so ist, Marshal, dann schickt Sie der Himmel. Dave Griffith von der Circle-M hat gedroht, die Stadt niederzureißen. Nun warten wir hier in Wheeler darauf, dass er seine Kettenhunde von der Leine lässt. Allein die Drohung hat Angst und Schrecken verbreitet.“
Griffith war vor einiger Zeit von der PCC eingesetzt worden und ich hatte ihn noch nicht persönlich kennen gelernt. Darum sagte ich: „Ich habe von Griffith gehört. Er soll nicht zimperlich sein, wenn es um die Interessen der Circle-M geht. Aber warum bedroht er die Stadt?“
„Er will die Heimstätter am Sweetwater loswerden“, antwortete der Stallmann. „Da sie den Terror, der bisher von der Circle-M ausging, ertrugen und sich auf diese Art und Weise nicht vertreiben ließen, versuchte Griffith sie auszuhungern.“
„Wie soll das gehen?“, entfuhr es mir.
„Griffith verbot den Kaufleuten hier in Wheeler, den Siedlern Waren zu verkaufen oder Kredite einzuräumen. Es gibt eben Dinge, die man nicht selbst anbauen kann und auf die die Leute am Fluss angewiesen sind.“ Der Stallbursche zuckte mit den Achseln. „Das County ist dünn besiedelt, außer Wheeler gibt es im weiten Umkreis keine Stadt, die Siedler sind auf Wheeler angewiesen. Und die Kaufleute hier sind siedlerfreundlich eingestellt. Mit ihnen kommt schließlich etwas wirtschaftlicher Aufschwung ins Land, sie steigern den Umsatz und damit auch den Gewinn.“
„Man hat sich also nicht an Griffith’ Gebot – respektive Verbot gehalten“, konstatierte ich.
„Ja. Aber mittlerweile – glaube ich – bereuen das die meisten, die den Siedlern Waren verkauft haben.“
„Was ist mit dem Sheriff?“
„Den hat Andrew Price gestern am Lasso hinter seinem Pferd her die Main Street hinauf und hinunter geschleift. Newton liegt beim Doc in dessen Krankenzimmer. Einige der Männer, die ihn besuchten, haben erzählt, dass er nur noch ein gebrochener Mann sei.“
„Ist Jack Broome noch Bürgermeister?“, erkundigte ich mich.
„Natürlich.“
„Gut“, knurrte ich, „ich werde mich drum kümmern. Mein Pferd lasse ich hier, versorgen Sie es gut.“ Ich schnallte meine Satteltaschen los, angelte mir das Gewehr und verließ den Mietstall. Und nachdem ich im Hotel ein Zimmer gemietet hatte, machte ich mich auf den Weg zum Haus des Arztes, um mit Sheriff John Newton zu sprechen.