Mätressen in Berlin - Hans Ostwald - E-Book

Mätressen in Berlin E-Book

Hans Ostwald

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Beschreibung

Aus der großen dunklen Masse des Dirnentums tauchen einige Geschöpfe auf, die durch die Stellung ihrer Liebhaber in den Vordergrund gerückt werden: die Mätressen der Fürsten. Sie sind gewissermaßen die Solospieler auf der großen Bühne der Prostitution. Die andern sind der Chor, sind Statisterie, von deren einzelnen Teilen wir nur wenig erfahren. Die wenigen Individuen, die sich von diesem Hintergrund abheben, verdienen also wohl einige genauere Blicke. Umsomehr, als sie sich fast immer typisch gebärden, als ihr Schicksal immer ein typisches ist. Aus ihrem Leben schaut uns die Zeit, in der sie glänzten, ergötzten, beglückten und litten, offener an, als aus mancher Staatsaktion. Ihre Geschichte erläutert so manches in der Geschichte des Berliner Dirnentums. Ohne die laxe Stellung Friedrich II. in Sittenfragen – er sah es nicht gern, wenn seine Offiziere heirateten, und in manchen Regimentern gab es zu seiner Zeit denn auch nur Junggesellen als Offiziere, in anderen Regimentern wieder nur ganz wenige Offiziersehen – ohne seine Auffassung vom Verhältnis der Geschlechter zu einander und ohne das zerrüttende Beispiel seines Nachfolgers wäre die herrschende Schicht Preußens kaum so demoralisiert und geschwächt worden, wie es geschehen.

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 Hans Ostwald

Mätressen in Berlin

Impressum

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Einleitung
Aus der Kurfürstenzeit
Die Scheinmätresse des ersten Preußenkönigs
Die Debauchen Friedrich II
Die Barbarina
Die Gräfin Lichtenau und ihre Gefährtinnen

Einleitung

Aus der großen dunklen Masse des Dirnentums tauchen einige Geschöpfe auf, die durch die Stellung ihrer Liebhaber in den Vordergrund gerückt werden: die Mätressen der Fürsten. Sie sind gewissermaßen die Solospieler auf der großen Bühne der Prostitution. Die andern sind der Chor, sind Statisterie, von deren einzelnen Teilen wir nur wenig erfahren. Die wenigen Individuen, die sich von diesem Hintergrund abheben, verdienen also wohl einige genauere Blicke. Umsomehr, als sie sich fast immer typisch gebärden, als ihr Schicksal immer ein typisches ist. Aus ihrem Leben schaut uns die Zeit, in der sie glänzten, ergötzten, beglückten und litten, offener an, als aus mancher Staatsaktion. Ihre Geschichte erläutert so manches in der Geschichte des Berliner Dirnentums. Ohne die laxe Stellung Friedrich II. in Sittenfragen – er sah es nicht gern, wenn seine Offiziere heirateten, und in manchen Regimentern gab es zu seiner Zeit denn auch nur Junggesellen als Offiziere, in anderen Regimentern wieder nur ganz wenige Offiziersehen – ohne seine Auffassung vom Verhältnis der Geschlechter zu einander und ohne das zerrüttende Beispiel seines Nachfolgers wäre die herrschende Schicht Preußens kaum so demoralisiert und geschwächt worden, wie es geschehen.

So ganz ohne Einfluß ist das Gebaren und die Weltanschauung und Lebensführung eines einzelnen auf seine Umgebung denn doch nicht. Besonders, wenn diese Umgebung in dem Einzelnen ihren Führer, Gebieter, ihre Gnadenquelle sieht. Das aber waren dem Adel, der ja bis zum preußischen Zusammenbruch die oberste Schicht des Staates bildete, die Fürsten. Die Fürsten vergaben die Stellen und Pfründen, sie schrieben die Steuerpolitik vor, die den Adel entlastete und alle Abgaben vom bedrückten Bauernstand und dem Bürgertum forderte, sie gewährten dem Adel die Unterdrückung des Bauernstandes, die zur Leibeigenschaft führte – da war es ja selbstverständlich, daß er sich den wohlwollenden Herrscher zum Vorbild nahm.

So war denn damals das Leben der Fürsten oft entscheidend für das Gedeihen und den Bestand des Staates. Friedrich Wilhelm II. gefährdete durch die Verschwendung, die er mit seinen Mätressen trieb, sein Königreich. Die Finanzen des Staates waren unter ihm in einem unglaublichen Zustand.

Aber nicht nur auf die Finanzen konnten die Mätressen einen solchen unheilvollen Einfluß ausüben. Auch die Politik reizte sie, sich in ihr zu versuchen – oder mindestens wurden sie zu Werkzeugen der Politiker, wie die Gräfin Wartenberg, die am Hofe Friedrich I. eine so große Rolle spielte. Die Gräfin Lichtenau aber scheint sich wirklich aus eigenem Interesse und um im Trüben zu fischen, an hoher Politik beteiligt zu haben.

Auch auf religiösem Gebiete suchte sie ihren Verehrer und mit ihm sein Volk zu beeinflussen. Sie spielte ihn in die Hände von Mystikern, in die Hände der Rosenkreuzer und erregte auch in Religions- und Kirchenfragen die Geister.

Heute will es uns kaum glaublich erscheinen, daß irgend ein käufliches Geschöpf eine derartige Wirkung erzielen, eine solche Verwirrung anrichten konnte. Ist doch das Privat- und Familienleben der Fürsten heute durchaus von untergeordneter Bedeutung. Die Reste des Feudalismus, die wir Deutsche noch mit uns herumschleppen wie ein eben ausgekrochenes Kücken die zersplitterten Eierschalen, können doch nicht mehr von so einschneidender Art sein, wie vor hundert und mehr Jahren.

Das einzige Gebiet, wo der Fürst noch einen nachhaltigen, schädigenden Einfluß durch eine Mätressenwirtschaft ausrichten könnte, ist vielleicht die Kunst.

Aber auch hier sind ihm Schranken gewachsen.

Wir sehen, wie unsere moderne Kunst trotz der Hagelschauer von oben herab nicht in das weibische Heim des Akademismus flüchtet, wie sie sich nicht zwingen läßt, eine Richtung anzunehmen, wie sie etwa die Hofmalerin Vilma Parlaghi, jetzige Fürstin Lwoff eingeschlagen hat. Allerdings können dies die Künstler nur darum, weil sie jetzt ein kaufkräftiges und kauflustiges Bürgertum als Hauptabnehmer haben, das ganz gern ein wenig, zum mindesten in den ihm nicht schadenden Kunstfragen frondiert. Das fehlte früher den Künstlern. Sie waren ganz und gar vom Fürsten und von seinen Kreisen abhängig.

So habe ich denn wohl ein Recht, meine Geschichte der Mätressen dort abzubrechen, wo ihre überragende Bedeutung aufhört: bei den Mätressen des 18. Jahrhunderts.

Sie sind übrigens die interessantesten und eigenartigsten. Sie führten schon damals das feudalistische und monarchistische System ad absurdum. Stammten sie doch fast ohne Ausnahme aus den niedersten Ständen. Die Gräfin Wartenberg war die Frau eines Dieners und die Gräfin Lichtenau die Tochter eines einfachen Trompeters.

Ihr ganzes Leben zeigt, daß sie nicht unbefähigt gewesen sind.

So waren sie eigentlich Vorläufer für einen Demokratismus, der die Begabten und Fähigen aus der Masse und nicht aus einigen privilegierten Familien nimmt. Denn zum mindesten überragte die Lichtenau an Auffassungsgabe, Schlauheit und Einfällen weit die Frauen der oberen Schicht ihrer Zeit. –

Die Unwichtigkeit der Frage, ob später in Berlin Mätressen gelebt haben, entschuldigt mich gewiß, wenn ich stillschweigend über sie hinweggehe. Spielt sich doch das Leben – und besonders das Familienleben – der Fürsten weit mehr im verschleierten Hintergrund ab, als früher.

Da aber eine Geschichte der Mätressen zur Geschichte des Dirnentums überhaupt gehört, da so manche Erscheinungen in dieser Geschichte erst verständlich werden, wenn auch das Leben der Mätressen geschildert wird – und da gerade unter ihnen einzelne Individuen mit außerordentlich dirnenhafter Anlage sind, ich aber Gewicht auf die Darstellung von Menschen lege, so kann ich die Geschichte der Mätressen nicht übergehen.

Motto:

Die meisten Fürsten haben eine Leidenschaft für ihre Stammbäume. Wagt man ihnen zu sagen, daß unter ihren Vorfahren eben nicht sehr tugendhafte und deshalb sehr verächtliche Menschen sich befunden haben, so fügt man ihnen eine Beleidigung zu, die sie nie verzeihen und wehe dem profanen Schriftsteller, der die Verwegenheit gehabt hat, in das Allerheiligste ihrer Geschichte einzudringen und die Schande ihres Hauses ruchbar zu machen! Behaupten, daß 50 oder 60 Ahnen sämtlich die rechtschaffensten Leute von der Welt gewesen sind, das heißt die Tugend auf eine einzige Familie beschränken und dem menschlichen Geschlecht eine große Beleidigung zufügen.

Friedrich II. an Voltaire.

Aus der Kurfürstenzeit

Mitten hinein in das Mittelalter und seine Gewaltsamkeiten und Uebergriffe, die sich die Fürsten jener Zeit erlaubten, führt die Liebesgeschichte Joachim I. mit der jungen Frau des Berliner Bürgers Hornung. Joachim I. war 1499, kaum fünfzehn Jahre alt, zur Regierung gekommen. Er war der Fürst, der dem Räuberwesen ein Ende machen wollte – und doch das Räuberleben Michael Kohlhase's nicht hindern konnte. Er, der eine priesterliche Erziehung erhalten hatte, wollte der Reformation zu Leibe gehen – und zwar gewaltsam. Und mußte es erleben, daß seine Untertanen reformationslustig wurden – und seine Frau selbst lutherisch wurde. Er hielt am alten Glauben fest, wohl aus monarchistischer Opposition gegen das Volk, das sich selbst sein Bekenntnis wählte – und auch, weil er glaubte, der neue Glauben könne die Sitten lockern.

Und doch hätte ihn, den Altgläubigen, sein eigenes Leben lehren müssen, wie wenig der alte Glaube, wie wenig der Glaube überhaupt das Sittenleben beeinflußt und bestimmt.

In dem Jahre, als er sich mit anderen streng katholischen Fürsten zu gemeinsamer Aktion gegen die neue religiöse Bewegung verbunden hatte, im Jahre 1525 hatte er die junge Frau eines seiner Zechgenossen kennen gelernt. Sie war die Tochter eines Berliner Bürgermeisters, gehörte also zu jenen patrizischen Bürger-Familien, die in dem Berlin des 16. Jahrhunderts an dem Hofleben teilnahmen. Berlin war zu jener Zeit erst die kleinstädtische Residenz eines kleinen Staates, der kaum die Größe einer heutigen Provinz hatte. Das eigentliche Herz Norddeutschlands war damals Wittenberg, wo Luther und sein Kreis lebten und lehrten.

In Berlin war man noch weit entfernt von irgendwelchem Geistesleben. Der Verkehr zwischen Fürst und den Hoffähigen beschränkte sich auf gemeinsame, ziemlich gewöhnliche Festivitäten, die fast immer in Gelage ausarteten. An diesen beteiligte sich auch Wolf Hornung freundschaftlich. Anfänglich merkte er nicht, wie es zwischen seiner jungen Frau, die er erst vor einem Jahre geheiratet und die eben erst Mutter einer Tochter geworden war, und seinem Fürsten stand. Und als er dahinter kam, daß Joachim sich in die junge Frau verliebt hatte – mit Erfolg verliebt hatte – versuchte der Kurfürst ihn in Frieden zu überreden, der Frau zu erlauben, daß sie zu ihrem Liebhaber gehe, sobald er nach ihr schicke. Maurenbrecher schildert in seiner prächtigen Hohenzollernlegende den Gang dieses Liebesverhältnisses mit ansprechender Offenheit: In einem Gespräche zwischen dem Kurfürsten und dem jungen, betrogenen Ehemann fällt das charakteristische Wort: »Wenns gleich nicht die wäre, so wäre es eine andere; denn ihm hätte in 18 Jahren noch keine gemangelt!« Ein Satz, der das Privatleben dieses Tyrannen blitzartig beleuchtet.

In einem Augenblick furchtsamer Verwirrung gibt der Gatte nach, dann reut es ihn; in einer heftigen Szene mit seiner Frau kommt es zu Drohungen, zum Streit, zu Tätlichkeiten. Sein Messer trifft die Frau, ohne sie ernstlich zu verletzen; sie entwindet sich ihm und entflieht. Diese Gelegenheit benutzt der Kurfürst, in dessen Gemächern sie sich versteckt hält. Er ruft den Hornung zu sich und gibt vor, die Familie der Frau habe eine Klage gegen ihn eingereicht, droht ihm mit peinlichem Verhör und peinlicher Strafe. Der eingeschüchterte Bürger unterschreibt einen Zettel, auf dem er sich verpflichtet, sofort das Land zu verlassen und fern zu bleiben, bis der Kurfürst selbst ihm die Rückkehr gestatte. Zu seinem Eigentum durfte er nicht zurück. In ein Haus, das ihm bezeichnet wurde, brachte man ihm ein Pferd. Da saß er auf und ritt aus dem Land.

Von auswärts fragt er bei der Mutter der Frau an, warum sie ihn so bitter verklagt hat. Die Antwort lautet, sie wüßten nichts gegen ihn vorzubringen und hätten auch keine Anklage getan. Nun macht Hornung selbstverständlich ein Gesuch an den Kurfürsten, das ihm sein Unrecht vorhält und um Wiederaufnahme im Lande bittet. Der aber lehnt es kurz und schneidend ab.

Es folgt ein langer Briefwechsel. Der Gatte schreibt an seine Frau und den Kurfürsten, auch noch besonders an die kurfürstlichen Räte. Der Kurfürst befiehlt der Frau zu antworten, natürlich im Ton schroffer Abweisung und verletzten Stolzes. Daneben aber treffen ihn die Briefe voller Zerknirschung, voll herzlicher Reue und voll heißen Wunsches nach Frieden. Jene, die abweisenden, die in den Akten noch heute vorliegen, sind mit schöner Kanzlistenhandschrift geschrieben, die voll Reue und Klage zeigen unbeholfene schwerfällige Schrift. Es liegt auf der Hand, daß jene vom Fürsten diktiert, diese heimlich hinter des Gewalthabers Rücken von der Frau mit anderer Hilfe selbst abgefaßt sind.

Auch ein Briefwechsel der Frau mit dem Kurfürsten liegt vor. Zwei Einzelheiten sind daraus sehr interessant. Auf die Forderung des Kurfürsten, zur Nacht zu ihm zu kommen, antwortet die Frau voll Reue und unter Berufung auf die heilige Schrift. Der Kurfürst antwortet: »Ich han Euer weislich und bedächtig Schreiben vermerkt und kann abnehmen, daß der heilige Geist ist zu Euch gefahren und aus Euch redet. Und will Euch darauf nicht bergen, daß mich nicht wenig Eure große Innigkeit und Bekehrung verwundert, nachdem doch Euch und mir unverborgen, wer ihr gewest seid.« So spottet über den heiligen Geist der Mann, der öffentlich so sehr für den wahren Glauben kämpft. An einer anderen Stelle sagt er, wenn sie ziehen wolle, solle sie ziehen. Er werde nichts gegen sie vornehmen. Auch Kleider und Kleinodien begehre er nicht zurück. »Willst Du aber dieselben mir darüber zu Schimpf, wieder schicken, das muß ich leiden, und dieselben wiederum an den Ort und Stelle wenden, da sich mehr Dank und Liebe und Treue befinden möge, dann bei Dir geschehen.« Sogar in diesen Kleinigkeiten zeigt sich der Vater aller Habgier; er möchte auch diese Geschenke nicht ungenutzt missen.

Wolf Hornung wendete sich nun an Luther, der nahm sich gern der Sache an, bestellte den Mann zu sich und unterstützte ihn, da der Mann gänzlich verarmt war, gelegentlich auch mit Geld. Auch schrieb er für ihn Briefe an seine Frau und deren Mutter.

Aber das nützte ihm wenig. Der Kurfürst war noch aus anderen persönlichen Gründen schlecht auf Luther zu sprechen. Er hatte seine Frau zwingen wollen, beim alten Glauben zu bleiben. Die durch die Lebensführung des Kurfürsten schwer gekränkte Frau hatte aber gewiß gerade in der neuen religiösen Bewegung Ersatz für die Kränkungen und Ehebrüche ihres Gatten gefunden. Sie ließ sich selbst durch Todesdrohungen nicht abschrecken und floh, als Bäuerin verkleidet, aus der Stadt und kam am nächsten Tage wohlbehalten beim sächsischen Kurfürsten an. Der wies ihr ein Schloß in der Nähe von Wittenberg an. Dort hat sie länger als ein Jahrzehnt in Freundschaft mit Luther verkehrt.