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Franz Grillparzer

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Beschreibung

In "Medea" thematisiert Franz Grillparzer die komplexen Emotionen von Macht, Liebe und Verrat. Die Tragödie präsentiert die mythologische Figur der Medea als leidenschaftliche, aber auch tragisch gescheiterte Protagonistin, die zwischen ihrer Liebe zu Jason und dem Verlangen nach Vergeltung hin- und hergerissen ist. Grillparzers literarischer Stil zeichnet sich durch eine psychologische Tiefe und eine emotionale Intensität aus, die den Leser in die Abgründe der menschlichen Seele eintauchen lässt. Der dramatische Kontext seines Werkes verweist auf die Tradition der klassizistischen Tragödie und das Ringen um das individuelle Schicksal in einer von gesellschaftlichen Normen geprägten Welt. Franz Grillparzer, ein herausragender Vertreter des österreichischen Theaters des 19. Jahrhunderts, schöpft aus einem tiefen Verständnis der menschlichen Natur und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Seine persönlichen Erfahrungen mit Verlust und Enttäuschung sowie sein Interesse an der griechischen Mythologie fanden in "Medea" ihren künstlerischen Ausdruck. Grillparzers Auseinandersetzung mit Themen wie der weiblichen Identität und der Tragik des Menschen zeugt von seiner kritischen Reflexion über die soziale Realität seiner Zeit. Dieses Werk empfiehlt sich nicht nur für Liebhaber klassischer Tragödien, sondern für alle, die die Komplexität menschlicher Emotionen und moralischer Dilemmata kennenlernen möchten. "Medea" ist eine Einladung, sich mit den Schattenseiten der menschlichen Existenz auseinanderzusetzen, und bietet tiefgründige Fragen über Liebe, Verlust und Rache, die auch in der heutigen Zeit von Relevanz sind.

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Franz Grillparzer

Medea

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066108724

Inhaltsverzeichnis

Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
"

Trauerspiel in fünf Aufzügen

Personen:

Kreon, König von Korinth Kreusa, seine Tochter Jason Medea Gora, Medeens Amme Ein Herold der Amphiktyonen Ein Landmann Diener und Dienerinnen Medeens Kinder

Erster Aufzug

Inhaltsverzeichnis

(Vor den Mauern von Korinth. Links im Mittelgrunde ein Zelt aufgeschlagen. Im Hintergrunde das Meer, an dem sich auf einer Landspitze ein Teil der Stadt hinzieht. Früher Morgen noch vor Tages Anbruch. Dunkel.)

(Ein Sklave steht rechts im Vorgrunde in einer Grube, mit der Schaufel grabend und Erde auswerfend. Medea auf der andern Seite, vor ihr eine schwarze, seltsam mit Gold verzierte Kiste, in welche sie mancherlei Gerät während des Folgenden hineinlegt.)

Medea. Bist du zu Ende?

Sklave. Gleich, Gebieterin!

(Gora tritt aus dem Zelte und bleibt in der Entfernung stehen.)

Medea. Zuerst den Schleier und den Stab der Göttin; Ich werd euch nicht mehr brauchen, ruhet hier. Die Zeit der Nacht, der Zauber ist vorbei Und was geschieht, ob Schlimmes oder Gutes, Es muß geschehn am offnen Strahl des Lichts. Dann dies Gefäß: geheime Flammen birgt's, Die den verzehren, der's unkundig öffnet; Dies andere, gefüllt mit gähem Tod; Hinweg ihr aus des heitern Lebens Nähe! Noch manches Kraut, manch dunkel-kräft'ger Stein, Der ihr entsprangt, der Erde geb ich euch.

(Aufstehend.)

So. Ruhet hier verträglich und auf immer! Das Letzte fehlt noch und das Wichtigste.

(Der Sklave, der unterdes aus der Grube heraufgestiegen ist und sich hinter Medeen, das Ende ihrer Beschäftigung abwartend, gestellt hat, greift jetzt, um zu helfen, nach einem, an einer Lanze befestigten, Verhülltem, das an einem Baume hinter Medeen lehnt; die Hülle fällt auseinander, das Banner mit dem Vliese leuchtet strahlend hervor.)

Sklave (das Banner anfassend). Ist's dieses hier?

Medea. Halt ein! Enthüll es nicht!— Laß dich noch einmal schaun, verderblich Gastgeschenk! Du Zeuge von der Meinen Untergang, Besprützt mit meines Vaters, Bruders Blut, Du Denkmal von Medeens Schmach und Schuld.

(Sie tritt mit dem Fuße auf den Schaft, daß er entzweibricht.)

So brech ich dich und senke dich hinab In Schoß der Nacht, dem dräuend du entstiegen.

(Sie legt das gebrochene Banner zu dem andern Gerät in die Kiste und schließt den Deckel.)

Gora (vortretend). Was tust du hier?

Medea (umblickend). Du siehst's.

Gora. Vergraben willst du Die Zeichen eines Dienstes, der Schutz dir gab Und noch dir geben kann?

Medea. Der Schutz mir gab? Weil mehr nicht Schutz er gibt, als er mir gab, Vergrab ich sie. Ich bin geschützt genug.

Gora. Durch deines Gatten Liebe?

Medea (zum Sklaven). Bist du fertig?

Sklave. Gebiet'rin ja!

Medea. So komm!

(Sie faßt die Kiste bei einer Handhabe, der Sklave bei der andern, und so tragen beide sie zur Grube.)

Gora (von ferne stehend). O der Beschäftigung Für eines Fürsten fürstlich hohe Tochter!

Medea. Scheint's dir für mich zu hart, was hilfst du nicht?

Gora. Jasons Magd bin ich, nicht die deine; Seit wann dient eine Sklavin der andern?

Medea (zum Sklaven). Jetzt senk sie ein und wirf die Erde zu!

(Der Sklave läßt die Kiste in die Grube hinab und wirft mit der Schaufel Erde darüber. Medea kniet dabei.)

Gora (im Vorgrunde stehend). O laßt mich sterben, Götter meines Landes, Damit ich nicht mehr sehn muß was ich sehe! Doch vorher schleudert euren Rachestrahl Auf den Verräter, der uns dies getan! Laßt mich ihn sterben sehn, dann tötet mich!

Medea. Es ist getan. Nun stampf den Boden fest Und geh! Ich weiß, du wahrest mein Geheimnis, Du bist ein Kolcher und ich kenne dich.

(Der Sklave geht.)

Gora (mit grimmigen Hohn nachrufend). Verrat's nicht eurem Herrn, sonst weh euch beiden!— Hast du vollendet?

Medea (zu ihr tretend). Ja.—Nun bin ich ruhig.

Gora. Und auch das Vlies vergrubst du?

Medea. Auch das Vlies.

Gora. So ließt ihr es in Jolkos nicht zurück Bei deines Gatten Ohm?

Medea. Du sahst es hier.

Gora. Es blieb dir also und du vergrubst es Und so ist's abgetan und aus! Weggehaucht die Vergangenheit, Alles Gegenwart, ohne Zukunft. Kein Kolchis gab's und keine Götter sind, Dein Vater lebte nie, dein Bruder starb nicht: Weil du's nicht denkest mehr, ist's nie gewesen! So denk denn auch, du seist nicht elend, denk Dein Gatte, der Verräter, liebte dich; Vielleicht geschieht es!

Medea (heftig). Gora!

Gora. Was? Meinst du ich schwiege? Die Schuldige mag schweigen und nicht ich! Hast du mich hergelockt aus meiner Heimat In deines trotz'gen Buhlen Sklaverei, Wo ich, in Fesseln meine freien Arme, Die langen Nächte kummervoll verseufze, Und jeden Morgen zu der neuen Sonne Mein graues Haar verfluch und meines Alters Tage, Ein Ziel des Spotts, ein Wegwurf der Verachtung, An allem Mangel leidend als an Schmerz, So mußt du mich auch hören, wenn ich rede.

Medea. So sprich!

Gora. Was ich vorhergesagt, es ist geschehen! Kaum ist's ein Mond, daß euch das Meer von sich stieß, Unwillig, den Verführer, die Verführte, Und schon flieht euch die Welt, folgt euch der Abscheu. Ein Greuel ist die Kolcherin dem Volke, Ein Schrecken die Vertraute dunkler Mächte, Wo du dich zeigst weicht alles scheu zurück Und flucht dir. Mög' der Fluch sie selber treffen! Auch den Gemahl, der Kolcherfürstin Gatten, Sie hassen ihn um dein-, um seinetwillen. Der Oheim schloß die Tür ihm seines Hauses, Die eigne Vaterstadt hat ihn verbannt, Als jener Oheim starb, man weiß nicht wie, Kein Haus ist ihm, kein Ruhplatz, keine Stätte: Was denkst du nun zu tun?

Medea. Ich bin sein Weib!

Gora. Und denkest nun zu tun?

Medea. Zu folgen ihm In Not und Tod.

Gora. In Not und Tod, ja wohl! Aietes' Tochter in ein Bettlerhaus!

Medea. Laß uns die Götter bitten um ein einfach Herz, Gar leicht erträgt sich dann ein einfach Los!

Gora (grimmig lachend). Haha! Und dein Gemahl?

Medea. Es tagt. Komm fort!

Gora. Weichst du mir aus? Ha, du entgehst mir nicht! Der einz'ge lichte Punkt in meinem Jammer Ist, daß ich seh, an unserm Beispiel seh, Daß Götter sind und daß Vergeltung ist. Bewein dein Unglück und ich will dich trösten, Allein verkennen sollst du's frevelnd nicht Und leugnen die Gerechtigkeit da droben, Da du die Strafe leugnest, deinen Schmerz. Auch muß ein Übel klar sein, will man's heilen! Dein Gatte, sprich! ist er derselbe noch?

Medea. Was sonst?

Gora. O spiel mit Worten nicht! Ist er derselbe, der dich stürmend freite, Der, dich zu holen, drang durch hundert Schwerter, Derselbe, der auf langer Überfahrt, Den Widerstand besiegte der Betrübten, Die sterben wollte, Nahrung von sich weisend, Und sie nur allzuschnell bezwang mit seiner Glut? Ist er derselbe noch? Ha bebst du? Bebe! Ihm graut vor dir, er scheut dich, flieht dich, haßt dich, Wie du die Deinen, so verrät er dich! Grab ein, grab ein die Zeichen deiner Tat, Die Tat begräbst du nicht!

Medea. Schweig!

Gora. Nein!

Medea (sie hart am Arm anfassend). Schweig, sag ich!— Was rasest du in deiner tollen Wut? Laß uns erwarten was da kommt, nicht rufen. So wär' denn immer da, was einmal dagewesen Und alles Gegenwart?—Der Augenblick, Wenn er die Wiege einer Zukunft ist Warum nicht auch das Grab einer Vergangenheit? Geschehen ist, was nie geschehen sollte, Und ich bewein's und bittrer als du denkst, Doch soll ich drum, ich selbst, mich selbst vernichten? Klar sei der Mensch und einig mit der Welt! In andre Länder, unter andre Völker Hat uns ein Gott geführt in seinem Zorn, Was recht uns war daheim, nennt man hier unrecht, Und was erlaubt, verfolgt man hier mit Haß; So laß uns denn auch ändern Sitt' und Rede Und dürfen wir nicht sein mehr was wir wollen, So laß uns, was wir können mind'stens sein. Was mich geknüpft an meiner Väter Heimat Ich hab es in die Erde hier versenkt; Die Macht, die meine Mutter mir vererbte, Die Wissenschaft geheimnisvoller Kräfte, Der Nacht, die sie gebar, gab ich sie wieder Und schwach, ein schutzlos, hilfbedürftig Weib Werf ich mich in des Gatten offne Arme; Er hat die Kolcherin gescheut, die Gattin Wird er empfangen, wie's dem Gatten ziemt. Der Tag bricht an—mit ihm ein neues Leben! Was war, soll nicht mehr sein; was ist, soll bleiben! Du aber milde, mütterliche Erde Verwahre treu das anvertraute Gut.

(Sie gehen auf das Zelt zu; es öffnet sich und Jason tritt heraus mit einem korinthischen Landmann, hinter ihm ein Sklave.)

Jason. Sprachst du den König selbst?

Landmann. Jawohl, o Herr!

Jason. Was sagtest du?

Landmann. Es harre jemand außen, Ihm wohlbekannt und gastbefreundet zwar, Doch der nicht eher trete bei ihm ein, Umringt von Feinden, von Verrat umstellt, Bis er ihm Fried' gelobt und Sicherheit.

Jason. Und seine Antwort?

Landmann. Er wird kommen, Herr! Ein Fest Poseidons feiern sie hier außen, Am offnen Strand des Meeres Opfer bringend, Der König folgt dem Zug mit seiner Tochter, Da, im Vorübergehen, spricht er dich.

Jason. So, es ist gut! Hab Dank!

Medea (hinzutretend). Sei mir gegrüßt!

Jason. Du auch.

(Zum Sklaven.)

Ihr aber geht, du und die andern, Und brechet grüne Zweige von den Bäumen, Wie's Brauch hier Landes bei den Flehenden. Und haltet ruhig euch und, still. Hörst du? Genug!

(Der Landmann und der Sklave gehen.)

Medea. Du bist beschäftigt?

Jason. Ja.

Medea. Du gönnst Dir keine Ruh'!

Jason. Ein Flüchtiger und Ruh'? Weil er nicht Ruh' hat ist er eben flüchtig.

Medea. Du schliefst nicht heute nacht, du gingst hinaus Und walltest einsam durch die Finsternis.

Jason. Ich lieb die Nacht, der Tag verletzt mein Aug'.

Medea. Auch sandtest Boten du zum König hin; Nimmt er uns auf?

Jason. Erwartend weil ich hier.

Medea. Er ist dir freund.

Jason. Er war's.

Medea. Willfahren wird er.