Martin Luther King - Klaus Dieter Härtel - E-Book

Martin Luther King E-Book

Klaus Dieter Härtel

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Beschreibung

Gut vierzig Jahre ist es her, dass Martin Luther King, der Vorkämpfer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA, von Gegnern erschossen wurde. Klaus Dieter Härtel vermittelt auf lebendige und anschauliche Weise Einblick in die Lebensgeschichte des berühmten Baptistenpastors: seine Kindheit in Georgia, seine Erfahrungen mit Gewalt und Ungerechtigkeit im Alltag, seine visionären Reden, in denen er zum Frieden unter den Menschen, egal welcher Hautfarbe, aufrief. Dieses Buch schildert Anfänge und Entwicklung seiner Bewegung der Gewaltlosigkeit. King wird nicht nur als Führer einer politischen Bewegung vorgestellt, sondern auch als Mensch und verantwortlich handelnder Christ. Im Anhang ein Interview mit Martin Luther Kings ältestem Sohn Martin Luther King III zur Präsidentenwahl von Barack Obama. Mit einem Vorwort von Andreas Malessa

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Klaus Dieter Härtel

Martin Luther King

„Ich habe einen Traum“

5., überarbeitete Auflage 2019

© 1968 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

www.brunnen-verlag.de

Fotos: Mauritius Images

Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger

Herstellung: CPI – Ebner und Spiegel, Ulm

ISBN Buch 978-3-7655-4346-3

ISBN E-Book 978-3-7655-7538-9

Inhalt

Vorwort von Andreas Malessa

Bestandsaufnahme eines menschlichen Problems

Montgomery 1955

Der Weg zur Gewaltlosigkeit

Die Gegner

Aufhebung der Rassenschranken

Birmingham 1963

Brief aus dem Gefängnis

Der Marsch auf Washington

Der Friedensnobelpreisträger

Der Kampf geht weiter

„Black Power“

„Ich möchte lange leben“

Nachwort I (zur 3. Auflage 2009)

Nachwort II (zur 5. Auflage 2019)

Literaturverzeichnis

Fußnoten

Vorwort von Andreas Malessa

Erzählende Reportagen über wichtige Personen und Ereignisse der Geschichte haben den kalten Fakten der Lexika voraus, dass sie Gefühle wecken. Dass sie Emotionen auslösen durch Bilder, Geräusche, Stimmen und Stimmungen. Die stelle ich mir beim Lesen zwar nur vor – aber sind sie deshalb weniger „wahr“ als die Bild- und Tondokumente in Archiven, Datenbanken und Museen?

Klaus Dieter Härtel bleibt eng an der Realität und führt doch weit in die Imagination. Gut so. Verdichtet und unaufgeregt, aber bewegend und anrührend erzählt er die Geschichte des Bürgerrechtsaktivisten und Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King. Legt die geistlichen Wurzeln frei, findet die Kraftquellen und Antriebsfedern, betrachtet die Erfolge und Niederlagen des berühmten Baptistenpastors und Märtyrers.

Mehr als fünfzig Jahre nach seiner Ermordung ist Kings Appell der Gewaltlosigkeit, der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens zeitlos aktuell. Leider.

Oder jetzt erst recht: Menschen nach Religion, Herkunftskultur, Bildungsstand und Besitz zu sortieren; die einen zu hofieren und die andern zu diskriminieren; vage Sorgen in konkreten Hass umzuwandeln – das kommt heutzutage auf den leisen Sohlen politischer Vernunft daher oder tarnt sich gar als christliche Verantwortung. Es ist aber im Kern faschistoid. „Es ist Sünde“, würde Jesus sagen.

Martin Luther King für seine klare Jesus-Nachfolge bewundern – das sollten wir nur dann, wenn wir uns seinen Traum zu eigen machen.

Höchste Zeit also, an ihn und seine Vision zu erinnern.

Andreas Malessa

Texter des Musicals „MARTIN LUTHER KING.

Ein Traum verändert die Welt“

Bestandsaufnahme eines menschlichen Problems

Irgendeine Fernsehsendung im Jahre 1966:

Ein Schwarzer in den USA möchte den Gottesdienst einer Kirche besuchen, die bisher den Weißen vorbehalten war. Zwei weiße Kirchendiener weisen ihn ab.

Der Schwarze fragt: „Was hätte Christus an Ihrer Stelle getan? Hätte er mich abgewiesen?“

Und: „Ihr schickt weiße Missionare nach Afrika. Aber wir Schwarzen dürfen eure ‚weißen Kirchen‘ nicht besuchen.“

Resigniert geht er weg. Weiße Polizisten stehen dabei, um „Ruhe und Ordnung“ zu schützen, und greifen auch nicht ein, als der Schwarze als Kommunist beschimpft wird.

Nach einem internationalen Zeltlager im Jahre 1965 verabschieden ein paar Engländer eine deutsche Gruppe in Victoria Station in London. Dabei entwickelt sich zwischen einem Deutschen und einem Engländer folgendes Gespräch:

„Wir haben uns doch vierzehn Tage lang gut verstanden.“

„Ja, das haben wir.“

„Ich kann nicht begreifen, dass unsere Völker in den letzten fünfzig Jahren zweimal gegeneinander Krieg geführt haben.“ Schweigen. Dann der Engländer: „Wenn ich mir vorstelle, dass wir beide zwanzig Jahre älter wären, dann hätten wir vor zwanzig Jahren aufeinander schießen müssen …“

Und etwas leiser: „Das ist doch Wahnsinn.“

Der sowjetische Schriftsteller Jewgenij Jewtuschenko hat in einem Gedicht geschrieben: „All diese Grenzen – sie machen mich verrückt.“

Dieses Buch berichtet von einem Mann, der in seinem Leben für andere gegen Grenzen angegangen ist: gegen die Grenzen des Hasses und der Vorurteile, der Besserwisserei, des Fanatismus und des Rassenwahns. Dr. Martin Luther King war kein verträumter, gefühlsbetonter Weltverbesserer, sondern ein realistischer, nüchterner Christ, der mit dem Prinzip der Gewaltlosigkeit seine Gegner nicht in den Staub zwingen wollte, sondern sich für ein friedliches und sinnvolles Miteinander von Farbigen und Weißen einsetzte. Was in den letzten Jahren in den USA zwischen Weißen und Farbigen geschah und was in nächster Zeit geschehen wird, ist nicht nur ein amerikanisches, sondern ein zutiefst menschliches Problem.

Martin Luther King schreibt in seinem Buch „Freiheit“:

„Der Anhänger des gewaltlosen Widerstandes ist mit dem, der sich in sein Schicksal ergibt, einer Meinung, dass man nicht tätlich gegen seinen Gegner vorgehen soll. Andererseits ist er aber auch mit dem, der für Gewalt ist, einig, dass man dem Bösen Widerstand leisten muss. Er vermeidet die Widerstandslosigkeit des Ersteren und den gewaltsamen Widerstand des Letzteren. Wer gewaltlosen Widerstand leistet, braucht sich weder als Einzelperson noch als Gruppe irgendwelchem Unrecht zu beugen; er braucht aber auch nicht zur Gewalt zu greifen, um sich Recht zu verschaffen. Die Anhänger des gewaltlosen Widerstandes können ihre Botschaft in den folgenden einfachen Sätzen zusammenfassen: Wir wollen gegen die Ungerechtigkeit direkt vorgehen (direct action), ohne zu warten, bis andere handeln. Wir wollen nicht ungerechten Gesetzen gehorchen oder uns ungerechten Machenschaften fügen. Wir wollen das auf eine friedliche, offene, fröhliche Art tun, weil es unser Ziel ist, die Menschen zu überzeugen. Wir schlagen den Weg der Gewaltlosigkeit ein, weil wir eine Gemeinschaft anstreben, die im Frieden mit sich selbst lebt. Wir wollen versuchen, mit Worten zu überzeugen. Aber wenn unsere Worte versagen, wollen wir mit unseren Taten zu überzeugen suchen. Wir wollen immer zu Gesprächen und ehrlichen Kompromissen bereit sein. Aber wir sind auch bereit zu leiden, wenn es nötig ist, und sogar als Zeugen für die Wahrheit, wie wir sie erkannt haben, unser Leben einzusetzen. Wenn physischer Tod der Preis ist, den ein Mann bezahlen muss, um seine Kinder und seine weißen Brüder von einem ewigen, geistigen Tod zu befreien, dann könnte nichts erlösender sein.“

Montgomery 1955

Die schwarze Näherin Rosa Parks hatte am 1. Dezember 1955 ihre tägliche Arbeit hinter sich gebracht. Müde vom stundenlangen Umherlaufen und Stehen bestieg sie gegen Abend den Cleveland-Avenue-Bus und setzte sich auf den ersten Sitz hinter die für Weiße reservierten Plätze.

Da sich der Bus schnell füllte, befahl der Busfahrer ihr und drei anderen Schwarzen, weiter nach hinten zu gehen, um den weißen Fahrgästen die Plätze frei zu machen. Diese Aufforderung war nichts Ungewöhnliches. So erhoben sich die drei widerspruchslos; nur Rosa Parks blieb sitzen.

„Haben Sie nicht gehört? Aufstehen, sagte ich!“

„Ich bin müde und möchte lieber sitzen.“ Woher nahm Rosa Parks den Mut zu diesen Worten?

„Los jetzt!“, herrschte der Fahrer sie an.

Als die Frau auch jetzt noch keine Anstalten machte aufzustehen, wurden die weißen Fahrgäste aufmerksam und teilweise zornig.

„Was man sich von diesen Niggern alles gefallen lassen muss!“

„Schwarzes Gesindel!“

Der Busfahrer rief nach der Polizei. Zwei Uniformierte verhafteten Rosa Parks wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Ein kaum beachtenswerter Vorfall. Sogar manche Schwarze schüttelten die Köpfe über so viel „Dummheit“.

Der große, dunkelhäutige E. D. Nixon, der die örtliche Gruppe der NAACP (Nationaler Bund zur Förderung der Farbigen) leitete, war ausgestiegen. Er war empört über die Ungerechtigkeit. Auf der Polizeistation bot er sich als Bürge an, hinterlegte die geforderte Kaution und bewahrte dadurch Rosa Parks vor der Gefängniszelle.

Am Abend des gleichen Tages berichtete Nixon den Vorfall vor einer Versammlung des Politischen Frauenrats. Empört hörte man ihm zu; die Erregung steigerte sich bei der anschließenden Aussprache. Irgendwer brachte das Wort Boykott ins Spiel.

Einige Telefongespräche wurden geführt.

Bereits vor mehreren Monaten war eine fünfzehnjährige Schwarze verhaftet und in Handschellen zum Gefängnis geführt worden, weil sie ihren Sitzplatz im Bus nicht aufgeben wollte. Auch damals hatten fünfzigtausend Schwarze in Montgomery aufgebracht und erregt reagiert. Aber bald war der Vorfall vergessen; man musste seinen täglichen Pflichten nachgehen. Saß diesmal die Empörung tiefer?

Am Morgen des 2. Dezember rief Nixon den jungen, erst fünfundzwanzigjährigen Pfarrer der Dexter Avenue Baptist Church, Dr. Martin Luther King, an.

„Ich glaube, es ist Zeit, dass wir jetzt die Busse boykottieren. Nur durch einen Boykott können wir den Weißen klarmachen, dass wir uns eine solche Behandlung nicht mehr gefallen lassen.“1 King stimmte zu. Seine Erregung wuchs.

Der dritte Schwarze, der die Empörung teilte und einen eintägigen Busboykott befürwortete, war Pfarrer Ralph Abernathy von der First Baptist Church.

Am Abend traf sich eine Gruppe einflussreicher und prominenter Schwarzer – Lehrer, Ärzte und Rechtsanwälte, Arbeiter, Geschäftsleute und Pfarrer – in der Dexter Avenue Baptist Church, um die Fragen und Probleme, die ein solcher Busboykott mit sich bringen würde, zu besprechen. Man stimmte dem Unternehmen zu und vervielfältigte ein Flugblatt mit folgendem Text:

„Fahrt am Montag, dem 5. Dezember, nicht mit dem Bus zur Arbeit, in die Stadt, zur Schule oder sonst wohin! Wieder ist eine Schwarze verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden, weil sie sich weigerte, ihren Platz im Bus herzugeben.

Fahrt am Montag nicht mit den Bussen zur Arbeit, in die Stadt, zur Schule oder sonst wohin! Wenn Ihr zur Arbeit müsst, nehmt euch ein Taxi, einer allein oder mehrere zusammen, oder geht zu Fuß! Kommt am Montagabend um 7.00 Uhr zur Massenversammlung in die Holt Street Baptist Church, um euch weitere Instruktionen zu holen!“2

Am Sonntag, dem 4. Dezember, sollten die schwarzen Pfarrer in den Gottesdiensten die Handzettel verteilen und ihre Gemeindeglieder für den Boykott am Montag gewinnen. Für den Montagabend war eine Massenversammlung für alle Schwarzen vorgesehen. Der „Montgomery Advertiser“, die Lokalzeitung, brachte den angekündigten Boykott auf der Titelseite groß heraus, sodass die Schwarzen, die kein Flugblatt bekommen hatten, durch die Zeitung der Weißen informiert wurden. Es gab am Sonntagabend praktisch keinen Schwarzen, der vom geplanten Boykott nicht gewusst hätte. Waren die Methoden eines Boykotts ethisch und christlich zu rechtfertigen? Man konnte wirtschaftlichen Druck damit ausüben, der für die Betroffenen unter Umständen schwere Folgen hatte. Wurde die Busgesellschaft nicht um ihr Geschäft gebracht?

Mit diesen Gedanken konnte Martin Luther King am Abend vor dem Busboykott nur schwer einschlafen. Eigentlich war die Bezeichnung „Boykott“ irreführend. Es sollte niemand geschädigt werden. Vielmehr sollte in das Geschäft der Busgesellschaft Gerechtigkeit hineinkommen. Den unterdrückten Schwarzen sollte Freiheit und Gleichberechtigung verschafft werden. Einem bösen System sollte die Mitwirkung entzogen werden. Natürlich würde die Busgesellschaft zunächst unter diesem Streik zu leiden haben, aber das war ja nicht das erklärte Ziel, sondern die Gerechtigkeit für alle, für Schwarze, Farbige und Weiße.

Dennoch zweifelte der junge Pfarrer an dem geplanten Unternehmen. Zu oft hatte man erlebt, dass die Schwarzen weich und labil, nachgiebig und ängstlich waren. Wenn 60 Prozent von ihnen sich am Busstreik beteiligen würden, wäre das bereits ein Erfolg. Als endlich all diese Gedanken durchdacht und überlegt waren, verhinderte das Schreien der kleinen Yoki, Kings Töchterchen, den wohlverdienten, tiefen Schlaf.

Am Montagmorgen, dem 5. Dezember 1955, erwachte die Familie King früher als üblich. Bereits um 5.30 Uhr saß man am Frühstückstisch. Coretta King, die junge Pfarrfrau, war fast noch erregter als ihr Mann. Immer wieder lief sie ins Vorderzimmer, von dem man die Bushaltestelle für die South-Jackson-Linie beobachten konnte. Am frühen Morgen wurde sie immer von vielen Schwarzen benutzt.

Gegen sechs Uhr fuhr der erste Bus vorbei.

„Martin, komm schnell!“

Pfarrer King stellte seine Tasse hin und eilte ins Wohnzimmer. Er konnte gerade noch dem langsam abfahrenden Bus nachsehen. „Liebster, er ist leer!“

Wieder nagte der Zweifel. Ob das schon der Linienbus war? Nach wenigen Minuten wussten sie es. Es war der Frühbus gewesen, und kein Schwarzer hatte ihn benutzt.

Auch der zweite Bus, fünfzehn Minuten später, und der dritte waren nicht von Schwarzen besetzt.

Den Pfarrer hielt es nicht mehr im Haus. Er fuhr mit seinem Wagen kreuz und quer durch Montgomery und beobachtete die vorbeifahrenden Busse. Nur acht Schwarze hatte er gezählt. Das war nicht der erhoffte 60- oder 70-prozentige Erfolg, das waren fast 100 Prozent der Schwarzen, die sich am Boykott beteiligten. War ein Wunder geschehen? Waren die schlafenden Schwarzen, die bisher teilnahmslos alles mit sich hatten geschehen lassen, endlich aufgewacht?

Den ganzen Tag über das gleiche Bild. Studenten und Angestellte, Schüler und Arbeiter gingen zu Fuß, fuhren in Taxis oder Privatwagen, andere ritten auf Maultieren zur Arbeit oder benutzten Einspänner, die man irgendwo hergeholt hatte. Martin Luther King schrieb später über diesen Tag, dass die Schwarzen wussten, warum sie liefen, und man ihnen das auch ansah. Es gibt nichts Erhabeneres als Menschen, die bereit sind, für ihre Freiheit und Würde Opfer zu bringen.

An diesem denkwürdigen Tag wurde im überfüllten Polizeigericht gegen Rosa Parks verhandelt. Die Beschuldigung lautete diesmal nicht – wie sonst üblich und zunächst angenommen – auf ordnungswidriges Verhalten, sondern man warf ihr Zuwiderhandlung gegen das Segregationsgesetz vor. Der Richter hörte sich alle Argumente an und verurteilte sie wegen Vergehens gegen dieses Gesetz zu einer Geldstrafe in Höhe von zehn Dollar. Zusätzlich hatte sie die Gerichtskosten in Höhe von vier Dollar zu tragen. Ihr Anwalt legte Berufung ein. Freunde und Unbekannte drängten sich um Rosa Parks, wollten ihr die Hand drücken und beglückwünschten sie. Die Verhaftung und Verurteilung von Rosa Parks trug sicher wesentlich dazu bei, dass die Schwarzen aus ihrer Lethargie erwachten; aber sie bewies auch die Gültigkeit des Segregationsgesetzes.

„Du hast noch nichts gegessen“, mahnte Coretta. Aber dafür reichte die Zeit nicht mehr. Der Pfarrer bat im Gebet Gott um Hilfe, Beistand und Kraft.

Als sich Martin Luther King der Kirche näherte, stauten sich bereits die Wagen. Der Verkehr stockte. Hunderte von Menschen standen vor der Kirche; sie hatten keinen Einlass bekommen. Man hatte Lautsprecher anbringen lassen, um die Reden und Lieder ins Freie zu übertragen.

Geduldig und gut gelaunt warteten die Schwarzen, zum Teil schon seit fünf Uhr nachmittags; es war klar, dass die Frage nach einem Zurückziehen des Boykotts überflüssig geworden war. Zum ersten Mal wichen bei Martin Luther King die Zweifel.

Nach Eröffnung der Versammlung durch Gebet und Schriftverlesung trat Pfarrer King an das Rednerpult. Trotz seiner Leidenschaft für das Predigen waren seine ersten Worte zaghaft und unsicher. Tausende von Gesichtern hingen erwartungsvoll an ihm.

Er berichtete noch einmal, was Rosa Parks zugestoßen war, von ihrer Festnahme und von der Verurteilung.

„Wir sind oft genug gedemütigt worden!“

„Yes“, antwortete einer zustimmend, andere fielen ein.

„Aber es kommt ein Augenblick, wo man das satthat!“

„Yes! Amen! Yes, wir haben es satt!“

„Wir sind heute Abend hier, um denen, die uns so lange misshandelt haben, zu sagen, dass wir es satthaben!“

Stürmischer Beifall. Zwischenrufe.

„Wir sind es müde, segregiert und gedemütigt zu werden. Wir sind es müde, ständig unterdrückt und mit Füßen getreten zu werden.“

Es war heiß in der überfüllten Kirche. Dem Redner lief der Schweiß über das Gesicht.

„Wir hatten keine andere Möglichkeit, als zu protestieren. Viele Jahre lang haben wir eine erstaunliche Geduld gezeigt. Wir haben bei unseren weißen Brüdern manchmal das Gefühl erweckt, als gefiele uns die Art, wie sie uns behandelten. Aber heute Abend sind wir hierhergekommen, um uns freimachen zu lassen von der Geduld, die uns mit etwas Geringerem als Freiheit und Gerechtigkeit zufrieden sein lässt …

Die Methoden des Ku-Klux-Klan führen zu Gewalttätigkeit und Gesetzlosigkeit. Aber bei unserem Protest wird es keine brennenden Kreuze geben. Kein Weißer wird von einem mit Kapuzen verhüllten Schwarzenmob aus seinem Haus gezerrt und brutal ermordet werden. Es wird keine Drohungen und Einschüchterungsversuche geben. Wir werden uns von den hohen Prinzipien des Rechts und der Ordnung leiten lassen.

Wir wollen überzeugen und nicht Zwang ausüben.

Wir wollen den Leuten nur sagen: Lasst euch von eurem Gewissen leiten! Unser Handeln muss von den höchsten Grundsätzen unseres christlichen Glaubens diktiert sein. Die Liebe muss unser Tun bestimmen. Über die Jahrhunderte hinweg sollen die Worte Jesu heute in unserem Herzen ein Echo finden: ‚Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen‘.“3

King erinnerte daran, dass die Schwarzen noch Misshandlungen ausgesetzt sind und niemand von ihnen glaubt, dass sie heute oder morgen enden werden. „Aber wir dürfen unsere weißen Brüder nicht hassen. Niemand und nichts – keine Drohung, keine Gewalt, keine Ungerechtigkeit – soll uns so weit erniedrigen können, dass wir einen Mitmenschen hassen.“4 Nach der Rede erhoben sich die Zuhörer. Ihr Jubel wollte kein Ende nehmen. Das gleiche Bild, als Rosa Parks vorgestellt wurde. Sie war die Heldin des Tages.

Pfarrer Ralph Abernathy las eine Erklärung vor, mit der sich alle Anwesenden einverstanden erklärten. Darin hieß es, dass die Schwarzen von Montgomery aufgerufen werden, keinen Omnibus mehr zu benutzen, bis folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. Die Busunternehmen sichern den Schwarzen höfliche Behandlung zu.

2. Die Fahrgäste nehmen ihre Plätze in der Reihenfolge ein, in der sie einsteigen, und zwar die Schwarzen von hinten nach vorn, die Weißen von vorn nach hinten.

3. Auf den Buslinien, die vorwiegend von Schwarzen benutzt werden, sollten auch Schwarze als Fahrer eingesetzt werden.“5