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Als sie den Job im Diner verliert, fürchtet Judy, dass sie weiterziehen muss. Dabei hatte sie gehofft, in dem kleinen Ort ein wenig Ruhe zu finden. Zu allem Überfluss erregt sie die Aufmerksamkeit des lokalen Sheriffs. Zeit, eine Mitfahrgelegenheit zu finden! Doch dann unterbreitet ihr ein sowohl furchteinflößender wie faszinierender Fremder ein Jobangebot, dass sie nicht ablehnen kann. --- Noch ein Jahr nach Verlust seiner großen Liebe kuriert Hayden sein gebrochenes Herz, als plötzlich eine kleine, rothaarige Fee in sein Leben wirbelt. Nicht nur, dass sie als Haushälterin all seine geheimen Fantasien verkörpert, ahnungslos, welche Art Club er führt, kämpft sie obendrein um den Aushilfsjob als Servicekraft dort. Doch hinter ihrem fröhlichen Wesen verbirgt sie ein dunkles Geheimnis. Wird er mit Hilfe des Sheriffs den Grund für ihre schreckhaften Reaktionen und ihr Nomadenleben aufdecken oder wird sie fliehen, bevor er den Teufelskreis durchbrechen kann? --- Dies ist Band 2 der Countryside Lifestyle Club Serie. Die Bände beinhalten in sich abgeschlossene Geschichten, keine Cliffhanger und können unabhängig voneinander gelesen werden. Band 1 "Der Lifestyle Club" --- (Achtung! Enthält seichte Beschreibungen von sexuellen, polyamorösen Handlungen aus dem Bereich Bondage- Discipline, Dominance - Submission, Sado- Masochism.)
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KARI KARAITI
MASTER HAYDEN
BAND 2
EIN
COUNTRYSIDE LIFESTYLE CLUB
ROMAN
INHALT
TITLE PAGE
IMPRESSUM
ALTE UND NEUE SEELEN
KLEINSTADTNÄCHTE
JOB ANGEBOTE
INTERVIEW
NEUES LEBEN
POKERABEND
DER UNFALL
AUSHILFE GESUCHT
DER CLUB
MASTER UND MAID
HARD- UND SOFTLIMITS
VERDACHT UND STRAFE
ERKENNTNISSE UND EBOOKS
DISZIPLINIERUNG
DINER UND VIEHDIEBE
POLIZEIPRÄSENZ
FOLTER UND NIEDERLAGE
RED PEACOCK UND VERHÖRE
SCHULD
LÄUTERUNG
UNERWARTETER BESUCH
EPILOG
NACHWORT
Impressum
MASTER HAYDEN - Countryside Lifestyle Club Serie, Band 2
Text: © 2021 Copyright by Kari Karaiti
Alle Rechte vorbehalten
Verantwortlich für den Inhalt:
Kari Karaiti
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Franz-Mehring-Str. 15
01237 Dresden
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Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Vervielfältigung und Verwertung sind nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin zulässig.
Alle in diesem Roman geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
ALTE UND NEUE SEELEN
HAYDEN
Hayden saß in der letzten Sitzgruppe des Diners und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Nichts hatte sich verändert und dennoch war alles anders. Das Mobiliar hatte sich nicht verändert, nicht das Geschirr, nicht die Speisen oder der Kaffee, nicht einmal die Musik, die leise im Hintergrund lief. Und doch fühlte es sich an, als säße er zum ersten Mal hier. Etwas fehlte, etwas Wichtiges! Die Seele – sie war verschwunden! Sie war in dem Moment verschwunden, als Louise am Flughafen nach einem letzten leidenschaftlichen Kuss durch das Gate und damit aus seinem Leben getreten war. Ein Stich in seiner Brust ließ ihn wissen, dass es fast ein Jahr danach noch schmerzte. Louise!
Nach zehn Jahren des Wartens hatte sie sich ihm geöffnet, hatte sie dank Ava gewagt, seinem Lebensstil eine Chance zu geben, und er hatte geglaubt, sie gehörte endlich ihm. Doch nach wenigen Monaten, in denen er ihr Schritt für Schritt seine Leidenschaft für sie bewiesen hatte, war sie aus seinem Leben verschwunden. Nicht plötzlich, nicht heimlich, aber, da war er sich sicher, für immer. Ihre Familie hatte das schwarze Schaf nach Hause gerufen. Ihre Mutter, mittlerweile über siebzig, baute körperlich ab, glaubte, dem Ende entgegenzugehen, und wollte dies nicht tun, ohne den Bruch zwischen sich und ihrer Tochter zu kitten. Zunächst hatte Louise es verbittert abgelehnt, hatte nichts mehr mit ihrer Familie zu tun haben wollen. Nachdem allerdings jeder Einzelne von ihnen sie angerufen und sie angebettelt hatte, ihnen eine Chance zu geben, hatte sie sich entschieden, den Bitten nachzugeben. Zunächst hatten sie telefoniert – jeden Tag. Louise war skeptisch gewesen, hatte beteuert, bald zurückzukehren. Aber er hatte gespürt, dass sie ihm langsam entglitt. Und er hatte sie gehen lassen. Vielleicht hätte er um sie kämpfen, hätte ihr hinterherfliegen und sie zurückholen sollen. Mit einem kurzen Grunzen wandte er seinen Blick in seinen Kaffee. Nein! Während der letzten Telefonate hatte sie glücklich geklungen, gelöst, als sei ihr eine schwere Bürde von den Schultern genommen worden, dass er es nicht über sich gebracht hatte, ihr dieses Glück zu rauben. Und deswegen saß er hier allein in Jamie’s Diner, trank seinen Kaffee und sinnierte darüber, dass ihm die Seele abhandengekommen war.
„Darf ich Ihre Tasse auffüllen, Sir?“, riss ihn eine helle Stimme aus den Gedanken. Er sah auf, blickte direkt in die freundlich lächelnden grünen Augen der jungen Frau vor ihm, die, da er sie ansah, die Kaffeekanne hob, mit den Schultern zuckte und unschuldig lächelte. Ihre feuerroten Haare hatte sie in einem losen Knoten gebändigt und so sprangen die vielen lustigen Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren blassen Wangen ihm sofort ins Auge. „Frisch aufgebrüht!“, pries sie das schwarze Gold an.
Eigentlich hatte er genug Kaffee getrunken. Doch wie konnte er die freudige Erwartung dieses Mädchens trüben, während sie ihn mit fröhlichem und erwartungsvollem Glitzern in den großen smaragdgrünen Augen ansah? Ein paar widerspenstige Strähnen ihrer außergewöhnlich roten Haare tanzten um ihr Gesicht. Gott, war sie süß!
„Gerne, Engelchen“, antwortete er, woraufhin sie hell kicherte, seine Tasse griff und sie füllte. „Was ist so lustig?“, fragte er, fluchte innerlich, dass er klang wie ein alter, mürrischer Bär. Wahrscheinlich würde die Kleine auf dem Absatz umdrehen und fliehen. Ava wurde nicht müde, ihm zu erklären, wie angsteinflößend er auf Menschen wirkte.
„Engelchen, Sir“, antwortete sie jedoch wenig beeindruckt, stellte ihm die Tasse direkt vor die Nase, dann legten sich ihre Augen amüsiert auf seine. „Ich wurde noch nie Engelchen genannt.“
„Verzeihung! Ich wollte nicht respektlos klingen.“
„Nein, so meinte ich das nicht. Ich ...“ Sie stoppte, verzog das Gesicht zu einer süßen Fratze, die vollen Lippen zu einer Seite hochgezogen, die Augen zusammengekniffen, als überlegte sie, was sie sagen wollte. „Ich mag das“, erklärte sie. „Leute nennen mich Hexe oder Kobold! Sogar Troll habe ich gehört. Engelchen klingt irgendwie ...“ Wieder zerknautschte sie ihr Gesicht auf diese seltsame und doch niedliche Art und Weise. „Süß!“
Er schmunzelte. „Habe ich nochmal Glück gehabt!“
Sie lachte hell auf, legte kurz ihre freie Hand auf seine und er stellte fest, dass sie in ihrer Blässe so klein und zierlich war, dass sie in seiner verschwinden würde, wenn er sie umfasste.
„Judy!“, erklang plötzlich die harsche Stimme des Managers, der das Diner seit Louises Abreise führte, wenn Jamie nicht zugegen war.
Die junge Frau zuckte zusammen, zog ihre Hand schnell von seiner und ihre Gesichtszüge froren für den Bruchteil einer Sekunde ein. Dann lächelte sie ihn wieder an. „Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen, Sir“, sagte sie, wandte sich um und schwebte zum nächsten Tisch hinüber, wo sie ebenso freundlich ihren Kaffee anbot. Hayden verfolgte sie auf ihrer Tour durch den Laden. Ihre Fröhlichkeit schien nicht aufgesetzt, schien ihrer Natur zu entsprechen. Sie stellte die Kaffeekanne ab, um weitere Bestellungen auf ihrem Pad zu notieren, bevor sie zum nächsten Tisch flog. Und überall, wo sie anhielt, hinterließ sie zufrieden lächelnde oder schmunzelnde Gesichter.
Hayden war zwei Wochen nicht hier gewesen, hatte ein paar Tage auf einer Messe an der Ostküste verbracht und hatte danach versucht, die liegengebliebene Arbeit aufzuholen. Offensichtlich hatte sich hier in seiner Abwesenheit doch etwas verändert. Eine neue Seele war eingeflogen. Nein, kein Engelchen, aber eine kleine, fröhliche Fee. Mit einem Schmunzeln hob er die Tasse und nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Du sollst nicht mit den Gästen flirten, sondern arbeiten!“, riss ihn der scharfe Ton des Managers aus den Gedanken. Er wandte den Blick zur Theke, wo die kleine Fee damit beschäftigt war, die Bestellungen ihres Pads in die Kasse einzugeben, während Matt hinter ihr mit verschränkten Armen stand und sie mit zusammengekniffenen Augen anstarrte.
„Ich kann beides gleichzeitig, Matt“, gab sie unbeeindruckt zurück. „Du weißt schon, Frauen und Multitasking!“
„Ich bezahle dich nicht dafür, dass du hier auf Männerjagd gehst“, fuhr er fort, ihren Einwand ignorierend.
Hayden konnte sehen, dass sie die Augen verdrehte, rechnete damit, dass sie Matt widersprechen würde, doch sie wandte sich um und schäumte Milch auf. „Ich möchte, dass sich die Gäste hier wohlfühlen“, erklärte sie. „Und ein wenig Freundlichkeit hat noch nie geschadet. Oder soll ich sie mit einem ähnlich miesepetrigen Gesicht wie deinem vergraulen?“
Matts Augen funkelten, doch er wandte sich um, wieder in der Küche zu verschwinden. „Mache einfach deinen Job!“
Jeez! Der Typ war ein Arsch, dachte Hayden. Schon oft war ihm die respektlose Art, in der er mit den Angestellten des Diners sprach, aufgefallen. Direkt, nachdem er Louises Stelle übernommen hatte, von der Position eines Kellners aufgestiegen. Jamie hatte geglaubt, ein Nachfolger aus den eigenen Reihen wäre eine gute Idee. Doch vielleicht sollte Hayden ihm einmal spiegeln, wie sich sein Manager aufführte. Er konnte mit seiner mürrischen Art in der Tat Kundschaft vertreiben, wenn er sich unmissverständlich anmerken ließ, wie er darüber dachte, aushelfen zu müssen, sobald es im Diner hitzig herging. Und die kleine Fee? Sie arrangierte die Bestellungen auf ihrem Tablett und glitt unbeeindruckt von dem unberechtigten Rüffel zwischen den Tischen hin und her und verteilte neben Getränken gute Laune. Fast konnte er zarte, durchsichtige Flügelchen auf ihrem Rücken glänzen sehen.
JUDY
Judy starrte auf das Schild über dem Eingang, rieb nervös die Hände ineinander. Komm, versuchte, sie sich Mut zuzusprechen. Was konnte schon passieren, außer, dass man ihr sagte, dass keine Stelle verfügbar war? Sweet Melodies, las sie. Es war die letzte Chance, hier in der Stadt einen Job zu finden. Niemand konnte ihr sonst eine Anstellung bieten, nicht der Souvenirshop, nicht der Bücherladen, nicht einmal der Supermarkt. Dies war die letzte Möglichkeit oder sie würde weiterziehen müssen. Matt, der Arsch, hatte sie gefeuert. Für eine Kleinigkeit, für die sie nichts konnte, was ihm die geschädigten Gäste versichert hatten. Sie hatte einer Runde älterer Damen Kaffee nachgegossen, als sie von jemanden angerempelt worden war und sie dadurch den Kaffee direkt auf den Schoß einer der älteren Frauen gegossen hatte. Sofort hatte sie sich entschuldigt, war gelaufen, um den Schaden aufzuwischen. Die Dame hatte ihr lachend erklärt, dass alles in Ordnung wäre, dass die Jugend von heute nicht achtgab, wohin sie liefen. Sie hatte sie gefragt, ob es ihr gut ging. Doch Matt hatte davon nichts hören wollen, hatte sie in das Büro zitiert und ihr dann fünf Minuten gegeben, ihre Sachen zu packen. Wahrscheinlich hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, ihr kündigen zu können, denn er hatte sie von Anfang an nicht leiden können. Offenbar war er eifersüchtig, dass sie gut mit den Gästen konnte, selbst den schwierigen.
Mit einem letzten Seufzen zog sie die Tür auf und trat direkt in eine Art Eingangshalle. Okay, es war ein gehobenes Restaurant, wie der Marmorboden und der moderne Rezeptionstisch vermuten ließen. Eine schlanke Frau mit lockigem, blondem Bob stand dahinter in ein elegantes, dunkelblaues Kostüm gekleidet. Ihr Blick schnellte zu ihr hinüber und sie lächelte sie freundlich an. „Guten Abend, Ms.“, grüßte sie höflich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Judy nahm all ihren Mut zusammen, trat an den Tisch und streckte die Hand aus. „Judy Kinlay, mein Name“, sagte sie automatisch. Die Frau erwiderte den Händedruck verwirrt. „Ich bin nicht hier, um zu essen“, fuhr sie daher schnell fort. „Ich wollte fragen, ob Sie eine Servicekraft suchen.“
Für einen Moment musterte die Frau sie nachdenklich, dann lächelte sie wieder, wenngleich das Lächeln distanzierter wirkte als zuvor. Verdammt! „Nicht, dass ich wüsste, aber ich frage gerne nach“, antwortete sie mit professioneller Höflichkeit. Damit wandte sie sich ab und verschwand durch die Tür in den eigentlichen Restaurantbereich.
Judy ließ ihren Blick durch die Tür fallen und pfiff innerlich aufgrund der gehobenen, eleganten Einrichtung. Stühle mit hellen Hussen, dunkle Tische auf noch dunklerem Holzboden verteilten sich mit großzügigem Abstand in dem Raum und gewährten den Gästen Privatsphäre. Ein lautes Lachen ließ sie um die Ecke blicken und ihr Herz blieb stehen. Dort in der Gruppe von fünf Leuten saß er, der Mann, den sie erst vor einigen Tagen im Diner gesehen hatte. Der große Mann mit den Tattoos, die seine Arme hinunterkrabbelten, den dunklen Haaren, dem ebenso dunklen Bart und den fast schwarzen Augen. Der Mann, den sie sich nur getraut hatte anzusprechen, da sie die Kanne Kaffee wie einen Schild vor sich hergetragen hatte, der ihr dann sanft und freundlich erschienen war, dass sie bereut hatte, nicht länger mit ihm reden zu können. Er war zum ersten Mal im Diner gewesen, zumindest, seit sie dort arbeitete, was leider nicht allzu lange gewesen war. Und schon hatte sie diesen Job wieder verloren. Seine Augen waren ihr gefolgt, die ganze Zeit, während sie von Tisch zu Tisch gehuscht war. Sie hatte seinen Blick auf sich spüren können. Als sie erneut zu ihm aufgesehen hatte, war er verschwunden, hatte Geld auf seinem Tisch hinterlassen.
Nun saß er dort mit vier anderen und lachte. Sie konnte seine Stimme deutlich ausmachen. Ein Männerabend, dachte sie, denn er saß mit weiteren Männern am Tisch.
„Verzeihung!“, erklang plötzlich eine freundliche Stimme hinter ihr und sie drehte sich um, machte einer Frau, nicht größer als sie, die Tür frei.
„Oh, Entschuldigung!“, murmelte sie verlegen.
„Alles gut!“, erwiderte diese, lächelte und schlüpfte durch die Tür. Wow! Sie war hübsch, mit einem süßen Puppengesicht umrahmt von dunklen, schwarzen Locken und weiblichen Kurven, die durch das Vintage-Tulpenkleid, das sie trug, unterstrichen wurden.
Judys Herz setzte aus, als sie direkt auf den Tisch der Männerrunde zuging und neben dem großen Mann stehenblieb. Sie warf ein paar Worte mit einem der anderen hin und her, die Judy nicht verstehen konnte, während sich ihre Hand auf die Schulter des großen Mannes legte und er ihre Hüfte umschlang.
„Ava!“, hörte sie einen der anderen drohend sagen, woraufhin sie den Kopf in den Nacken warf und lachte. Der große Mann löste seinen Arm und gab ihr einen Klaps auf den Po. Dann ließ sie sich mitten zwischen ihnen nieder.
„Tut mir leid, Ms. Kinlay“, riss die Rezeptionsdame sie aus ihren Beobachtungen. „Leider haben wir zurzeit keine Stelle frei.“
Enttäuschung machte sich in ihr breit, jedoch nickte sie mechanisch. „Okay, ja, das dachte ich mir! Aber wenn man nicht fragt, verpasst man vielleicht die Chance seines Lebens.“
Noch bevor die Frau darauf antworten konnte, machte Judy kehrt, warf dabei einen letzten Blick auf den großen Mann in dem Restaurant, trat zügig auf die Straße und ging den langen Weg zurück zum Motel.
HAYDEN
Natalie kam an ihren Tisch und lächelte. Hayden war aufgefallen, dass sie mit krauser Stirn und heruntergezogenen Mundwinkeln ins Restaurant getreten war, bevor sie ihre Gesichtszüge reguliert hatte und lächelnd zu ihnen gekommen war.
„Ist bei euch alles in Ordnung?“, fragte sie.
„Ja, alles gut“, antwortete Ryan.
„Aber bei dir nicht“, fügte Hayden hinzu.
Natalie pfiff durch die Zähne. „Kann man nichts vor dir verheimlichen, Master Hayden?“
Er schmunzelte, denn sie nannte ihn auch außerhalb des Clubs so, wenngleich sie ihre Stimme senkte, damit es andere Gäste nicht hörten. „Nein, kleine sub, du bist ein aufgeschlagenes Buch. Also?“
„Es ist nichts, ich ...“ Er zog eine Augenbraue hoch, als sie nicht weitersprach, woraufhin sie nervös die Hände rieb. Wenn er sie streng genug ansah und die Braue hochzog, würde sie nachgeben. „Ich hatte eine ... wie soll ich sagen ... seltsame Begegnung.“
Sofort stand sein Körper unter Spannung. „Kam dir jemand blöd?“, fragte er mit einem Grollen in der Stimme, das Natalie schaudern ließ.
„Nein! Nein! Oh Gott! Nein! Es kam eine junge Frau auf der Suche nach einem Job als Servicekraft und sie war, fürchte ich, nicht nur enttäuscht. Ich weiß nicht, ich hatte das Gefühl, eine Welt brach für sie zusammen, als ich ihr sagte, dass wir momentan keine Stelle haben.“
„Oh!“, mischte Ava sich ein. „Die süße Kleine draußen?“
Natalie nickte. „Ja! Sie war wirklich süß.“
„Wie eine Nixe“, fuhr Ava fort.
„Nixe?“, hörte er sich dämlich fragen.
„Ja, so zierlich und mit feuerroten Haaren und Sommersprossen im Gesicht.“
„Die Kleine aus Jamie’s Diner?“
„Keine Ahnung, ich war nicht mehr dort seit ...“ Ava sprach nicht weiter, aber er konnte deutlich den Schmerz in ihrem Gesicht erkennen. Auch sie vermisste ihre Freundin.
„Ich war vor ein paar Tagen dort. Sie arbeitete da als Kellnerin. Klein, zierlich, rothaarig mit Sommersprossen.“
„Das war sie!“, stimmte Natalie zu.
„Wieso sollte sie nach einem Job fragen, wenn sie im Diner arbeitet?“
„Vielleicht kommt sie nicht aus“, warf Jack ein. „Es gibt Leute, die zwei Jobs machen.“
Hayden schüttelte den Kopf. „Nicht hier! Und Jamie zahlt angemessen. Louise kam immer zurecht.“ Er erinnerte sich an Matts mürrischen Ausdruck, mit dem er die Kleine ungerechtfertigt gerügt hatte. „Es sei denn ...“
„Was?“, fragte Ryan und sah ihn erwartungsvoll an.
„Matt!“
„Könntest du weniger kryptisch reden?“
„Er machte sie dämlich dafür an, dass sie sich mit den Gästen unterhielt.“
Natalie stöhnte und schüttelte den Kopf. „Matt ist ein Arsch!“, entfuhr es ihr. „Seit er Louises Stelle übernahm, führt er sich auf, als sei er etwas Besseres. Sicher hat er sie gefeuert. Das arme Mädchen! Wäre nicht die erste!“
„Sie ist gut. Ein Naturtalent! Sie sprach mit mir unbeeindruckt von meinem furchteinflößenden Äußeren“, sagte er Ava zuzwinkernd, woraufhin sie schmunzelte.
„Verdammt! Ich wünschte, wir hätten eine Stelle frei“, entgegnete Natalie, und ein freches Grinsen huschte über ihr Gesicht.
„Komm du mir in den Club, vorlautes Stück!“ Er deutete drohend mit dem Finger auf sie, woraufhin sie den Kopf senkte und sich auf die Unterlippe biss. „Judy Kinlay!“, murmelte sie dann aber. „Sie stellte sich mir mit Namen vor. Sehr höflich!“
Kurz darauf verabschiedete er sich auf dem Parkplatz von Ava, Hunter, Jack und Colton und ging mit Ryan zurück zu seinem Wagen. Er würde den Sheriff auf dem Heimweg zu Hause absetzen.
„Will ich wissen, was die vier jetzt treiben?“, fragte dieser, während er dem Pick-up hinterher sah.
Hayden schmunzelte, denn obwohl die Beziehung der vier bewiesener Maßen funktionierte, konnte er sich seine skeptischen Kommentare nicht verkneifen. „Neidisch?“
„Ich teile nicht!“, schnaubte Ryan.
„Du verpasst etwas!“
„Niemand fasst meine sub an!“
„Du hast keine sub!“ Mit einem amüsierten Schmunzeln bog Hayden auf die Straße auf.
KLEINSTADTNÄCHTE
JUDY
Die Kleinstadt war dunkel, als Judy die langgestreckte Hauptstraße zurückwanderte. Unheimlich, konnte man meinen, denn die Straße lag wie verlassen vor ihr. Niemand begegnete ihr, was ihr recht sein sollte, doch jedes Geräusch ließ sie nervös aufhorchen. Verdammt! Wieso lag das Motel am anderen Ende der Stadt? Sie war nicht mit dem Auto gekommen, sondern mit dem Langstreckenbus. Dann war sie mit Mitfahrgelegenheiten von Kleinstadt zu Kleinstadt gependelt, immer auf der Suche nach einem Job. Wie sie von hier wegkommen sollte, wusste sie nicht. Hoffentlich würde sich bald eine Mitfahrgelegenheit ergeben. Sie fuhr nur mit Frauen, denn die Städte lagen zu weit auseinander, als dass sie sich zu einem fremden Mann in ein Fahrzeug setzen wollte. Im Notfall würde sie mit einem der Trucker, die im Motel übernachteten, weiterreisen müssen. Noch hatte sie einen finanziellen Puffer. Wie lange dieser sie über Wasser halten konnte, lag daran, wann ihre Pechsträhne enden würde. Egal, was sie tat, sie würde nicht in die Großstadt zurückkehren. Die war zu unsicher, denn dort würde man sie vermuten. Nicht in einer kleinen Stadt irgendwo im Nirgendwo, in der es kaum Jobs für sie gab.
Seufzend starrte sie die Häuserfassaden an, an denen sie vorbeiging, als sie einen Motor vernahm und kurz darauf Scheinwerfer auf die Straße bogen. Ohne sich umzudrehen, hob sie die Schultern, tauchte ihren Kopf tiefer in ihren Kragen und setzte ihren Weg fort. Das Auto, ein fetter SUV, rauschte an ihr vorbei und sie atmete erleichtert auf. Plötzlich leuchteten die Bremslichter auf und der Wagen stoppte, bevor das kleine weiße Rückfahrtlicht sie blendete. Oh nein! Ihr ganzer Körper stand augenblicklich unter Spannung. Sie steckte ihre Hände in ihre Jackentasche und tastete nach ihrem Pfefferspray. Der SUV blieb ein paar Meter vor ihr stehen, die Beifahrertür öffnete sich und ein großer Mann stieg aus, setzte einen Stetson auf sein blondes Haar. Sie wich vom Straßenrand zurück, denn sie hatte nicht vor, sich ohne Kampf in ein Auto zerren zu lassen. Sie würde ihm einen Höllenkampf liefern. Ja, sie mochte klein sein, aber sie kannte fiese Tricks. Ihre Finger schlossen sich um das Pfefferspray, bereit, es herauszuziehen und sofort auszulösen.
„Guten Abend, Ma’am.“, sagte der Mann, als er mit selbstbewusstem Schritt auf sie zukam.
„N’abend“, murmelte sie misstrauisch.
Er bemerkte ihre ausweichende Haltung, denn er blieb stehen, hob defensiv die Hände. „Mein Name ist Mathews, Sheriff Mathews.“
„Mhm! Und wie kann ich Ihnen behilflich sein ... Sheriff?“, fragte sie, ihn nicht aus den Augen lassend.
Ihre Finger krampften sich um das Pfefferspray in ihrem Mantel. Sein Blick fuhr an ihr herunter und blieb auf der Tasche liegen, bevor er seine Jacke langsam öffnete, eine Dienstmarke aus der Innentasche zog und sie ihr zeigte.
„Sheriff Mathews“, wiederholte er, während er sie die Marke inspizieren ließ. „Es ist gut, dass Sie misstrauisch sind, Madam. Das erlebe ich oft anders.“ Sie nickte, sah ihm in die tiefblauen Augen, als er die Dienstmarke wieder einsteckte. „Sie verstehen, dass es ungewöhnlich ist, eine Frau spät abends allein auf der Straße zu sehen.“
„Wenn man kein Fahrzeug besitzt, muss man zu Fuß gehen.“
Er nickte, während sein Blick starr auf ihr lag. „Können wir Sie irgendwohin bringen?“ Zögernd musterte sie ihn. „Mir gefällt nicht, Sie hier allein herumlaufen zu lassen.“
„Ich steige nicht zu fremden Männern ins Auto!“
„Was prinzipiell vernünftig ist“, stimmte er zu.
„Darf ich also meinen Weg fortsetzen, bitte?“
Er zog überrascht die Augenbrauen hoch. Doch dann zuckten seine Mundwinkel leicht. „Natürlich, Ms.! Aber ich muss Sie darüber informieren, dass ich Sie, wenn ich Sie nicht fahren darf, mit dem Wagen begleiten werde, bis Sie sicher zu Hause angekommen sind.“
Sie starrte ihn eine Zeit an, dann seufzte sie leise. „Notiert!“, murmelte sie.
Er nickte, wandte sich um, ging zurück zum Auto und ließ sich auf der Beifahrerseite nieder. Kopfschüttelnd setzte sie ihren Weg fort, huschte in einigem Abstand an dem Wagen vorbei, ohne hineinzusehen. Sie war nicht gewohnt, dass jemand sich um ihre Sicherheit sorgte. Das war ihr eigenes Problem. Doch als sie den Motor hinter sich hörte, das Scheinwerferlicht ihr folgte, ihren Schatten vor sie warf, wusste sie, dass sie sich hier wahrlich in einer Kleinstadt befand.
HAYDEN
Ryan ließ sich mit einem Seufzen im Wagen nieder, zog die Tür zu. „Misstrauisches, kleines Stück!“, knurrte er. Obwohl ihm ihr Misstrauen trotz seiner Dienstmarke einen Stich versetzte, warf er einen anerkennenden Blick auf sie. „Folge ihr!“
Langsam folgten sie ihr in Schrittgeschwindigkeit zwei Autolängen hinter ihr. Sie setzte ihren Weg angespannt fort, schnellen Schrittes, fast ein bisschen steif. Die Schultern hochgezogen, dass ihr Gesicht tiefer in ihren Kragen sank, ging sie die Straße entlang. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass sie in seinem Wagen sicherer sein würde als in ihrem eigenen Bett. Ob sie ihn wiedererkannt hätte, wenn sie ihn gesehen hätte? Selbst, als sie am Auto vorbeigehuscht war, als fürchtete sie, jemand könnte sie hineinzerren, hatte sie nicht hineingesehen.
„Was glaubst du, hat sie in ihrer Jackentasche?“, fragte Hayden seinen Freund.
„Ich vermute Pfefferspray“, antwortete dieser. „Sie ist vorbereitet, keine dieser naiven Touristinnen, die zu bereitwillig in das Auto eines dahergelaufenen vermeintlichen Cowboys springen. Ich denke, sie kommt aus einer Großstadt. Das Misstrauen stach ihr aus den Augen, selbst, als sie meine Dienstmarke inspiziert hatte.“
„Das fuchst dich“, schmunzelte Hayden.
Ryan lachte leise. „Ja, irgendwie schon! Ich bin der Sheriff und nicht gewohnt, dass mir Leute misstrauen. Es sei denn, sie haben etwas zu verbergen. Hast du gesehen, wie viel Abstand sie zum Wagen hielt? Als würde ich versuchen, sie hineinzuzerren.“
„Das ist das Szenario, das du den naiven Touristinnen immer bildhaft auftischst, wenn sie bedenkenlos in dein Auto steigen. Und jetzt, da sich jemand nicht von dir einwickeln lässt, ärgert es dich.“
„Bescheuert, ja! Ich sollte zufrieden sein.“
„Das solltest du!“
„Wo will sie hin, verdammt nochmal? Ans andere Ende der Stadt, oder was?“
Das war, wo sie hinwollte. Ans andere Ende der Stadt! Zu Fuß, allein, mitten in der Nacht! Haydens Stimmung sank, je länger sie ihr folgten. Sie sollte nicht in der Nacht allein die Straße entlang gehen müssen. Der Dom in ihm wollte aus dem Wagen springen und das tun, wovor sie sich mit dem Pfefferspray zu schützen versuchte. Er wollte sie in sein Auto zerren. Allerdings nicht, um sie vom Gesicht der Welt zu wischen, sondern um sie sicher zu ihrem Zielort zu bringen – nachdem er sie über die Motorhaube gebeugt und ihren Hintern dafür versohlt hatte, dass sie allein durch die Nacht rannte! Und wenn er Ryans Gesichtsausdruck richtig deutete, dachte der Sheriff nicht anders.
Nach einer halben Stunde, in der sie ihr gefolgt waren, ohne dass etwas Nennenswertes passiert war, überquerte sie die Straße und ging zielstrebig auf das Motel zu. Beide Männer stöhnten gleichzeitig auf, als sie sich dort kurz zu dem Wagen umdrehte und in die Scheinwerfer blinzelte. Sie hob die Hand und verschwand die Treppe hinauf in den Gang zu den einzelnen Zimmern.
„Ihr verdammter Ernst?“, knurrte Hayden.
„Ich fürchte ja!“, erwiderte Ryan ebenso knurrig.
Mit einem Seufzen wendete Hayden den Wagen. „Das gefällt mir nicht. Jeder Arsch kommt in Royces Motel unter.“
„Und Royce ist nicht dafür bekannt, Wert auf Sicherheitssysteme zu legen.“
„Ja!“, brummte Hayden missmutig. „Eine kleine Fee wie sie ist ein gefundenes Fressen für die Geier dort.“ Der Sheriff antwortete nicht, sondern – er bemerkte es, als er ihm einen kurzen Blick zuwarf – sah ihn grinsend an. „Was?“
„Kleine Fee?“, fragte Ryan amüsiert. Hayden sah seinen Freund, der ihn dämlich angrinste, erneut an. „Im Ernst? Kleine Fee? Wo kommt das auf einmal her?“
„Hast du sie angesehen?“, rechtfertigte er sich, doch als Ryan lachte, schüttelte er seufzend den Kopf.
Den restlichen Weg hingen sie schweigend ihren Gedanken nach, bis Hayden auf Ryans Einfahrt fuhr. „Sie sucht einen Job, oder?“, fragte dieser, ohne Anstalten zu machen, auszusteigen.
„Ja, weil Matt sie sicher grundlos feuerte“, antwortete Hayden. Er würde mit Jamie sprechen müssen.
„Brauchst du nicht immer Servicekräfte?“
Hayden schnaubte zynisch. „Ja, genau! Ich biete ihr einen Job als Kellnerin in einem BDSM-Club an. Das kommt sicher großartig rüber.“
„Sie ist dort tabu. Jeder weiß, dass die Servicekräfte während ihrer Schicht nicht verfügbar sind.“
„Alle meine Leute sind in diesem Lebensstil unterwegs und das hat seinen Grund. Du weißt, dass das, was im Club stattfindet, verstörend auf Außenseiter wirken kann.“
„Woher willst du wissen, dass sie eine Außenseiterin ist?“, fragte Ryan. „Ich meine nur!“, fügte er defensiv hinzu, als Hayden ihm einen strafenden Blick zuwarf. „Wie auch immer! Danke fürs Fahren.“
„Kein Problem!“
Ryan stieg aus, ging zur Haustür, wo er sich herumdrehte und Hayden mit nachdenklichem Gesicht, das ihm bestätigte, dass sein Freund ebenfalls schlaflos wachliegen würde, hinterher sah.
JUDY
Judy konnte nicht glauben, dass der Sheriff ihr den ganzen Weg gefolgt war. Bis zum Motel war der Wagen ihr hinterhergefahren und hatte erst gewendet, als sie im Gebäude verschwunden war. Sie legte alle Riegel vor die Tür und schob die Kommode wieder davor wie jede Nacht. Es hielten zwielichtige Leute auf Durchreise im Motel an und mehr als einmal hatten ihr Kerle hinterhergepfiffen oder blöde Sprüche hinterhergerufen. Fühlte sie sich in diesem Etablissement sicher? Nein! Hatte sie eine andere Möglichkeit? Vielleicht! Hätte sie den Job nicht verloren! Sie hatte die süße Pension, Bed & Breakfast gefunden und durchgerechnet, dass sie mit ihrem Lohn eine Zeit dort gut überbrücken konnte. Doch Matt hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, als er sie gefeuert hatte.
Schnell kleidete sie sich um, leichtere Kleidung, um einigermaßen angenehm auf der nicht sehr komfortablen Matratze schlafen zu können. Doch nicht zu leicht, um im Notfall in die Öffentlichkeit flüchten zu können. Vorausgesetzt es gab Öffentlichkeit, wenn sie fliehen musste. In der Nacht war die Dunkelheit der einzige Schutz, auf den sie auf einer erneuten Flucht hoffen konnte. Niemand würde sie hier finden, irgendwo im Nirgendwo, denn sie rechneten nicht damit, dass sie hierher geflohen sein könnte. Große Städte versprachen vordergründig Anonymität, einen Dschungel, in dem es aussichtslos schien, jemanden zu finden. Es war ihnen gelungen, sie in den Großstädten ausfindig zu machen. Aber nicht hier auf dem Land!
Seufzend ließ sie sich auf das Bett fallen. Es schmeckte ihr nicht, dass sie die Aufmerksamkeit des Sheriffs auf sich gezogen hatte. Es war nie gut, wenn die Polizei involviert wurde – schon gar nicht ein gelangweilter Kleinstadtsheriff, der in ihr die Chance witterte, den Helden spielen zu können. Ein genervtes Stöhnen ging durch ihren Hals. Sie würde versuchen, unter seinem Radar herzufliegen, was sicher damit getan sein würde, dass sie sich nicht mehr in der Dunkelheit auf der Straße herumtrieb. Als hätte sie Freude daran, von einem Ende der Stadt zum anderen zu rennen! Verdammter Matt!
Sie hätte einen Blick in den Wagen werfen sollen, um zu sehen, wer das Fahrzeug gefahren hatte. Der Sheriff war auf der Beifahrerseite aus- und eingestiegen. Das bedeutete, sie war einer weiteren Person aufgefallen. Ob das ein Cop gewesen war? Der SUV hatte nicht offiziell ausgehen, kein Dienstfahrzeug. Wieder stöhnte sie missmutig auf. Oh Gott, sie würde nicht schlafen können! Alles würde sich wiederholen. Sie würde eine Mitfahrgelegenheit suchen müssen. Sie würde erneut einen Job und eine Unterkunft finden müssen. Und je schneller sie diesen Ort verließ, umso besser. Sie blieb nie lange in den Motels, denn sie fürchtete, dass sie an diesen Orten zuerst gesucht wurde.
Ein seltsames Kitzeln auf ihrer Wange ließ sie die Hand heben. Als sie sich kratzte, stellt sie fest, dass ihre Finger Feuchtigkeit verwischten. Tränen! Sie war erschöpft, mental wie physisch. Sie wollte nicht mehr wegrennen. Sie wollte einen Ort finden, an dem sie sich sicher fühlte. Aber gab es den? Musste sie das Land, den ganzen Kontinent verlassen? Auch das hatte Matt ihr versaut, denn jetzt konnte sie nicht in einen Flug investieren, musste auf ihre Rücklage zurückgreifen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gott, sie war so müde! Hatte sie gedacht, endlich zur Ruhe zu kommen? Sorry, Babe, die wird es für dich nicht geben!
JOB ANGEBOTE
HAYDEN
Hayden saß an seinem Schreibtisch, doch er konnte sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Was war verdammt nochmal mit ihm los? Es ging ihn nichts an, was diese Frau tat. Wenn sie meinte, sie müsste in dem miesesten Motel der Stadt unterkommen, dann war das ihre Entscheidung. Eine, für die er sie genauso über sein Knie legen wollte, wie für ihren nächtlichen Spaziergang. Sein BDSM-Club wurde von einigen Bewohnern mit kritischem Auge betrachtet, als Schandfleck bezeichnet. Doch musste dort niemand fürchten, ausgeraubt oder überfallen zu werden. Keiner, außer der Mitglieder, wusste genau, was in den Räumen passierte. Lifestyle Club war die offizielle Bezeichnung, die ihm die Stadtverwaltung vorgeschlagen hatte. Worte wie schmuddelig, dreckig, unanständig hörte er regelmäßig von Mitbürgern, die über seinen Club sprachen. Zugegeben, unanständig gefiel ihm, dreckig und schmuddelig waren allerdings freche Unterstellungen. Er sorgte dafür, dass man besser von seinem Boden essen konnte als von den Tischen in Jamie’s Diner. Hygiene und Sicherheit waren seine wichtigsten Prinzipien.
Im Gegensatz zu dem Etablissement, in dem die kleine Fee untergekommen war. Er schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch er erinnerte sich erneut an Natalies Worte vom Abend zuvor. Ich hatte das Gefühl, eine Welt brach für sie zusammen, als ich ihr sagte, dass wir momentan keine Stelle haben. Seufzend lehnte er sich im Stuhl zurück und fuhr sich durch die Haare. Erinnerungen lenkten ihn ab. Erinnerungen an ihre süße Fratze, die sie gezogen hatte, an ihre ungezwungene, offene Art, mit der sie ihn angesprochen hatte! Sein Blick fiel auf seine Hand und er konnte ihre blassen, zarten Finger darauf liegen sehen. Wann hatte jemals eine Frau gewagt, ihn bei einer ersten Begegnung zu berühren? Nicht einmal Louise, als er damals als junger, unerfahrener Schnösel an ihre Tür geklopft hatte – enttäuscht von der Eintönigkeit der sexuellen Abenteuer mit den gleichaltrigen Mädchen seiner Schule. Ja, selbst sie hatte sich ihm vorsichtig genähert. Hatte er immer schon einschüchternd, wie Ava oft mit einem warmen Lächeln betonte, auf andere gewirkt? Er schmunzelte bei dem Gedanken an die kleine Maus, die ihm in einem Moment erklärte, dass er furchteinflößend wirkte, und sich im nächsten an ihn kuschelte, als wollte sie sich in seinen Armen verstecken. Selbst Ava hatte ihn zunächst misstrauisch angestarrt, als er sich damals in das Gespräch zwischen ihr und Paisley eingemischt hatte. Deutlich sah er ihre weit aufgerissenen Augen, mit denen sie ihn gemustert hatte. Doch sie hatte ihn durchschaut, schneller als ihn jemals jemand durchschaut hatte.
Er schüttelte den Kopf, als das Telefon klingelte. Eine Stunde telefonierte er mit einem Zulieferer, bis die Ereignisse des Tages plötzlich alle gleichzeitig über ihn hereinbrachen. Eine Lieferung Spielzeug für den Club wurde ausgeladen, dann trafen die Vertreter der neuen lokalen Brauerei zu früh zu ihrem vereinbarten Termin ein, um ihm ihr Sortiment vorzustellen. Hayden empfing sie in seinem Büro, doch meistens folgte eine Tour durch seinen Club, denn Anstand hin oder her, die Gelegenheit, einen heimlichen Blick in ein verbotenes Etablissement zu werfen, ließ sich kaum einer seiner Geschäftspartner entgehen. Nicht, wenn er der erste Clubbesitzer der Art war, mit denen sie Geschäfte machen wollten. Er genoss die weit aufgerissenen Augen, die Neugier, das Unverständnis, den Schock. Und das waren Reaktionen auf den leeren Club. Manchmal versuchte er, sich vorzustellen, wie dieselben Leute auf seinen gut gefüllten Club an einem regen Abend reagieren würden.
Gegen späten Mittag machte sich sein Telefon bemerkbar und erinnerte ihn daran, dass er sich mit Jack zu einem Snack verabredet hatte. In Jamie’s Diner, wie er missmutig feststellte. Als er dort eintraf, saß Jack in ihrer üblichen Sitzecke. Ein alkoholfreies Bier vor sich studierte er die Karte, die er sicher auswendig kannte.
„Etwas Neues?“, fragte Hayden, als er sich ihm gegenüber niederließ.
Jack schnaubte amüsiert. „Was glaubst du?“
„Ich glaube, ich muss mit Jamie reden, dass sein derzeitiger Manager das Diner zugrunde richten wird.“
Jack zog eine Augenbraue hoch und warf ihm einen überraschten Blick über die Karte hinweg zu.
„Hey, Kumpel!“, grüßte sie plötzlich eine ihm bekannte Stimme und Wut stieg in ihm auf, dass der Manager glaubte, sie seien auf kumpelhafter Ebene.
„Matt! Seit wann bewegst du deinen Arsch selbst hinterm Tresen hervor, du alter Sklaventreiber?“
Jacks Augenbrauen schossen fast in seinen Haaransatz, doch Matt lachte. „Sagt der Richtige!“, antwortete er. „Sklaventreiber, aus deinem Mund! Der war gut!“
Hayden ließ ein raubtierhaftes Grinsen über sein Gesicht gehen, woraufhin Jack die Karte niederlegte. „Ich nehme den Cheeseburger“, sagte er hastig, als wollte er damit eine Eskalation verhindern.
Matt nickte, legte seinen Blick auf Hayden. Dieser nickte ebenfalls. „Und eine große Flasche Wasser, bitte.“
„Nur Wasser?“, fragte Matt überrascht.
„Nein, zwei Cheeseburger!“, erklärte Jack, bevor Hayden reagieren konnte. „Zwei Cheeseburger und eine große Flasche Wasser.“
Matt brummte zustimmend, wandte sich wortlos um und verschwand. „Was ein Vollidiot!“, knurrte Hayden.
„Du wirst ihn nicht mit Haut und Haaren fressen, oder?“, fragte Jack.
Hayden lachte leise. „Ich werde definitiv mit Jamie sprechen. Sieh dich um! Siehst du zufrieden lächelnde Gesichter?“
„Ich sehe in ihr Mittagessen vertiefte Gesichter.“
„Und das meine ich. Vor einigen Tagen sahst du hier zufrieden lächelnde Gäste.“
„Das lässt dich nicht los, oder?“, fragte Jack und sah ihn forschend an. „Sagte ich schon, dass du scheiße aussiehst? Hast du nicht geschlafen?“
Hayden brummte. „Hättest du schlafen können, wenn du eine kleine, zierliche Frau dabei beobachten musst, wie sie allein des Nachts von einem Ende der Stadt zum anderen rennt und dann in Royces Motel geht?“
Jack verschluckte sich an seinem Bier. „Stalkst du sie jetzt?“
„Wir sahen sie, als ich Ryan nach Hause fuhr. Sie weigerte sich, sich nach Hause fahren zu lassen, also eskortierten wir sie. Ich glaube, er war genauso angepisst über die Tatsache, dass sie im Motel schläft, wie ich.“
„Oh, das kleine Mäuschen stieg nicht zu den Rittern in schimmernder Rüstung ins Auto?“, fragte Jack amüsiert.
„Fick dich!“, erwiderte Hayden, woraufhin sein Freund den Kopf in den Nacken warf und lachte.
„Zweimal Cheeseburger!“, ertönte eine raue Stimme und Mary stellte zwei Teller auf den Tisch.
„Mary, was machst du hier?“, fragte Hayden überrascht. Die alte Dame war um die siebzig und wohnte in einer der Wohnungen über dem Diner.
„Was wohl? Ich helfe aus. Kann nicht zulassen, dass Jamie’s Baby vor die Hunde geht“, antwortete sie auf ihre typische schroffe Art.
„Bat Matt dich, auszuhelfen?“
„Nein, ich kam für einen Kaffee runter, aber der Junge ist völlig überfordert, seit er wieder eine der Bedienungen feuerte. Da sprang ich ein.“
„Wen feuerte er?“, fragte er und sie sah ihn überrascht an.
„Er schmeißt ständig Servicekräfte raus. Aber die Letzte war gut. Keine Ahnung, wieso er sie rauswarf. Jetzt muss er sich selbst den Arsch wund arbeiten, bis er ein neues naives Ding findet, das sich von ihm fertig machen lässt.“
„Im Moment sehe ich ihn nicht, sich den Arsch wund arbeiten“, widersprach er und sie lachte kehlig.
„Willst du deinen Burger warm?“, entgegnete sie amüsiert. „Dann willst du nicht, dass er sich den Arsch wund arbeitet! Iss, Junge!“
„Soll ich mit Jamie reden?“ Mary tätschelte seine Wange, zwinkerte und wandte sich wortlos ab. „So ein Idiot!“, zischte er und Jack schmunzelte.
Hayden hatte erst den halben Burger gegessen, als er feuerrote Haare auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte. Der Bissen blieb ihm im Halse stecken, als er sie dort stehen sah, die Stirn krausgezogen und auf ihr Smartphone starrend. Im Tageslicht wirkte sie zerbrechlicher als in der Nacht zuvor. Verschwunden war die Fröhlichkeit in ihrem Gesicht, hatte Platz gemacht für ... Hayden schluckte. Natalie hatte Recht. Es war pure Verzweiflung, die sich in ihren Zügen zeigte.
„Bin gleich zurück!“, murmelte er an Jack gerichtet, erhob sich und verließ das Diner.
JUDY
Judy starrte auf die App für Mitfahrgelegenheiten. Niemand wollte sich aus der kleinen Stadt wegbewegen, wenn sie die Trucker nicht zählte. Doch sie würde nicht mit einem Fremden durch offene Landschaften fahren, stundenlang eingeschlossen mit einem Mann, von dem sie nichts wusste. Sie tat dem Großteil der Trucker unrecht damit. Aber wie sollte sie entscheiden, ob der betreffende nicht das eine schwarze Schaf war, zu dem man sich besser nicht in ein Cockpit setzte? Also nahm sie alle in Sippenhaft.
Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Heute würde sie die App im Auge behalten und versuchen, irgendwo unterzukommen. Doch wenn sich nicht in spätestens zwei Tagen eine Gelegenheit bot, würde sie tun müssen, was sie nicht tun wollte.
Seufzend wandte sie sich um, die Hauptstraße zu verlassen und sich irgendwo anders als in Jamie’s Diner einen Kaffee zu organisieren, als sie in eine Wand rannte und gefallen wäre, wenn sie nicht festgehalten worden wäre.
„Vorsichtig, Engelchen!“, rollte die tiefe, sonore Stimme über sie und sie erstarrte. Sie erkannte das Brummen sofort.
Ihr Blick fuhr seine Brust direkt vor ihr hinauf in sein Gesicht. Ein amüsiertes Schmunzeln spielte um seine Mundwinkel. Ihr Herz schlug bei seinem Anblick wild. An diesem Tag hatte sie keine Kaffeekanne als Schild. „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte sie atemlos. Konnte sie das auf die Tatsache schieben, dass sie beinahe mit dem Gesicht zuerst auf den Asphalt geschlagen wäre? Bestimmt! „Ich sollte nicht auf das Telefon schauen, während ich gehe. Ich habe Sie nicht gesehen.“ Ihr Blick schweifte über ihn und dann musste sie lachen.
„Das klingt nicht wie eine ernst gemeinte Entschuldigung“, sagte er, aber seine Augen verengten sich amüsiert.
„Verzeihung Sir, ich habe Sie nicht gesehen“, wiederholte sie, deutete mit der Hand über ihn und fing erneut an zu lachen. Er musste doch verstehen, wie albern und lustig es klang, dass sie, der Zwerg, ihn, den Felsen, den Riesen, übersehen hatte. „Man könnte sagen, ich hätte Sie übersehen!“, betonte sie daher und lachte erneut auf, deutete auf seine körperlichen Maße und Tränen liefen aus ihren Augen. Jetzt hörte sie seine tiefe Stimme in einem leisen Lachen. „Wurden Sie schon einmal übersehen?“
„Nein!“
„Verzeihen Sie, Sir“, sagte sie glucksend, wischte sich über die Augen. „Aber das war zu komisch. Ich habe Ihnen nicht wehgetan, oder?“ Judy sah in sein Gesicht auf und brach erneut in Gelächter aus.
Er stand vor ihr, seine Augen musterten sie amüsiert und er schmunzelte. „Und wenn dem so wäre?“ Einen Moment sahen sie sich an, dann lachten sie erneut.
„Nein, ernsthaft! Es tut mir leid! Ich sollte besser aufpassen, wohin ich gehe.“
„Alles gut, Engelchen!“, erwiderte er. „Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan.“
Sie schüttelte den Kopf. „Und wenn, hätte ich es verdient, meinen Sie nicht?“, fragte sie und sein Lächeln erstarrte kurz, bevor es sich auf seltsame Weise wandelte. Sie konnte nicht sagen, was es war, doch wirkte er an sich einschüchternd, so ließ ihn dieses Lächeln furchteinflößend erscheinen. „Kann ich es wieder gutmachen? Ich könnte Sie auf einen Kaffee einladen.“
Er betrachtete sie einen Augenblick und, als sie anfing, sich albern dafür zu finden, dass sie ihm vorgeschlagen hatte, einen Kaffee mit ihr zu trinken, nickte er. „Warum nicht?“ Er streckte die Hand aus und deutete gegenüber auf das Diner, das ihr ihre momentane Misere eingebrockt hatte.
„Dort bin ich nicht mehr willkommen. Wir müssten eine andere Lokalität aufsuchen.“
„Ich dachte, Sie arbeiten da.“
„Nicht mehr! Offenbar ist es meine Schuld, dass ich Kaffee verschütte, wenn mich jemand anrempelt, während ich ausgieße.“
Er sog tief Luft durch die Nase. „Sie wurden rausgeschmissen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht eine meiner hellsten Stunden, aber ja!“
„Und jetzt?“, fragte er. „Wo arbeiten Sie jetzt?“
Sie sah ihn überrascht an. „Nirgendwo! Es scheint, in der ganzen Stadt keine andere Stelle für eine Servicekraft zu geben. Ich suche eine Mitfahrgelegenheit, um weiterzuziehen.“
Er starrte sie eine Zeit an und jeder Humor verschwand aus seinen Augen. Plötzlich zog er eine Karte aus seiner Hosentasche und reichte sie ihr. „Wenn Sie einen Job brauchen, rufen Sie an! Ich könnte eine freie Stelle haben.“
Sie ließ den Blick auf die schlichte schwarze Karte mit weißer Schrift sinken, sah wieder zu ihm auf. „Im Ernst?“
„Rufen Sie an und wir machen einen Termin für ein Gespräch aus! Und dann können wir über den Wiedergutmachungskaffee sprechen.“
Ein erleichtertes Lächeln kroch über ihr Gesicht. „Sehr gerne! Das werde ich machen. Vielen Dank!“
„Und schauen Sie, wohin Sie laufen!“, erinnerte er sie, als er ein paar Schritte von ihr wegsetzte.
Sie lächelte, zwinkerte ihm zu. „Das werde ich“, erwiderte sie und fand sich im selben Moment furchtbar albern dafür. Sie sah ihm kurz hinterher, als er die Straße überquerte, dann wandte sie sich ab und machte sich auf den Weg zurück ins Motel.
HAYDEN
Hayden versicherte sich, dass sie sich nicht noch einmal zu ihm herumdrehte, bevor er das Diner betrat, wo Jack im Sitz zurückgelehnt saß, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und ihn amüsiert ansah. Mit einem Seufzen ließ er sich auf seinem Platz nieder, griff eine Pommes, die mittlerweile kalt war, und warf sie wieder auf den Teller.
„Was war das?“, fragte Jack.
Hayden versuchte, das Lächeln, das ihm bei dem Gedanken an die kleine Fee über das Gesicht krabbeln wollte, zu unterdrücken. „Sie lief mich um.“
„Von hier aus sah es eher aus, als seist du ihr absichtlich in den Weg getreten.“ Hayden zuckte mit den Schultern. „Und was war so lustig?“
„Dass sie glaubte, mich übersehen zu haben?“, fragte er zurück, deutete auf sich selbst und machte damit deutlich, dass er nicht der Typ Mann war, den man übersehen konnte.
Jack legte den Kopf zurück und lachte. „Und wie, um alles in der Welt, kam es, dass du ihr deine Karte in die Hand drücktest?“
„Sie braucht einen Job. Ich könnte einen haben.“
Schon am späten Nachmittag holte ihn sein undurchdachter Plan ein. Das verdammte Telefon klingelte und Hayden war sich zu achtundneunzig Prozent sicher, dass es die kleine Fee war, die wegen eines Jobs anrief. Was hatte er sich dabei gedacht? Er konnte ihr unmöglich einen Job in seinem Club anbieten. Sie würde mit wehenden Fahnen die Stadt verlassen, wie sie es geplant hatte. Vielleicht würde sie zu dem nächstbesten Trucker ins Führerhaus springen und das wäre seine Schuld. Er starrte auf das Telefon, während er wie ein Tiger im Käfig davor auf und ab ging. Doch es half nichts. Er hatte ihr einen Job versprochen und er musste liefern. Schließlich griff er nach dem Smartphone und meldete sich.
„Oh, hallo!“, vernahm er ihre helle Stimme. „Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass jemand abnimmt. Ich wollte auflegen.“
„Entschuldigung, ich war beschäftigt. Viel los!“ Großartig, ihr Arbeitsverhältnis direkt mit Lügen zu beginnen!
„Kein Problem!“, antwortete sie. „Ich bin jetzt nur aus dem Konzept.“
Seine Mundwinkel zuckten. „Wie gut, dass wir unser Gespräch nicht am Telefon führen werden, sondern nur einen Termin ausmachen.“
„Ja, das! Wann könnte ich vorbeikommen und über welche Art Job sprechen wir?“
„Das sollten wir vor Ort besprechen. Wann könnten Sie zu einem Gespräch kommen?“
„Jederzeit! Hören Sie! Ich weiß, es ist dumm, meine Situation offen zu legen, aber ich bin verzweifelt. Ich hatte nicht geplant, so schnell wieder nach einem Job zu suchen.“
Ihre Offenheit war erfrischend. Umso mehr zweifelte er, ob es eine gute Idee war, sie in den Club kommen zu lassen. Er wanderte ziellos durch sein Wohnzimmer. „Wie wäre es morgen um elf Uhr?“, hörte er sich fragen. „Ich werde Ihnen den Arbeitsbereich zeigen und wir könnten über Lunch den Vertrag besprechen.“
„Ja! Ja, klingt großartig! Also um elf morgen Vormittag?“
„Perfekt!“, murmelte er.
Sein Herz raste, als er das Telefonat beendete, nachdem er ihr versichert hatte, ihr die Adresse zu schicken. Wann war er das letzte Mal so nervös gewesen? Er kannte die Antwort und die Erinnerung schmerzte. Es war eine der schönsten seines Lebens: als Ava Louise in seinen Club geführt hatte. Seufzend fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, ließ sich auf sein überdimensionales Sofa im Wohnzimmer fallen. Was hatte er sich da eingebrockt? Er musste alles vorbereiten. Und dafür brauchte er Hilfe. Hilfe, die ihn nicht mit der Blödsinnigkeit seiner Idee aufziehen, sondern ihn bedingungslos unterstützen würde.
„Hey, kleine Maus“, sagte er, als Ava abhob, und es klang in seinen eigenen Ohren verzweifelt. „Ich brauche deine Hilfe!“
INTERVIEW
JUDY
Judy starrte das Haus auf der anderen Straßenseite an. War sie hier richtig? Ihr Blick schweifte über die normale Nachbarschaft mit Vorgärten, Stellplätzen und Einfamilienhäusern. Verwirrt betrachtete sie die Vierzehn, überprüfte zum hundertsten Mal, ob sie sich geirrt hatte. Nein, das dreistöckige, weiße Haus vor ihr entsprach der Adresse. Ihr Blick fuhr über die großen Garagentore im Erdgeschoss. An der linken Seite führte eine lange Treppe hinauf zum ersten Stock. Nichts ließ darauf schließen, dass dies etwas anderes als ein Wohnhaus sein könnte. Hatte er sie nicht zur Arbeitsstelle bestellt? Nervös kratzte sie ihre Wange. Ja, sie hatte im Motel hinterlassen, wohin sie ging, aber der Mann hinter dem Tresen hatte nicht interessiert gewirkt. Sollte sie dennoch klingeln? Sollte sie ohne Backup ein fremdes Haus betreten? Dieser Mann war gigantisch. Er würde sie mit einer Hand in der Mitte durchbrechen können. Auf der anderen Seite brauchte sie einen Job und er bot ihr die Gelegenheit, ein klein wenig Ruhe zu finden. Verdammt! Sie hätte ihre Situation nicht offen darlegen dürfen. Sie war ein naives Dummchen, das sich leicht mit einem Job hatte ködern lassen. Nervös fischte sie mit der Hand in ihrer Tasche nach dem Pfefferspray, umfasste die Dose eine Zeit, bis sie genug Selbstsicherheit beschworen hatte.
Sie würde die bodenlose Dummheit begehen und klingeln. Verzweiflung tat das mit einem, dass sie jeden gesunden Menschenverstand in den Wind blies. Mit einem letzten tiefen Atemzug überquerte sie die Straße und sah sich suchend um. An der linken Seite des Hauses führten Treppen auf eine Tür zu. Langsam und mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch stieg sie die Stufen hinauf und betätigte die Klingel. Es dauerte nicht lange, da hörte sie seine schweren Schritte, die sich näherten. Noch konnte sie umkehren. Noch konnte sie verschwinden, bevor – und vorbei! Die Tür schwang auf und er füllte sie komplett aus. Ein leichtes Lächeln ging über sein Gesicht, als sein Blick kurz an ihr hinunterfuhr. Und in diesem Moment kam sie sich albern in dem vermeintlichen Kellnerinnen-Aufzug vor, bestehend aus einem knielangen, engen, schwarzen Rock, einer weißen, schlichten Bluse und einem ebenfalls schwarzen, kurzen Blazer.
„Guten Morgen, Sir“, sagte sie fröhlich, wenngleich es in ihrem Inneren anders aussah, und streckte ihm ihre Hand entgegen.
„Guten Morgen“, erwiderte er den Gruß, nahm ihre Hand in seine und sie versuchte, ihm einen angemessen kräftigen Händedruck zu geben. „Sie sind pünktlich, nicht zu früh und nicht zu spät, Respekt!“
Sie lächelte, knickste kurz und wollte sich im selben Augenblick dafür ohrfeigen. „So bin ich, immer pünktlich!“
Er gab ihre Hand frei und trat zurück. „Kommen Sie herein!“, sagte er mit einer einladenden Handbewegung.
Sie zögerte kurz. Wie war das mit den Vampiren und den Türschwellen? Deutlich erinnerte sie sich daran, dass Dracula Jonathan Harker bat, aus freien Stücken einzutreten, was dieser naiv tat und sich damit leider in Draculas Hände begab. Mit einer Gänsehaut tat sie es Jonathan Harker gleich, trat in die geräumige Eingangshalle, in der eine Garderobe aus dunklem Holz mit einem schmalen Spiegel anbot, Jacken und Mäntel aufzunehmen. Darunter befanden sich Fächer für Schuhe, die nur spärlich mit Paaren gefüllt waren.
„Sollte ich die Schuhe ausziehen?“, fragte sie.
Sein Blick fuhr schnell über sie und für einen kurzen Moment glaubte sie, einen seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht zu erkennen, doch da lächelte er wieder um die Mundwinkel herum und schüttelte den Kopf. „Das wird nicht nötig sein. Kommen Sie!“
Noch einmal atmete sie tief ein, tastete nach dem Pfefferspray in ihrer Tasche, dann folgte sie ihm durch einen Bogen hindurch in eine offene Wohnlandschaft. Und was für eine Wohnlandschaft! Mit heruntergeklappter Kinnlade ließ sie ihren Blick über das riesige, cappuccinofarbene Sofa gleiten, das so tief wirkte, dass sie nicht mit den Füßen auf den Boden kommen würde, wenn sie sich darauf zurücksetzte. Ein gigantischer Flachbildschirm hing an der Wand dem Sofa gegenüber, während durch die Fenster und eine Balkontür seitlich davon Sonnenlicht den Raum flutete. Hinter der Couch trennte ein riesiger Esstisch, ebenfalls aus dunklem Holz, umgeben von teuer aussehenden Lederstühlen, den Wohnbereich von der geräumigen Küche. Der Mann hatte offenbar eine Vorliebe für dunkle Farben, dunkles Holz und alles in Kaffeetönen. Der ganze Raum zeigte sich in einer seltsam gemütlichen Mischung aus modernen und eleganten Möbelstücken, typisch männlich mit wenig Dekoration.
„Wow!“, stieß sie aus und warf ihm einen peinlich berührten Blick zu, woraufhin er leise schmunzelte. Sie zwang ihre Augen von der Einrichtung weg auf ihn und kam sich plötzlich fehl am Platz vor. „Verzeihen Sie! Sie gaben mir Ihre Karte, aber ich stellte mich Ihnen nicht vor. Unhöflich! Glauben Sie mir, ich habe keine schlechten Manieren. Judy Kinlay ist mein Name.“
HAYDEN
Hayden konnte nicht anders als sie anzustarren. Zwanzig Minuten lang hatte sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite gestanden und sich verwirrt umgesehen. Er hatte sich erneut ohrfeigen wollen, als ihm bewusst geworden war, was sie innerlich zerriss. Es war dasselbe Misstrauen, das sie daran gehindert hatte, zu ihnen ins Auto zu steigen. Und er hatte sie, obwohl er ihre vorsichtige Art beobachtet hatte, zu sich nach Hause eingeladen, statt sie in das Büro des Clubs kommen zu lassen. Er hatte sie vor diesem Unbehagen, das sie immer wieder nach dem Pfefferspray in ihrer Jackentasche tasten ließ, bewahren wollen, indem er das Jobinterview nicht im Club führte. Doch in Wirklichkeit hatte er es mit seiner Wahl ausgelöst. Sie musste wahrlich verzweifelt sein, dass sie dennoch an seiner Tür geklingelt hatte.
Ihm war bei ihrer unschuldigen Frage, ob sie die Schuhe ausziehen sollte, das Herz stehen geblieben. Oh Gott! Sie wusste nicht, was sie in einem Dom wie ihm damit auslöste! Zu bildlich konnte er sich vorstellen, wie sie ihm mit leicht geröteten Wangen barfuß in sein Wohnzimmer folgte. Wie sie nervös auf seine Anweisungen wartete. Darauf, dass er sich auf dem Sofa niederließ, sie aufforderte, sich wie eine brave sub über seine Knie zu legen und ihre Strafe zu nehmen. Strafe dafür, dass sie gewagt hatte, in einem heruntergekommenen Motel einzuchecken, in dem kleine, zierliche Frauen wie sie nichts zu suchen hatten. Er hatte sich von ihr abgewandt und war ins Wohnzimmer getreten, um dieses Bild aus seinem Kopf zu vertreiben, bevor er sie wieder ansah. Doch die Überraschung und das Staunen in ihrem Gesicht, als sie die offene Wohnlandschaft betrachtete, machte es ihm schwer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Zu jung, schallt er sich. Du magst sie reifer, erfahrener! Doch gleichzeitig wusste er, dass er sich anlog. Verdammt! Wäre Ava nicht mit Hunter in seinen Club gekommen, hätte er sofort versucht, sie zu seiner sub zu machen. Die kleine Fee hier, die sich mit offenem Mund in seinem Wohnzimmer umsah, schien nicht wesentlich jünger als die Maus, auch wenn die Sommersprossen diesen Eindruck erwecken konnten. An diesem Tag hatte sie ihre feuerroten Haare in einem lockeren Zopf gebändigt, der zu erkennen gab, wie weich und leicht sie sich zwischen seinen Fingern anfühlen würden. Er gab sich eine mentale Ohrfeige, als seine Gedanken erneut in unangebrachtes Territorium abdrifteten.
„Ms. Kinlay“, wiederholte er ihren Namen, als hörte er ihn zum ersten Mal. Verdammter Lügner, schallt er sich erneut. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, bevor wir zum Geschäftlichen kommen?“ Er wollte ihr die Nervosität nehmen, die er durch die Wahl des Ortes verursacht hatte. „Kaffee oder Tee?“
„Oh! Kaffee wäre toll“, antwortete sie und ein süßes Strahlen ging über ihr Gesicht.
Mit einem Lächeln wandte er sich zur Küche um, hörte ihre Schritte auf dem Holzboden, die ihm langsam folgten. Er griff einen der Becher, die er zuvor bereitgestellt hatte, und positionierte ihn unter den Kaffeevollautomaten. „Sie wundern sich sicher, weshalb ich Sie hierherkommen ließ“, sagte er, während die Maschine Bohnen mahlte, und er konnte Überraschung über ihr Gesicht fliegen sehen. „Mir ist bewusst, dass das seltsam erscheinen muss, nachdem wir nicht darüber sprachen, welche Art Job ich für Sie habe.“
„Ich gebe zu, ich war zunächst ein wenig verwirrt“, bestätigte sie seine Beobachtungen.
Er nickte, stellte den Becher auf die Anrichte, die sie voneinander trennte. „Milch oder Zucker?“
„Nein, danke, schwarz wie die Nacht“, antwortete sie und er musste sich verkneifen, darauf zu reagieren, zu verraten, dass er in der besagten Nacht der Fahrer des Wagens gewesen war, der sie zum Motel eskortiert hatte.
„Sollen wir in mein Büro gehen?“
„Gerne!“
Er griff seinen eigenen Becher und führte sie neben der Küche die schmale Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo sie sich in einem weiten Flur öffnete. Zielstrebig steuerte er auf die Bürotür zu, am Schlafzimmer und seinem privaten Dungeon, dessen Tür er zuvor sicher verriegelt hatte, vorbei, und ließ sie eintreten. Mit einem überraschten Laut blieb sie stehen, ihr Blick schweifte über die hohen Regale, in denen sich seine Ordner, Alben, Musik und Bücher ordentlich aneinanderreihten. Er ließ die Tür offenstehen, damit er ihr das Gefühl gab, jederzeit gehen zu können.
„Oh, wow!“, entfuhr es ihr, dann wandte sie sich mit geröteten Wangen zu ihm um. „Verzeihung! Ich bin beeindruckt.“
Er schmunzelte. „Setzen wir uns!“, erwiderte er und deutete auf die Sessel vor dem inaktiven Kamin, die von einem kleinen runden Tisch getrennt wurden.
Am Nachmittag saß er auf einem Hocker in Avas und Hunters Küche und beobachtete die Maus dabei, wie sie ein Blech ihrer berühmten und begehrten Brownies aus dem Ofen holte.
„Ganz schön misstrauisch, die Kleine!“, kommentierte Hunter, während sein Blick gierig auf dem dampfenden Blech lag.
„Nein, vorsichtig!“, verbesserte sie ihn. „Sie ist vorsichtig und das ist gut.“
„Ich wünschte, ich hätte daran gedacht. Es sah aus, als wollte sie einen Rückzieher machen, als sie draußen auf der Straße stand“, murmelte Hayden.
„Das ist meine Schuld“, warf Ava ein. „Ich hätte es mir denken müssen. Aber es ist so selbstverständlich, zu dir zu kommen, dass mir gestern nicht in den Sinn kam, dass das für sie seltsam sein könnte. Ich hätte dir raten sollen, sie in dein offizielles Büro einzuladen.“
„Nein, ich glaube, es war besser so“, widersprach Hunter. „Sicher, es mag zunächst ungewöhnlich für sie gewesen sein, aber kannst du dir vorstellen, wie beängstigend es für sie gewesen wäre, mit ihm im Büro über den Job zu reden, während vor der Tür seltsame Sex-Möbel stehen?“
„Ich hätte sie nicht durch die Vordertür hereingebeten“, schmunzelte Hayden.
„Und doch hätte sie einen Blick auf den Clubraum bekommen“, warf Hunter ein.
„Und wie lief es sonst?“, fragte Ava, als sie das zweite Blech, auf dem sie den Teig gleichmäßig glattgestrichen hatte, in den Ofen schob, dann die dicken Handschuhe abstreifte und auf die Anrichte legte.
„Ja!“, seufzte Hayden. „Ich habe eine Haushälterin!“
Hunter brach sich ein Stück Rand vom ersten Blech ab und schob es mit provokant hochgezogener Augenbraue in seinen Mund, als Ava ihn vorwurfsvoll ansah. „Die du nicht brauchst!“, kommentierte er.
„Ich finde, dass eine Haushälterin nicht verkehrt ist. Er arbeitet zu viel. Es ist gut, wenn er Verantwortung abgibt. Selbst, wenn es nur für das Haus ist.“
„Ava!“, grinste Hunter. „Glaubst du wirklich, dass er alles allein sauber hält?“ Ava warf verwirrte Blicke zwischen ihm und Hunter hin und her. Hayden seufzte, denn es wäre ihm lieb gewesen, wenn er die Wahrheit nicht einfach herausposaunen würde. Auf der anderen Seite hatte er nie ein Geheimnis daraus gemacht. „Es gibt zwei eifrige subs, die begierig darauf sind, sich um sein Haus zu kümmern.“
Avas Blick wanderte zu ihm und sie musterte ihn fragend. „Du bezahlst Mitglieder des Clubs dafür, dass sie dein Haus putzen?“, fragte sie überrascht und er seufzte erneut.
„Nein, er bezahlt sie nicht!“
Sie starrte ihn eine Zeit lang mit weit aufgerissenen Augen an. „Hayden!“, sagte sie vorwurfsvoll und schlug ihm auf den Unterarm.
„Vorsicht, kleine Maus!“, warnte er amüsiert.
„Sie sind Service-subs“, erklärte Hunter. „Sie finden ihre Erfüllung darin, anderen zu dienen.“
„Ich würde sie beleidigen, versuchte ich, sie zu bezahlen“, fügte Hayden hinzu. „Das machten sie deutlich. Sie würden sich wie Prostituierte fühlen. Ich versuche, es ihnen mit Vergünstigungen im Club zurückzuzahlen. “
„Sie werden enttäuscht sein, wenn er ihre Dienste nicht mehr benötigt. Ich glaube, sie hofften, dem unnahbaren Clubbesitzer näher zu kommen, indem sie in seine Privatsphäre dringen. “
Ava schüttelte sich. „Service-sub!“
„Nichts für dich, Süße?“, fragte Hunter und grinste frech. „Wo du gerne kochst und backst!“
„Rot! Hunter!“, antwortete sie sofort mit wildem Gesichtsausdruck. „Rot! Rot! Rot!“
„Verdammt!“, zischte er durch die Zähne und Hayden schmunzelte, während sein Freund weiterhin leise fluchte, jedoch amüsierte Blicke auf die kleine Maus warf.
„Wann fängt sie an?“, fragte Ava Hunters Flüche ignorierend.
„In zwei Tagen!“
Sie spitzte die Lippen. „Wird sie weiterhin im Motel wohnen?“
Hayden knurrte. „Natürlich nicht!“ Die Maus sah ihn verschmitzt grinsend an, was sicher damit zusammenhing, dass er am Tag zuvor in eine Tirade darüber gefallen war, dass Judy in dem Motel übernachtete und allein durch die Nacht lief. „Deswegen brauchte ich deine Hilfe.“
Ava schlug Hunter auf die Hand, als er sich erneut ein Stück Kruste vom Blech abbrechen wollte, woraufhin dieser sie drohend ansah. „Finger weg von meinen Brownies! Du kennst die Regeln!“ Hunter senkte seufzend den Kopf und schüttelte ihn. Sie ging um die Anrichte herum und kuschelte sich an Hayden. „Deshalb liebe ich dich so sehr“, erklärte sie. „Du sorgst dich, auch wenn es dich verdammt nochmal nichts angeht.“
Hayden schmunzelte. „Wenn es mich nichts angeht!“
„Ja, und deshalb werde ich dich unterstützen. Ich könnte sie herumführen und ihr erklären, was du von ihr erwartest. Wir sollten eine Liste mit ihren Aufgaben erstellen, damit sie weiß, was zu erledigen ist.“
„Und deshalb liebe ich dich so sehr, kleine Maus“, hauchte er in ihr Haar. „Du kümmerst dich auch, obwohl es dich verdammt nochmal nichts angeht.“
„Cheesy!“, kommentierte Hunter. „Würdet ihr beide aufhören, vor meiner Nase herumzuknuddeln, und könnten wir stattdessen bitte diese Brownies essen?“
NEUES LEBEN
JUDY
Judy konnte nicht glauben, was da plötzlich über sie hereingebrochen war. Haushälterin! Sie hatte einen Haushälterinnenjob angenommen, obwohl sie in diesem Bereich nie gearbeitet hatte. Nicht, dass sie Hayden das nicht gestanden hatte. Mehrfach hatte sie ihm erklärt, dass sie keine Ahnung hatte, was eine Haushälterin tat, dass sie bisher Kellnerinnenjobs gemacht hatte. Doch das störte ihn nicht im Geringsten. Er meinte, dass sie sich schnell eingewöhnen würde. Und dann hatte er ihr eröffnet, dass er erwartete, dass sie, sollte sie den Job annehmen, in den kleinen Anbau des Hauses ziehen würde. Er hatte die Hand ausgestreckt, sie gestoppt, bevor sie hatte Einwände erheben können, und ihr vorgeschlagen, sich die Wohnung anzusehen. Zuerst hatte sie gedacht, er hätte eine der Garagen zu einem Zimmer umgebaut, doch er hatte sie an den Garagen vorbei auf eine Tür an der Seite des Gebäudes zugeführt, die durch einen schmalen Flur in einen ebenerdigen Anbau nach hinten hinausführte.
Er bestand aus einem ebenso offenen Wohn-Küchen-Bereich wie die Hauptwohnung, wenngleich nicht so geräumig. Ihr Blick war durch den geschmackvoll eingerichteten Raum geschweift und sie hatte anerkennend genickt. Es fehlte Dekoration, Seele, die deutlich machte, dass dort jemand lebte, ansonsten konnte sie von einem Wohnbereich wie diesem nur träumen. Dann hatte er im hinteren Bereich eine Tür geöffnet und ihr das Schlafzimmer mit angrenzendem Bad gezeigt. Zugegeben, die Wohnung war toll.
„Mit separatem Eingang“, hatte er erklärt, als er zurück ins Wohnzimmer getreten war, „damit Sie Privatsphäre haben.“
„Es ist toll“, hatte sie zum hundertsten Mal versichert. „Sagen Sie mir, wieso diese Wohnung nicht vermietet ist? Sicher wäre sie begehrt?“
„Sie kommt mit einem Job“, hatte er knapp geantwortet und sich abgewandt.