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Hans Ostwald war ein Berliner Schriftsteller und Kunsthistoriker. Bekannt wurde er durch seine satirischen Werke mit und über den Berliner an sich. In "Vergnügte Tiere" bietet er bekannte und weniger bekannte Humoresken mit Hauptdarstellers aus dem Tierreich.
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Seitenzahl: 313
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Vergnügte Tiere
Hans Ostwald
Inhalt:
Vergnügte Tiere
Einleitung.
Mensch und Tierwelt.
Tierfreunde.
Wir Tiere sind doch bessere –
Weisheit der Tiere.
Von Wanzen und Flöhen und anderen Ungeziefer.
Freuden mit Tieren
Allerlei Geschichten über Tiere und von Tieren.
Gereimtes
Scherzfragen und anderer Zoologischer Kram
Allerlei Durcheinander.
Vergnügte Tiere, H. Ostwald
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783849645083
www.jazzybee-verlag.de
www.facebook.com/jazzybeeverlag
Eine lustige Menagerie baut sich vor dem auf, der sich mit Tieranekdoten und Tiergeschichten beschäftigt. Groteske, erheiternde und spaßhafte Töne klingen ihm entgegen. Hier und da dröhnt auch etwas wie Naturnähe, wie die große Kraft, die uns alle zwingt. –
Humor, der von Tieren stammt, gibt es allerdings wenig – trotzdem niemand behaupten kann, daß, Tiere nicht auch Humor haben. Jeder, der einen Hund oder eine Katze besitzt, wird humorvolles von seinem Tier erzählen können. Humorvolles, das nicht nur in den Augen der Menschen humorvoll erscheint, sondern auch von den Tieren humorvoll gemeint war. Die meisten humoristischen Tiergeschichten hat jedoch der Mensch erfunden. Und fast alle Tierwitze zeigen das Tier nur als Mittel zum Zweck, über das Tier oder über einen Menschen zu lachen. Oder Name und Art der Tiere werden benützt, eine komische Situation zusammenzustellen.
Wenn Menschen und Tiere Zusammenstoßen, so gibt das allerdings meist ein ernsthaftes Ereignis. Aber die vielen Freuden, die der Mensch mit dem Tier erlebt, haben seinen Humor auch in sein Verhältnis zu den Tieren eindringen lassen. Und da manche Tierfreunde sich auch von recht komischen Seiten zeigen, so fehlt es nicht an Scherz, Satire, Spott und Hohn, die sich über Menschen und Tiere ausgießen.
Das heißt, über die Menschen wird viel mehr gelacht als über die Tiere. Die Tiere sind meistens nur ein Vorwand. Der Spatz, der Löwe und die Hunde werden genannt – aber der Mensch ist gemeint!
Das scheint überhaupt eine Hauptaufgabe der Tiergeschichten und der Tierscherze zu sein: Den Menschen zu enthüllen, ihm ein Beispiel zu geben, ein Gleichnis zu sein. Bei den frühesten Schriftstellern finden sich solche »Fabeln«. Und im 18. Jahrhundert waren sie eine gar beliebte Form, um den Menschen gründlich die Meinung zu sagen. Da diese Fabeln mehr oder weniger verstaubt, oder da sie aus Schulbüchern bekannt sind, wird in diesem Buch auf sie verzichtet.
Auch auf die vielen bekannten Tiergeschichten bei Eulenspiegel und in vielen andern leicht erreichbaren Büchern, wie auf Goethes Reinecke Fuchs, auf Münchhausens Jagd- und Seeabenteuer, wird hier nicht näher eingegangen werden. Nur weniger Bekanntes – und was unbedingt in ein humoristisches Tierbuch hineingehört, ist aufgenommen worden.
Daß die Tierwelt den Menschen besonders stark zur Darstellung und besonders zur humoristischen Darstellung lockte, beweisen die eben genannten Werke. Allerdings handelt es sich nicht nur und nicht immer um Humor, der aus der Tierwelt und ihrem Wesen selbst hervorgeht. Meistens dient das Tierleben nur zur mehr oder weniger drastischen Verspottung des Menschen. Je größer das Kunstwerk, um so mehr gleicht sich das Tier dem Menschen an – ohne doch von seinem Wesen das geringste zu verlieren, ja, um so mehr in seiner Natur zu beharren und zu blühen, wie eben im Reinecke Fuchs.
In vielen Witzen und Scherzen ist das anders. Da kommt nur eine Neckerei mit Tieren oder tierischen Unarten hervor. Aber in ein solches Buch wie dieses gehört eben alles hinein, was auf die Tiere gemünzt ist oder um Tiere sich dreht – auch wenn die Tiere nur den geringsten Anlaß geben. Alles, was zum Lachen reizt und mit Tieren zu tun hat, wegen der Tiere geschieht oder den Menschen irgendwie mit Tieren verbindet, soll wenigstens in einer einigermaßen erquickenden und umfassenden Auswahl hier beisammen sein.
Deshalb sind trotz der oben betonten Beschränkung manche Werke wohl fortgelassen worden, aber von anderen, die weniger bekannt oder schwer erreichbar sind, wurden einige Proben gegeben, so z.B. von den naturnahen Erzählungen Fritz Reuters und auch von den Gedichten Scheffels. Selbstverständlich wurde auf das allbekannte Gedicht »Ein lustiger Musikante marschierte einst am Nil« – und »Es rauscht in den Schachtelhalmen« verzichtet. Aber einige Proben dieser Art von Humor sollten und durften hier nicht fehlen.
In dem Inhaltsverzeichnis wird der Leser übrigens eine Unzahl von bekannten Namen finden, von Lessing über Möricke und Storm und Hoffmann von Fallersleben, dessen köstliche Hunde immer noch am Po suchen – bis zu Svend Fleuron, Felix Salten, Gustav Meyrink, Josef Winkler, Bengt Berg sind auch zahlreiche Namen zu finden, die weniger beachtet sind, die aber sehr frisch und belustigend von Tieren oder Menschen mit Tieren Zu erzählen wußten. was sonst zum Inhalt dieses Buches zu sagen ist, findet der Leser stets in den einleitenden Sätzen zu den einzelnen Abschnitten. Manches grundsätzliche Wort über Tierfreunde, Mensch und Tierwelt, von Wanzen, Flöhen und anderem zoologischen Kram ist dort so kurz wie möglich gesagt. Einzelne hübsche Tiergeschichten findet der Leser auch im »Urberliner« und im »Neuen Urberliner« sowie in »Frisch, gesund und meschugge« und ebenso auch im »Lausbubenbuch«.
Und nun allen, die ein Tier lieben, die dem Tiertum ein wenig Zuneigung entgegenbringen, die dadurch manchmal wenigstens Naturnähe empfinden: viel Vergnügen! Auch dann, wenn sie fühlen – hier werden wir, hier werden unsere Lieblinge ja verulkt.
Im Kreise des Tieres, im Zusammenschluß Zwischen Mensch und Tier muß auch das zur Geltung kommen. –
Zehlendorf. Hans Ostwald.
Der Mensch hat immer mit Tieren zu tun gehabt. Anfänglich mögen sie alle seine Feinde gewesen sein. Über als er begann, sie sich zu Freunden zu machen, als sie ihm ihr Zutrauen zuwendeten, erlebte er allerlei heiteres mit ihnen. Manches, was an sich nicht heiter war, sah der Mensch als heiter an. Auch erfand er eine Menge Geschichten und Schnurren, in denen er sich mit der Tierwelt auseinandersetzte. Nicht immer als gütiges Mitgeschöpf. Oft in überlegener, überheblicher und spöttischer Weise. Aber oft ist auch er derjenige, der im Erlebnis mit den Tieren und im Vergleich mit ihnen lächerlich wird. –
Eine große Zahl von Witzen zeigt den Menschen ebenso als einen verhöhnten Ignoranten wie als ein Geschöpf, in dem der Humor erwacht, wenn der Mensch mit den Tieren zusammenstößt. –
*
Die Menschen als Tiere.
(Aus einer alten Chronik.)
Das Alter der Männer.
10 Jahr ein Kalb, 60 Jahr ein Wolf,
20 Jahr ein Bock, 70 Jahr ein Hund,
30 Jahr ein Schaf, 80 Jahr eine Katze,
40 Jahr ein Löwe, 90 Jahr ein Esel,
50 Jahr ein Fuchs, 100 Jahr genad dir Gott.
Das AIter der Weiber.
10 Jahr eine Wachtel, 60 Jahr eine Gans,
20 Jahr eine Taube, 70 Jahr ein Geier,
30 Jahr ein Ayerlaster, 80 Jahr eine Eule,
40 Jahr ein Pfau, 90 Jahr eine Fledermaus,
50 Jahr eine Henne, 100 Jahr: Ich gehe aus.
*
Die »Henne«.
Eines Tages erhielt der Maler Lukas Cranach von dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen den Auftrag, die Vorfahren des Fürsten in Bildnissen zu verewigen, wie nun Cranach an das Bild der Katharina, einer Tochter des Grafen von Henneberg, kam, die ihrem Gemahl, dem Kurfürsten Friedrich dem Strengen, die Grafschaft Henneberg als Heiratsgut mitgebracht hatte, sagte der Auftraggeber scherzend:
»Mal' Er mir die Hennebergsche Henne nur recht gut, denn sie hat dem Hause Sachsen ein so schönes Ei gelegt.«
*
Das Kalb in der Wiege.
Als die Hussiten im Jahre 1429 die Stadt Guben verwüsteten, rettete eine alte Frau vor dem Klostertore ihr einziges Kalb, und damit ihr ganzes Vermögen, auf folgende Art. Sie legte dem Tiere altes Kinderzeug an, schnürte es tüchtig zusammen, legte es in eine Wiege und wiegte es mit der größten Sorgfalt. Die von Raub- und Mordsucht erfüllten Hussiten kamen bald auch in die Kammer des alten Weibes, stutzten aber nicht wenig über das Kindlein in der Wiege. Hals über Kopf rannten sie davon und schrien den entgegenkommenden Kameraden zu:
»Hier hat der Teufel Junge – ein altes Weib wiegt einen kleinen Teufel!«
*
Vier Tiere im Menschen.
Als Noah nach der Sündflut die Weinrebe fand und sie anbaute, da machte er vier Gruben. In die eine schüttete er Affenblut, in die andere Saublut, in die dritte Schafblut und in die vierte Löwenblut. Dieser Tiere Eigenschaften haben die betrunkenen Leute an sich. Die einen sind wie die Affen, sie springen und sind guter Dinge, und wenn sich einer eine Rippe im Leibe entzwei fällt, so merkt er es nicht eher bis am Morgen, wenn er wieder nüchtern ist. Das sind Affen, und alles, was sie tun sehen, das wollen sie auch tun. Die andern sind Säue. wenn sie betrunken sind, so schreien sie und speien und liegen mehr unter der Bank als auf der Bank und bleiben im Miste liegen, wie es auch sonst die Säue tun. Die dritten sind Schäflein. wenn sie voll sind, so sind sie am frömmsten, reden von der Beichte und von der Hölle, beweinen ihre Sünden – sie haben das trunkene Elend – wollen alle Welt reformieren – und morgens wissen sie nichts mehr davon. Die vierten sind wie die Löwen. Sie wollen fechten, stechen und hauen und alle Welt tot haben. Nun nehme jeder ein Exempel, welchem Tier er gleich sei!
Bruder Johannes Pauli.
*
Die Worte des Bären.
Ein Mann wollte durch einen Wald gehen und dingte einen Bauern in einem Dorfe zu einer festgesetzten Summe, daß er ihn durch den Wald geleiten solle, damit er ihm helfe, wenn etwa ein Bär oder Mörder an ihn käme. Als sie nun so durch den Wald miteinander gingen, da kam auch wirklich ein Bär. Der gedingte Knecht stieg flugs auf einen Baum, so daß der Fremde dem Bären allein nicht widerstehen konnte. Zum Glück fiel ihm ein, daß ein Bär einem toten Menschen nichts täte, darum legte er sich nieder auf den Erdboden auf den Lauch und hielt den Atem an. Der Bär ging um ihn herum und roch, ob er keinen Atem spüre, bald an den Ohren, bald an der Nase. Als er aber kein Leben spüren konnte, meinte er, jener wäre tot, und ging wieder weg. Als der Bär nun weg war, stieg der gemietete Mann wieder vom Baum herab, und der Fremde stand auch auf, und beide gingen miteinander zum Walde hinaus. Da sprach der Knecht zu dem Manne:
»Lieber, was hat der Bär zu dir geredet, als er dir so in ein Ohr raunte?«
Jener antwortete: »Er hat gesagt, ich sei ein Narr, daß, ich einem vertraut hätte, den ich nicht kennte.«
Bruder Johannes Pauli.
*
Der Hund und der Mörder.
Ein Mann wurde im Walde ermordet, und niemand wußte, wer es getan hatte. Aber der kleine Hund des Ermordeten war bei der Untat zugegen gewesen, und seit dieser Zeit fiel er den Mörder, der in dem gleichen Dorfe wohnte wie der Ermordete, bei jeder Gelegenheit an, sei es auf der Straße oder in der Kirche. Und der Täter konnte sich in keiner Weise seiner erwehren. Endlich schöpfte man einen Argwohn auf ihn, weil ihm der Hund also feind war, und als man ihn ergriffen, bekannte er auch, er hätte den Mord begangen, worauf man ihm seinen Lohn gab.
Wollte Gott, daß die Menschen einander so treu wären, oder nur ein Freund dem andern, als die Hunde ihren Herren sind!
Bruder Johannes Pauli, »Schimpf und Ernst«.
*
Der Wolf und der Hund.
Zu einem Wolf, dem es eine Weile sehr schlecht gegangen und der infolgedessen mehr Knochen als Fett zeigte, kam ein sehr feister Hund. Der Wolf sprach zu ihm: »Guter Gesell, wie kommt es, daß du also feist bist, und ich bin so mager?« – »Ja,« antwortete der Hund, »ich diene einem Menschen, und der gibt mir immer genug zu essen!« – Da sprach der Wolf: »So will ich mit dir gehen und will auch dienen!« Als sie nun miteinander gingen, sah der Wolf des Hundes Hals an und sprach zu ihm: »Wie kommt es, daß dein Hals so beschabt und kein Haar daran ist?« – Der Hund antwortete: »Bei Tage legt man mich gefangen und bindet mir ein Halsband um den Hals, das macht mich also blutig. Aber wenn es Nacht ist, bin ich ledig und frei!« Da sprach der Wolf: »Ade, ade, lieber Gesell! Ich will lieber mager und frei, als feist und gefangen sein!«
Bruder Johannes Pauli, »Schimpf und Ernst«.
*
Der Esel.
Ein Vater und Sohn in gutem Sinn Trieben einen Esel vor sich hin. Das sah einer und sprach zu ihn': »Ihr müßt fürwahr große Narren sein, Daß ihr den Esel treibt herein, Und dabei beide zu Fuß lauft her, Es setze sich einer drauf vielmehr!« Der Vater ihn seines Willens ergetzt, Den Sohn er auf den Esel setzt. Da kam ein andrer bald zur Hand Und sprach: »Ist das nicht eine Schand', Der alte Mann hier geht im Dreck, Und reiten tut der junge Geck!« Der Vater sprach: »Mein Sohn, wir ha'n Auch hier wohl nicht ganz recht getan. Steig' ab und laß mich sitzen auf, Und du mir nebenher nun lauf'!« Sie hofften, nun wär's jedem recht. Bald sich ein Dritter herbewegt Und spricht: »Wer hat das schon gesehn? Das Kind, es muß im Dreck rum gehn,Der alte Narr reit' nebenher Auf einem Esel, grau wie er!« Der Vater sprach: »Mein Sohn, sag' an, Wie soll es nunmehr sein getan? Wir woll'n noch etwas wagen recht, ob das jemand gefallen möcht'.« Taten beid' auf dem Esel sitzen, Drückten ihn stark, daß er mußt' schwitzen. Kam einer her und sprach: »Sieh' da! Keine größere Narren ich jemals sah. Sie sitzen beid' auf dem Tierlein schwach, Sich keiner sein erbarmen mag. Ihr könntet den Esel eher tragen, Als er euch mit seinem leeren Magen.« Da besannen sich beide nicht lange mehr, Sie trugen an einer Stange ihn her. Des wurden sie müd', und sie wurden verlacht, was schließlich sie beide so wütend gemacht. Daß sie den Esel schlugen tot, Damit sich ende aller Spott. Der Vater zu dem Sohn sprach nun: »Wer einem jeden recht will tun, Der muß wahrhaftig früh aufstahn, Wo ist der Mann, der solches kann?«
Eucharius Eyring (1520–1597).
*
Wie ein Krebs die Schildbürger erschreckte.
Eines Tages hatte sich ein armer Krebs verirrt und war gen Schilda ins Dorf geraten. Als ihn hier einige Bürger gesehen hatten, daß er so viele Füße habe, daß er hinter und für sich gehen könnte, und was ein ehrlicher Krebs dergleichen Tugenden mehr an sich hat, gerieten sie in großen Schrecken, denn sie hatten nie zuvor einen Krebs gesehen. Sie schlugen deswegen Sturm, kamen alle über das ungeheure Tier zusammen und rieten vergebens, was es denn wohl sein könnte. Niemand wußte es, bis zuletzt der Schultheiß, sagte, es müsse wohl ein Schneider sein, da es zwei Scheren bei sich habe.
Um nun dem Krebs ein Probestück zu geben, setzten sie ihn auf ein großes Stück niederländisches Tuch, und wo der Krebs hin und her kroch, da schnitt ihm einer mit einer Schere nach, denn sie glaubten nicht anders, als daß er als rechtschaffener Meisterschneider das Muster eines neuen Anzugs entwerfe. So zerschnitten sie am Ende das ganze Tuch, bis es zu nichts mehr nütze war, und merkten dann erst, daß sie betrogen waren.
Da trat einer unter ihnen auf und sagte, daß er einen sehr erfahrenen Sohn habe, der drei Tage lang auf der Wanderschaft gewesen und zwei Meilen Weges weit und breit gereist sei, der habe gewiß schon solches Getier gesehen. Der Sohn wurde auch in den Rat gerufen und besah sich das Tier lange Zeit von vorn und von hinten und wußte gar nicht, wo er das Tier anfassen sollte und wo es seinen Kopf habe, denn es ging grade hinter sich. Endlich sagte er: »Ich habe gewiß schon viele Wunder in der weiten Welt gesehen, aber so etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Jedenfalls, wenn dies Tier kein Storch oder keine Taube ist, dann ist es gewiß ein Hirsch, denn es scheint ein Geweih zu haben. Aber unter den dreien muß es eins sein.«
Jetzt wußten die Schildbürger soviel wie vorher, und als einer den Krebs anfassen wollte, packte ihn dieser mit der Schere dermaßen, daß er laut um Hilfe rief und schrie: »Ein Mörder ist's, ein Mörder!« Als die andern Schildbürger dies sahen, hatten sie genug, setzten sich eilig zu Gericht und ließen folgendes Urteil über den Krebs ergehen: »Sintemalen niemand weiß,, was es für ein Tier sei, es sich aber befindet, daß es uns betrogen und sich für einen Schneider ausgegeben hat, wahrend es doch offenbar nur ein leutebetrügendes, schädliches Tier, ja ein Mörder ist, so erkennen wir, daß es soll gerichtet werden als ein Betrüger und Mörder, und zwar zur mehreren Schmach im Wasser ersäuft werden.«
Demzufolge ward einem Schildbürger der gefährliche Auftrag gegeben, den Krebs zu fassen und auf ein Brett zu legen. Er trug ihn dann dem Wasser zu, und die ganze Gemeinde von Schilda ging mit. Da ward er im Besein und Zusehn aller ins Wasser geworfen. Als der Krebs wieder in seinem Element fühlte, da zappelte er und schwamm hinter sich. Die Schildbürger aber sahen dies nicht ohne großes Mitleid an. Einige huben an zu weinen und sagten:
»Seht doch nur, wie tut der Tod so weh!«
*
Die wildesten Tiere.
Nicht also kürren und schorren die Ratzen, Nicht also schreien und gmauzen die Katzen,Nicht also pfeifen und zischen die Schlangen, Nicht als« rauschen und prasseln die Flammen, Nicht also schleppern und kleppern die Rätschen, Nicht also plurrn und schnurrn die Prätschen, Nicht also wüten und heulen die Hund', Nicht also brüllet der Löwen ihr Schlund, Nicht also hauset und brauset das Meer, Nicht also stürmet ein krieg'risches Heer, Nicht also reißet und tobet der wind, Nicht also jammert ein schreiendes Kind: Wie zwei wankende, zankende, reißende, beißende, weinende, greinende, mockende, bockende, trutzige, schmutzige Eheleut'.
(Abraham a Sancta Clara: Aus der Abrahamischen Lauberhütt'.«)
*
Die Ente,.
Ente, wahres Bild von mir, wahres Bild von meinen Brüdern! Ente, jetzo schenk' ich dir Auch ein Lied von meinen Liedern.
Oft und oft muß dich der Neid Zechend auf dem Teiche sehen, Oft sieht er aus Trunkenheit Taumelnd dich in Pfützen gehen.
Auch ein Tier – – o das ist viel! hält den Satz für wahr und süße,Daß, wer glücklich leben will, Fein das Trinken lieben müsse.
Ente, ist's nicht die Natur, Die dich stets zum Teiche treibet? Ja, sie ist's; drum folg' ihr nur, Trinke, bis nichts übrig bleibet.
Ja, du trinkst und singst dazu. Neider nennen es zwar schnadern; Aber, Ente, ich und du Wollen nicht um Worte hadern.
Wem mein Singen nicht gefällt, Mag es immer Schnadern nennen, Will uns nur die neid'sche Welt Als versuchte Trinker kennen.
Aber wie bedaur' ich dich, Daß du nur mußt Wasser trinken, Und wie glücklich schätz' ich mich, Wenn mir weine dafür blinken!
Armes Tier, ergib dich drein. Laß den Neid dich nicht verführen. Denn des Weins Gebrauch allein Unterscheidet uns von Tieren.
In der Welt muß Ordnung sein. Menschen sind von edlern Gaben,Du trinkst Wasser, und ich Wein: So will es die Ordnung haben.
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781).
*
Die Biene und die Gärtnerin.
Eine kleine Biene flog Emsig hin und her und sog Süßigkeit aus allen Blumen. »Bienchen,« spricht die Gärtnerin, Die sie bei der Arbeit trifft, »Manche Blume hat doch Gift, Und du saugst aus allen Blumen?« »Ja,« sagt sie zur Gärtnerin, »Ja, das Gift laß ich darin.«
Johann Ludwig Wilhelm Gleim (1719-1803).
*
Die glücklichen Schweine.
Als der große Amerikaner Franklin einmal nach England reiste, hielt er sich längere Zeit in den Industriebezirken des Nordens auf. Sein Diener, ein Neger, der unterwegs die Sitten des fremden Landes aufmerksam beobachtet hatte, sagte eines Tages zu seinem Herrn:
»England sonderbar Land, Massa; alle arbeiten, Männer arbeiten, Frauen arbeiten, Kinder arbeiten. Feuer arbeitet, Luft arbeitet, Pferd arbeitet, Ruh arbeitet, Schaf arbeitet, Esel arbeitet, alle arbeiten, nur Schwein arbeitet nicht. Schwein trinkt, Schwein schläft, wo will, singt lustig: Yankee doodle, Schwein brummt grimmig über Arbeitsleute, Schwein tut nichts. Schwein geht auf und nieder wie ein Gentleman, nur hat es kein Hemd an, kein Hut auf, keine Perücke auf Kopf, geht barfuß und weiß nicht, wieviel Uhr ist, sonst ganz und gar Gentleman. Oh, die glücklichen Schweine! Sambo möchte gern Schwein sein in England, wenn nicht –«
»Wenn nicht was?« unterbrach ihn Franklin.
»Wenn nicht Wurstmachen und geräucherte Schinken, Massa.«
*
Die Tiere und der Mensch.
Nachdem der höchste Gott Jupiter die Tiere und zuletzt den Menschen erschaffen hatte, trat der Esel vor seinen Thron und sagte: »Wie lange habe ich zu leben, und was habe ich zu tun?« Darauf versetzte Jupiter: »Dein Leben wird dreißig Jahre währen, und dein Tun wird sein, daß du Lasten tragest, Hunger und Durst leidest und, falls du lässig bist, noch Prügel kriegst obendrein.« Da seufzte der Esel tief auf und sagte: »Ach, gerechter Gott, wenn ich nun ein solches elendes Leben führen soll, dann kürze wenigstens meine Jahre ab um zwanzig auf zehn Jahre!« Dies bewilligte Jupiter, und der Esel ging zufrieden von dannen.
Hierauf erschien der Hund und fragte gleichfalls, wie lang er zu leben und was er zu tun habe. Jupiter antwortete: »Dein Leben wird dreißig Jahre währen, und dein Tun wird sein, daß du den Menschen und seine Habe bewachest Tag und Nacht und die Diebe verscheuchest durch Knurren, Bellen und Beißen!« Das gefiel dem Hunde nicht, der gern der Freiheit genossen hätte, und er bat den Jupiter, wenn er doch zur Sklaverei geboren, daß dann die Jahre ihm abgekürzt würden bis auf zehn. Jupiter willfahrte seiner Bitte, und der Hund entfernte sich dankbar.
Nach diesem erschien der Affe, der gleichfalls fragte, wie lang er zu leben und was er zu tun habe. Dem antwortete Jupiter: »Dein Leben wird dreißig Jahre währen, und dein Tun wird sein, daß du in deiner Mißgestalt den Menschen als Schauspiel dienest und zum Gespötte der Kinder.« Darüber erboste sich schier der Affe, und er sagte: »Wenn ich doch zu weiter nichts nutz sein soll auf dieser Welt, so kürze mir mindestens meine Jahre ab bis auf zehn.« Das ward ihm auch zugesagt.
Zuletzt erschien auch der Mensch vor dem Throne Jupiters, und er fragte den Gott, wie lang er zu leben habe. Jupiter antwortete: »Dein Leben wird dreißig Jahre währen.« – »Wie?« fragte der Mensch. »Nur dreißig Jahre? Ist diese kurze Lebenszeit würdig des vollkommensten Wesens, das aus deiner Hand hervorgegangen?« Da sagte Jupiter: »Wohlan, so will ich dir denn noch die zwanzig Jahre zulegen, die ich dem Esel, und die zwanzig, die ich dem Hunde, und die zwanzig, die ich dem Affen abgenommen habe. Dann aber sei auch dein Tun und dein Leiden: daß du von deinem dreißigsten Jahre an bis zum fünfzigsten Lasten tragest und schwitzest und entbehrest und duldest wie der Esel; und daß du von deinem fünfzigsten bis zum siebzigsten dich und deine Habe ängstlich hütest, wie der Hund, knurrend und murrend; und endlich, daß du die weiteren zwanzig Jahre bis zu deinem neunzigsten zu nichts mehr dienest, als wie der Affe zum Gespött der Kinder.«
Und also ist es denn auch geschehen.
Aus dem Volksbüchlein von Ludwig Auerbacher.
*
Der sprechende Papagei.
In dem Kriege, den der Kaiser Napoleon mit dem König von Preußen führte, kam ein deutscher Soldat, der aus Schwaben war und den Franzosen auch mithelfen mußte, in ein preußisches Dorf, das von seinen Einwohnern verlassen und ganz ausgeplündert war. In der Mitte des Dorfes stand ein Edelhof, der war ebenso ausgeleert wie das übrige; der Schwabe aber, der großen Hunger hatte, weil die Franzosen alles vorher weggegessen hatten, dachte, es müßte doch schlimm sein, wenn in dem großen Hause nicht doch soviel wäre, um einen Schwaben satt zu machen.
Er ging also hinein und sah sich um. Die Küche stand offen; aber es war kein Feuer auf dem Herde. In der Milchkammer lagen die Scherben umher, und im Keller gab's nichts als zerschlagene Fässer. Da dachte er: »Wer doch früher zur Kirchweih gekommen wäre!« und ging die Treppe hinauf bis auf den obersten Boden und wieder die Treppe hinab. Aber es half nichts, als daß er noch müder und hungriger wurde. Endlich hörte er von fernher ein Geschrei: »Hilfe! Hilfe! Wo bleibst du, Spitzbube?« und dergleichen; und da er glaubte, er würde gerufen, ging er dem Geschrei nach und kam in einen Gartensaal.
In der Ecke des Saales stand auf einem Tisch ein goldner Käfig, und in diesem schwenkte sich ein grüner Papagei an seinem Ringe. »Wer ruft mich?« fragte der Schwabe, aber der Vogel antwortete nicht. Da dachte jener, in Ermangelung eines anderen Federviehs wäre der Papagei auch ein Braten für ihn, und fing an, mit dem Bajonett nach ihm zu stechen. Der Papagei verstand wohl, daß das nicht gut gemeint war und flog ängstlich hin und her und schrie in seiner Angst: »Pardon, Kamerad!« – »Ei,« sagte der Schwabe, »dich hätte der Henker zu meinem Kameraden gemacht. Ich habe Hunger!« – und stach immerzu. Jetzt rettete sich der Vogel auf die oberste Stange und schrie, so laut er konnte:
»Respekt, ich bin der General!«
Da fuhr der Schwabe zusammen, stellte sich in Positur, präsentierte das Gewehr und sagte: »Haltens zu Gnaden, Ihr' Exzellenz; ich wußt' nicht, daß Ihr' Exzellenz ein Vogel waren.« – Und damit machte er linksum und marschierte ab und suchte anderswo etwas gegen seinen Hunger.
*
Der schlagfertige Geistliche.
Friedrich der Große ritt einst mit mehreren Generalen und dem bekannten Quintus Icilius, der damals nach den Titel Hofrat führte, spazieren. Ein Geistlicher begegnete ihnen, der einen schönen Engländer ritt und gut zu Pferde saß. »Seh' Er einmal, Quintus,« sagte der König, »wie der Pfaffe dort auf einem Engländer stolziert. Reit' Er doch hin und mach' ihn etwas demütig.«
Quintus ließ sich das nicht zweimal sagen. Er ritt hin und sagte zu dem Geistlichen: »Wie, mein Herr, Sie können ein so schönes Pferd reiten, während Ihr Herr und Meister nur ein bescheidenes Eselein bestieg?«
»Das würde ich auch gern tun«, antwortete der witzige Sohn der Kirche. »Allein seit Seine Majestät alle Esel zu Hofräten gemacht haben, kann man ja keinen mehr auftreiben.«
*
Der respektvolle Kutscher.
Friedrich der Große war bekanntlich, ein besonderer Liebhaber von Windspielen, und diejenigen von diesen Tieren, mit denen er am meisten zufrieden war, oder die am höchsten in seiner Gunst standen, wurden gewöhnlich dem König in einer sechsspännigen Kutsche nachgefahren. Sie standen unter der Aufsicht eines von den sogenannten königlichen kleinen Lakaien, der auch gewöhnlich ihre Wartung und Fütterung besorgte. Man erzählt, daß dieser Lakai vor den Hunden eine ganz ungemeine Hochachtung besessen habe. Er nahm auf der Kutsche stets den Rücksitz ein, während die Hunde sich des Vordersitzes erfreuten, und er redete sie nie anders als per Sie an. So sagte er zu ihnen:
»Biche, seien Sie doch artig! Alcmene, bellen Sie nicht so!«
*
Blücher und der Esel.
Als Blücher durch eine Stadt kam, hatte sich der Magistrat am Tor versammelt, und der Bürgermeister öffnete gerade den Mund zu einer Begrüßungsrede, als ein in der Nähe stehender Esel gewaltig zu schreien begann. Lachend sagte Blücher:
»Aber, meine Herrn, immer hübsch einer nach dem andern!«
*
Hunde im akademischen Hörsaal.
In früheren Zeiten war es eine böse Unsitte auf den Universitäten, daß sich die Herren Studenten bis zur Ungebühr mit Hunden umgaben, und selbst in den Vorlesungen erschien mancher mit einem oder zwei, meist sehr großen Hunden.
Diese Unart war, wie ein anonymes Anekdotenbuch aus der Biedermeierzeit berichtet, besonders auch in Göttingen eingerissen, zu der Zeit, als der Geheime Rat Pütter und der Ritter Michaelis daselbst Lehrstellen bekleideten. Es gehörte damals direkt zum guten Ton, wenigstens einen solcher Vierfüßler mit ins Kollegium zu bringen. Natürlich hatten die Lehrer, besonders Pütter und Michaelis, oft großes Mißfallen daran, und Pütter besaß eine gewisse Fertigkeit darin, diese Tiere, wenn sie auf sein Katheder kamen, mit dem Fuße so hinabzuschleudern, daß sie weit unter die Sitze der Zuschauer flogen und einen solchen Rippenstoß, weil sie von ihren Herrn eine ganz andere Behandlung gewohnt waren, laut bejammerten. Michaelis aber konnte das nicht tun, weil er bloß vor einem Tische sah. Doch erklärte er oft seinen Unwillen darüber und sagte: »Stehen Sie denn mir oder einem der Zuhörer gut dafür, wenn bei einem Hunde die Tollwut ausbricht und er hier einen von uns beißt, so daß wir uns den Tod oder den Verlust des Verstandes zuziehen? Statt sich Ihre Zeit mit dem Hunde zu vertreiben, sollten Sie lieber zu Hause repetieren und sich für die Vorlesungen präparieren. Haben Sie aber zuviel Brot übrig, so gibt es genug ärmere Leute, denen Sie Ihren Überfluß zu Teil werden können, und die Ihnen dafür dankbar sein werden. Der Hund ist bloß Ihr Parasit. Allenfalls denkt er, das ist ein guter Gesell, der dich satt macht, und mit dem du zum Zeitvertreib spielen kannst. Den ersten Hund, meine Herren, der hier einen unangenehmen Auftritt macht, ersteche ich selbst!«
Nachdem Michaelis auf diese Weise eine ganze Zeit lang vergebens gepredigt hatte, kam es zu einem Auftritt, der die unbotmäßigen Studenten doch etwas beschämte. An einem sehr kalten Wintertage brachte ein lievländischer Baron ein Windspiel in den Hörsaal. Die Wärme des stark eingeheizten Zimmers tat dem Tiere wohl, denn es legte sich an den fast glühenden Ofen und streckte alle Viere von sich. Auf einmal aber bekam der Hund Zuckungen und fing an zu heulen, zu schäumen und unbändig zu zappeln. Ein Zuhörer schrie: »Der Hund ist toll, er schäumt!« Auf einmal herrschte eine Totenstille im Saal, und in allen Mienen drückte sich Angst und Beklommenheit aus. Plötzlich drängte sich die Mehrzahl der Zuhörer zur Tür, um hinauszukommen. Einige sprangen wie unsinnig die Treppe hinauf auf den Boden, andere stürzten sich hinunter auf die Straße und verloren Tintenfässer, Hüte und Mappen. Verschiedene wurden auch zu Boden gerissen und getreten oder sonst verletzt.
Jedenfalls hatte dieser Vorfall die gute Folge, daß sich jetzt die Musensöhne in acht nahmen, in Begleitung ihrer Hunde im akademischen Hörsaal zu erscheinen.
*
Warum die Ochsen gegen den Fortschritt sind.
Als Pythagoras seinen berühmten Lehrsatz erfunden hatte, opferte er den Göttern hundert Ochsen. Seitdem zittern alle Ochsen, sobald eine neue Wahrheit ans Licht kommt.
Ludwig Börne.
*
Buffon und die Ochsen.
Der große französische Naturforscher Buffon ging in einer Gesellschaft über Land spazieren, und man unterhielt sich ihm zu Ehren über naturwissenschaftliche Fragen. Als man an einer Viehweide vorbeikam, benutzte eine Dame die Gelegenheit, sich über eine Frage zu unterrichten, die sie offenbar schon lange beschäftigt hatte.
»Ach, Herr Professor,« fragte sie schüchtern, »was ist doch der Unterschied zwischen einem Stier und einem Ochsen?«
Buffon war etwas verblüfft über diese sicherlich nicht erwartete Frage. Endlich sagte er: »Sie sehen doch da die Kälbchen, mein Fräulein? Nun, die Stiere das sind ihre Väter, und die Ochsen das sind die Onkel.«
*
Heinrich Heine's Papagei.
Mathilde war schon verheiratet und wohnte in der Rue Bleue, als Heine, voll Eifersucht über die abgöttische Liebe seiner Frau zu ihrem Papagei, mir eines Tages sagte: »Ich werde ihn vergiften, aber sagen Sie ihr um Gottes willen nichts, ich hätte für immer bei ihr verspielt.«
Ich kaufte also Schirling und gab ihn ihm heimlich. An diesem Tag aßen wir zusammen außerhalb in einem Restaurant und gingen dann gemeinsam wieder heim; in Erwartung einer Szene hatte Heine mich gebeten mitzukommen.
Als Mathilde sah, daß ihr Papagei tot war, stieß sie einen schrecklichen Schrei aus, einen wahren Herzensschrei; sie wurde fast ohnmächtig und wälzte sich, ohne Rücksicht auf Heine und mich, auf dem Boden umher, schluchzte und schrie: »Nun bin ich ganz allein auf der Welt!«
Wir mußten lachen, »Was!« rief Heine, »ich bin dir also nichts?« Da sprang sie mit einem Satz auf, und in der Pose Alicens vor Bertram (in Meyerbeers »Robert der Teufel«) rief sie: »Gar nichts! Gar nichts!« Heine lachte immerzu; da ich eine heftige eheliche Szene voraussah – ich hatte ja schon manch solchem Handgemenge auf dem häuslichen Parkett beigewohnt – drückte ich mich.
Andern Tags war der Friede geschlossen, aber der Schrei: »Nun bin ich ganz allein auf der Welt!« der jäh aus ihrem Herzen hervorbrach wie ein Springquell aus einem Felsen, war noch Jahre hindurch das Thema unseres Tischgesprächs.
Mathilde erfuhr nie, daß ihr Gatte der Mörder ihres Papageis war; sie hätte es ihm nie verziehen. Heine aber kaufte ihr nach acht Tagen einen neuen; er war allerdings häßlicher und bedeutend billiger, und Mathilde war in ihn nicht so ausschließlich vernarrt wie in seinen Vorgänger.
Nach Alexander Weill. Aus: Houben: Gespräche mit Heine.
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»Ist das Ihre Frau?«.
Der alte Menzel saß eines Tages im Huthschen Weinrestaurant, als ihn ein Ehepaar aus der Provinz, das man auf den berühmten Gast aufmerksam gemacht hatte, durch ziemlich ungeniertes Anstarren belästigte. Menzel nahm ruhig sein Skizzenbuch aus der Tasche und begann lebhaft zu zeichnen, wobei er aber immer wieder scharfe Blicke auf die Frau des Fremden warf, so daß es aussah, als ob er sie abzeichnete. Schließlich erhob sich der Herr und trat zu Menzel hin mit den Worten:
»Mein Herr, ich verbitte mir, daß Sie hier meine Frau abzeichnen!«
Menzel reichte ihm ruhig sein Skizzenbuch hin, auf dem eine behäbige Gans gezeichnet war, und fragte: »Ist das Ihre Frau?«
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Allerlei Vieh.
Der Maler Schwind hatte eine sehr ungenierte Ausdrucksweise und warf bei all seiner Gutmütigkeit gern mit Schimpfworten um sich. Einmal saß er bei einer großen Festlichkeit mit einem Kollegen in einem Nebenzimmer, und die im Hauptsaal Versammelten hörten von Schwinds Unterhaltung immer wieder laute Kraftausdrücke, wie: Ochs, Esel, Hammel, Rindvieh.
Später fragte ihn jemand, was er denn für eine landwirtschaftliche Unterhaltung geführt habe. »Eine landwirtschaftliche Unterhaltung?« erwiderte er ernsthaft erstaunt. »Gott bewahre! Wir haben die ganze Zeit nur von Kunst gesprochen.«
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Die Würmer.
Der Münchner Zoologe Professor Niederer war besonders versessen auf die Würmer. Das wußten die Studenten natürlich, paukten sich besonders gut auf die Würmer ein und versuchten beim Examen, ihre Kenntnisse an den Mann zu bringen.
Der erste Kandidat, Herr Weiberger, kommt herein, der Herr Professor fragt: »Was wissen Sie von der Schnepfe?«
»Die Schnepfe ist ein Waldvogel und nährt sich van Würmern. Die Würmer zerfallen in Regenwürmer, Bandwürmer, Spulwürmer, Madenwürmer – –«
»Gut,« sagte der Professor, »ich bin sehr zufrieden, Sie können gehen.«
Den nächsten Kandidaten fragte der Professor, was er vom Elefanten wisse. Der hat sich auf den Elefanten nicht vorbereitet und stammelt in größter Verlegenheit: »Der Elefant ist ein großes graues Tier, sehr groß, sehr grau und hat vorne einen Rüssel. Der Rüssel ist gekrümmt wie ein Wurm. Die Würmer zerfallen in Regenwürmer, Spulwürmer, Madenwürmer, Bandwürmer – –«
»Gut,« sagte der Professor, »auch mit Ihnen bin ich sehr zufrieden.«
Nun kommt der Kandidat Siegfried Morgenstern. Ihn fragt der Herr Professor, was er vom afrikanischen Wüstenhund wisse. Morgenstern hat natürlich keine blasse Ahnung, daß es solch ein Tier überhaupt gibt, legt aber frisch drauf los: »Der afrikanische Wüstenhund lebt in Afrika. In Afrika ist ein anderes Klima wie bei uns, da ist es bedeutend wärmer. Die Würmer zerfallen in Regenwürmer, Madenwürmer, Spulwürmer usw. usw. – –« und er war gerettet.
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Cuvier und der Teufel.
Der berühmte französische Naturforscher Cuvier konnte an dem geringsten Merkmal eines Tieres, einem Zahn und dergleichen nicht nur das Geschlecht und die Klasse, in die es gehörte, sondern auch seine Lebensgewohnheiten und andere Eigentümlichkeiten erkennen. Einst ging er mit jemand in eine Gemäldeausstellung und fand dort unter anderm auch ein Bild, auf dem der Teufel so natürlich und abschreckend gemalt war, daß der Begleiter Cuviers unwillkürlich ausrief: »Man sollte meinen, er wollte einen verschlingen!« –
»Verschlingen?« erwiderte der berühmte Mann und sah den abgebildeten Teufel mit den Augen der Wissenschaft an. »Hörner? Huf? Gehört zu den grasfressenden Tieren. Sie brauchen sich vor ihm wirklich nicht zu fürchten!«
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Das Tier im Menschen.
Der große französische Bildhauer Rodin hat sich öfters den Scherz geleistet, wenn er eine Porträtbüste anfertigte, dieser Büste irgendeine versteckte Ähnlichkeit mit einem Tier zu geben.
»Wenn ich einmal heraus hatte,« so erzählte er einem Freunde, »welchem Tiere sie glichen, so brauchte ich nur die Bestie aus dem Marmor hervorzuholen. So habe ich einen südamerikanischen Staatsmann, der einem Kondor glich, als Geier modelliert, ein amerikanischer Milliardär besaß einen Schweinerüssel, und ich habe ihn auch so verewigt.«
»Aber haben sich denn die Leute nicht beschwert?« fragte erstaunt der Freund. »Sie müssen sich doch beleidigt gefühlt haben?«
»Beleidigt? Wieso?« erwiderte Rodin lachend. »Bei den hohen Preisen, die ich ihnen machte, konnten sie gar nicht anders als die Bilder wundervoll finden!«
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Ein Schweinegespann.