Martin kommt nach Hause - Friederike von Buchner - E-Book

Martin kommt nach Hause E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Auf Tonis und Annas romantischer Berghütte haben sie schon so manchem Paar den Weg ins Glück geebnet. Aber an die Tatsache, dass die Kinder ihrer Patchwork-Familie erwachsen werden, müssen sie sich erst noch gewöhnen. Toni schmerzt das Herz, wenn er an das Lebens- und Liebesglück seiner Tochter Wendy und der geliebten Adoptivkinder denkt. Wird Franziskas erste große Liebe ihr großes Glück oder großen Kummer bringen? Wozu wird sich Sebastian entscheiden, - übernimmt er eines Tages die Berghütte? Und dann gibt es auch im engsten Freundeskreis ungewohnte Aufregung – in mehreren Ehen kriselt es. Toni und Anna können da nicht untätig zusehen! Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. Benz hatte sich endlich dazu durchgerungen, mit Clara das Gespräch zu suchen. Er war Toni sehr dankbar, dass er vermittelt hatte. Seine Eltern und seine Schwester hatten erleichtert aufgeatmet, als er ihnen beim Familienfrühstück eröffnete, dass er sich mit Clara Fuchs verabredet habe. Es war seine Schwester Birgit gewesen, die ein ernstes Wort mit ihm gesprochen hatte. Dabei hatte sie ihm unverblümt einige sehr unbequeme Wahrheiten an den Kopf geworfen. Zehn lange Jahre hatte Benz seine Liebesenttäuschung gepflegt. Birgit hatte ihn aufgefordert, endlich erwachsen zu werden. Die Familie habe all die Zeit geduldig Nachsicht geübt, doch ihre Geduld sei nun zu Ende. Benz habe beruflich eine glänzende Karriere gemacht. Er sei, was man in den Bergen ein gestandenes Mannsbild nannte, benehme sich aber so unreif wie ein pubertierender Jüngling, der seinen ersten Liebeskummer erlitt. Sicherlich war es bitter, dass Clara seinen Heiratsantrag abgewiesen hatte. Aber er habe völlig überzogen reagiert, indem er Waldkogel fluchtartig verlassen habe und erst nach zehn Jahren für einen Besuch zurückgekehrt sei. Nach dem Gespräch mit seiner Schwester hatte Benz eingesehen, dass er einen Schlussstrich ziehen musste. Mit Bitternis in seinem Herzen weiterleben, das wollte er nicht. Er liebte Clara Fuchs immer noch. Bis zum heutigen Tag war sie seine große Liebe geblieben. Damals hatte sie ihn nicht heiraten wollen und ihn ausgelacht, weil sie in die höheren Kreise einheiraten wollte - wie ihre ältere Schwester. Benz musste sich eingestehen, dass er seine Gefühle zu Clara überprüfen musste. Das konnte nur geschehen, wenn er mit ihr sprach. Erst dann würde sich herausstellen, ob seine Gefühle echt waren und nicht nur Bestandteil seiner Verletzung.

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Toni der Hüttenwirt (ab 301) – 305–

Martin kommt nach Hause

… und seine Frau braucht jetzt viel Geduld!

Friederike von Buchner

Benz hatte sich endlich dazu durchgerungen, mit Clara das Gespräch zu suchen. Er war Toni sehr dankbar, dass er vermittelt hatte. Seine Eltern und seine Schwester hatten erleichtert aufgeatmet, als er ihnen beim Familienfrühstück eröffnete, dass er sich mit Clara Fuchs verabredet habe.

Es war seine Schwester Birgit gewesen, die ein ernstes Wort mit ihm gesprochen hatte. Dabei hatte sie ihm unverblümt einige sehr unbequeme Wahrheiten an den Kopf geworfen. Zehn lange Jahre hatte Benz seine Liebesenttäuschung gepflegt. Birgit hatte ihn aufgefordert, endlich erwachsen zu werden. Die Familie habe all die Zeit geduldig Nachsicht geübt, doch ihre Geduld sei nun zu Ende. Benz habe beruflich eine glänzende Karriere gemacht. Er sei, was man in den Bergen ein gestandenes Mannsbild nannte, benehme sich aber so unreif wie ein pubertierender Jüngling, der seinen ersten Liebeskummer erlitt. Sicherlich war es bitter, dass Clara seinen Heiratsantrag abgewiesen hatte. Aber er habe völlig überzogen reagiert, indem er Waldkogel fluchtartig verlassen habe und erst nach zehn Jahren für einen Besuch zurückgekehrt sei.

Nach dem Gespräch mit seiner Schwester hatte Benz eingesehen, dass er einen Schlussstrich ziehen musste. Mit Bitternis in seinem Herzen weiterleben, das wollte er nicht. Er liebte Clara Fuchs immer noch. Bis zum heutigen Tag war sie seine große Liebe geblieben. Damals hatte sie ihn nicht heiraten wollen und ihn ausgelacht, weil sie in die höheren Kreise einheiraten wollte - wie ihre ältere Schwester.

Benz musste sich eingestehen, dass er seine Gefühle zu Clara überprüfen musste. Das konnte nur geschehen, wenn er mit ihr sprach. Erst dann würde sich herausstellen, ob seine Gefühle echt waren und nicht nur Bestandteil seiner Verletzung. ›Will ich an der Liebe zu Clara festhalten, damit ich mich nicht wieder neu verliebe?‹, hatte er sich gefragt.

Birgit hatte ihm vorgeworfen, er habe zu schnell aufgegeben, statt weiter um Clara zu werben. Außerdem gebe es Madln, die sich nicht gleich entscheiden konnten. Auch Birgit hatte den ersten Antrag ihres Mannes abgelehnt. Benz habe sich als verschmähter Bräutigam minderwertig gefühlt und sich eingeredet, es werde in Waldkogel über ihn gelacht, da er und Clara schon lange als festes Paar galten. Es wäre besser gewesen, wenn Benz offen darüber gesprochen hätte. Dabei hätte er Claras Gründe thematisieren können.

Diese Idee war ihm nicht gekommen und später auch nicht. Es war ein Fehler gewesen, gestand sich Benz ein, dass er so empfindlich reagiert hatte.

Solche und ähnliche Gedanken beschäftigten Benz auf dem Weg nach München. Dort wollte er sich mit Clara in einem ruhige, kleinen Biergarten treffen, der versteckt ihn einem Hinterhof lag. Er war früh dran, denn er wollte vor Clara dort sein.

Benz hatte Clara die Wahl des Termins überlassen. Sie hatte sich für den späten Vormittag entschieden.

Der Biergarten lag in der Sonne. Nur die hinteren Tische entlang der hohen Mauer zum Nachbargrundstück lagen im Schatten. Dort saß Clara an einem Sechsertisch. Benz spürte, wie sein Herz klopfte. War es Liebe? War es nur die Aufregung?

Benz ging auf sie zu. Auf den ersten Blick hatte sich Clara nicht verändert. Er blieb auf der anderen Seite des Tisches stehen und umklammerte mit beiden Händen die Rückenlehne des Klappstuhls.

Sie sahen sich an.

»Grüß Gott, Clara!«, sagte er endlich.

»Grüß Gott!«, antwortete sie. Sie hielt mit beiden Händen einen großen Kaffeebecher und ließ ihn nicht los.

So verzichtete Benz, ihr die Hand zu reichen. Er scheute auch vor dieser flüchtigen Berührung zurück. »Dann setze ich mich mal«, sagte er verlegen.

Clara nickte. Obwohl sie im Schatten saß, trug sie eine dunkel getönte Brille, die den Blick in ihre Augen verhinderte.

Auf den Tisch lag die Karte. Benz griff danach und überflog sie flüchtig. »Darf ich dich zu einer Brotzeit einladen?«, fragte er.

»Danke, aber ein Kaffee genügt mir erst einmal.«

Die Bedienung kam. Es war ein junges Madl in einem Dirndl.

»Ich nehme einen großen Kaffee. Später... mal sehen«, sagte er.

»Schwarz oder mit Milch und Zucker?«

»Schwarz!«

»Kommt sofort«, antwortete das Madl.

Benz schaute sich im Biergarten um. Er versuchte, die Zeit zu überbrücken, bis der Kaffee gebracht wurde.

»Netter kleiner Biergarten«, sagte er. »Ich kannte ihn nicht. Toni hat ihn mir empfohlen.«

»Ich kannte ihn auch nicht. Man sitzt hier sehr gut.«

Der Kaffee wurde gebracht.

Benz nippte daran. »Danke, dass du dem Treffen zugestimmt hast«, sagte er, ohne Clara anzusehen. »Ich dachte, wir sind beide in Waldkogel beheimatet und wir sollten das Kriegsbeil begraben.«

»Richtig!«

»Jetzt denkst du, dass ich das auch schon letzte Woche hätte haben können, als wir uns zufällig in den Bergen begegnet sind.«

»Benz, es war kein Zufall. Ich hatte erfahren, dass du in Waldkogel bist und hoffte, dir zu begegnen. Ich habe dich gesucht und ging die Wanderwege ab, die dir so gefallen hatten, so weit ich mich erinnern konnte«, bekannte Clara. »Ich dachte mir, dass ich hier die beste Chance hätte, dich irgendwann zu sehen.«

»Was auch passiert ist.«

»Ja, aber du bist weitergegangen. Was ich verstehen kann.«

Sie sahen sich an.

»Ich war auf eine Begegnung mit dir nicht gefasst.«

»Ich verstehe. Ich sah dir an, dass es ein ziemlicher Schock für dich war. Ich wollte dich nicht erschrecken. Tut mir leid!«

»Mache dir bitte keine Gedanken! Jetzt sitzen wir hier und trinken Kaffee. Das ist auf jeden Fall sehr viel gemütlicher und entspannter.«

»Ja, Ort und Zeitpunkt sind günstiger«, sagte Clara leise.

Sie seufzten leise. Verlegenheit stand zwischen ihnen.

»Ich will dir nicht verschweigen«, sagte Benz, »dass mich meine Schwester Birgit unter Druck gesetzt hat, mich mit dir zu treffen. Sie meinte, ich sollte endlich erwachsen werden.«

»Wir habe beide lange gebraucht, bis wir emotional erwachsen wurden«, sagte Clara. »Dass man erfolgreich im Beruf ist, bedeutet nicht, dass man keine alten Baustellen mit sich herumträgt. Das habe ich inzwischen eingesehen.«

Benz nickte. Er war froh, dass er an dem Thema Beruf anknüpfen konnte. »Was machst du beruflich?«

»Nach meinem Studium arbeitete ich an einer staatlichen Schule. Nach drei Jahren wechselte ich an eine Privatschule für hochbegabte Kinder. Dort gibt es nur kleine, überschaubare Klassen. Es gefällt mir dort sehr gut. Nach den Sommerferien bin ich Vizedirektorin.« Clara strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Ich war sehr überrascht von der Beförderung. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das Lehrerkollegium und der Stiftungsrat haben sich einstimmig für mich ausgesprochen.«

»Glückwunsch! Der Träger der Schule ist eine Stiftung?«

»Ja, da hat jemand etwas Sinnvolles mit seinem Geld gemacht. Es wird sehr viel für die Schüler und Schülerinnen getan. Und das Lehr- und Lernumfeld ist wirklich gut. Mich freut, dass ich ganz individuell auf die Kinder eingehen kann. Viele hatten keine guten schulischen Erfahrungen gemacht. Sie müssen erst wieder lernen, zu vertrauen, sich selbst und uns Lehrern. Weißt du, diese Kinder haben ihre eigene Art, wie sie etwas lernen, an staatlichen Schulen wurden sie oft als Versager abgestempelt. Es ist schön, wenn man miterlebt, welche Fortschritte sie machen.«

»Das freut mich für dich, Clara.«

»Weißt du, es ist nicht nur so, dass die Schüler etwas lernen. Ich habe viel über mich selbst gelernt.«

»So?«, sagte Benz leise.

»Ja, ich meine das in Bezug auf meine Schwester. Sie war die Ältere und Papas Liebling. Sie wurde auf einen Sockel gestellt und mir immer als Vorbild präsentiert. Wenn deine Schwester das kann, dann musst du dich nur anstrengen, bekam ich ständig gesagt. Aber ich war und bin nicht wie sie. Doch als kleines Mädchen wusste ich das nicht. Nora war perfekt im Auswendiglernen. Sie hat nie etwas hinterfragt. Sie nahm alles so hin und gab es wieder. Sie war total angepasst. Heute weiß ich, dass sie einfach nur den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist. Damals kam sie weit damit. Und je weiter sie kam, desto mehr wurde sie mir als Vorbild präsentiert. Aber ich muss etwas verstehen und muss wissen, warum etwas so ist, wie es ist.«

Benz zog die Stirn in Falten. »Du hast gesagt, ›damals kam sie weit damit‹. Wie meinst du das?«

»Nora ist nicht glücklich mit ihrem Leben.«

»Das ist bedauerlich. Ich finde, jeder Mensch sollte glücklich sein.«

»Das stimmt, und jeder muss sein eigenes Glück finden. Sehr spät habe ich erkannt, dass Nora fremdbestimmt war. Sie tat immer, was man von ihr erwartete. Sie hat sich nie gefragt, was sie wollte. Bekam sie gute Noten, wurde sie von den Eltern gelobt. Dann war sie zufrieden und glücklich.«

»Ist sie heute nicht mehr glücklich?«, fragte Benz.

»Sie spricht wenig über ihr Leben. Aber glücklich scheint sie nicht zu sein. Außerdem sehen wir uns selten. Das ist mir ganz recht.«

»Oh, ich dachte, ihr wärt eng verbunden.«

»Ich hatte versucht, sie zu kopieren. Aber in unseren Herzen waren wir uns nie sehr nahe. Dafür waren wir zu verschieden. Eine Weile machte ich mir ihre Lebensweise zu Eigen. Bis ich erkannte, dass ich mich immer mehr mir selbst entfremdete. Ich will nichts Schlechtes über Nora sagen. Sie ist anders als ich. Man kann einem Menschen nicht nacheifern, ohne die eigene Persönlichkeit zu verbiegen.«

»Das ist wohl wahr, Clara.«

Sie trank einen Schluck Kaffee, dann sah sie ihn fragend an. »Und wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen?«

»Das ist schnell gesagt. Wie du weißt, bin ich zuerst in die Schweiz und brachte dort mein Studium zu Ende. Ich machte meinen Doktor. Dann arbeitete ich bei einem großen Konzern in Übersee. Er hat eine Niederlassung in Norwegen, deren Geschäftsführer ich nun bin.«

»Macht dir deine Arbeit Freude?«

»Ja, das tut sie.«

Sie schwiegen beide.

Clara rührte in ihrem kalten Kaffee. Es war ein Zeichen der Nervosität. »Wahrscheinlich wäre unser Leben anders verlaufen, wenn ...«

»Ja, mit Sicherheit wäre es anders verlaufen. Doch wer kann sagen, ob es besser oder schlechter gewesen wäre, Clara? Was meinst du?«

»Ich war zu jung, Benz. Wenn ich zurückdenke, wie ich mich verhalten habe, schäme ich mich sehr. Ich kann dich nur um Verzeihung bitten.«

Benz schluckte. »Es war, wie es war, Clara. Ich war auch zu jung und zu eitel. Ich habe nicht einmal nach deinen Motiven gefragt. Ich habe auch nicht weiter um dich geworben.«

Clara seufzte. Sie nahm endlich die Brille ab.

Benz Herz schlug schneller, als er ihr in die Augen sah.

»Benz, wahrscheinlich hätte ich dir auf deine Nachfrage keine schlüssige Antwort geben können. Ich war einfach wie... wie ferngesteuert, von meinem Vater und von Nora. Von ihm, weil er mir Nora immer noch als Vorbild vorhielt. Und ferngesteuert von dem Bekanntenkreis, den ich damals hatte. Ich war mir selbst fremd geworden und hatte keine eigene Meinung. Ich war nicht selbstbewusst genug, um für das zu kämpfen, was mir wichtig war und was ich wirklich wollte.«

Benz schwieg. Jetzt rührte er in seinem Kaffee.

»Du sagst nichts«, bemerkte Clara.

»Ich bin nicht ganz deiner Meinung, Clara. Aber ich will keine Kritik üben.«

Clara errötete. »Du kannst mir nicht verzeihen, was ich damals gesagt habe«, sagte sie leise.

»Clara, wenn du mir jetzt alles darlegst, verstehe ich es. Und wir sind uns einig, dass wir jung waren und falsch gehandelt und reagiert haben.« Benz machte eine Pause. »Doch muss ich dir gestehen, dass ich sehr enttäuscht war und noch mehr verletzt. Es tat weh. Du hast mich sehr verletzt. Wenn du gesagt hättest, du wolltest es dir überlegen oder an Heirat würdest du noch gar nicht denken, hätte ich damit besser leben können. Aber zu sagen, dass ich nicht gut genug sei, um dein Mann zu werden, das traf mich. Da kannst du dich nicht hinter deiner Schwester verstecken.«

Claras Augen wurden feucht.

Benz tat, als bemerkte er es nicht.

»Benz, ich war damals nicht ich. Ich war ein Kunstprodukt. Kannst du das nicht verstehen? Nora hatte sich gut verheiratet. Ich sollte mich zumindest auch so gut verheiraten, nein, eigentlich wollte ich es noch besser machen, Benz. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, wenigstens in diesem Punkt Nora zu übertrumpfen. Einmal im Leben wollte ich es besser machen, als sie. Kannst du das nicht verstehen?«

Benz schwieg.

Clara sah, wie er die Lippen zusammenpresste.

Es vergingen Minuten, bis er sich wieder in der Kontrolle hatte. »Clara, rückblickend ist das alles zu erklären. Doch du hattest mir einen Tiefschlag versetzt. Du hast das Schlimmste gesagt, was ein Madl zu einem Burschen sagen kann. Weißt du, ich kam mir ausgenutzt vor. Wir waren Jahre zusammen, wir waren ein Paar. Als ich begriff, dass du mich als Platzhalter benutzt hattest, bis du einen Besseren findest, das brachte den Himmel über mir zum Einsturz.«

»Das sehe ich ein, Benz. Ich kann nur noch einmal betonen, dass es mir leidtut. Ich war mir in dem Augenblick nicht bewusst, was ich tat. Ich kann es nicht ungeschehen machen, Benz. Heute kann ich es auch nicht mehr verstehen.«

»Lassen wir einfach die Vergangenheit ruhen, Clara! Immerhin sitzen wir hier zusammen und sprechen darüber. Das ist eine gute Sache.«

»Ja, das ist es. Danke für die Einladung, Benz! Ich hatte es auf ein den Bergen angelegt. Ich gestehe, dass ich nicht weiß, ob ich noch einmal den Mut aufgebracht hätte, den Kontakt zu suchen. Aber jetzt ist es wirklich gut. Jeder hat ausgesprochen, was ihn bewegt. Ich gestehe, dass ich seit damals emotional gestört war. Mir war bewusst, wie weh ich dir getan hatte. Tage später habe ich mich mit dir treffen wollen, aber da bist du schon fort gewesen. Da ist für mich auch der Himmel eingestürzt. Und von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Natürlich ist Waldkogel ein Dorf und alle wussten, dass du fort bist. Deine Eltern stellten es so dar, dass sie sich lieber irgendwo mit dir treffen würden, als deine Karriere zu behindern. Aber ich wusste, dass ich der Grund war.«

»Clara, du bist nicht allein der Grund gewesen. Es war auch mein männlicher Stolz. Aber das ist jetzt vorbei. Ich bin zurückgekommen und werde regelmäßig mein Elternhaus und meine Heimat besuchen. Das Eis ist gebrochen. Ich fürchte mich nicht mehr, dir zu begegnen. Immerhin sitzen wir hier wie zwei zivilisierte Erwachsene, die fähig sind, eine schwierige Sache zu bereden. Ich finde, das haben wir ganz gut gemacht oder was denkst du?«

»Oh ja, das haben wir gut gemacht, Benz. Wir konnten schon damals über alles sehr gut reden, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung waren.« Clara seufzte. »Ich habe dich danach sehr vermisst. Es gab eine Lücke in meinen Leben, als du fort warst. Ich war allein. Mir wurde bewusst, dass mir mein Gegenüber fehlte, du. Du bist der Mensch gewesen, bei dem ich mich nicht verstellt habe und nicht verstellen musste.«

»Langsam!«, unterbrach Benz sie. »Wenn wir in München zusammen waren, jedenfalls, wenn wir allein waren, bist du die Clara gewesen, die ich kannte. Sind wir aber mit deinen damaligen Bekannten und Freundinnen zusammengetroffen, warst du ganz anders. Ich hatte mir nichts daraus gemacht.«

»Ja, so war es wohl.« Clara trank den Rest ihres Kaffees aus.

»Bestellen wir noch etwas?«, fragte Benz.

Sie schaute auf die Uhr, es war fast Mittag. »Ja, schauen wir, was auf der Speisekarte steht. Was gibt heute der Mittagstisch her?«