McQuade reitet - Zwölf Abenteuer in einem Band (Der Kopfgeldjäger, Band 13-24) - Pete Hackett - E-Book

McQuade reitet - Zwölf Abenteuer in einem Band (Der Kopfgeldjäger, Band 13-24) E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

McQuade, ein Mann aus Granit in einer beispiellos harten Zeit. Doch McQuade ist härter - und dies ist seine Saga. Ein epischer, packender Western von archaischer Kraft, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Dieses E-Book enthält die auch separat erschienenen Teile 13-24 aus Pete Hacketts einzigartiger Western-Serie "Der Kopfgeldjäger", mit der es einem Autor erstmalig seit langer Zeit wieder gelang, die Epoche des Wilden Westens in ihrerer epischen Breite darzustellen. UMFANG: Mehr als 500 Normseiten!

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Seitenzahl: 624

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Pete Hackett

McQuade reitet

Zwölf Abenteuer aus der großen Western-Saga

Der Kopfgeldjäger

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author (P.Haberl)

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956172281

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Über den Autor

Über allem steht der Tod

Todgeweiht am Gila River

Vom Hass getrieben

Entscheidung im Oak Creek Canyon

Hängt Shannon an den höchsten Baum

Ein Sarg für McQuade

Mit dem Satan im Bunde

Die Angst regiert in Palo Verde

Die höllischen Vier

Zur Hölle mit Doc Flanigan

Er folgte der Spur des Todes

Handlanger des Satans

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war– eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Band 13

Über allem steht der Tod

Es war später Nachmittag, als McQuade in Tucson eintraf. Die Sonne stand schon fast im Westen und sehr tief, die Schatten waren lang. Die Menschen auf der Straße und auf den Bohlengehsteigen beachteten den Reiter nicht. Nach Tucson kamen tägliche irgendwelche Fremden. Die einen blieben für einige Zeit, die anderen waren lediglich auf der Durchreise, einige blieben für immer. Verwitterte Kreuze und unkrautüberwucherte Hügel auf dem Boothill außerhalb der Stadt zeugten von ihrer Existenz.

Tucson war ein Hexenkessel. Geschäftemacher, Spieler, Huren, Sattelstrolche, Banditen– es war eine ganze Reihe von zwielichtigem Gesindel, das sich in der Stadt ein Stelldichein gab. Man war auf der Jagd nach dem schnellen Dollar, der Revolver saß locker, ein Menschenleben war nichts wert.

Das war Tucson, die sündige Stadt an der Überlandstraße, die von New Mexiko herüber kam und die in Yuma endete.

Vor dem Sheriff's Office war ein hoher Galgen errichtet worden. Das Gerüst war wohl gut fünf Yards hoch, in der Mitte befand sich die Plattform mit der Klappe, durch die der Verurteilte mit dem Strick um den Hals fallen sollte. Die kunstvoll geknüpfte Schlinge schaukelte leicht im lauen Wind, der die Hitze Mexikos mit sich brachte und der den Staub in kleinen Wirbeln über die Straße trieb.

Zwei Deputies mit Schrotflinten bewachten das Gerüst. Im Schatten unter der Plattform spielten vier Kinder. Da lag auch ein großer, schwarzer Hund, der schlief.

McQuade lenkte sein Pferd zum Hitchrack vor dem Office und saß ab. Lose schlang er den langen Zügel um den Haltbalken, der von Sonne, Wind und Regen blank gescheuert und rissig war. Der Kopfgeldjäger zog die Henrygun aus dem Scabbard. Sattelsteif stieg er die vier Stufen zum Vorbau empor, klopfte gegen die Tür und öffnete, ohne die Aufforderung zum Eintreten abzuwarten.

Im Office war es düster. Am Fenster summten Fliegen. Auf dem kleinen Kanonenofen stand eine Eisenkanne. Das Office war voll vom Duft des Kaffees. Der Sheriff saß hinter seinem Schreibtisch. Vor ihm stand ein verbeulter Becher aus Blech, gefüllt mit der schwarzen Flüssigkeit aus der Kanne.

Die Brauen des Gesetzeshüters zuckten in die Höhe. »Aaah, McQuade. Sind Sie nach Tucson gekommen, um morgen Früh dem Schauspiel beizuwohnen?«

Sein Blick war, während er sprach, an dem Texaner hinauf und hinunter gewandert. Er sah einen verstaubten und verschwitzten Mann mit tagealten Bartstoppeln im hohlwangigen Gesicht, mit dunklen Ringen unter den entzündeten Augen, welcher einen braunen, zerschlissenen Staubmantel trug, der ihm bis zu den Knöcheln reichte, dessen Stiefel schmutzig und brüchig waren.

McQuade fuhr sich mit der Zungenspitze über die rissigen Lippen. »Ich schätze, das Schauspiel, von dem Sie sprechen, hat etwas mit dem Galgen vor Ihrer Tür zu tun.« Die Stimme des Kopfgeldjägers klang staubheiser und kratzend.

Der Sheriff nickte. »Ich werde morgen Früh um Punkt sechs Uhr Hank Dodson die Schlinge um den Hals legen. Sie haben mir vor zwei Monaten den alten Halunken gebracht, McQuade. Vor einer Woche wurde er des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Da die Urteile des Bundesrichters Endurteile sind, ist die Berufung ausgeschlossen. Die Hinrichtung wurde für morgen Früh festgesetzt.«

»Also wird dem Gesetz Genüge getan«, murmelte McQuade. »Yeah, ich erinnere mich an Hank Dodson. Wenn ich mich nicht irre, dann hat er zwei Söhne.«

Die Brauen des Sheriffs schoben sich zusammen. Es verlieh seinem Gesicht einen düsteren Ausdruck. Ein herber Zug kerbte sich in seine Mundwinkel, gedehnt gab er zu verstehen: »So ist es. Cash und Brad Dodson. Die beiden sind in Tucson. Und sie haben zwei Freunde mitgebracht, die einen höllisch hartbeinigen und falkenäugigen Eindruck machen. Ich weiß nicht, ob die Dodson-Brüder einfach so zusehen, wie wir ihrem Vater den Hals lang ziehen. Mir schwant Schlimmes.«

McQuade nahm mit der Linken seinen Hut ab, strich sich mit den gespreizten Finger seiner Rechten durch die strähnigen, sandfarbenen Haare, dann murmelte er: »Ich hatte keine Ahnung, dass Dodson morgen hingerichtet werden soll. Es ist Zufall, dass ich nach Tucson gekommen bin. Ich befand mich in der Nähe und hatte das Bedürfnis, wieder mal in einem richtigen Bett zu nächtigen.«

McQuade stülpte sich den schwarzen Stetson mit der flachen Krone wieder auf den Kopf.

»Sie sind wohl ständig auf dem Trail, McQuade, wie?«

Ein hartes Grinsen bahnte sich in McQuades Züge. Die dünne Schicht aus Schweiß und Staub brach. »Die Anschlagtafel an der Wand Ihres Office ist voll von Steckbriefen, Sheriff. Die Banditen sterben nicht aus, im Gegenteil, es scheinen immer mehr zu werden.«

»Warum stecken Sie sich keinen Stern an, McQuade? Der U.S.-Marshal sucht Männer wie Sie, Männer, die in die Hölle reiten und den Teufel am Schwanz zupfen.«

»Das Stück Blech würde mich zu sehr einschränken«, versetzte McQuade. »Nein, ich glaube nicht, dass ich der richtige Mann für den Bundesmarshal wäre.«

»Möchten Sie mit Dodson sprechen?«

McQuade wiegte den Kopf, Skepsis prägte sein Gesicht, doch dann nickte er. »Warum nicht?«

Der Sheriff erhob sich, nahm einen Schlüsselbund aus dem Schreibtischschub und ging zu der Tür, die in den Zellentrakt führte. Der Kopfgeldjäger folgte ihm. Es gab vier Zellen. Zwei zu jeder Seite des Korridors. Durch die Gitterwände konnte man in die Zellen blicken. In einem der Käfige lag ein bärtiger Mann auf der Pritsche und schnarchte. In der Zelle daneben befand sich Hank Dodson. Auch er lag auf der Pritsche, die Hände hielt er hinter dem Kopf verschränkt.

Jetzt erhob er sich, kam an die Gitterwand, seine Hände umspannten zwei der zolldicken Eisenstäbe. »McQuade!«, entfuhr es dem Banditen. In seinen Augen begann grenzenloser Hass zu lodern, Hass prägte jeden Zug seines Gesichts– dieses zerfurchten Antlitzes, in dem ein unstetes Leben voller Lasterhaftigkeit und jenseits von Recht und Ordnung unübersehbare Spuren hinterlassen hatte.

McQuade spürte den Anprall dieses glühenden Hasses wie einen heißen Atem. Ihm entging nicht die rote Narbe unter dem rechten Auge des zum Tode verurteilten Banditen. Sie stammte von der Verletzung, als McQuade den Outlaw mit dem Gewehr niederschlug, nachdem er ihn gestellt hatte und sich Dodson seiner Verhaftung widersetzte.

Jemand betrat das Office. Polternde Schritte auf den Fußbodendielen und das Klirren von Sporen waren zu vernehmen. »Hallo, Sheriff!«, ertönte eine raue Stimme.

»Ich sehe nach«, knurrte der Gesetzeshüter und ging zur Tür.

»Ich wünsche dir die Pest an den Hals, McQuade!«, presste der Bandit in der Zelle zwischen den Zähnen hervor. Weiß traten die Knöchel unter der Haut seiner Hände hervor, so sehr umklammerte er die Gitterstäbe. »Aber freu dich nur nicht zu früh. Noch hänge ich nicht mit gebrochenem Genick am Ende des Strickes. Dir habe ich blutige Rache geschworen. Hoffentlich hast du das Geld, das du für meine Ergreifung kassiert hast, schon ausgegeben. Andernfalls wirst du nicht mehr viel davon haben.«

»Denkst du immer noch, dass man dich ungerecht behandelt, Dodson?« McQuade sprach völlig ruhig. »Du hast zwei Männer erschossen. Sie hatten keine Chance, und das Gericht hätte dich sicher nicht unter den Galgen geschickt, wenn es nicht zu dem Schluss gekommen wäre, dass du aus niedrigen Beweggründen und hinterhältig gemordet hast.«

Im Office waren Stimmen zu vernehmen, dann kam der Sheriff wieder in den Zellentrakt. Ihm folgten zwei Männer um die dreißig. McQuade sah sie und wusste, dass es sich um Hank Dodsons Söhne handelte.

*

»Ihre Söhne möchten Sie noch einmal besuchen, Dodson«, bemerkte der Sheriff und warf McQuade einen Blick zu, in dem sich Freudlosigkeit und Unbehagen ausdrückten.

Dem Kopfgeldjäger entging nicht, dass die Holster der beiden Burschen leer waren. Sie hatten ihre Revolver also im Office zurücklassen müssen. McQuade fing die stechenden und zugleich fragenden Blicke der beiden Männer ein. Was er sah, gefiel ihm nicht. Die Dodson-Brüder waren zwei hartgesichtige Kerle, um den Mund eines jeden lag derselbe brutale Zug wie um den ihres Vaters, ihre Augen waren wasserhell und kalt wie die Augen von Reptilien.

»Das trifft sich gut«, sagte Hank Dodson grollend. »Seht euch diesen heruntergekommenen Mister an, Söhne.« Dodson wies mit dem Kinn auf den Texaner. »Das ist McQuade. Ihm habe ich es zu verdanken…«

Der Hass würgte seine Stimme ab. Seine Kiefer mahlten, sein Zahnschmelz knirschte. Der Bandit atmete stoßweise durch die Nase. Das Irrlichtern in seinen Augen schien an Intensität gewonnen zu haben.

Die Brüder musterten McQuade. Ihre Augen blieben ausdruckslos, ihr Blick war unergründlich. Dennoch hatte der Texaner das Gefühl, als nähmen die beiden Maß. Einer sagte ruhig: »Du bist sicher gekommen, um unseren Vater morgen hängen zu sehen, Mannjäger.«

»Ich bin zufällig in Tucson«, versetzte McQuade. »Außerdem glaube ich nicht, dass ich dem Schauspiel beiwohnen werde.«

McQuade wandte sich zur Tür und verließ den Zellentrakt. Gleich darauf stand er auf dem Vorbau. Die Sonne war halb hinter dem Horizont versunken. Der Himmel über den Bergen im Westen verfärbte sich rot. Der Schatten des Galgens fiel auf die staubige Straße. Die spielenden Kinder und der Hund waren verschwunden. Einer der Deputies war auf die Plattform gestiegen und saß auf dem Geländer, die Shotgun mit beiden Händen schräg vor der Brust haltend.

McQuade band sein Pferd los und führte es die Straße hinunter, bis er den Mietstall erreichte. Er zerrte das Tier hinter sich her in den Hof, überquerte ihn und betrat den Stall. Jenseits der Lichtgrenze unter dem Tor war es düster. Typischer Geruch stieg dem Texaner in die Nase. Durch die Ritzen in den Stallwänden fiel in schräger Bahn das letzte Licht des Tages, in den Lichtbahnen schwebten winzige Staubpartikel.

»Hallo, Stall!«

Am Ende des Mittelganges ging eine Tür auf, die an Lederscharnieren hing. Der bärtige Stallbursche schlurfte heran. In seinen grauen Augen blitzte es auf. »Na so was! McQuade! Hat dich die bevorstehende Hinrichtung nach Tucson getrieben?«

»Hi«, grüßte McQuade. »Nein, ich komme nicht wegen der Hängepartie morgen Früh«, setzte er seinem Gruß hinzu. »Mich hat mehr oder weniger der Zufall nach Tucson verschlagen. Ich möchte mein Pferd für eine Nacht in deine Obhut geben, Oldman. Versorge es gut. Das Tier hat gute Behandlung verdient.«

»Es ist bei mir in den besten Händen, McQuade«, versicherte der Stallmann und übernahm von dem Texaner den Vierbeiner, der ein unwilliges Schnauben hören ließ und mit dem Huf scharrte. Das Gesicht des Stallburschen nahm einen verkniffenen Ausdruck an. »Dodson hat es im Endeffekt dir zu verdanken, wenn er morgen Früh baumelt. Seine Söhne sind in der Stadt, und sie haben zwei ziemlich üble Nummern mitgebracht. Ich kann diese Sorte einschätzen, McQuade. Sie sind von einem besonderen Kaliber, und ich denke mal, dass die beiden Dodson-Jungs und ihre Kumpels für eine böse Überraschung gut sind.«

»Du denkst…?«

»Ich bin davon überzeugt«, knurrte der Stallmann grimmig. »Und sollte es ihnen gelingen, dann solltest du dich vorsehen, Texas. Jeder in Tucson weiß, dass Dodson geschworen hat, dir das Tor zur Hölle aufzustoßen.«

»Der Sheriff und ein halbes Dutzend Deputies werden es zu verhindern wissen«, zeigte sich McQuade optimistisch. Er schnallte seine Satteltaschen los und warf sie sich über die Schulter. Das Gewehr hatte er schon beim Sheriff's Office aus dem Scabbard geholt. »Ich hole das Tier morgen nach Sonnenaufgang ab«, gab McQuade zu verstehen, dann stapfte er aus dem Stall. Sein Ziel war das Hotel.

Als er sich auf der Höhe des Sheriff's Office befand, verließen es die beiden Dodsons. Sie sahen McQuade, der dreißigjährige Cash Dodson rief klirrend: »McQuade!«

Der Kopfgeldjäger hielt abrupt an, schwang halb herum und nahm Front zu den beiden Brüdern ein. Sie sprangen vom Vorbau und kamen über die Fahrbahn. Ihre Stiefel schaufelten den Staub. In den Holstern steckten jetzt langläufige Colt-Revolver. Bei jedem ihrer Schritte streiften ihre Handballen die abstehenden Knäufe.

Sie hatten die Revolver in einer Art geschnallt, die vermuten ließ, dass sie damit umzugehen vermochten. Und ein Blick in ihre gestrafften Gesichter mit den beherrschenden kalten Augen zeigte McQuade, dass sie eine Reihe von Eigenschaften in sich vereinten, die von gnadenloser Härte über konsequente Kompromisslosigkeit bis hin zu grausamer Brutalität und grenzenloser Skrupellosigkeit reichten.

Diese Kerle durften nicht unterschätzt werden. McQuade fühlte den unsichtbaren Strom von Niedertracht und Gehässigkeit, der von ihnen ausging. Kühl, geradezu reserviert blickte er ihnen entgegen. Er verriet mit keiner Miene, was hinter seiner Stirn vorging.

Fünf Schritte vor ihm hielten die Brüder an. Brad Dodson, der jüngere der beiden, ließ seine Stimme erklingen: »Wir haben uns von Dad verabschiedet, McQuade. Ihm steht eine schreckliche Nacht bevor. Am Ende der Nacht wartet der Tod auf ihn.«

»Euer Vater hat zwei Männer ermordet«, antwortete McQuade mit ruhiger Stimme. »Er wusste, dass man in diesem Land für Mord gehängt wird. Denkt ihr nicht, dass er es sich selbst zuzuschreiben hat.«

Cash Dodson schürzte die Lippen. »Er ist der Überzeugung, dass er es dir zu verdanken hat, wenn er bei Sonnenaufgang mit dem Strick um den Hals durch die Klappe fällt.«

»Es mangelt ihm am Unrechtsbewusstsein.« McQuade zuckte mit den Schultern. »Nicht ich habe ihn verurteilt, sondern ein Bundesrichter. Ich habe ihn lediglich dem Gesetz überantwortet.«

Cash Dodson zeigte ein grimassenhaftes Lächeln. »Man kennt dich in der Stadt, McQuade. Vielleicht ist dein Name schon im ganzen Territorium ein Begriff. Man sagt, du wärst der gefährlichste Bluthund aller Zeiten. Obwohl dein Job ziemlich verpönt ist, sprechen die Menschen mit Respekt von dir. Wir haben keinen Respekt, McQuade. Weder vor dir, noch vor deinem Job, noch vor deinem Revolver.«

»Dazu zwingt euch auch keiner. Was den Revolver anbetrifft– er ist immer nur so gut, wie der Mann, der ihn trägt.«

»Was willst du damit sagen?«, fragte Brad Dodson heiser, eine düstere Drohung im Blick.

»Dass ein Revolver in den Händen eines Mannes, der nichts taugt, nicht gut ist. Nicht mehr und nicht weniger.«

»Du hättest Philosoph werden sollen, McQuade«, knurrte Cash Dodson. »Mein Vater hat einen Schwur geleistet– den Schwur…«

»…mich zu töten«, fiel ihm McQuade schroff ins Wort. »Ich weiß. Nun, er wird morgen Früh in die Hölle der Gehenkten eingehen. Vielleicht verflucht er mich mit seinem letzten Atemzug.« McQuade hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und endete: »Aber darauf gebe ich nichts. Sonst noch etwas, Gentlemen?«

Sie fixierte ihn mit einer Mischung aus Hass, Heimtücke und einer düsteren Prophezeiung in den Blicken. Und dann stieß Cash Dodson hervor: »Selbst wenn mein Vater tot sein sollte, Mannjäger: Sein Schwur wird sich erfüllen und du wirst sterben. Das ist ein Versprechen.«

»Ich werde mich auf euch einstellen«, versetzte McQuade gelassen. »Vielen Dank für die Warnung.«

»Du bist so gut wie tot«, knurrte Brad Dodson und er dehnte die Worte auf eine Art, die in ihrer Unmissverständlichkeit erschreckend war.

*

Es war dunkel, als McQuade gegen die Tür des Sheriff's Office klopfte. Durch das Fenster neben der Tür fiel Licht auf den Vorbau. Die Vorhänge waren zugezogen. Der Kopfgeldjäger wollte öffnen, doch die Tür war verschlossen.

»Wer ist draußen?«, erklang es.

»McQuade.«

Der Schlüssel knirschte im Schloss, dann wurde die Tür aufgezogen. Das trübe Licht einer Petroleumlampe umriss die Gestalt des Gesetzeshüters. »Was führt Sie zu mir, McQuade?«

»Sprechen wir drinnen darüber, Sheriff.«

»Natürlich. Kommen Sie herein.«

Der Sheriff ließ McQuade an sich vorbei und drückte die Tür wieder ins Schloss, drehte den Schlüssel herum ging hinter den Schreibtisch. Einladend wies er auf einen Stuhl. »Nehmen Sie Platz, McQuade.«

Als sie saßen, begann der Texaner: »Ich bin davon überzeugt, dass die Dodsons in der Nacht versuchen, ihren Vater aus dem Jail zu holen.«

Der Sheriff kniff einen Moment die Lippen zusammen, nickte einige Male und erwiderte: »Davon gehen wir– meine Deputies und ich -, aus. Meine Männer haben sich rund um das Office verteilt. Ich halte hier die Stellung. Wir sind zu siebt. Sollte die Dodsons tatsächlich verrückt genug sein, den Vogel, den wir morgen hängen wollen, aus dem Käfig holen zu wollen, werden wir ihnen ganz schön die Flügel stutzen.«

»Es sind zweibeinige Wölfe«, gab McQuade zu bedenken. »Sicher sind sie mit allen schmutzigen Wassern gewaschen, und ihnen ist nichts heilig.«

»Ich habe nichts dagegen, McQuade, wenn Sie mich und meine Männer unterstützen wollen. Jedes Gewehr und jeder Revolver ist willkommen.« Der Sheriff beugte sich etwas nach vorn. »Wenn Hank Dodson morgen am Strick sein Leben aushaucht, kann er Ihnen nicht mehr gefährlich werden.« Der Ordnungshüter sprach mit Nachdruck, und er starrte McQuade an, als wollte er dessen geheimste Gedanken ergründen und analysieren. Ein geradezu hypnotischer Blick.

McQuade lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Seine Söhne werden alles daransetzen, Hank Dodsons Schwur zu erfüllen. Sie haben mir gegenüber keinen Zweifel darüber offen gelassen. Geben Sie mir ein Paar Handschellen, Sheriff.«

»Was haben Sie vor, McQuade?«

»Ich will die beiden Brüder aus dem Verkehr ziehen. Morgen, wenn alles vorbei ist, lassen wir sie laufen. Ich möchte verhindern, dass sie überhaupt den Versuch starten, den Alten zu befreien.«

Der Sheriff spitzte die Lippen, kratzte sich am Hals, pfiff schließlich zwischen den Zähnen und murmelte dann: »Es sind vier, McQuade.«

»Die Kumpane der Dodsons werden ohne die Brüder kaum in Aktion treten«, verlieh McQuade seiner Vermutung Ausdruck. »Und wenn doch -« ein kantiges Grinsen brach sich Bahn in das Gesicht des Kopfgeldjägers, »- dann werden Sie und Ihre Deputies den beiden Dummköpfen die heilige Mannesfurcht einjagen.«

Jetzt grinste auch der Sheriff; hart, grimmig und freudlos. »Geben Sie auf sich Acht, McQuade. Kerle Ihrer Spezies sind mir zwar von Haus aus suspekt, aber Sie heben sich vom Rest der grauen Masse ab. Sie sind von einem besonderen Schlag, McQuade. Irgendwie vertraue ich Ihnen.«

»Sie sind voreingenommen, Sheriff. Das liegt an dem Job, den ich ausübe. Nun -«, McQuade zuckte mit den Schultern und erhob sich, »- im Endeffekt ist mein Job dem Ihren sehr ähnlich. Sie können nur nicht so frei agieren wie ich.«

»Wahrscheinlich haben Sie recht, McQuade. Irgendwie sitzen wir in einem Boot.« Der Sheriff holte ein Handschellenpaar aus der Schublade und hielt es dem Kopfgeldjäger hin. Der kleine Schlüssel steckte im Schloss. »Reicht ein Paar?«

McQuade nahm die beiden Stahlspangen, die mittels einer dünnen, aber haltbaren Kette miteinander verbunden waren, steckte sie in die Manteltasche und sagte: »Ich denke schon. All right, Sheriff. Ich gehe jetzt.«

»Hals- und Beinbruch, McQuade.«

»Danke.« McQuade wandte sich um, ging zur Tür, sperrte sie auf, öffnete sie und glitt ins Freie. Hinter ihm klappte die Tür zu, der Texaner konnte hören, dass der Sheriff wieder abschloss.

Es gab in Tucson ein halbes Dutzend Saloons. Sie lagen alle an der Main Street. Verworrener Lärm drang aus diesen Etablissements auf die Straße. Viele Menschen aus dem Umland waren nach Tucson gekommen, um am folgenden Tag der Hinrichtung beizuwohnen. Die Sensationslust trieb sie. Es war für sie eine Abwechslung vom grauen Alltag, es war wie ein Volksfest.

McQuade betrat den ersten der Saloons. Sämtliche Tische waren besetzt. An der Theke standen die Gäste in Dreierreihe. Tabakqualm trübte das Licht der Lampen, die über den Tischen und dem Tresen von der Decke hingen. Das Stimmengewirr war unbeschreiblich.

Der Kopfgeldjäger konnte keinen der beiden Dodson-Brüder entdecken. Er suchte die Saloons der Reihe nach auf. Fehlanzeige! Die Brüder hatten sich irgendwo verkrochen, um zu gegebener Zeit aus ihren Löchern zu kommen und mit tödlicher Entschlossenheit in Aktion zu treten.

McQuade lenkte seine Schritte zum Hotel. In der Halle war niemand, die Rezeption war verwaist. Er schlug mit der flachen Hand auf die Klingel. Eine Tür hinter der Rezeption ging auf und ein dickleibiger Mann ließ sich blicken. Fragend musterte er McQuade.

»Bei Ihnen wohnen die Dodsons, nicht wahr?«

Der Dicke nickte. »Richtig.«

»Sind sie in ihren Zimmern?«

Die Mundwinkel des Dicken sanken nach unten. »Das weiß ich nicht.«

»Welche Zimmer bewohnen Sie?«

»Nummer zwei und drei. Himmel, was…«

McQuade winkte ab. »Keine Sorge, Mister. Ihr Hotel wird heil bleiben. Unabhängig davon wird die Stadt für kleinere Sachschäden aufkommen.– Wohnen die beiden Freunde der Dodsons auch im Hotel?«

»Sie gingen vor etwa einer Stunde fort und sind nicht wieder aufgetaucht.«

»Hatten Sie ihre Gewehre dabei?«

»Ja.«

»Gut. Vielen Dank, Sir.«

Mit dem letzten Wort setzte sich McQuade in Bewegung. Fast gemächlich stieg er die Treppe empor. Die eine oder andere Stufe ächzte unter seinem Gewicht. Das Gewehr trug er in der linken Hand am langen Arm. Um seinen Mund lag ein entschlossener Zug.

Dann stand er vor der Tür mit der Nummer zwei. Zimmer Nummer drei befand sich schräg gegenüber. Im Flur brannten insgesamt vier Lampen, die an den Wänden zwischen den Zimmertüren befestigt waren. McQuades Schatten fiel riesengroß und verzerrt auf den Fußboden und gegen die Wände.

Der Texaner schaute durch das Schlüsselloch. Im Zimmer war es finster. Er klopfte gegen die Tür.

»Wer ist draußen?«, erklang es.

»Der Clerk. Der Sheriff lässt Ihnen ausrichten, dass Ihr Vater Sie sprechen möchte.«

»Einen Augenblick.«

Es knirschte metallisch, dann wurde die Tür aufgezogen. McQuade warf sich gegen das Türblatt. Ein überraschter Aufschrei erklang, McQuade war mit einem Schritt im Zimmer. Er sah den großen Schemen, der zurücktaumelte und haltsuchend mit den Armen ruderte. Ein langer Schritt brachte den Texaner an ihn heran und er schlug mit dem Gewehr zu. Ohne einen weiteren Laut von sich zu geben brach der Bursche zusammen.

McQuade schloss die Tür, packte den Besinnungslosen am Westenkragen und schleifte ihn zum Bett, holte die Handschellen aus der Manteltasche und fesselte die rechte Hand des Mannes an den Bettpfosten. Schließlich zog er ihm den Revolver aus dem Holster und legte ihn auf den Tisch, unerreichbar für den Burschen, der an das Bett gefesselt war.

McQuade huschte zur Tür und baute sich an der Wand daneben auf. Wenn die Tür aufschwang, verbarg ihn das Türblatt. Er hoffte inbrünstig, dass seine Rechnung aufging. Der andere Dodson-Bruder musste den Lärm auf dem Flur gehört haben, wenn er sich in seinem Zimmer befand.

Seit er in das Zimmer eingedrungen war, waren keine dreißig Sekunden vergangen. Nun wurde die Tür geöffnet und eine Stimme erklang: »Was ist los, Cash? Was war das eben für ein Lärm? Heh, Cash, es ist kurz vor elf Uhr. Wir haben noch gut drei Stunden Zeit. Heh, was ist los? Warum sagst du nichts?«

Brad Dodson trat ins Zimmer. Im vagen Licht, das durch das Fenster in den Raum fiel, sah er seinen Bruder auf dem Fußboden liegen. »Zur Hölle, Cash, was…«

Der Lauf der Henrygun knallte gegen seinen Kopf. Bei Brad Dodson gingen die Lichter aus. Er sackte in sich zusammen wie eine Marionette, deren Schnüre man loslässt.

McQuade schloss die Tür, schleppte Brad Dodson neben seinen Bruder und fesselte seine linke Hand mit der Stahlspange, die er um den Bettpfosten geschlossen hatte, als er Cash festkettete.

Der Kopfgeldjäger nahm auch Brad Dodson das Schießeisen weg und legte es auf den Tisch. Dann sperrte er die Tür ab und setzte sich auf einen der Stühle, die beim Tisch standen.

Um zwei Uhr wollten die Brüder also zuschlagen.

Irgendwo in der Stadt warteten ihre beiden Kumpane darauf, dass der Zeitpunkt kam. McQuade vermutete, dass sie den Fluchtweg der drei Dodsons sichern und etwaige Verfolger mit Pulverdampf und Blei von ihrer Fährte fegen sollten.

*

Cash Dodson kam stöhnend zu sich. Es dauerte eine Weile, bis sich bei ihm die Erinnerung einstellte. Jetzt schien er zu bemerken, dass seine rechte Hand gefesselt war. Er zerrte an der Kette. Ein rasselndes Geräusch entstand. Cash Dodson fluchte, als er bemerkte, dass er mit seinem Bruder zusammengekettet war. Er setzte sich auf, seine linke Hand fuhr zum Holster. Der Bursche knirschte mit den Zähnen.

McQuade ließ seine Stimme erklingen: »Ich habe euch zwei Narren ausgeschaltet, Dodson. Sobald die Sache mit eurem Vater morgen Früh vorbei ist, lassen wir euch laufen.«

»Bist du es, McQuade?«, fragte der Bursche und seine Stimme raschelte so trocken wie abgefallenes Laub im Herbst, das der Wind vor sich hertreibt.

»Yeah.«

»Unsere Freunde werden dich in Stücke schießen!«

»Sie werden um zwei Uhr vergeblich auf euch warten.«

»Sie werden kommen und nachsehen.«

»Ihr werdet nicht da sein. Wir warten nur noch, bis dein Bruder zu sich kommt. Dann gehen wir.«

»Wohin?«

»Ich bringe euch zwei Narren auf Nummer sicher.«

In dem Moment stöhnte Brad Dodson. Nach kurzer Zeit öffnete er die Augen. Sie glitzerten im unwirklichen Licht wie Glas. Ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch, staute sich sekundenlang in der Kehle und brach schließlich aus seinem Mund. »O verdammt«, entrang es sich ihm lahm. »Mir brummt der Schädel, als hätte mich ein Pferd getreten.«

»Es war McQuades Gewehr, Bruder!«, blaffte Cash Dodson. »Heh, bist du aufnahmefähig? Der Menschenjäger hat uns überrumpelt. Die Hölle verschlinge ihn.«

Brad Dodson war schlagartig hellwach. Sein Oberkörper ruckte in die Höhe. Er begann an dem Arm seines Bruders zu zerren, stieß eine lästerliche Verwünschung aus, sein Kopf ruckte herum und er sah die Silhouette des Kopfgeldjägers, der sich erhoben hatte und dessen Gestalt sich deutlich gegen das Fenster im Hintergrund abhob.

»Du dreckiger Bastard!«, spuckte er regelrecht in die Dunkelheit hinein. »Dafür werden wir dir…«

»Gar nichts werdet ihr!«, schnitt ihm McQuade barsch das Wort ab. »Steht auf! Wir gehen.«

»Du musst uns schon aus dem Zimmer tragen!«, keifte Cash Dodson. Er schäumte vor Wut. Sie würgte ihn geradezu. Sein Atem ging pfeifend.

McQuade trat vor die beiden Brüder hin. Cash Dodsons Bein zuckte hoch, er versuchte dem Kopfgeldjäger den Fuß in den Leib zu rammen. Durch eine geschickte Körperdrehung wich McQuade dem gemeinen Tritt aus, er schlug mit dem Gewehr zu und traf Cash Dodsons Schienbein. Der Bursche brüllte gequält auf. Sein Bein fiel kraftlos auf den Boden. Und dann war nur noch sein Wimmern zu hören. Der Schmerz von dem Schlag musste überwältigend sein.

McQuade nahm das Gewehr blitzschnell mit beiden Händen, repetierte und drückte die Mündung gegen Cash Dodsons Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich euch tragen muss, mein Freund. Euer Vater wird morgen Früh um sechs Uhr am Hals aufgehängt. Ich wollt doch sicher nicht, dass er euch mit seinem letzten Gedanken verflucht, weil er annehmen muss, dass ihr die Schwänze eingezogen habt.«

»Dad weiß, dass wir…«

Es war Brad Dodson, der jüngere der beiden Brüder, der diese Worte hervorpresste. McQuade unterbrach ihn hart und ungeduldig: »Euer Vater wird nur wissen, dass er tot sein wird, und dass seine Söhne ihn schmählich am Strick krepieren lassen. Hoch mit euch jetzt! Langsam verliere ich die Geduld.«

In seiner Stimme lag zuletzt ein gefährlicher Unterton.

»Du willst uns also ins Gefängnis schaffen«, stellte Cash Dodson fest, dessen Schienbein nicht mehr so unerträglich schmerzte. Seine Stimme klang belegt, fast heiser.

»So ist es.«

Brad Dodson stieß scharf die verbrauchte Luft durch die Nase aus und sagte: »Dad könnte in der Tat denken, dass wir kalte Füße bekommen haben. Ich will nicht, dass er uns für feige Versager hält, wenn sie ihn morgen Früh zum Galgen führen.« Der Bursche erhob sich und zerrte an der Kette, die ihn an seinen Bruder fesselte. »Steh auf, Cash. Wir haben McQuade unterschätzt. Steh auf. Dad soll wissen, dass wir nicht in der Lage sind, ihm zu helfen. Hoch mit dir, Bruder. Wir müssen der Realität ins Auge blicken.«

Cash Dodson kämpfte sich auf die Beine. »Ihr werdet unseren Vater hängen, McQuade. Doch denk dran, was wir geschworen haben. Wir werden den Schwur, den Dad abgelegt hat, erfüllen. Und denk nur nicht, dass wir dich mit einer schnellen Kugel über den Jordan schicken werden. Wir werden dir die Haut streifenweise abziehen. Du wirst den Tag verfluchen, an dem dich deine Mutter geboren hat.«

»Gehen wir!«, sagte McQuade und seine Stimme hatte den Klang brechenden Stahls. Er ging nicht auf die Drohungen des Burschen ein. Doch war ihm klar, dass er sich mit den Brüdern zwei Todfeinde geschaffen hatte. Cash Dodsons höllische Prophezeiung in den Ohren dirigierte er die beiden Kerle aus dem Zimmer.

*

Es war sechs Uhr zwanzig, als der Sheriff und zwei seiner Gehilfen das Office betraten. Ihre Gesichter waren ernst. Der Sheriff stellte seine Henrygun in den Gewehrschrank, strich sich mit einer fahrigen Geste über die Augen und richtete den Blick auf McQuade, der vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl saß und seinerseits den Ordnungshüter fragend musterte.

»Es ist vorbei«, murmelte der Sheriff. »Dodson bleibt eine Stunde hängen. Die beiden Kumpane der Brüder haben still gehalten. Ich werde den beiden Brüdern den Leichnam ihres Vaters überlassen. Wann werden Sie die Stadt verlassen, McQuade.«

»Innerhalb der nächsten Viertelstunde«, antwortete der Kopfgeldjäger. Er deutete mit einer knappen Geste auf den Packen Steckbriefe, der auf dem Schreibtisch lag. »Ich war so frei. Einen der Steckbriefe habe ich mir unter den Nagel gerissen.«

»Welchen?«

»Der Hombre heißt Nat Daniels. Er ist achthundert Dollar wert.«

»Ich weiß Bescheid«, knurrte der Sheriff. »Daniels hat einige Banken überfallen und einen Kassierer getötet. Erfolgreiche Jagd, McQuade. Und danke noch einmal für Ihren Einsatz in der vergangenen Nacht. Ohne Sie wären wohl in Tucson die Kugeln geflogen, und es wäre wohl auch eine Menge Blut geflossen.«

»Schon gut", murmelte McQuade, erhob sich, schritt zur Tür und öffnete sie. Ehe er ins Freie trat, sagte er über die Schulter: »Gibt es irgendwelche Hinweise auf den Verbleib von Nat Daniels?«

»Vor einigen Tagen kam mit der Postkutsche die Nachricht, dass er in Casa Grande gesehen wurde«, antwortete der Sheriff.

»Danke.« McQuade verließ das Office. Das gleißende Sonnenlicht blendete ihn für Bruchteile von Sekunden. Obwohl der Tag erst so richtig begann, war es schon sehr warm. Wie ein Magnet zog der Galgen den Blick des Kopfgeldjägers auf sich. Unter der Plattform, etwa zwei Fuß über dem Boden, hing die schlaffe Gestalt des Gerichteten. Man hatte ihm vor der Exekution einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt. Die Neugierigen standen noch in Gruppen beisammen und diskutierten.

Hank Dodson hatte den Tod sicherlich verdient. Dennoch verspürte McQuade beim Anblick des Gehängten ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Ein eisiger Hauch schien ihn zu streifen. Und wieder einmal fragte er sich, ob die Todesstrafe wirklich als Abschreckung diente. Wenn ja, wieso drifteten so viele Männer in die Gesetzlosigkeit ab?

McQuade spann den Gedanken weiter. Sicher, sagte er sich, ein Verurteilter geht in der Nacht vor seiner Hinrichtung durch ein Fegefeuer von würgender Angst und zermürbender Panik, aber dann stirbt er, und er findet seinen Frieden. In den Steinbrüchen von Yuma aber durchleidet ein Mann für viele Jahre die Hölle. Er ist dort gewissermaßen lebendig begraben. Man muss sich fragen, was die üblere Strafe ist…

Er begab sich zum Mietstall. Der Stallbursche half ihm, das Pferd zu satteln und zu zäumen. Als McQuade das Tier am Zaumzeug nahm, um es nach draußen zu führen, sagte der Stallmann grimmig: »Es hat sich herumgesprochen, dass dir die Dodson-Brüder blutige Rache geschworen haben. In ein oder zwei Stunden wird sie der Sheriff laufen lassen müssen. An deiner Stelle würde ich mir im Hinterkopf Augen wachsen lassen, McQuade.«

»Sicher, ich werde immer wieder mal einen Blick hinter mich werfen. Doch wenn es den beiden Brüdern gelingen sollte, mich zu erledigen, dann ist das mein Schicksal. Dagegen anschwimmen zu wollen wäre sinnlos.«

»Hast du denn gar keine Angst vor dem Tod?«

»Vor dem Tod nicht– vor dem Sterben ja.«

»Und dennoch forderst du tagtäglich das Schicksal heraus.«

»Für etwas muss ein Mann schließlich gut sein auf der Welt«, versetzte McQuade und zerrte das Pferd hinter sich her. »Im Übrigen kann man seinem Schicksal nicht entrinnen. Und über allem steht der Tod.«

Im Hof stieg der Texaner in den alten, gebrochenen Sattel, schnalzte mit der Zunge und trieb das Pferd an, indem er es leicht mit den Sporen kitzelte.

»Aus dir wird kaum ein Mensch klug, McQuade«, brabbelte der Stallmann im Selbstgespräch vor sich hin. »Ich weiß nur, dass Burschen wie du rar sind auf unserem Globus. Gott sei mit dir, Mannjäger.«

Das letzte Wort klang nicht abwertend oder verächtlich, sondern irgendwie respektvoll.

McQuade verließ Tucson nach Nordwesten. Er ritt auf der breiten Überlandstraße, die erst in Yuma endete. Sie war geschottert, der Schotter stammte aus den Steinbrüchen von Yuma, wo die Strafgefangenen im Staatsgefängnis das Gestein aus dem Fels schlagen und es zerkleinern mussten.

Der Schotter war festgefahren und von unzähligen Hufen festgestampft. In dunstiger Ferne waren die Berge der Picacho Mountains zu sehen. Der Himmel war ungetrübt, in den Büschen am Wegrand summten Bienen und Hummeln, Vögel zwitscherten.

McQuade wollte gegen Mittag des nächsten Tages Casa Grande erreichen. Yard um Yard trug ihn das Pferd der Stadt entgegen. Meistens erhoben sich zu beiden Seiten der Straße Hügel und Felsen, manches Mal führte sie auch über weitläufige Ebenen, die mit Kreosot, Ocotillos und einigen Kakteenarten bewachsen waren. Ab und zu kam McQuade ein Fuhrwerk entgegen. Einmal begegneten ihm drei Reiter.

Der Texaner ritt unverdrossen. Die Hitze nahm zu. Die Luft begann zu flirren, die Konturen verschwammen. Ein Hitzeschleier lag über dem Land und die Luft schien zu glühen.

Hin und wieder schaute McQuade hinter sich. Nichts deutete darauf hin, dass er verfolgt wurde. Dennoch blieb er wachsam und vorsichtig. Der Racheschwur der Dodson-Brüder hing wie ein Damoklesschwert über seinem Haupt. Er durfte die beiden Kerle und ihren Anhang nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Gegen Abend erreichte McQuade eine Relaisstation der Butterfield Overland Mail Company. Hütten und Ställe muteten windschief an, das Holz war alt und grau, in zwei Corrals tummelten sich über ein Dutzend Pferde. McQuade fragte den Stationer, ob er ein Bett im Gästehaus frei habe, und als dieser bejahte, erklärte der Kopfgeldjäger, dass er die Nacht über auf der Pferdewechselstation bleiben würde.

Mit der Dunkelheit kam ein Reiter auf der Station an. McQuade lag auf der Bunk im Gästehaus und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er hörte die Hufschläge, vernahm Stimmen, erhob sich und ging zum verstaubten Fenster. Wie es schien, kam der Reiter aus Richtung Tucson. McQuade hatte ihn nie vorher im Leben gesehen. Er war etwa sechs Fuß groß und mit einer schwarzen Hose, einem dunkelblauen Hemd und einer braunen Lederweste bekleidet, auf seinem Kopf saß ein grauer Hut. Als er sich jetzt vom Pferd schwang, konnte der Kopfgeldjäger erkennen, dass der Bursche den Revolver ziemlich tief geschnallt trug, in der Art, wie ihn Männer vom heißen Eisen zu tragen pflegten.

Gedankenvoll musterte McQuade den Ankömmling, der jetzt die Satteltaschen losschnallte, das Gewehr aus dem Scabbard zog, und steifbeinig in Richtung Gästehaus marschierte.

Die Flamme des Misstrauens in dem Texaner war entfacht. Er fragte sich, ob es sich bei dem Burschen um einen der Freunde der beiden Dodsons handelte, der ihn observierte und die Brüder entsprechend informierte. Das war nicht schwer, denn zwischen Yuma und Tucson verkehrten regelmäßig Postkutschen, die auch Post beförderten.

Misstrauisch zu sein war McQuade zur zweiten Natur geworden. Schon des Öfteren hatte ihm sein Misstrauen das Leben gerettet. Er sah den Burschen das Gästehaus ansteuern, entfernte sich vom Fenster und legte sich wieder auf das Bett.

Knarrend schwand die Tür auf. Sonnenlicht fiel in einer schrägen Bahn durch das Rechteck, und mit der gleißenden Helligkeit der Schatten des Burschen. Schließlich betrat er den Raum, warf die Tür zu und schoss McQuade einen intensiven Blick zu. Dann murmelte er einen Gruß. Auch der Texaner grüßte, schien sich aber nicht weiter für den Fremden zu interessieren. Der ging zu einem freien Bett, warf seine Satteltaschen darauf, nahm seinen Hut ab und legte ihn daneben. Er tat, als wäre McQuade gar nicht vorhanden.

*

Als McQuade am Morgen das Gästehaus verließ, schlief der Fremde noch. Der Tag hatte die Nacht noch nicht völlig vertrieben. Die Natur war jedoch bereits zum Leben erwacht. Und auch der Stationer war schon auf den Beinen. Er begab sich mit dem Texaner in den Stall, um ihm zu helfen, sein Pferd zu satteln.

»Hat der Mann, der gestern Abend nach mir auf der Station eintraf, irgendetwas gesprochen?«, fragte McQuade. »Hat er seinen Namen genannt?«

»Nichts«, antwortete der Stationer. »Er nannte mir weder seinen Namen, noch sagte er mir, woher er kommt oder was sein Ziel ist. Ich habe ihm auch keine Fragen gestellt. Der Hombre sieht nicht aus, als wäre mit ihm gut Kirschen zu essen.«

Als das Pferd gesattelt und gezäumt war, ritt McQuade weiter. Nachdem er von der Station aus nicht mehr zu sehen war, lenkte er das Tier zwischen die Hügel. Bei einigen mehrere Yard hohen Ocotillos saß er ab, band das Pferd an einen der stachligen Äste und zog das Gewehr aus dem Scabbard.

McQuades Geduld wurde auf keine sehr lange Probe gestellt. Nach nicht mal einer halben Stunde kam der Mann, der zusammen mit ihm, McQuade, die Nacht auf der Pferdewechselstation verbrachte. Ahnungslos, dass McQuade ihn beobachtete, zog er vorüber und verschwand schließlich aus dem Blickfeld des Kopfgeldjägers.

McQuade ritt zur Station zurück. Vor dem Stationsgebäude ließ er sich aus dem Sattel gleiten. Die Gestalt des Stationers füllte das Türrechteck aus. »Haben Sie etwas vergessen?« Er hatte den Kopf schief gelegt und fixierte den Texaner mit fragendem Blick.

»Ich denke, dass ich von dem Burschen verfolgt werde, der gestern nach mir angekommen ist und die Nacht hier verbracht hat. Äußerte er irgendetwas, ehe er vorhin die Station verließ?«

»Nein. Er übergab mir lediglich einen Brief und bat mich, ihn mit der nächsten Kutsche nach Tucson zu schicken.«

»An wen ist der Brief gerichtet?«

»An einen Mann namens Cash Dodson.«

Also doch!, durchfuhr es McQuade. Laut sagte er: »Vielen Dank, Sir. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis drei Kerle hier auftauchen. Zwei von ihnen sind Brüder. Cash und Brad Dodson. Bestellen Sie ihnen, dass ich in Casa Grande auf sie warte.«

Der Stationer griff sich an die Stirn. »Dodson!«, stieß er hervor. »Natürlich! Wurde nicht gestern Morgen ein Bandit namens Dodson in Tucson gehängt?«

»Das war der Vater der beiden Brüder. Weil ich ihren Vater an das Gesetz ausgeliefert habe, möchten mir die beiden eine blutige Rechnung präsentieren. Bestellen Sie es den Brüdern: Ich warte in Casa Grande auf sie.«

»Sollten sie hier aufkreuzen, werde ich es ihnen ausrichten. Darf ich Ihren Namen wissen, Mister?«

»McQuade.«

»Der Kopfgeldjäger?«

»Sie haben schon von mir gehört?«

»Ja. Einer der Kutscher erzählte mal von Ihnen. Okay, McQuade. Sollten die Dodsons auf die Station kommen, schicke ich sie nach Casa Grande.«

McQuade kletterte aufs Pferd, zog das Tier um die linke Hand, ruckte im Sattel und gab ihm den Kopf frei. Schon nach wenigen Schritten verfiel der Vierbeiner in raumgreifenden Galopp. Der Texaner verließ die Straße und ritt parallel zu ihr durch die Wildnis. Das Gelände stieg an, es ging über den Picacho Pass, um McQuade herum war die schweigende Welt der Picacho Mountains; bizarre Sandsteinfelsen, Schluchten voller Geröll, Sand- und Geröllhänge, staubige Ebenen und Mulden.

Nördlich des Passes fiel das Gelände wieder ab. McQuade war überzeugt davon, seinen Verfolger überholt zu haben. Er lenkte das Pferd nach Westen und erreichte schon nach wenigen Minuten die Straße, der er folgte. Als er über eine Bodenwelle ritt, sah er vor sich eine Ansammlung von Hütten und Häusern, die ohne jede bauliche Ordnung zu beiden Seiten der Straße errichtet worden waren. Ein Stück abseits befand sich eine kleine Kirche mit einem spitzen Glockenturm aus Holz, um sie herum war ein kleiner Friedhof angelegt, der von einem Staketenzaun begrenzt wurde. Hinter den Häusern weidete das Nutzvieh der Stadtbewohner auf Koppeln und in Corrals.

Am Ortseingang war an einen Pfahl ein Holzschild genagelt, auf das der Name der Stadt gepinselt war: Eloy!

Wie ausgestorben lag der Ort vor dem Blick des Kopfgeldjägers. Die Menschen hatten vor der Hitze Zuflucht in der Kühle ihrer Behausungen gesucht. Lediglich eine graue Katze strich über die Straße und verschwand unter einem Vorbau.

McQuade zügelte bei einem Tränketrog das Pferd und saß ab. Ein schneller Blick in die Runde zeigte ihm, dass sein Einzug in die Stadt so manchem der Bürger nicht verborgen geblieben war, denn hinter den Fensterscheiben waren hier und dort die hellen Kleckse von Gesichtern wahrzunehmen.

Während das Pferd soff, wusch sich McQuade Staub und Schweiß aus dem Gesicht, trocknete sich mit dem Halstuch ab, und als auch sein Pferd seinen Durst gelöscht hatte, führte er es schräg über die Straße auf ein Gebäude zu, auf dessen Vorbaudach ein großes Schild befestigt war, auf das mit großen Lettern 'Saloon' geschrieben war.

Der Kopfgeldjäger leinte das Tier an den Haltebalken, nahm das Gewehr und ging hinein. Der Schankraum war verwaist. Stickige Luft schlug McQuade entgegen. Seine Schritte weckten auf den Fußbodendielen ein hämmerndes Echo, als er zum Tresen marschierte. Eine Tür hinter dem Tresen ging auf, ein mittelgroßer Mann ließ sich blicken. »Womit kann ich Ihnen dienen, Fremder?«

»Gehört zum Saloon ein Stall?«, fragte McQuade.

»Ja.«

»Ich möchte mein Pferd einstellen.«

»Sie brauchen sich nicht darum zu kümmern.« Der Salooner drehte sich um, zog die Tür noch einmal auf und brüllte: »Jessy, am Haltebalken steht ein Gaul! Hole ihn von der Straße und bringe ihn in den Stall.«

Eine helle Stimme antwortete irgendetwas, das McQuade nicht verstehen konnte. Der Salooner wandte sich ihm wieder zu. »Möchten Sie auch etwas trinken oder essen?«

»Nur ein Glas Wasser«, erklärte der Texaner. »Wahrscheinlich esse ich später etwas. Zunächst aber…«

Er brach ab und ging zu einem Tisch beim großen Frontfenster, an dem er sich niederließ. Der Salooner brachte ihm einen Krug voll Wasser. »Warten sie auf jemand?«, fragte er.

»Sieht es so aus?«

Das Gesicht des Salooners verschloss sich, aber er stellte keine weiteren Fragen und wandte sich ab.

Ein Halbwüchsiger holte McQuades Pferd vom Hitchrack.

Der Kopfgeldjäger drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und inhalierte tief den würzigen Rauch.

Nach einer Viertelstunde etwa zog der Reiter, auf den McQuade wartete, in sein Blickfeld. Ein entschlossener Ausdruck kerbte sich in die Mundwinkel des Texaners. Er erhob sich, schnappte sich das Gewehr und ging zur Tür, drückte die Türflügel mit seinem Körper auseinander, und während die Batwings knarrend und quietschend hinter ihm ausschlugen, ging er bis zum Vorbaugeländer. »Heh, Hombre!«

Der Reiter, der den Saloon schon passiert hatte, parierte sein Pferd, saß sekundenlang still, und es war, als lauschte er den beiden Worten hinterher. Schließlich drehte er den Oberkörper halb herum, stützte den linken Arm auf die Kruppe des Pferdes und rief: »Meinst du mich?«

Er zeigte nicht die Spur von Überraschung. Nur in seinen Augen blitzte es verräterisch auf, und dann war nur noch ein abwartendes, verhaltenes Lauern in ihnen zu lesen.

»Von wo aus wolltest du den nächsten Brief an Cash Dodson schicken, Hombre?«, fragte McQuade mit einem Anflug von Ironie im Tonfall.

Das Gesicht des Reiters verkniff sich. Seine Lippen wurden schmal und bildeten nur noch einen blutleeren Strich. Und dann sprang er vom Pferd. Er machte drei Schritte auf McQuade zu, seine Rechte legte sich auf den Knauf des Revolvers und umklammerte ihn, seine Lippen sprangen auseinander, als er klirrend rief: »Hast du irgendein Problem mit mir, McQuade?«

»Woher weißt du denn meinen Namen?«

Die Nasenlöcher des Burschen blähten sich etwas. Irritiert blinzelte er. Er begriff, dass er einen Fehler gemacht hatte. Ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden nahm er die Beine etwas auseinander und beugte den Oberkörper leicht nach vorn, als suchte er festen Stand.

»Okay, McQuade«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Mein Name ist Warren– Steve Warren. Ich bin mit den Dodsons nach Tucson gekommen, um deren alten Herrn vor dem Strick zu retten. Du hast uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dir ist doch hoffentlich klar, dass dein Schicksal besiegelt ist. Die Brüder werden dich jagen, dass dir die Zunge zum Hals heraushängt, wenn es sein muss, bis zum Nordpol. Und am Ende töten sie dich.«

»Deine Haltung ist die eines Mannes, der den Dodson gerne einen Gefallen erweisen würde«, murmelte McQuade. Er hielt das Gewehr mit beiden Händen. Die Mündung wies schräg zu Boden. Obwohl der Kopfgeldjäger in keiner Weise angespannt wirkte, ging von ihm dennoch eine kalte Bereitschaft aus.

»Ich schieße mich nicht mit dir«, gab Warren zu verstehen, nahm die Hand vom Revolver und ließ die Schultern sinken. »Die beiden Dodsons möchten deinen Skalp. Ich weise ihnen lediglich den Weg zu dir.«

Warren wandte sich ab, ging zu seinem Pferd, legte die Linke auf den Sattelknauf und– zog mit der Rechten den Colt.

Es war eine Finte.

Er wollte McQuade auf niederträchtige, heimtückische Art und Weise hereinlegen.

In dem Moment, als Warrens Revolver hochschwang, hatte McQuade repetiert und das Gewehr an die Hüfte gerissen. Er schaute in die Mündung des Sechsschüssers, sah darüber das verzerrte Gesicht Warrens und drückte ab. Der Knall stieß auseinander und prallte gegen die Häuserfronten, Warren wurde gegen sein Pferd geworfen. Sein Mund klaffte auf, seine Hand mit dem Schießeisen sank nach unten. Wie im letzten Reflex seines Lebens krümmte er den Finger. Die Kugel fuhr vor seinen Stiefelspitzen in den Boden. Pulverdampf wölkte. Der Mann brach zusammen. Er schlug in den Staub, als das letzte Echo des trockenen Wummerns über den Dächern zerflatterte.

*

Auf dem letzten Stück des Weges nach Casa Grande begegnete McQuade die Expresskutsche der Butterfield Overland Mail Company. Die rot gestrichene Concord wurde von sechs kräftigen Pferden gezogen. Auf dem Bock saßen zwei Männer; der Kutscher und ein bewaffneter Begleiter. Die Peitsche knallte, mit heiserem Geschrei feuerte der Kutscher die Zugtiere an, die Hufe trommelten, die Stagecoach holperte, schlingerte und rumpelte.

Das Gespann raste an McQuade vorbei. Wenn es dieses Tempo beibehielt, dann konnte es in fünf oder sechs Stunden in Tucson sein, zumal jenseits des Passes die Pferde ausgewechselt wurden. In Tucson würde der Kutscher im Post Office den Brief für Cash Dodson hinterlegen, und der würde wahrscheinlich schon auf eine Nachricht von Steve Warren warten. Wenn die Brüder und ihr Kumpan keine Zeit verloren, konnte sie am Morgen des übernächsten Tages in Casa Grande sein.

McQuade wollte Ort und Zeit des Aufeinandertreffens bestimmen. Es verschaffte ihm einen Vorteil, den er auf jeden Fall nutzen wollte, da seine Gegner in dreifacher Überzahl waren.

Als die Sonne fast senkrecht über dem Land stand, erreichte McQuade Casa Grande. Bei dem Ort handelte es sich auch um ein übles, lasterhaftes Nest an der Überlandstraße, in der sich Abenteurer der verschiedensten Couleur ein Stelldichein gaben. McQuade spürte sofort die düstere Ausstrahlung der Stadt, als er sie betrat. Es waren böse Impulse, die ihn wie fauliger Atem berührten und ihm ein Gefühl von Unbehaglichkeit vermittelten.

In Casa Grande gab es einen Town Marshal. Ihn suchte der Kopfgeldjäger auf. Bei dem Ordnungshüter handelte es sich um einen großen, hageren Mann um die vierzig. Seine Haare waren dunkelblond, ein riesiger Schnurrbart verdeckte seinen Mund, seine braunen Augen blickten durchdringend. Eine Narbe, die von seinem linken Auge bis zum Nasenflügel reichte, entstellte das knochige Gesicht.

McQuade stellte sich vor, dann holte er den Steckbrief von Nat Daniels, den er dem Packen im Office des Sheriffs von Tucson entnommen hatte, aus der Manteltasche, faltete ihn auseinander und hielt ihn dem Marshal hin. »Daniels soll vor einiger Zeit hier in Casa Grande gesehen worden sein«, sagte McQuade.

Der Gesetzeshüter warf einen Blick auf das Fahndungsblatt, nickte und erwiderte: »Yeah, er war hier. Das ist neun oder zehn Tage her. Jemand verständigte mich, dass er sich im Red Bull Saloon aufhält. Aber der Schuft muss Lunte gerochen haben. Als ich in den Saloon kam, war er fort. Es stellte sich heraus, dass er nach Norden geflohen ist. Ein Aufgebot folgte ihm. Irgendwo zwischen Casa Grande und Maricopa holte es den Banditen ein. Es kam zu einer Schießerei. Zwei Männer des Aufgebots starben, zwei weitere wurden verwundet. Daniels entkam. Aber auch er muss ein Stück Blei abbekommen haben. Es gab Blutspuren. Allerdings verloren sie sich am Santa Rosa Wash.«

»Und Daniels ist seitdem nicht wieder in Erscheinung getreten?«

»Nein. Es ist, als hätte ihn die Erde verschluckt.« Der Marshal gab McQuade den Steckbrief zurück. Der Kopfgeldjäger faltete ihn wieder zusammen und steckte ihn ein.

»Gibt es jenseits des Santa Rosa Wash eine Stadt?«

»Die nächste größere Town ist Gila Bend. Die Stadt ist vierzig Meilen entfernt. Warum fragen Sie?«

»Wenn Daniels verwundet wurde, ist er vielleicht auf die Hilfe eines Arztes angewiesen. Und Ärzte findet man nur in den größeren Städten.«

Der Marshal kaute auf seiner Unterlippe herum. »Da mögen Sie recht haben. Aber um nach Gila Bend zu gelangen, musste Daniels durch die Maricopa Berge. Wenn er wirklich so schlimm verwundet wurde, dass er einen Arzt in Anspruch nehmen musste, dann schaffte er diesen Trail auf keinen Fall. Möglicherweise liegt er irgendwo draußen in der Wildnis und die Aasfresser streiten sich um seine sterblichen Überreste.«

»Kann mich jemand zu der Stelle führen, an der das Aufgebot die Spur des Banditen verloren hat?«

Der Marshal legte die Stirn in Falten. »Aus welchem Grund jagen Sie Daniels? Ist er persönlicher Natur, oder sind Sie ein Staatenreiter, oder geht es Ihnen um die Prämie?«

»Er ist ein Bankräuber und Mörder«, erklärte McQuade grollend. »Dem Gesetz ist es nicht gelungen, ihn zur Verantwortung zu ziehen. Aber einem wie ihm muss das blutige Handwerk gelegt werden. Das ist der Grund, Marshal.«

Der Ordnungshüter verzog den Mund. »Ist das Ihre Rechtfertigung dafür, dass Sie Männer für Geld jagen und töten?« Es klang ziemlich geringschätzig, um nicht zu sagen verächtlich.

McQuades Gesicht wurde kantig. »Ihre Meinung interessiert mich nicht, Marshal. Denken Sie über mich, was Sie wollen.«

Die Rechte des Town Marshals wischte durch die Luft. »War nicht so gemeint, McQuade. Ich habe einige dieser Prämienjäger kennen gelernt. Es waren in der Regel verkommene Subjekte, die oftmals skrupelloser und niederträchtiger waren als die Kerle, die sie jagten. Sie gehörten zu jener Gilde, die zuerst schießt und dann die Fragen stellt.«

McQuade zuckte mit den Achseln. »Das ist so. Es gibt gute Zeitgenossen, und es gibt schlechte. Welcher Berufsstand auch immer: Es gibt immer eine Spreu, und es gibt den Weizen.«

»Ja, ja, genauso ist es, McQuade. Nichts für ungut.– Ich sage Will Howard Bescheid. Er wird Sie zum Fluss führen, wo die Spur Daniels' endete.«

»Howard findet mich im Saloon gleich neben dem Mietstall.«

»Das ist der Rattlesnake Saloon«, bemerkte der Marshal.

McQuade ging zur Tür. Ehe er das Office verließ, drehte er sich noch einmal halb herum und sagte: »Spätestens übermorgen Mittag werden drei Hombres in Casa Grande antanzen. Sie werden sich nach mir erkundigen. Bestellen sie dem Trio von mir, dass ich in die Stadt zurückkehren werde.«

Die Miene des Marshal verfinsterte sich. Sein Blick wurde stechend. »Was hat es mit den dreien auf sich, McQuade? Bringen Sie etwa Verdruss nach Casa Grande?«

»Yeah. Sie wollen mir das Licht ausblasen. Es ist der Racheschwur eines Gehängten. Seine Söhne wollen ihn erfüllen. Ich habe versprochen, hier in Casa Grande auf sie zu warten.«

Der Marshal schnappte nach Luft, als würde er unter einer jähen Atemnot leiden. Er musste zweimal ansetzen, dann brach es aus ihm heraus: »Gehen Sie zum Teufel, McQuade. Ich muss mich in diesem elenden Nest mit genug Pack herumschlagen. Darum dulde ich nicht, dass Casa Grande zum Schauplatz einer blutigen Abrechnung wird und dass hier heißes Blei durch die Gegend fliegt. Bleiben Sie der Stadt fern, McQuade. Reiten Sie zum Santa Rosa Wash, durchkämmen sie die Berge auf der Suche nach Daniels, aber kehren Sie nicht nach Casa Grande zurück.«

McQuade blieb gelassen. »Ich kann Ihnen nichts versprechen, Marshal. Es wird sich ergeben. Ich werde es nicht sein, der in Ihrer Stadt für Furore sorgt. Sollte ich nach Casa Grande zurückkehren und die Dodsons stellen sich mir in den Weg, um den Racheschwur ihres Vaters zu erfüllen, werde ich von meinem Notwehrrecht Gebrauch machen.«

Der Marshal atmete tief durch. Es war deutlich: Er hatte eine scharfe Erwiderung auf den Lippen, würgte sie jedoch hinunter und schwieg. Sekundenlang starrten sich die beiden Männer an. Ein stummes Duell, das der Mann mit den stärkeren Nerven gewann. Der Blick des Marshals irrte ab. McQuade verließ das Office.

*

Sie ritten ungefähr fünf Meilen nach Nordwesten, dann verhielten sie am Ufer des Santa Rosa Wash. Der Bursche, der McQuade hierher geführt hatte, zeigte ihm die dunklen Punkte auf einem Stein am Flussufer und sagte: »Das waren Blutstropfen, McQuade. Jetzt sehen sie nur noch aus wie rostige Flecke. Hier muss Daniels in den Fluss geritten sein, und das Wasser hat seine Spur ausgelöscht.«

McQuade ließ seinen forschenden Blick über das Terrain jenseits des Creeks gleiten. Hügel und Felsen, karge Vegetation, Geröll- und Sandfelder… Ein menschenfeindliches Gebiet, das sogar die Apachen mieden. Die Aussage, dass die Apachen ihr Leben selbst dort noch fristeten, wo Schlangen und Eidechsen keine Chance mehr hatten, verlor in diesem Landstrich seine Gültigkeit.

»Wie kommt man nach Gila Bend?«, fragte McQuade den Burschen.

»Von Casa Grande aus führt die Straße hin«, antwortete Will Howard. »Wenn Sie von hier aus nach Gila Bend möchten, müssen Sie kerzengerade nach Westen reiten. Vierzig Meilen, McQuade. Vierzig Meilen durch die Hölle.«

»Was ist nördlich von hier?«, fragte der Kopfgeldjäger.

»Nach etwa zehn Meilen erreichen sie Maricopa. Den Fluss hinauf gibt es einige Farmen.«

»Hat Maricopa einen Arzt?«

»Nicht dass ich wüsste.«

»In Ordnung«, murmelte McQuade. »Du kannst nach Casa Grande zurückreiten. Vielen Dank.«

Kurz darauf war McQuade allein. Er überquerte den Creek und suchte auf der anderen Seite nach Spuren. Fakt war, dass Daniels eine Verwundung davongetragen hatte. Wie schwer er verwundet war, wusste McQuade nicht. Auf die Straße konnte er sich nicht wagen, weil er annehmen musste, dass der Town Marshal von Casa Grande einige Leute aussenden würde, die sie überwachten. Durch die Wildnis vierzig Meilen bis Gila Bend zu reiten war der Bandit wegen seiner Verwundung möglicherweise nicht in der Lage. Also blieb ihm nur der Weg nach Norden.

Es war eine Spekulation. Dessen war sich McQuade im Klaren. Aber er musste sich für eine Richtung entscheiden. Und er entschied sich, dem Creek zu folgen.

Das Pferd stapfte am Ufersaum entlang. Der Fluss führte nur wenig Wasser. Es brach sich an Felsbrocken, die auf dem Flussgrund lagen und die nicht mehr vom Wasser überspült wurden.

Nach etwa zwei Stunden stellte McQuade fest, dass das Land fruchtbarer wurde. Zu beiden Seiten des Flusses wuchs Gras, das Ufergebüsch verdichtete sich, hier und dort erhob sich ein Baum im Gelände, und in der Ferne waren sogar bewaldete Hügel auszumachen.

Und dann erreichte McQuade einen Stacheldrahtzaun. Dahinter sah er Felder; Mais und Weizen, soweit das Auge reichte. Er ritt am Zaun entlang nach Westen, und als der Zaun einen Knick nach Norden machte, bog auch McQuade ab. Erste Rudel von Rindern begegneten ihm. Sie grasten. Hin und wieder muhte eine Kuh oder blökte ein Kalb. McQuade ritt am Zaun entlang und stieß auf einen Weg, der nach Westen führte. Nach Osten hin, auf das Gebiet der Farm also, endete er an einem Gatter. Der Farmer, dem die Felder bis zum Fluss gehörten, hatte seinen Besitz gegen die Rinder, die westlich des Farmlandes auf der Weide standen, gut abgesichert.

Das Gatter ließ sich problemlos öffnen. Der Kopfgeldjäger ritt zwischen den Feldern hindurch. Weit vor sich sah er einige alte Pappeln, die am Ufer des Flusses wuchsen. Und dann konnte er die Gebäude der Farm ausmachen.

Plötzlich wurde McQuade angerufen: »Stopp! Was haben Sie auf meinem Land zu suchen, Mister?«

Es knackte metallisch, als ein Gewehr repetiert wurde.

McQuades Wirbelsäule versteifte. Er parierte das Pferd, zog es herum und sah einen Mann mit einem Gewehr im Anschlag vor der Front eines Maisfeldes stehen. McQuade schätzte ihn auf Ende dreißig.

Der Kopfgeldjäger hob die rechte Hand und zeigte die Handfläche. »Nur ruhig, Mister. Ich habe lediglich eine Frage an Sie. Es geht um Nat Daniels, einen Mörder und Bankräuber. Vor etwa anderthalb Wochen entkam er einem Aufgebot aus Casa Grande. Allerdings wurde er verwundet. Ich nehme an…«

McQuade stutzte. Ihm entging nicht die jähe Rastlosigkeit im Gesicht des Farmers. Der Blick des Texaners wurde zwingend, er übte regelrecht Druck auf den Mann aus. »Was ist los?«, knurrte McQuade. »Wissen Sie etwas über den Verbleib dieses Mannes?«

Der Farmer schien mit sich zu kämpfen. Das stand ihm deutlich auf die Stirn geschrieben. Plötzlich stieß er hervor: »Wer sind Sie?«

»Einer, der Halunken wie Daniela jagt und an das Gesetz ausliefert. Reden Sie Mann, was bedrückt Sie?«

McQuade ahnte, dass er das Ende der Fährte erreicht hatte. Sein Instinkt hatte ihn wieder einmal richtig geleitet.

Der Farmer senkte das Gewehr. »Daniels hatte eine Kugel in der rechten Brust. Ich fand ihn und brachte ihn auf die Farm. Meine Frau holte ihm das Geschoss heraus. Ich hatte keine Ahnung, um wen es sich handelte. Nach drei Tagen war er über den Berg. Jetzt sind meine Frau und meine beiden Kinder seine Geiseln. Er hat gedroht, sie zu erschießen, wenn jemand auf der Farm erscheint, der nicht dorthin gehört. Denn dann– so meinte er -, müsse er davon ausgehen, dass ich ihn verraten habe.«

»Okay«, sagte McQuade. »Ihrer Frau und Ihren Kindern wird nichts geschehen. Wir beide sind ungefähr gleich groß. Ich möchte, dass Sie mit mir die Kleidung tauschen.«

Der Farmer starrte McQuade an, als hätte dieser vollkommenen Unsinn von sich gegeben. Dann aber huschte der Schimmer des Begreifens über seine Züge…

*

McQuade trug die blaue, ausgewaschene Arbeitshose des Farmers, dessen rot und weiß kariertes Hemd, auf seinem Kopf saß ein verbeulter Calgary Hut. In der linken Hand hielt er das Gewehr, sein Revolver steckte auf seinem Rücken im Hosenbund.

Den Hut hatte er sich tief in die Stirn gedrückt. Von seinem Gesicht war nur der untere Teil zu erkennen.

McQuade betrat das Haus. Er befand sich in der Küche. Es war düster, denn durch das kleine Fenster fiel nur wenig Tageslicht. Am Herd stand die Farmersfrau. Die beiden Kinder saßen am Tisch. Sie waren um die zwölf Jahre alt, es handelte sich um zwei Mädchen. An der Wand rechts von der Tür stand ein Bett. In ihm saß mehr als er lag Nat Daniels. Sein Oberkörper war nackt, um seine Brust wand sich ein weißer Verband. Der Bandit war bleich, der Blutverlust hatte ihn ziemlich geschwächt. Jetzt hob er die Hand mit dem Revolver, die auf der Bettdecke gelegen hatte und zielte auf McQuade. »Habe ich dir nicht befohlen, aufzupassen, dass niemand auf die Farm kommt?«, schnappte er. »Was also hast du im Haus zu suchen?«

Der Kopfgeldjäger fackelte nicht. »Warte«, sagte er, »ich will dir etwas zeigen.« Er griff hinter seinen Rücken, und dann ging alles blitzschnell. Der Texaner ließ sich auf die Knie fallen. Daniels zog durch, konnte sich aber nicht mehr auf das so jäh veränderte Ziel einstellen. Seine Kugel pfiff über McQuades Kopf hinweg. Zu einem zweiten Schuss kam er nicht mehr. McQuades Revolver donnerte. Im Raum hörte es sich an wie das Explodieren einer Granate. Der Bandit wurde zurückgeworfen. Seine Hand mit dem Revolver fiel auf die Bettdecke, rutschte zur Seite und die Waffe polterte auf den Fußboden. Pulverdampf zog träge zu dem kleinen Fenster. Die Frau und die beiden Mädchen waren starr vor Schreck.

McQuade ging hinaus in den Hof. Der Farmer kam hinter einem Schuppen hervor. Als er den Kopfgeldjäger sah, atmete er erleichtert auf. McQuade sagte: »Kümmern Sie sich um Ihre Frau und Ihre Kinder. Ihnen wurde kein Haar gekrümmt. Daniels ist tot. Bringen Sie ihn nach Casa Grande und lassen Sie sich die Belohnung auszahlen, die auf ihn ausgesetzt ist. Ich denke, Sie haben genügend Ängste ausgestanden, so dass Sie ein Anrecht auf das Geld haben.«

»Aber…«

McQuade winkte ab. »Schon gut. Tauschen wir wieder unsere Klamotten.«