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Max Porters Buch ist eine fragmentarische, poetische Neuinterpretation von Francis Bacons letzten Tagen in Madrid. In sieben Kapiteln »Untitled« lässt er uns an der Auseinandersetzung des Malers mit seinem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Leben und Werk teilhaben. In lyrischer und eindringlicher Sprache nähert sich der Autor dem Künstler. MAX PORTER (*1981) studierte Kunstgeschichte und arbeitete als freiberuflicher Buchhändler und Lektor. Sein international gefeiertes Debüt Trauer ist das Ding mit Federn wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
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Seitenzahl: 31
Der Tod des Francis Bacon
Der Tod des Francis Bacon
Max Porter
aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz
Impressum
Redaktion
Lena Kiessler
Projektmanagement
Tabea Häusler
Übersetzung
Uda Strätling und Matthias Göritz
Lektorat
Lena Kiessler
Grafische Gestaltung
Neil Holt
Schrift
Arnhem
Verlagsherstellung
Vinzenz Geppert
Druck
GRASPO CZ, A.S.
© Max Porter, 2021 und Hatje Cantz Verlag, Berlin
© für die Übersetzung aus dem Englischen Uda Strätling und Matthias Göritz
Erschienen im
Hatje Cantz Verlag GmbH
Mommsenstraße 27
10629 Berlin
www.hatjecantz.de
Ein Unternehmen der Ganske Verlagsgruppe
isbn978-3-7757-5064-6
isbn978-3-7757-5081-3 (e-Book)
Printed in the Czech Republic
Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel The Death of Francis Bacon bei Faber & Faber, London.
Passagen aus John Bergers Essay ›Francis Bacon (1909–92)‹, enthalten in Portraits: John Berger on Artists, Verso, London 2015, wurden nach dem Wortlaut des Originals übersetzt.
Skizze
inexistent, Bleistift auf Papier, 15,2 × 10,2 cm
Ist die Skizze von mir?
Rahmen oder Bett, Loch könnte Fenster sein, Fleisch
flach, aber niemand sieht her,
ein Körper hingestreckt
der andere besorgt.
Notiz an mich, niemals benutzt.
Versprich mir, das unter Verschluss zu halten.
Der Körper durchs Leiden ans Bett gefesselt.
Der Körper des Versorgers Alternativen.
Der Körper des Werks, Abrechnung.
Madrid.
Unvollendet.
Sterbender Mann.
Eins
Öl auf Leinwand, 152,4 × 118,1 cm
Na komm, setz dich doch.
Unmöglicher Winkel, Kinn hingepappt wie ein Kloß,
Backe wie’n Kotelett, aber mir gefällt das weiße Dreikant
der Mütze und die Unterarmgrenze zur guillotinensteifen
Manschette.
Das alles lohnt einen Blick.
Na komm, setz dich doch.
Ja-ja, hab dich gehört, Schweinigel.
Langes Dauerwürstchen, du armer Verwandter der katalanischen Peitsche
in einer Schüssel voll Erbsen mit Knoblauchöl.
Liebste Mama, Schwester, o dios, Mercedes, mein Haar
ist sicher ein Witz.
Kein Öl.
Sie tätschelt mir den kleinen leinern geschwollenen Wanst.
Hunger, Stärke und Schmacht, im Sinn nichts als Speisen und Schampus.
Der Märtyrer Eduard oder der Maler Francis?
Sie dreht sich, und das ist plötzlich doch ein hübscher
Anblick, verrenkter Hals, fetter brauner Schatten, heute
Morgen so gesehen, Kiefernkamm nagt an mir, unseliger Mini-Stier an der Schwelle zur gebrochenen Nase. Würde sie zu
gern schnauzen sehen. Es gibt da eine eigentümlich
lidgeschlossene Familiarität und das Gefühl zu vieler Zähne, Zähne bis tief in den Schlund runter, weshalb sie eine
Stellung halten muss, als säße sie mir Modell, als würd sie
sonst reihenweise Zähne rülpsen.
Würde dich zu gerne schnauzen sehen.
Sí.
Minotauromachie.
Sí, sí.
Mein Haar ist sicher ’n Witz. Ich spüre, wie es sich
plustert, pufft, die ganze Luft, die ich nicht mehr kriege,
sitzt da oben in meinem Haar. Kein Öl.
Schmiere. Schliere. Schlampus, sagst du. Lust.
Schluss jetzt. Hör zu. So eitel.
Ich frage sie nach Francis, und ich sage bitte.
Sie hebt ein prächtiges Hardcover von ihrem Gesicht und
knackt es auf wie Knusperkrusten, gelackt, und jetzt stecken
wir in den Details, sie leckt ihren Finger, sie leckt den
Schnitt an der rosa Kuppe und saugt, leckt, senkt, steckt
den Finger in die Mitte, befingert Ringe, ungelenker
Van Dyck, länglicher Ständer-Glans, an dem der Ring die
getrimmte Gestalt in die geschnürte Einkerbung klemmt,
stört mich, glotzt so blass.
Schwester Sie leiden?
Francis Nein, ich arbeite. Entstöre den Pimmel-Finger mit
dem Lappen.
(Bekannt ist, was ein Finger des siebzehnten Jahrhunderts
einem Auge des zwanzigsten verrät: Sieh her, dieser kleine
Holzkasten, wenn ich mich an den Deckel schiebe und drücke, sieh nur, wie stramm er unbeirrt seinen Weg in die Ritze
macht, Himmel, ja, wie unwiderstehlich, und da muss ich gar nicht betonen, wie das bei Fundstücken geht.)
Schlitzt sich den Finger und spreizt die Wunde, ums mir zu
zeigen, aber ich schlafe und verweigere mich ihrem kleinen
klischeehaften Bluttanz, also liest sie:
Bacon ist ein bemerkenswerter, aber letztlich nicht wirklich
bedeutender Maler.