McQuade schießt - Der Kopfgeldjäger Teil 25-36 (Sammelband) - Pete Hackett - E-Book

McQuade schießt - Der Kopfgeldjäger Teil 25-36 (Sammelband) E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

McQuade, ein Mann aus Granit in einer beispiellos harten Zeit. Doch McQuade ist härter - und dies ist seine Saga. Ein epischer, packender Western von archaischer Kraft, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Dieses E-Book enthält 12 auch separat erschienenen Teile aus Pete Hacketts einzigartiger Western-Serie "Der Kopfgeldjäger", mit der es einem Autor erstmalig seit langer Zeit wieder gelang, die Epoche des Wilden Westens in ihrerer epischen Breite darzustellen. UMFANG: Mehr als 500 Normseiten! ÜBER DEN AUTOR: Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshall" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung." Hackett ist Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als e-book.

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Seitenzahl: 634

Veröffentlichungsjahr: 2014

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McQuade schießt

12 weitere Western von Pete Hackett

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956172298

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Über den Autor

Jeder Mann hat seinen Preis

Vom Fegefeuer in die Hölle

Zwischen den Fronten

Im Namen des Gesetzes

Sattelwölfe

Sechsunddreißig Stunden Galgenfrist

Jäger und Gejagter

Töten oder getötet werden

Tötet McQuade

Dämon der Vergangenheit

Yumas letzte Jagd

Auge um Auge …

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war– eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Jeder Mann hat seinen Preis

Die kleine Stadt hatte den Namen Cave Creek. Eine Ansammlung von Häusern mit falschen Fassaden, Schuppen, Ställen, Scheunen und Pferchen. Die Main Street war breit und morastig. In der Nacht hatte es geregnet. Von den Bäumen und Büschen tropfte noch das Wasser.

McQuade saß beim Tor des Mietstalles ab, nahm das Pferd am Zaumzeug und führte es über den Hof. Gray Wolf glitt lautlos neben dem Kopfgeldjäger her.

Im Stall war es düster. Die Luft war zum Schneiden. Der Geruch von Heu und Stroh vermischt mit Pferdeausdünstung schlug McQuade entgegen. Pferde stampften in den Boxen und prusteten. Der Stallmann war dabei, Heu in die Futterraufen zu stopfen. Er wandte sich McQuade zu und heftete seinen misstrauischen Blick sofort auf den grauen Wolfshund. »Ist dieses Ungetüm friedlich?«, blaffte er.

»Absolut«, antwortete McQuade und strich mit der linken Hand über Gray Wolfs Kopf. »Sie dürfen ihn nur nicht reizen.«

»Das habe ich bei Gott nicht vor«, erklärte der Stallbursche. Er war um die fünfzig und in seinem Gesicht wucherte ein wildes Bartgeflecht. Als er sprach, konnte der Texaner ein schadhaftes Gebiss sehen. Einige Zähne fehlten, bei den anderen handelte es sich um braune Stumpen. »Das Unterstellen des Pferdes kostet für den Tag fünfzig Cents. Für eine Woche verlange ich drei Dollar.«

»Ich habe keine Ahnung, wie lange ich in Cave Creek bleibe«, gab McQuade zu verstehen. Dann griff er in die Tasche seines braunen, zerschlissenen Staubmantels, holte ein zusammengelegtes, vergilbtes Blatt Papier heraus, faltete es auseinander und reichte es dem Stallmann. »Ist dieser Mann in der Stadt aufgetaucht?«, fragte der Kopfgeldjäger.

Der Stallbursche nahm den Steckbrief, schaute sich das Bild an und las dann halblaut: »Mort Brennan. Gesucht wegen Bankraubs und Mord. Fünfhundert Dollar…« Der Stallmann leckte sich über die Lippen. »Er kam vor drei Tagen hier an«, erklärte er dann. »Und er stieg sofort in den Sattel Big Jacks. Mir hat der Bursche gleich nicht gefallen. An ihm haftete der Geruch von Pulverdampf. Ich kann diese Sorte sehr gut von harmlosen Zeitgenossen unterscheiden.«

»Wer ist Big Jack?«, fragte McQuade.

»Big Jack Murdock! Ihm gehört die New River-Ranch. Sie liegt, wie der Name schon sagt, am New River. Murdock hat ein Problem mit Siedlern und Smallranchern. Darum beschäftigt er Leute, die keine Fragen stellen, die wenig oder keine Skrupel haben und die etwas fixer mit dem Sechsschüsser sind als der Durchschnitt.«

»Handelt es sich um eine große Ranch?«

»Umsonst hat man dem Namen Jack Murdock nicht die Bezeichnung Big vorangestellt. Murdock beschäftigt zwei Dutzend Weidereiter sowie eine Revolvermannschaft, die aus fünf zweibeinigen Wölfen besteht, und er besitzt wohl an die zehntausend Rinder. Cave Creek lebt in seinem Schatten. Sein Name ist in der Stadt und im Umland Gesetz. Wes Coleman, der Deputy, ist Sternträger von Big Jacks Gnaden.«

Der Stallbursche kratzte sich am Hals. »Sind Sie ein Staatenreiter? Ich sehe keinen Stern an ihrer Brust. Oder ist es eine persönliche Rechnung, die Sie mit Brennan zu begleichen haben?«

»Ich reite für das Gesetz«, knurrte McQuade. »Allerdings ohne Stern. Mich legitimieren die Steckbriefe.«

In den blauen Augen des Stallmannes blitzte es auf. »Ich verstehe. Sie jagen Männer der Prämie wegen. Warum nicht? Sie sehen aus wie ein Mann, der sich durchsetzen kann. Gewiss sind Sie hart und unbeugsam. Aber an Ihrer Stelle würde ich es mir dreimal überlegen, ob ich auf einen Hombre losgehe, dessen Name auf der Lohnliste Big Jacks steht. Murdock versteht in gewissen Dingen keinen Spaß. Er kann höllisch ungemütlich werden.«

McQuade winkte ab, schnallte seine Satteltaschen los, legte sie sich über die Schulter und zog die Henry Rifle aus dem Scabbard. »Wo finde ich die New River-Ranch?«

»Ich glaube nicht, dass Sie lange danach suchen müssen, Fremder. Heute ist Samstag, und die Mannschaft Big Jacks kommt– soweit die Kerle nicht zur Herdenwache eingeteilt sind -, in die Stadt. Big Jack selbst führt in der Regel die Horde an. Er wird von seinen Schnellschießern begleitet. Und in dem Haufen reitet seit drei Tagen dieser Mort Brennan. Er nennt sich hier übrigens Steve Morris.« Der Stallmann reichte dem Kopfgeldjäger den Steckbrief. McQuade faltete ihn zusammen und schob ihn in die Manteltasche.

»Danke«, sagte er. »Ich warte also bis zum Abend.« Mit dem letzten Wort schwang er herum und stiefelte in Richtung Tor. Gray Wolf, der sich auf den Mittelgang gelegt hatte und seine Läufe leckte, erhob sich und folgte ihm.

Der Stallmann rief: »In etwa zehn Stunden wird Big Jack mit seinen Kettenhunden aufkreuzen, Fremder. Es ist wohl so, dass Sie nur noch zehn Stunden zu leben haben, sollten Sie wirklich verrückt genug sein, auf Brennan loszugehen. Sie werden eine ganze Reihe höllisch fixer Eisen gegen sich haben.«

McQuade gab keine Antwort.

Er mietete sich im Hotel ein Zimmer, warf den schwarzen Stetson auf den Tisch, zog die schmutzigen Stiefel und den Mantel aus, hängte seinen Revolvergurt über eine Stuhllehne und legte sich aufs Bett. Die typischen Geräusche einer Kleinstadt drangen an McQuades Gehör. Hammerschläge, das Rumpeln von Fuhrwerken, Hundegebell, Kindergeschrei, Stimmen…

McQuade schlief ein. Als es gegen die Tür klopfte, schreckte er in die Höhe. Ahnungslos, wie lange er geschlafen hatte, setzte er sich auf und schwang die Beine vom Bett. »Wer ist da?«

Gray Wolf, der neben dem Bett auf dem Fußboden gelegen hatte, erhob sich, streckte seinen Körper und gähnte.

»Deputysheriff Wes Coleman.«

»Moment.« McQuade drückte sich hoch, legte sich den Revolvergurt um, rückte das Holster mit dem langläufigen, schweren Coltrevolver zurecht, schlüpfte in seine Stiefel und öffnete dann die Tür.

Der Mann, der vor ihm stand, war Mitte dreißig, blondhaarig, mittelgroß und schlaksig. An seiner Weste war ein funkelnder Sechszack befestigt. Er trug eine abgesägte Schrotflinte am langen Arm. An seinem rechten Oberschenkel hing das Holster mit dem Revolver.

McQuade ahnte, was den Deputy hergetrieben hatte. Doch er schwieg und musterte den Ordnungshüter fragend.

»Jorge hat mir erzählt, weshalb Sie nach Cave Creek gekommen sind«, begann Wes Coleman.

»Dann brauche ich es Ihnen ja nicht mehr erklären«, knurrte McQuade. »Sie haben doch nichts dagegen, dass ich in Ihrer Stadt einen Bankräuber und Mörder stelle, Deputy? Dem Gesetz ist es bislang nicht gelungen, ihm das Handwerk zu legen.«

Coleman verzog den Mund. »Sind Sie sich sicher, dass Steve Morris der Mann ist, den Sie jagen?«

»Handelt es sich bei Jorge um den Stallmann?«, kam McQuade Gegenfrage.

»Ja.«

»Nun, Jorge ist sich sicher, dass Morris und Brennan identisch sind.«

»Der Steckbrief von Brennan liegt bei mir im Schreibtischschub«, erklärte der Deputy. »Ich habe ihn mir angesehen. Und ich bin mir gar nicht sicher, dass es sich bei Morris um den gesuchten Banditen handelt.– Big Jack und seine Leute kommen heute Abend mit großer Wahrscheinlichkeit nach Cave Creek. Bei dieser Gelegenheit werde ich Morris ein paar Fragen stellen. Sie, McQuade, halten sich raus. Ich verbiete Ihnen, in meiner Stadt einen höllischen Reigen zu eröffnen. Und ich rate Ihnen, meine Warnung nicht in den Wind zu schlagen. Denn dann trete ich Ihnen gewaltig auf die Zehen.«

McQuade war nicht überrascht, weil der Deputy seinen Namen kannte. Schließlich hatte er ihn ins Gästebuch eingetragen, als er das Zimmer mietete.

»Haben wir uns verstanden?«, fragte Wes Coleman nach einer kurzen Pause.

»Sicher«, murmelte McQuade. »Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei Morris um Mort Brennan handelt, Deputy– was werden Sie dann tun?«

»Ich verhafte ihn, was sonst?«

*

Am späten Nachmittag begab sich McQuade in den Barber Shop. Er nahm ein heißes Bad, ließ sich den tagealten Bart abschaben und die Haare schneiden, dann ging er in den Mietstall, um nach seinem Pferd zu schauen. Gray Wolf wich ihm nicht von der Seite. Der Hund war ausschließlich auf seinen Herrn fixiert. Irgendwelche Straßenköter interessierten ihn nicht.

McQuade stellte fest, dass das Pferd gut versorgt wurde. Der Stallmann hatte es gestriegelt. In der Raufe war Heu, im Futtertrog Hafer.

Der Stallmann hockte auf der Futterkiste und las in einem abgegriffenen Buch. Auf seiner Nase saß eine randlose Brille. Er merkte sich die Seite ein, klappte das Buch zu und legte es auf die Kiste, nahm die Brille ab, drapierte sie daneben und erhob sich. »Der Deputy war da und hat mir im Hinblick auf Ihre Person ein paar Fragen gestellt. Ich habe ihm erzählt, was Sie nach Cave Creek verschlagen hat.«

»Schon gut, Jorge. Ich habe keine Ahnung, was ich von ihm halten soll. Sie haben mir erzählt, dass er eine Figur von Big Jacks Gnaden ist. Mir gegenüber trat er ziemlich sicher und resolut auf. Er hat vor, dem Burschen, der sich hier als Steve Morris ausgibt, einige Fragen zu stellen. Und das, obwohl Morris alias Brennan für Jack Murdock den Revolver schwingt.«

»Coleman ist gewiss nicht schlecht«, antwortete der Stallbursche. »Ja, er gibt sich Mühe, dem Stern gerecht zu werden. Big Jack lässt ihn gewähren. Ich sagte es schon: Die Stadt lebt im Schatten der New River-Ranch. Big Jack hat ihr seinen Stempel aufgedrückt. Sein Wort gilt. Und solange Coleman die Finger von ihm lässt, darf er sich wie die Verkörperung des Gesetzes in Cave Creek fühlen. Wenn er sich jedoch gegen Big Jack wendet, dann wird der ihn auf den Mond blasen. Das Abzeichen nötigt dem alten Querkopf sicher nicht den geringsten Respekt ab.«

McQuade verabschiedete sich. Er ging, begleitet von Gray Wolf, durch die Stadt und machte sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut. Am Stadtrand waren Corrals, Koppeln und Pferche, in denen die Nutztiere der Stadtbewohner untergebracht waren. Weit oben im Norden erhoben sich die zerklüfteten Gipfel der New River Mountains. Auch im Westen und Osten lagen einige Gebirgsketten im blauen Dunst. Graue Wolken zogen am Himmel. In Arizona regnete es nicht sehr oft. Die Sonne brannte die meiste Zeit des Jahres das Land aus und verlieh weiten Landstrichen einen wüstenähnlichen Charakter. Nach dem Regen in der vergangenen Nacht aber würde für zwei oder drei Tage eine vielfältige Blütenpracht entstehen.

McQuade setzte sich auf die Querstange eines Corrals, holte sein Rauchzeug aus der Manteltasche und drehte sich eine Zigarette. Dann rauchte er. Gray Wolf lag am Boden, den mächtigen Kopf zwischen die Pfoten gebettet. Im Westen färbte sich der Himmel rot und die Wolken vor dieser Kulisse schienen zu glühen. Manchmal riss die Wolkendecke auf und rötlicher Schein legte sich auf das Land.

Ferner, rumorender Hufschlag erreichte McQuades Gehör. Er näherte sich schnell, wurde deutlicher und rollte schließlich heran wie eine Brandungswelle, und dann erschienen auf dem Kamm einer Bodenwelle im Norden mehr als ein Dutzend Reiter. McQuade war sich sicher, dass es sich um Big Jack Murdock und seine Mannschaft handelte.

Das Rudel kam auf dem Weg, der in die Stadt führte. Die Reiter ließen die Tiere jetzt im Schritt gehen. In einiger Entfernung zogen sie an McQuade vorüber, ohne ihn zu beachten. Er hörte ihre Stimmen, das Pochen der Hufe, das Knarren der Sättel und das Klirren der Gebissketten. Der vordere Reiter war ein breitschultriger Mann um die fünfzig. Auf seinem kantigen Schädel saß ein grauer Hut, unter seiner Nase prangte ein dicker, dunkler Schnurrbart. Das musste Big Jack Murdock sein. Der Bursche, der neben ihm ritt, war höchstens halb so alt, dem Breitschultrigen aber wie aus dem Gesicht geschnitten. Es konnte sich nur um Big Jacks Sohn handeln.

McQuade sprang von der Fence und folgte langsam den Reitern. Sie sprangen vor dem Saloon aus den Sätteln, leinten die Pferde an den langen Holm und drängten in den Schankraum. Hinter dem letzten schlugen die Türflügel knarrend und quietschend aus.

McQuade setzte sich auf die Vorbaukante des Gebäudes auf der dem Saloon gegenüberliegenden Fahrbahnseite. Gray Wolf ließ sich auf die Hinterläufe nieder, die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul, mit runden, braunen Augen beobachtete er den Mann.

»Wir werden sehen, was kommt«, murmelte McQuade und kraulte den Wolfshund zwischen den Ohren. Gray Wolf fiepte leise.

Deputy Wes Coleman kam aus einer Passage zwischen zwei Gebäuden und überquerte in schräger Linie die Main Street. Sie war jetzt nicht mehr so schlammig wie am Vormittag, und das Regenwasser in den großen Pfützen war versickert.

Coleman schoss dem Texaner einen finsteren Blick zu, dann nahm er die fünf Stufen zum Vorbau des Saloons mit zwei Sätzen. Seine Absätze riefen ein trockenes Hämmern auf den Bohlen wach. Schließlich verschwand der Deputy im Schankraum.

McQuade erhob sich. »Go on, Partner.« Er und der Wolfshund überquerten die Fahrbahn, stiegen auf den Vorbau, betraten aber nicht den Saloon. McQuade lehnte sich neben der Eingangstür mit dem Rücken gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Gray Wolf legte sich auf die Bohlen. Im Saloon versickerten die Unterhaltungen. Sekundenlang herrschte eine fast lastende Stille, dann erklang eine schneidende Stimme: »Mein Name ist Morris, Deputy! Steve Morris. Wie kommen Sie darauf, dass ich ein anderer sein könnte?«

McQuade hatte den ersten Teil des Einsatzes Wes Colemans versäumt, indes er über die Straße stapfte. Aber das spielte keine Rolle. Er hörte den Ordnungshüter rufen:

»Ich habe mir das Konterfei auf dem Steckbrief genau angesehen. Es hat frappierende Ähnlichkeit mit Ihrem Gesicht, Morris. Niemand hier kennt Sie. Sie sind vor drei Tagen in Cave Creek angekommen und…«

»Schluss jetzt!«, polterte ein tiefer Bass. »Der Name dieses Mannes ist Steve Morris. Mit diesem Namen ist er auf meiner Lohnliste eingetragen. Basta! Spiel hier nur nicht den wilden Mann, Deputy. Und jetzt lass uns in Ruhe.«

»Dieser Mann könnte Mort Brennan sein, Big Jack!«, rief der Deputy eindringlich. »Brennan ist ein Mörder und auf seinen Kopf sind fünfhundert Dollar ausgesetzt. Sie…«

»Muss ich dich von meinen Männern auf die Straße werfen lassen, Coleman?«, fragte Big Jack drohend. »Du bettelst regelrecht darum.«

McQuade fand, dass die Zeit gekommen war, um einzuschreiten. Er löste die Arme aus der Verschränkung, stieß sich von der Wand ab, drückte mit seinem Körper die Batwings der Schwingtür auseinander, ließ Gray Wolf an sich vorbei und betrat dann den Schankraum.

Aller Augen richteten sich auf ihn.

»Er ist Mort Brennan!«, klirrte McQuades Stimme. »Brennan hat in Guadalupe die Bank überfallen und auf der Flucht einen Passanten erschossen. Sie werden sich doch nicht gegen das Gesetz stellen, Mr. Murdock?«

Die Männer von der New River-Ranch hatten drei der runden Tische belegt. McQuades Blick hatte sich an Mort Brennan verkrallt. Der Bandit war Anfang dreißig, dunkel und wirkte ausgesprochen geschmeidig. Die stechenden Blicke der anderen New River-Reiter hingen an dem Kopfgeldjäger.

Mort Brennan drückte sich am Tisch in die Höhe. Seine Lippen waren zusammengepresst und bildeten nur einen dünnen, blutleeren Strich in dem knochigen Gesicht. »Wer bist du?«

»Mein Name ist McQuade.«

»Ich habe von einem Bluthund namens McQuade gehört!«, stieß Brennan hervor. »Zur Hölle mit dir!«

Seine Rechte zuckte zum Revolver. Brennan wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Er redete nicht lange, sondern versuchte McQuade zu überrumpeln. Aber der Kopfgeldjäger war auf eine derartige Reaktion des Banditen eingestellt. Sein Zug war blitzschnell und glatt, und als Brennan das Eisen hochschwang und mit dem Daumen den Hahn spannte, donnerte schon der Sechsschüsser des Texaners.

Mort Brennan bäumte sich auf, der Revolver entfiel ihm, seine Hände verkrampften sich vor der Brust, er wankte, krümmte sich nach vorn und krachte auf den Tisch. Klirrend zerschellte ein Glas am Boden.

Vor McQuades Gesicht zerflatterte eine Pulverdampfwolke. Die Männer von der New River-Ranch rührten sich nicht. Wes Coleman, der Deputy, stand wie erstarrt auf dem Fleck und schaute verständnislos drein. Das alles schien sein Begriffsvermögen zu übersteigen.

Gray Wolf stand dicht neben McQuade, er hatte die Zähne gefletscht und knurrte. Instinktiv spürte das intelligente Tier die Gefahr, die von den Männern am Tisch ausging. Noch standen sie im Banne des Geschehenen. Doch das konnte sich von einem Augenblick zum anderen ändern.

Die Atmosphäre war angespannt. Es war, als wäre sie mit Elektrizität geladen. Jeden Moment konnte die Gewalt eskalieren.

McQuade behielt den Revolver in der Faust. »Auf seinem Steckbrief steht tot oder lebendig«, stieß er hervor. »Er hat sein Schicksal herausgefordert.«

Jetzt fiel die Erstarrung von dem Deputy. Wie von Schnüren gezogen ging er zum Tisch, nahm Brennans Arm und fühlte seinen Puls. Den Blick auf Big Jack gerichtet schüttelte er den Kopf. Dann konzentrierte er sich auf den Kopfgeldjäger und sagte: »Es handelt sich um Mort Brennan. Ich bin mir jetzt völlig sicher. Sie haben Anspruch auf die Prämie. Die Bankanweisung können Sie sich morgen Früh bei mir im Office abholen.«

McQuade nickte, ließ den Revolver einmal um den Zeigefinger rotieren und rammte ihn ins Holster. Dann schwang er herum und strebte dem Ausgang zu. Gray Wolf glitt hinter ihm her. Big Jacks Bass holte den Kopfgeldjäger ein. »Einen Augenblick, McQuade!«, rief der Rancher. »Warten Sie!« Seine Stimme klang befehlsgewohnt und duldete keinen Widerspruch. Es war eine Stimme, die es gewohnt war, zu loben und zu tadeln, die Stimme eines Mannes, der seinem Willen mit stählerner Hand Geltung zu verschaffen wusste.

McQuade hielt an und drehte den Kopf. Er sah die Gestalt des Ranchbosses in die Höhe wachsen. Murdocks Gesicht war verkniffen. »Was ist?«, fragte McQuade.

Big Jack Murdock ging um den Tisch herum und näherte sich dem Kopfgeldjäger. »Ich möchte mit Ihnen sprechen, McQuade.«

Jetzt drehte sich der Texaner zu dem Rancher herum. Murdock war nicht ganz so groß wie er, wog aber gut und gerne dreißig Pfund mehr. Seine Gestalt war vierschrötig, die Schultern drohten die Jacke zu sprengen. Dieser Bursche konnte wahrscheinlich einem Longhorn mit blanker Faust den Schädel einschlagen.

Big Jack wies auf einen freien Tisch. »Setzen wir uns.«

»Ich kann mir denken, was Sie mit mir besprechen möchten, Mr. Murdock«, knurrte McQuade. »Man hat mir von ihren Sorgen und Nöten berichtet und ich sehe eine Handvoll zweibeiniger Wölfe, die man wohl als Ihre Leibgarde bezeichnen kann. Sicher wird sich jemand finden, der Mort Brennans Stelle einnimmt. Mit mir können Sie jedenfalls nicht rechnen.«

Die Stirn des Ranchbosses hatte sich regelrecht umwölkt. »Sie sind ein Bursche nach meinem Geschmack, McQuade. Jeder Mann hat seinen Preis. Nennen Sie mir Ihren– und ich werde ihn zahlen.«

»Tut mir leid, Murdock. Ich vermiete meinen Revolver nicht.«

»Jeder Mann ist käuflich. Es ist nur eine Frage des Preises. Auch Sie, McQuade. Also…«

»Keine Chance, Murdock. Jedes weitere Wort wäre in den Wind gesprochen.«

»In diesem Landstrich ist man entweder für mich– oder man ist mein Feind.«

»Ich verlasse die Gegend morgen, sobald ich die Bankanweisung habe.« Nach dem letzten Wort schwang McQuade herum und schritt zur Tür. Gleich darauf waren er und der Wolfshund draußen.

Big Jacks Gesicht hatte sich gerötet. Die Zornesader an seiner Schläfe war angeschwollen. Er mahlte mit den Zähnen. Dieser Mann war es nicht gewohnt, eine Abfuhr zu erhalten. Und nun stand er kurz vor der Explosion. Seine Hände öffneten und schlossen sich.

Sein Sohn trat neben ihn. »Ich glaube, Dad, dieser schnellschießende Sattelstrolch muss mal auf seine richtige Größe zurechtgestutzt werden. Was meinst du?«

Big Jack nickte. »Ich sehe es schon, Bill. Du bist aus meinem Holz geschnitzt. Ja, erteilt ihm eine Lektion. Nimm es in die Hand. Solche Dinge regeln wir Murdocks auf unsere Art. Du weißt, was ich meine. Sorge dafür, dass er auf dem Bauch aus der Stadt kriecht. So spricht man nicht mit Big Jack Murdock.«

*

McQuade begab sich zum Sheriff's Office und schaute sich die Steckbriefe an, die neben der Tür an eine schwarze Tafel geheftet waren. Da waren auch einige amtliche Bekanntmachungen des Bürgerrats angeschlagen. Aber die interessierten McQuade nicht. Es waren fünf Fahndungsblätter. McQuade studierte eines nach dem anderen. Dann nahm er einen Steckbrief ab. Gesucht wurde ein Mann namens Stan Caldwell. Ihm wurden Raub und drei Morde zur Last gelegt. Auf seinen Kopf waren tausend Dollar ausgesetzt. Tot oder lebendig.

McQuade faltete das Blatt Papier zusammen und steckte es in die Manteltasche. Er verspürte Hunger, aber in den Saloon wollte er nicht gehen, solange Big Jack und seine Mannschaft anwesend waren. McQuade wollte die Kerle nicht unnötig herausfordern. Er fürchtete die Burschen nicht. Auch nicht Big Jack Murdock. Doch er wollte keinen Streit provozieren. In einer seiner Satteltaschen befand sich noch Dörrfleisch und Pemmican, und der Texaner beschloss, seinen Hunger damit zu stillen.

In der Zwischenzeit hatte der Himmel im Westen eine schwefelgelbe Färbung angenommen. Der rötliche Schein, der auf allem gelegen hatte, war verblasst. Die fernen Bergketten waren schon mit dem Grau der Abenddämmerung verschmolzen.

McQuade schritt am Fahrbahnrand in Richtung des Hotels. Als er den Saloon passierte, wurde er angerufen. »Heh, McQuade!«

Der Kopfgeldjäger hielt abrupt an. Seine Rechte berührte den Griff des Revolvers. Sein Kopf war herumgeruckt. Auf dem Vorbau des Saloons stand der junge Murdock. Der Kopfgeldjäger ahnte, was sich anbahnte. Er schaute nicht links und nach rechts, konnte aber in den Gassen und Lücken zwischen den Häusern keinen der New River-Reiter sehen.

»Meinst du mich?«, rief McQuade. Neben ihm ließ sich Gray Wolf nieder.

»Sicher. Es gibt nur einen McQuade auf der Straße.« Bill Murdock tauchte unter dem Vorbaugeländer hindurch und sprang auf die Fahrbahn. Fast gemächlich schlenderte er bis zur Mitte der Main Street. Locker hing seine Rechte neben dem Revolver. Seine Augen funkelten gehässig. Sein Gesicht wirkte etwas verkrampft.

»Was willst du von mir?«, fragte McQuade. Er machte sich ein Bild von dem Ranchersohn. Er war von ähnlicher Statur wie sein Vater. Sein Gesicht wirkte wie aus einem groben Holzklotz gehackt. Der Kopf saß auf einem kurzen, dicken Hals.

»Du bist ein ziemlicher Großkotz, McQuade!«, giftete Bill Murdock. »Die Stiefel, die du dir angezogen hast, sind dir ein paar Nummern zu groß. Es wird Zeit, dass dich jemand herunterholt von deinem hohen Ross.«

Wieder ließ McQuade seinen Blick in die Runde gleiten. Seine Sinne arbeiteten scharf und präzise. Er war angespannt bis in die letzte Faser seines Körpers. Denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Murdock alleine war. Irgendwo lauerten die Gunslinger seines Vaters und warteten auf ihren Einsatz. Es war eine Gefahr, die er einzuschätzen wusste und auf die er sich einstellen konnte. Sie würden ihn nicht überraschen können.

»Du hast doch hoffentlich die Erlaubnis deines Vaters eingeholt, Kleiner«, rief McQuade. »Ohne seinen Segen geht doch nichts in diesem Landstrich.«

Bill Murdock spuckte aus. »Dein Zynismus wird dir vergehen, McQuade. Wenn ich mit dir fertig bin, können sie das, was ich von dir übrig gelassen habe, an die Schweine verfüttern. Du wirst doch nicht kneifen, Großmaul? Solltest du zu feige sein, um mit mir zu kämpfen, dann werde ich mir eine Peitsche bringen lassen. Und mit ihr werde ich dich aus der Stadt prügeln.«

»Da habe ich sicher auch ein Wort mitzureden, Murdock«, versetzte McQuade gleichmütig. »Doch hör mir zu, Kleiner. Ich…«

»Sag nie wieder Kleiner zu mir!«, platzte es regelrecht aus Murdocks Mund. »Nie wieder, hörst du!«

McQuade winkte mit der linken Hand ab. »Also gut, Murdock. Hör zu: Ich werde mich nicht wie ein Schuljunge mit dir hier auf der Straße herumschlagen. Ich will keinen Streit mit dir. Also nimm Vernunft an und geh in den Saloon zurück. Ich habe deinem Vater erklärt, dass ich meinen Revolver nicht vermiete. Er muss es akzeptieren. Und das solltest du auch.«

»Also doch feige!«, rief der Ranchersohn.

McQuade ignorierte die Beleidigung. »Ich werde jetzt weitergehen, Murdock. Solltest du versuchen, mich aufzuhalten, wirst du es bereuen. Der Name Murdock nötigt mir nämlich nicht den geringsten Respekt ab. Wenn die Menschen in dieser Stadt nach der Pfeife deines Vaters tanzen, so ist mir das egal. Ich jedenfalls werde es nicht tun.«

McQuade setzte sich in Bewegung. Mit pendelnden Armen schritt er am Fahrbahnrand entlang. Mit jedem Schritt kam er dem Ranchersohn näher. Dessen Hand umschloss den Revolverkolben. Er biss die Zähne zusammen, hart traten die Backenknochen in dem hässlichen Gesicht hervor. In seinen Blick hatte sich ein heimtückischer Ausdruck geschlichen.

In einer Entfernung von acht Schritten marschierte McQuade an ihm vorbei. Und dann wandte er dem Ranchersohn den Rücken zu. »Dreckiger Bastard!«, knirschte Bill Murdock. Er fühlte sich missachtet, McQuade schien ihn nicht ernst zu nehmen. Das verletzte seinen Stolz, und bei ihm brannte eine Sicherung durch. Er riss den Revolver heraus.

»Vorsicht, McQuade!«, brüllte jemand und der Kopfgeldjäger glaubte, die Stimme des Deputys zu erkennen. Geduckt wirbelte er herum. Sein Revolver flirrte aus dem Holster. Einen schrecklichen Augenblick lang starrte der Texaner in die Mündung des Eisens, mit dem Bill Murdock auf ihn zielte. Dann warf er sich zur Seite. Im selben Moment drückte der Ranchersohn ab. Ein handlanger Mündungsblitz züngelte aus dem Lauf. Der Knall wurde gegen McQuade geschleudert. Und in dessen Faust bäumte sich der Sechsschüsser auf. Die beiden Detonationen verschmolzen ineinander und das trockene Wummern stieß wie ein Manifest von Untergang und Tod durch die Stadt.

Bill Murdock brach zusammen.

Und jetzt zeigten sich die Revolverschwinger Big Jacks. Ihre Oberkörper wuchsen über die flachen Fassaden der umliegenden Häuser empor. Mit einem Blick erfasste McQuade drei– vier Mann. Und er sah die Gewehre und Revolver, die auf ihn zielten. McQuade riss es hoch. Und er hetzte los. Die Waffen begannen zu dröhnen. Aber McQuade verschwand schon um eine Hausecke. Die Geschosse meißelten den Putz von der Wand des Gebäudes, Querschläger quarrten durchdringend, Glas klirrte.

McQuade stand mit dem Rücken zur Hauswand. Sein Atem ging stoßweise. Neben ihm war Gray Wolf und rieb seinen Kopf am Bein des Kopfgeldjägers. Der Texaner holte sich die örtlichen Gegebenheiten in den Sinn. Ihm war klar, dass sie jetzt ein Kesseltreiben auf ihn veranstalten würden. Und viele Hunde sind des Hasen Tod. Er würde nicht nur Big Jacks Leibgarde am Hals haben, sondern auch die Cowboys, die mit dem Rancher in die Stadt gekommen waren.

Zwischen den Häusern wob jetzt die beginnende Dunkelheit. McQuade hörte eine raue Stimme laut rufen. Eine andere antwortete. Er lugte um die Ecke. Aus den Häusern strömten Menschen. Bei dem reglos im Straßenschmutz liegenden Ranchersohn rotteten sie sich zusammen.

McQuade zog den Kopf zurück. Er ersetzte die beiden verschossenen Patronen durch scharfe Munition aus den Schlaufen seines Gurts, schloss die Trommel und ließ sie einmal rotieren. Es gab ein schnurrendes Geräusch.

McQuade war sich seiner Situation voll und ganz bewusst. Keiner seiner Jäger würde danach fragen, dass der Ranchersohn drauf und dran gewesen war, ihm eine Kugel in den Rücken zu knallen. Überhaupt war die Tatsache, dass der junge Murdock sich nicht gescheut hätte, vor der ganzen Stadt einen niederträchtigen Mord zu begehen, dem Kopfgeldjäger unbegreiflich. Und mehr denn je wurde ihm klar, wie sehr Big Jack diese Stadt beherrschte. Er bestimmte die Richtlinien, nach denen in Cave Creek das Leben abzulaufen hatte, er diktierte Recht und Ordnung, sein Wort war Gesetz– und sein Gesetz praktizierte er.

Der Kopfgeldjäger zwang sich zur Ruhe. Seine Chancen waren gering. Sie würden sich bessern, wenn er sein Gewehr hätte. Aber das lag im Hotelzimmer. McQuade überlegte, ob er einfach zum Mietstall schleichen, sein Pferd satteln und aus der Stadt verschwinden sollte.

Er verwarf den Gedanken. Innerhalb kürzester Zeit würden sie an seinen Fersen kleben und ihn jagen, bis ihm die Zunge zum Hals heraushing. Und wenn sie ihn stellten, würde er nur den Revolver zu seiner Verteidigung besitzen. Es wäre sein sicherer Tod.

Du musst dir dein Gewehr beschaffen, McQuade!, zuckte es durch sein Bewusstsein. Wenn du gegen sie eine Chance haben willst, dann musst du dir die Henrygun holen. Vorwärts, McQuade!

»Komm, Partner!«

McQuade lief hinter die Häuser, gefolgt von Gray Wolf. Nach kurzer Zeit hatte er die Rückseite des Hotels vor sich. Es gab einen Hintereingang. Der Texaner betrat das Gebäude, durchmaß mit drei Schritten einen kleinen Flur und öffnete vorsichtig eine weitere Tür. Vor seinem Blick lag die Hotelhalle mit der Rezeption. Sie war verwaist. Der Kopfgeldjäger gab sich einen Ruck und lief zur Treppe. Ungeschoren kam er nach oben und in sein Zimmer. Er versenkte den Revolver im Holster, hängte sich die Satteltaschen über die Schulter und schnappte sich das Gewehr, repetierte und ging zum Fenster. Aus dem Schutz der Wand spähte er hinunter auf die Straße. Soeben wurde der Ranchersohn auf einer Bahre weggetragen. Big Jack schritt hinterher. Von den Cowboys und Revolverschwingern der New River-Ranch war keiner zu sehen.

Die Menschenansammlung löste sich auf. Schnell kehrten die Bürger in ihre Häuser zurück. Cave Creek glich einem Pulverfass, dessen Lunte schon brannte. Jeder ahnte, dass in der Stadt jeden Moment die Hölle aufbrechen konnte. Keiner wollte von einer verirrten Kugel getroffen werden.

Stille senkte sich zwischen die Häuser. Sie war trügerisch. Das Böse hatte in Cave Creek Einzug gehalten. Wie Gewitterwolken braute sich das Unheil über dem Ort zusammen. Der Tod schlich auf leisen Sohlen durch die Stadt. Doch noch wusste niemand, wen er mit seiner knöchernen Klaue berühren würde.

*

McQuade verließ das Hotelzimmer, sicherte, als er die Treppe erreichte, nach unten, und vernahm Hüsteln. Er zog das Gewehr an die Hüfte, ein entschlossener Zug prägte sein Gesicht, und er stieg Schritt für Schritt hinunter.

Es war der Owner, der hinter der Rezeption stand. Jetzt hustete der Mann wieder. Er presste die flache Hand auf seinen Leib und krümmte sich. Um seinen Kopf schlierte eine Wolke von Tabakrauch, in der rechten Hand hielt er eine Pfeife. Jetzt sah er McQuade und erschrak wahrscheinlich bis in seinen Kern. Es war, als bliebe ihm der Husten im Hals stecken. Er atmete gepresst. Seine Augen waren feucht.

McQuade entspannte sich. Bei der Rezeption hielt er an. Gray Wolf ließ sich nieder. »Ist der junge Murdock tot?«, fragte er.

»Noch nicht«, keuchte der Mann. Seine Stimme klang belegt. »Aber es ist fraglich, ob er die nächste Stunde überlebt. Der Doc gibt ihm keine großen Chancen. Die Kugel sitzt dicht beim Herzen.« Der Owner atmete durch. »Wenn Bill stirbt, zieht Ihnen Big Jack die Haut streifenweise ab, McQuade. Ihre Chance, seinen Männern zu entkommen, ist die Chance eines Schneeballs in der Hölle.«

»Der alte Despot hätte seinen Sohn zurückhalten müssen«, murmelte McQuade. »Er hat es sich selber zuzuschreiben.«

»Es war Ihre Kugel, McQuade. Und nur das zählt für Big Jack. Jemand hat erzählt, dass Wes Coleman Sie gewarnt hat. Nun, in der Haut des Deputy möchte ich nicht stecken. Big Jack wird auch ihn verantwortlich machen.«

McQuade wandte sich um und ging zu einem der beiden Fenster, durch die man auf die Main Street blicken konnte. Leergefegt, wie ausgestorben lag die Straße vor ihm. Die Abenddämmerung war fortgeschritten. Die Düsternis schien Unheil zu verkünden.

McQuade wandte sich wieder dem Owner zu. »Bill Murdock wollte mir vor den Augen dieser Stadt eine Kugel in den Rücken schießen. Als ich ihn niederschoss, war ich im Recht. Es war Notwehr. Läge ich jetzt tot draußen auf der Straße, würde diese Stadt schätzungsweise schweigen. Ich meine, man würde einen Mord, den die Murdocks begehen, akzeptieren. Was ist das nur für eine lausige Town?«

Der Owner zog den Kopf zwischen die Schultern. Sein Blick irrte ab.

McQuade ging zur Hintertür und verließ das Hotel. Er lief zu einem Buschgürtel hinter den Corrals und Pferchen und bewegte sich im Schutz des Strauchwerks in Richtung des Mietstalles. Gray Wolf wich ihm nicht von der Seite. Schließlich musste der Texaner wieder zwischen die Häuser, denn der Stall lag auf der anderen Seite der Main Street. Der Kopfgeldjäger schob sich an einer Hauswand entlang, bis er Einblick in die breite Hauptstraße hatte. Er fühlte sich beobachtet und verspürte Beklemmung. Der Wolfshund presste seinen muskulösen Körper gegen sein Bein.

Der Texaner konnte keine unmittelbare Gefahr erkennen und stieß sich ab. Mit langen Schritten hetzte er über die Fahrbahn. Der Wolfshund folgte ihm mit langen Sätzen. Er schien geradezu über den Boden zu fliegen.

Ein Schuss krachte. Ein zweiter. McQuade spürte den Gluthauch eines der Geschosse an der Wange. Sein Ziel war eine Häuserlücke, in der mannshohe Büsche wuchsen. Aber in dieser Passage blitzte es jetzt auch auf. McQuade schlug einen Haken. Gray Wolf überholte ihn. Der Texaner rannte nach rechts. Auf der anderen Seite glühte ein Mündungsfeuer. Der Schütze stand am Beginn einer Gasse, die zwischen Schuppen und Scheunen zu den Corrals und Koppeln führte. Im Laufen schoss McQuade auf den Burschen. Und jetzt wurde wieder von drei Seiten auf ihn das Feuer eröffnet. Es wurde brenzlig. Links war eine Haustür. McQuade schlug erneut einen Haken, erreichte die Tür und drehte den Knopf. Sie ließ sich öffnen. Der Kopfgeldjäger verschwand im Flur des Hauses. Rechts war eine Tür, links führte eine Treppe nach oben.

Draußen schwiegen jetzt die Waffen.

Der Kopfgeldjäger rannte die Treppe empor. Von einem engen Flur zweigten zwei Türen ab. Am Ende des Flurs war ein Fenster. McQuade schaute hinunter auf die Main Street. Er fragte sich, wo Gray Wolf geblieben war. Hatte der Hund den Schützen ausgeschaltet, der verhinderte, dass McQuade in die Häuserlücke laufen konnte?

Da erklang eine Stimme. McQuade konnte die Worte, die der Mann brüllte, nur undeutlich verstehen. Er schob das Fenster etwas in die Höhe. »…keine Chance, McQuade. Komm also waffenlos auf die Straße. Wenn du innerhalb der nächsten zehn Sekunden…«

Der Texaner zog sich von dem Fenster zurück, betrat eines der Zimmer und ging zum Fenster. Er schob es in die Höhe und beugte sich hinaus. Unter ihm lag ein Hof. Einen Yard über ihm war die Dachkante. McQuade kletterte auf die Fensterbank, legte das Gewehr aufs Dach und schwang sich hinauf, angelte sich die Henrygun und rannte geduckt zur überstehenden Fassade, die ihn vor unliebsamen Blicken von unten verbarg. Er äugte darüber hinweg. Und er sah einen seiner Gegner an einer Hausecke kauern und die Main Street beobachten. Der Bursche hielt das Gewehr mit beiden Händen schräg vor der Brust.

Es war einer von neun oder zehn tödlich entschlossenen Männern, die nicht zögern würden, ihm heißes Blei zu servieren, wenn er ihnen vor die Mündungen lief.

Und jetzt kam eine schemenhafte Gestalt die Straße herauf. Sie bewegte sich mitten auf der Fahrbahn. Sie schritt näher und McQuade erkannte Big Jack Murdock. Sein Gang wirkte irgendwie müde, seine Schultern waren nach unten gesunken, als würde eine schwere Last sie nach unten drücken. Der Rancher ging zum Saloon, stieg auf den Vorbau und stellte sich an das Geländer. Dann erklang seine grollende Stimme: »Mein Junge ist soeben gestorben. Sein Mörder heißt McQuade. Ich zahle demjenigen, der mir diesen dreckigen Bastard tot vor die Füße legt, tausend Dollar. Habt ihr gehört? Tausend Dollar dem, der McQuade in die Hölle schickt.«

Der Rancher drehte sich um und ging in den Saloon.

Und McQuade begriff, dass nach diesem verlockenden Angebot des Ranchbosses wahrscheinlich nicht nur die New River-Reiter Jagd auf ihn machen würden. Sein fiebernder Verstand suchte nach einem Ausweg. Sollten ihm die Schlingen und Tücken eines ungnädigen Schicksals hier in Cave Creek den Todesstoß versetzen? Damit konnte sich McQuade nicht abfinden. Er fasste einen Entschluss…

*

McQuade stieg von dem Dach, sprang von der Fensterbank aus auf einen niedrigen Schuppen und von dort in den Hof. Er lief um die Stadt herum. Büsche deckten ihn, die Dunkelheit bot ihm zusätzlichen Schutz. Der Texaner erreichte die Rückseite des Mietstalles. Er war sich sicher, dass im Stall einer oder zwei der Kerle lauerten und nur darauf warteten, dass er sich blicken ließ. Er rannte weiter. Und schließlich war er hinter dem Saloon. Er betrat ihn durch die Hintertür. In dem Flur, der sich anschloss, war es stockfinster. Seine Augen mussten sich an die Dunkelheit gewöhnen. Ein Stück weiter sah er am Boden einen schmalen Lichtstreifen. Es war Licht, das im Schankraum für Helligkeit sorgte und unter der Tür hindurchsickerte.

Der Texaner öffnete leise diese Tür. An einem der Tische im Schankraum saß mit gesenktem Kopf Big Jack. Vor ihm standen ein Glas und eine Whiskyflasche. Außer ihm war niemand im Saloon. Der Rancher hatte den Kopfgeldjäger noch nicht bemerkt.

Der zog das Gewehr an die Seite, die Mündung wies auf Big Jack, McQuades Zeigefinger spannte sich um den Abzug. Als sich der Kopfgeldjäger in Bewegung setzte, zuckte der Kopf des Ranchbosses herum. Seine Augen weiteten sich etwas.

Das spärliche Licht legte düstere Schatten in das hohlwangige Gesicht des Texaners. Seine Augen glitzerten wie Glas. Die Metallteile der Henrygun schimmerten frostig. Die Stimme McQuades hörte sich an wie zerspringendes Eis, als er hervorstieß: »Keine Bewegung, Murdock!«

Der Rancher, der sich schon halb am Tisch hochgestemmt hatte, erstarrte. Einen Schritt vor ihm hielt McQuade an. »Sie werden jetzt tun, was ich von Ihnen verlange, Murdock!«, stieß McQuade hervor. »Halten Sie sich immerzu vor Augen, dass ich keinen Grund habe, Sie zu schonen. Stehen Sie auf, Murdock, ziehen Sie Ihren Revolver aus dem Holster und legen sie ihn auf den Tisch.«

Big Jack fand sehr schnell zu seiner überheblichen Sicherheit zurück. Er drückte sich hoch, seine Schultern strafften sich. »Schieß, McQuade. Du hast meinen Sohn getötet. Er sollte alles erben, was ich geschaffen habe. Mit seinem Tod hat für mich alles seinen Sinn verloren. Na los, drück ab! Aber sei versichert, dass dich meine Leute in Stücke reißen. Aus Cave Creek kommst du nicht mehr lebend hinaus.«

»Legen Sie Ihren Revolver auf den Tisch!«, gebot McQuade mit klirrender Stimme. »Und lassen Sie sich gesagt sein, dass Ihr Sohn auf Ihr Konto geht, Murdock. Sie hätten mich einfach in Ruhe lassen sollen. Aber als ich Ihr Angebot ablehnte, fühlten Sie sich in Ihrem verrückten Stolz verletzt. Und da ein Murdock seine Angelegenheiten selbst regelt, ließen Sie Ihren Sohn gewähren, der wahrscheinlich nur ein Ziel verfolgte, nämlich das Ziel, Ihnen, seinem unduldsamen und despotischen Vater, zu imponieren.«

»Es war deine Kugel, die Bill tötete, McQuade. Und dafür ziehe ich dich zur Verantwortung.« Während er sprach zog Big Jack seinen Sechsschüsser und warf ihn auf den Tisch.

»Sie gehen jetzt auf den Vorbau und gebieten Ihren Männern, sich waffenlos vor dem Saloon auf der Straße einzufinden. Und dann gehen wir zum Mietstall. Wir werden gemeinsam die Stadt verlassen.«

Der Ranchboss schürzte die Lippen. »Einen Dreck werde ich, McQuade. Du musst mich schon erschießen. Aber mein Tod bringt dir nichts. Also…«

McQuade schlug mit dem Gewehr zu. Big Jack bekam den Lauf schräg über die Wange. Aus einer Platzwunde über dem Jochbein sickerte Blut. Unwillkürlich zuckte Murdocks Hand in die Höhe. Er presste sie auf seine Wange.

»Ich werde Sie nicht erschießen, Murdock!«, stieß McQuade zwischen den Zähnen hervor. »Dazu bedürfte es des Charakters eines Big Jack Murdock oder seines Sohnes. Erwarten Sie aber nicht, dass ich Sie mit Samthandschuhen anfasse. Ich werde Sie zerbrechen. Und am Ende werden Sie mir aus der Hand fressen. Gehen Sie auf den Vorbau und pfeifen Sie Ihre Kettenhunde zurück. Ich zähle bis drei. Eins…«

Big Jack spürte den Anprall einer kompromisslosen Härte und er begriff schmerzlich, dass er es nicht mit dümmlicher Arroganz, sondern mit der Entschlossenheit eines Mannes zu tun hatte, der einen erstaunlichen Mut aufbrachte, um sein Anliegen durchzusetzen. Mit McQuade war ihm ein Gegner erwachsen, der mindestens ebenso unerbittlich und unbeugsam war wie er selbst.

Der Ranchboss setzte sich in Bewegung. Die Hand, mit der er die Platzwunde an seinem Backenknochen abgetastet hatte, war nach unten gesunken. McQuade ging einen Schritt hinter ihm. Er hielt das Gewehr wieder an der Seite im Anschlag, den Kolben hatte er unter die Achsel geklemmt.

Da ihm Big Jack den Rücken zudrehte, konnte er das tückische Funkeln in seinen Augen nicht wahrnehmen. Big Jack wollte sich nicht einfach geschlagen geben. Er hatte ein Gesicht zu verlieren. Er sah sich als den ungekrönten König in diesem Landstrich. Sein Image durfte keinen Schaden nehmen. Und schon gar nicht wollte er sich einem hergelaufenen Prämienjäger beugen.

Er schleuderte sich herum und stieß sich ab. Dabei legte er eine Behändigkeit an den Tag, die seinem wuchtigen, grobschlächtigen Körper niemand zugetraut hätte.

Aber McQuade hatte aus den Lektionen, die ihm das Leben erteilt hatte, gelernt. Sie hatten ihn geprägt und geformt, Misstrauen und Wachsamkeit waren ihm zur zweiten Natur geworden. Und so reagierte er gedankenschnell. Geschmeidig wie ein Torero einem angreifenden Kampfstier wich er dem Ranchboss aus, und ehe sich Big Jack herumwerfen und ihn erneut angreifen konnte, knallte er ihm den Lauf der Henrygun gegen den Hinterkopf.

Ein dumpfer Laut brach aus Big Jacks Kehle, er fiel auf die Knie nieder, eine Woge der Benommenheit schwemmte ihn hinweg, in seinem Schädel tobte der Schmerz.

McQuade verspürte in sich überwältigenden Zorn. Dieser Mann opferte seinen Sohn seiner Arroganz, seinem krankhaften Selbstbewusstsein und seiner Unduldsamkeit im Bewusstsein seiner Macht und Stärke, und er, McQuade, sollte dafür büßen.

Big Jacks Kinn war auf die Brust gesunken. Sein Oberkörper pendelte leicht vor und zurück. Der Ranchboss war wie betäubt. Graue Nebel schienen auf ihn zuzukriechen. Er war jeglichen Willens, jeglichen Gedankens beraubt. Nichts in seinem Körper schien mehr zu funktionieren.

McQuade rammte ihm die Mündung des Gewehres zwischen die Schulterblätter. Big Jack kippte mit einem zerrinnenden Stöhnen nach vorn und fiel auf das Gesicht. Seine Finger verkrallten sich auf den Dielen, seine Nägel brachen. Aus seinem offenen Mund rann Speichel und tropfte auf den Boden. Der Rancher fühlte nur noch Schwäche– eine schreckliche Schwäche, die alle Sehnen und Muskeln in ihm gelähmt zu haben schien.

McQuade drückte ihm weiterhin die Mündung zwischen die Schulterblätter. »Ich habe es Ihnen doch versprochen, Murdock! Ich fasse Sie nicht mit Samthandschuhen an. Sie wollen meinen Skalp. Ich aber will ihn behalten. Am Tod Ihres Sohnes trage ich keine Schuld. Aber das wissen Sie selbst. Sie haben Ihren Sohn auf dem Altar Ihrer Arroganz und Selbstherrlichkeit geopfert. Das ist Ihnen längst klar geworden. Nun suchen Sie ein Opferlamm, um Ihren Zorn, Ihre Trauer und Ihren Schmerz abzureagieren. Ich bin aber nicht der Mann, der sich von Ihnen wie ein Hammel zur Schlachtbank führen lässt.– Hoch mit Ihnen, Murdock! Oder muss ich nachhelfen?«

McQuade trat einen Schritt zurück und nahm das Gewehr wieder in den Seitenanschlag.

Big Jack zog die Knie an und stemmte seinen Oberkörper mit den Armen in die Höhe. Er lag jetzt auf allen vieren und war dabei, seine größte Not zu überwinden. Der Hass auf McQuade schnürte ihm die Kehle zu. Und als er sprach, war seine Stimme nur ein heiseres, besessenes Geflüster. Er stieß hervor: »Ich werde dich eigenhändig erwürgen, dreckiger Hund. Und ich werde jeden Augenblick, während du langsam krepierst, genießen.«

McQuade packte den Rancher beim Jackenkragen und zerrte ihn auf die Beine. Dann versetzte er ihm einen derben Stoß. »Vorwärts! Sie wissen, was ich von Ihnen fordere. Ich werde im Saloon neben der Tür stehen und auf Ihren Rücken zielen. Trotz allem, Murdock: Ich bin überzeugt davon, dass Sie wie jeder Mensch am Leben hängen.«

Er dirigierte den Rancher zur Pendeltür und bugsierte ihn nach draußen. Er selbst blieb im Schankraum und harrte im Schutz der Wand neben der Tür der Dinge, die kamen.

*

McQuade war kalt wie ein Eisblock. Entschlossene Härte lag wie eine Maske auf seinem Gesicht. Er verströmte die Ruhe eines Mannes, für den es nichts zu verlieren gab.

Big Jack erhob seine Stimme: »Bradley! Hörst du mich?« Die Worte fielen wie fernes Donnergrollen und sickerten zwischen die Häuser.

»Ich höre dich, Boss. Was ist los? Dieser elende Hurensohn scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Vorhin habe ich mal das graue Mistvieh vorüberstreichen sehen. Aber McQuade kann sich nicht ewig verkriechen. Wir…«

»Er steht hinter mir und zielt auf mich!«, schnitt Big Jack seinem Vormann das Wort ab. »Trennt euch von euren Waffen und versammelt euch vor dem Saloon auf der Straße. Als McQuade drohte, mich zu erschießen, wenn ich seinen Anweisungen nicht Folge leiste, war das sicher keine leere Drohung.«

»Zur Hölle!«

»Sagen Sie ihm, Murdock, dass ich genau eine halbe Minute warte!«, stieß McQuade halblaut hervor, so dass ihn Big Jack verstehen konnte.

»Dreißig Sekunden, Bradley!«, rief Big Jack. »Er gibt euch dreißig Sekunden.«

Aus der Dunkelheit kam eine weitere Verwünschung. Dann wurde die Nacht lebendig. Die New River-Reiter traten aus ihren Deckungen und näherten sich mit verkniffenen Gesichtern dem Saloon. Keiner trug eine Waffe. In drohendes Schweigen versunken rotteten sie sich zusammen. In den Augen glomm der Hass, in den Gemütern wütete eine tödliche Leidenschaft.

»Und jetzt verschwindet!«, rief McQuade. »Geht nach Norden. Ich werde Cave Creek verlassen und euren Boss ein Stück mitnehmen. Versucht nicht, uns zu folgen. Murdock würde es zu spüren kriegen.«

»Wir kriegen dich!«, rief einer der Kerle auf der Straße. »Mein Wort drauf, McQuade. Wir kriegen dich und schicken dich zur Hölle.«

McQuade schoss eine Kugel über ihre Köpfe hinweg und repetierte sofort wieder. Der Knall verhallte, der Texaner rief: »Haut ab! Und nehmt euch meine Warnung zu Herzen.«

Da ertönte auf der anderen Straßenseite zwischen den Häusern eine zerspringende Stimme: »Das rate ich euch dreckigen Bastarden auch. Ich ziele mit einer doppelläufigen Schrotflinte auf euch. Und ich werde euren Abgang kontrollieren. Also vorwärts, schwingt die Hufe! Und lasst euch nie wieder in Cave Creek blicken. Jeden, der es noch einmal wagt, seinen Fuß in die Stadt zu setzen, sperre ich ein, bis er schwarz wird.«

Wes Coleman, der Deputy, hatte eingegriffen. Seine Gestalt löste sich jetzt aus der Dunkelheit. Am Fahrbahnrand blieb er stehen. Es war nicht zu übersehen, dass er ein Gewehr an der Hüfte im Anschlag hielt.

»Bist du plötzlich größenwahnsinnig geworden, Coleman?«, schrie einer wild. »Habe ich dir nicht empfohlen, so schnell wie möglich aus Cave Creek zu verschwinden? Hat dir die Tracht Prügel nicht gereicht, die wir dir verabreicht haben?«

McQuade begriff. Während der Großteil der Mannschaft lauerte und darauf wartete, ihn vor den Lauf zu bekommen, hatten einige von ihnen dem Deputy die Flügel gestutzt. In dem Moment, als er McQuade warnte, weil Bill Murdock den Revolver zog, hatte er sich gegen Big Jack und die New River-Ranch gestellt. Seine Feinde aber zerbrach Big Jack, oder er vernichtete sie. Es war das Gesetz des Starken und Mächtigen, das er anwandte; mitleidlos und unerbittlich, ohne Gnade und Erbarmen.

Coleman rief: »Die Tracht Prügel hat bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht, Bradley. Und als du mir geraten hast, aus dem Landstrich zu verschwinden, hast du etwas in mir geweckt. Ich bin hier aufgewachsen, ich lebe hier. Und ich lasse mich nicht davonjagen wie einen räudigen Straßenköter. Doch genug der Worte! Ich warte fünf Sekunden. Und wenn ihr dann nicht auf dem Weg zur Stadtgrenze seid, knalle ich eine Ladung Sauposten in euren Haufen. Es wird wehtun! Und der eine oder andere von euch wird liegen bleiben.«

Der Pulk setzte sich in Bewegung. Von jedem einzelnen dieser Kerle ging eine stumme Prophezeiung aus. Einer schrie grimmig: »Wir kommen wieder, Coleman! Und dann gnade dir Gott!«

Jetzt erklang in der Dunkelheit einer weitere Stimme: »Ja, kommt nur, ihr Kleingeister! Die Bürgerschaft von Cave Creek hat es satt, länger nach der Pfeife eines Big Jack zu tanzen. Sein niederträchtiger Ableger hätte sich nicht einmal gescheut, vor den Augen der ganzen Stadt einen brutalen Mord zu begehen. Wir werden auf euch warten! Und wir werden euch die heilige Mannesfurcht einjagen.«

Ein Gewehr wurde durchgeladen, ein zweites, ein drittes…

Big Jacks Zähne knirschten übereinander. Aber der Rancher schwieg.

Der Pulk marschierte die Main Street hinunter. Der Deputy folgte in einem angemessenen Abstand. Jene Bürger der Stadt, die sich ein Herz genommen und der New River-Ranch die Stirn geboten hatten, blieben in der Finsternis.

»Ich denke, Murdock, Sie, Ihr Sohn und Ihre Männer sind heute einen Schritt zu weit gegangen«, gab McQuade zu verstehen. »Und nun präsentiert ihnen diese Stadt die Quittung. Ich glaube, Ihr Stern hier ist am Verglühen.«

McQuade trat auf den Vorbau und stellte sich neben den Rancher, der seiner Mannschaft hinterher starrte. Plötzlich stieß Jack Murdock hervor: »Die Stadt kann mir gestohlen bleiben, McQuade. Bei dir ist das etwas anderes. Du hast meinen Jungen erschossen. Ich werde nicht ruhen, bis du tot vor mit liegst. Und dann werde ich auf deinen Kadaver spucken.«

Er hatte die letzten Worte in einer Art gedehnt, die in ihrer Unmissverständlichkeit erschreckend war. Sein Gesicht hatte sich verändert. Es war nur noch Spiegelbild eines glühenden Hasses.

Nach einiger Zeit tauchte der Deputy wieder auf. Er kam heran, und als er einen Schritt vor dem Vorbau anhielt, konnte McQuade trotz der Dunkelheit die Schwellungen, Blutergüsse und kleinen Platzwunden in seinem Gesicht erkennen. Es waren die Spuren, die die Fäuste der New River-Reiter hinterlassen hatten. »Haben Sie immer noch vor, heute Abend die Stadt zu verlassen, McQuade?«, fragte Coleman.

»Das hat sich jetzt erübrigt, Deputy«, antwortete der Kopfgeldjäger. »Ich…«

Schräg gegenüber erklang ein Aufschrei, dann war ein dumpfer Aufprall zu vernehmen, und dann aggressives Bellen.

»Das ist Gray Wolf!«, rief McQuade. »Übernehmen Sie Murdock, Deputy. Ich sehe nach.«

»Ich werde Sie einsperren, Murdock!«, rief der Deputy mit klirrendem Tonfall. »Bewegen Sie sich! Den Weg zum Office kennen Sie ja.«

McQuade flankte über das Vorbaugeländer, landete mit beiden Füßen gleichzeitig auf der Fahrbahn und rannte schräg über die Main Street. Das wütende Bellen des Wolfshundes wies ihm den Weg. Er ahnte, dass er ohne das treue Tier schon tot auf dem Saloonvorbau läge. Niemand hatte darauf geachtet, ob sich die New River-Mannschaft vollzählig auf der Straße eingefunden hatte. Einer hatte es offensichtlich vorgezogen, sich nicht zu ergeben. Der Texaner war davon überzeugt, dass der Bursche sich die tausend Dollar verdienen wollte, die Big Jack demjenigen zu zahlen bereit war, der ihn, McQuade, tötete.

Die Gestalt des Wolfshundes war schemenhaft auszumachen. Am Boden lag ein Mensch. Gray Wolf stand über ihm und bellte.

»Ruhig, Partner!«, gebot McQuade, und sogleich stellte der Hund das drohende Bellen ein. Nur noch ein gefährliches Grollen stieg aus seinem Rachen. »Zurück!« Auf McQuades zweites Kommando ließ Gray Wolf von dem Burschen ab, trottete zur Seite und ließ sich nieder.

McQuade richtete das Gewehr auf den Mann am Boden und sagte: »Steh auf, aber versuch nicht, nach dem Revolver zu greifen. Es wäre die letzte Dummheit deines Lebens.«

Ein zitternder Atemzug des lähmenden Entsetzens, das ihn nach wie vor fest im Griff hatte, hob die Brust des Kerls. Schließlich richtete er den Oberkörper auf. »Halt mir bloß dieses Biest vom Leib. Ich– ich dachte schon, es zerfleischt mir die Kehle. Dieses Ungeheuer– es war plötzlich da, als hätte es die Hölle ausgespuckt. Heiliger Rauch…«

»Gray Wolf hat was gegen niederträchtige und skrupellose Heckenschützen«, knurrte McQuade. »Nun, die tausend Bucks kannst du abschreiben, Hombre. Dafür solltest du dich auf ein paar Jahre in Yuma vorbereiten. Steineklopfen unter glühender Sonne, Wärter mit Peitschen, eine schwere Eisenkugel ans Bein gekettet… Die Männer, die es überlebt haben, waren körperliche und seelische Wracks.«

McQuade bückte sich nach dem Gewehr, das am Boden lag, hob es auf und schlug den Kolben der Waffe ab. Den Schaft ließ er achtlos zu Boden fallen. »Steh auf und dreh dich um. Mach schon.«

Der Bursche kämpfte sich auf die Beine. Gray Wolf ließ ihn nicht aus den Augen. Als er McQuade den Rücken zuwandte, zog ihm dieser den Revolver aus dem Holster. »Den Weg zum Office kennst du sicher. Marsch!«

Im Office erwartete sie Wes Coleman. »Ah, Doolin. Einer von Big Jacks Revolverakrobaten. Nun, dein Boss wird sich über Gesellschaft freuen. Jetzt habt ihr eine ganze Nacht lang Zeit, darüber nachzudenken, was ihr falsch gemacht habt.– Da hinein.« Der Deputy wies mit dem Kinn auf die Tür zum Zellentrakt. Doolin setzte sich in Bewegung. Coleman nahm die Laterne vom Schreibtisch und folgte ihm. McQuade hörte Scheppern und metallisches Knirschen, dann kam der Ordnungshüter zurück und sagte: »Endlich haben wir uns in Cave Creek besonnen. Jack Murdock führte sich auf wie ein absolutistischer Herrscher. Er, sein Sohn und seine Mannschaft nahmen sich immer mehr heraus. Und niemand wagte ihnen Einhalt zu gebieten. Damit ist Schluss. Ich werde eine Anzeige schreiben und dem Sheriff mitteilen, dass Big Jack den Stadtfrieden gebrochen und seine Männer zum Mord angestiftet hat. Ich verwette einen Monatslohn gegen ein verlaustes Hemd, dass der Sheriff Anklage erheben wird.«

»Ich komme morgen Vormittag und hole mir die Zahlungsanweisung ab, Deputy«, gab McQuade zu verstehen. »Bei dieser Gelegenheit können Sie gleich meine Aussage für das Gericht protokollieren und ich werde meinen Namen darunter setzen. Jemand sollte sich um die Pferde der New River-Leute kümmern.«

»Ich veranlasse das«, versicherte der Deputy. »Ich glaube, Sie haben dieser Stadt gut getan, McQuade. Als sie hier heute für Furore sorgten, wurden einige von uns– allen voran ich– aufgeweckt.– Wenn Sie morgen die Stadt verlassen, dann seien Sie auf der Hut. Ringo Bradley und seine Coltschwinger werden die Niederlage heute Abend nicht einfach so schlucken. Sie haben den Verein regelrecht vorgeführt, McQuade. Und diese Schmach lässt diese Spezies nicht auf sich sitzen.«

»Ich habe einen guten Aufpasser«, versetzte McQuade und der Anflug eines Grinsens umspielte seinen Mund. »Gray Wolf hat mir heute nicht das erste Mal das Leben gerettet.– Bis morgen, Deputy. In dieser Nacht wird kaum noch etwas geschehen. Die Kerle von der New River-Ranch fürchten mit Sicherheit die Bürgerwehr.«

»Gute Nacht, McQuade.«

*

Es hatte nicht mehr geregnet. Ein warmer Südwind hatte das Land getrocknet. Der Himmel war ungetrübt blau. Die Sonne brannte heiß und die Luft schien zu kochen. Als der Regulator im Sheriff's Office elfmal schlug, trat McQuade auf den Vorbau. Der Schlamm, der tags zuvor noch die Fahrbahn bedeckte, hatte sich wieder in gelben Staub verwandelte.

Für McQuade war wieder ein Fall abgeschlossen. Mort Brennans Steckbrief hatte er zusammengeknüllt und in Colemans Papierkorb geworfen. Er konzentrierte sich auf eine neue Aufgabe. Stan Caldwell hatte seine Verbrechen in der Gegend von Globe begangen. Dort wollte McQuade auch versuchen, seine Fährte aufzunehmen. Ein Hundertzwanzig-Meilen-Ritt lag vor ihm.

Zwanzig Minuten später verließ er die Stadt. Die Pferdehufe wühlten den Staub auf, die Nase des Tieres zeigte nach Südosten. In rauchiger Ferne zog sich eine Bergkette von Norden nach Süden. Es gab keinen Weg. Gleich hinter der Ortschaft begann die Wildnis. Die Vegetation bestand in hohem Büffelgras sowie in vereinzelten Sträuchern und Bäumen. Es war eine weitläufige Ebene, über die der Kopfgeldjäger zog. Neben dem Pferd trabte Grau Wolf her. Der Wolfshund hechelte, die Zunge hing seitlich aus seinem Maul. In den Winkeln der Lefzen bildete sich weißer Schaum. Die Hitze setzte den Menschen zu, aber noch mehr den Tieren.

Solange er sich über die tafelflache Ebene bewegte, musste sich McQuade keine Sorgen machen. Gefahr drohte ihm allenfalls in der Felswüste der Superstition Berge. Durch sie musste er, wenn er nach Globe gelangen wollte. McQuade wusste, dass vor ihm die Hölle lag. Und er ahnte, dass er vorher durchs Fegefeuer musste. Big Jack Murdocks Revolvermannschaft würde ihn nicht ungeschoren davonziehen lassen.

Nach einer Stunde wurde die Vegetation spärlicher. Das Büffelgras wurde von hartem Galleta Gras und Kreosot abgelöst, die Büsche durch genügsame Comas, Ocotillos und Kakteen. Der Boden wurde steinig und erste Felsen erhoben sich.

McQuade parierte das Pferd und ließ seinen hellwachen Blick schweifen. Er achtete auf die Zeichen der Natur, die er gut zu deuten wusste. Aufgeregte Vögel, aufgewirbelter Staub, Lichtreflexionen auf Metall…

Das Pferd tänzelte unruhig. Gray Wolf schnüffelte am Boden. McQuades Sinne hatten auf Alarm geschaltet. Einer jähen Eingebung folgend zog er das Gewehr aus dem Sattelschuh und hebelte eine Patrone in den Lauf. Die Anspannung brachte seine Nerven zum Schwingen. Sein Instinkt arbeitete.

»Hüh!« McQuade trieb das Pferd mit einem Schenkeldruck an. Die Hufe pochten. Das Tier schnaubte. Langsam trug es den Kopfgeldjäger zwischen die Felsen. Der hatte die Henrygun mit der Kolbenplatte auf den Oberschenkel gestellt und hielt sie am Kolbenhals fest.

In einem Gebiet wie diesem, in dem es tausend Verstecke und Möglichkeiten für einen Hinterhalt gab, waren Gefahr und Tod allgegenwärtig. Unablässig sicherte McQuade um sich. In dem Hitzeschleier, unter dem die Felsen lagen, verschwammen die Konturen. Das Auge wurde irritiert. McQuades Blick tastete sich über die zerklüfteten Ränder der Felsen und bohrte sich in die Durchlässe. Er fühlte Beklemmung. Und das verursachte bei ihm Unbehaglichkeit. Die Anspannung wuchs und wurde geradezu unerträglich.

Und dann sah er eine Gestalt auf einem der Felsen in die Höhe wachsen. Abrupt zerrte er sein Pferd in den Stand. Auch Gray Wolf hatte den Burschen entdeckt. Seine Nackenhaare sträubten sich, er fletschte die Zähne und ein unheilvolles Grollen stieg aus seiner Kehle.

Der Bursche zielte mit dem Gewehr auf den Kopfgeldjäger. Und McQuade ahnte, dass er nicht alleine hier auf ihn gewartet hatte. Er schaute nach links, nach rechts, und dann vernahm er hinter sich ein höhnisches Kichern. Er zerrte an den Zügeln, das Pferd drehte sich halb, und nun nahm der Texaner den Burschen wahr, der ihn vorbeigelassen hatte und der ihm nun den Fluchtweg in die Richtung, aus der er gekommen war, verlegte. Auch er hielt ein Gewehr im Anschlag.

Trotz aller Vorsicht, trotz aller Wachsamkeit– er war in ihre Falle geritten und nun hatten sie ihn in der Zange. Dem eisigen Wind seiner wirbelnden Gedanken ausgesetzt überlegte McQuade, ob er einfach versuchen sollte, nach Süden oder Norden auszubrechen. Aber die Entfernung zu den beiden Kerlen betrug jeweils etwa nur fünfzig Yards. Bis er aus ihrem Schusssektor gelangen konnte, wäre er viel zu lange ihren Geschossen ausgesetzt gewesen. Und ein guter Schütze konnte ein sich schnell bewegendes Pferd oder dessen Reiter sehr wohl treffen.

McQuade stellte sich auf Kampf ein. Seine Muskeln strafften sich. Ihn befiel eine steinerne Ruhe. Nur wenn er kühlen Kopf bewahrte hatte er eine Chance.

Schweigend belauerten sie ihn. Die Läufe ihrer Gewehre reflektierten das Sonnenlicht. McQuade fragte sich, ob es sich tatsächlich nur um die beiden Figuren handelte, die hier auf ihn gewartet hatten, oder ob zwischen den Felsen noch weitere Gegner steckten. Beim Gedanken daran verspürte er einen Augenblick Unruhe. Seine Rechte klammerte sich härter um den Kolbenhals der Henry Rifle. Um Zeit zu gewinnen rief McQuade: »Im Gegensatz zu euch beiden hat der Rest der Murdock-Mannschaft wohl erkannt, dass es keinen mehr gibt, der die tausend Dollar für meinen Kopf bezahlt. Big Jack wird für eine ganze Weile hinter Zuchthausmauern verschwinden.«

»Big Jack wird zahlen«, versetzte der Bursche, der vor ihm auf dem etwa dreißig Fuß hohen Felsen Stellung bezogen hatte. »Eine Anweisung für die Bank kann er auch im Gefängnis ausfüllen.«

»Wenn ihr euch in Cave Creek blicken lasst, sperrt euch Coleman ein.«

»Jeder Mann hat seinen Preis, McQuade. Big Jack sagte es. Man kann es auslegen, wie man will. Der Preis für dich beträgt tausend Bucks. Aber unabhängig davon: Du hast uns bis auf die Knochen blamiert. Das lassen wir nicht auf uns sitzen.«

»Bist du Ringo Bradley?«

»Ja.«

»Verschwinde, Partner!«, stieß McQuade hervor und ließ sich einfach seitlich vom Pferd kippen. Wie von der Sehne geschnellt hetzte Gray Wolf davon. Der Kopfgeldjäger prallte hart am Boden auf und rollte sofort herum. Die Gewehre der beiden Kerle krachten. Die Detonationen schlugen über McQuade zusammen. Krachende Hufschläge mischten sich in den Lärm, als sein erschrecktes Pferd verrückt zu spielen begann. Es stieg auf die Hinterhand, drehte sich und wieherte fanfarenhaft. Die Hufe knallten wieder auf den Boden. Das Tier vollführte einige Bocksprünge und keilte aus. Und dann stob es von Panik erfüllt davon. Es verschwand zwischen den Felsen.