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"Ohne Einsicht in die Grenzen des Machbaren können wir nicht glücklich werden." Die moderne Medizin suggeriert Allmacht und das Bild von einem jederzeit perfektionierbaren Leben. Doch wenn wir durch Krankheit in existenzielle Krisen gestürzt werden, ändert sich unser Blick auf die Dinge. Dann suchen wir nach menschlichen Antworten und fühlen uns im System der modernen Medizin oft unverstanden und alleingelassen. Professor Giovanni Maio, der wortmächtige Befürworter einer neuen Medizinkultur der Besonnenheit, stellt in diesem Buch Grundfragen, denen niemand wirklich ausweichen kann: Wohin führen uns die Versprechen der Reproduktions- und Transplantationsmedizin? Inwieweit ist Gesundheit machbar - und inwieweit auch Geschenk? Verspricht das "schöner, besser, leistungsfähiger" größeres Glück? Warum ist die Frage nach der Organspende schwieriger, als uns suggeriert wird? Hat das Altsein nicht einen eigenen Wert? Wie können wir eine Einstellung zum Sterben gewinnen, durch die wir uns nicht ausgeliefert fühlen? Giovanni Maios hintergründiges Plädoyer für eine Ethik der Besonnenheit eröffnet ungeahnte Perspektiven - so könnten wir uns vom Perfektionsglauben lösen und zu einer neuen Gelassenheit finden als Bedingung für ein gutes Leben. Prof. Giovanni Maio hat den Lehrstuhl für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne und leitet dort ein eigenes Institut. Er ist sowohl Philosoph als auch Arzt mit einer langjährigen eigenen klinischen Erfahrung. Er kritisiert die Machbarkeitsvorstellungen einer technisierten Medizin und tritt hingegen für eine neue Ethik der Besonnenheit ein: "Ohne Einsicht in die Grenzen des Machbaren und den Sinn des Gegebenen können wir nicht glücklich werden."
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Seitenzahl: 296
Medizin ohne Maß?
Vom Diktat des Machbaren zu einer Ethik der Besonnenheit
Giovanni Maio
5 Abbildungen
Zum Einstieg
Sensibilität für die Grenze
Ethik – als Anleitung zum guten Leben
Die Grenze als Voraussetzung für Fülle
Kapitel 1: Begegnung in der Petrischale?
Reproduktionsmedizin zwischen Ausnahmezustand und technischer Normalität
Machbarkeit
Entgrenzungen
Das Kind als Produkt: Die Logik des Herstellens
Herstellen heißt Beherrschen
Das Kind als Mittel zum Zweck?
Das Kind ist kein Resultat, sondern Anfang
Die Logik der Entpersonalisierung
Vater werden ohne Beziehung – Mutter werden, ohne Mutter sein zu dürfen
Herkunft und Identität
Social Egg Freezing: Familienplanung auf Eis
Lässt sich die Zeit wirklich einfrieren?
Leben im Modus der Multioptionalität
Alternativen zur technisierten Fortpflanzung
Leidenslinderung
Das Kind als Gabe und Geheimnis
Kapitel 2: Durchleuchten, prüfen, aussortieren?
Januskopf Pränataldiagnostik
Eine Patientengeschichte
Abschied vom Zustand der guten Hoffnung
Das behinderte Kind als vermeidbares Übel?
Der Bluttest auf Trisomie 21
Fahndung nach normabweichendem Leben?
Präimplantationsdiagnostik: Das Kind als reklamierbares Produkt?
Grauzone zwischen Aufforderung und Tabu: die Abtreibung
Seelische Folgen der Abtreibung werden tabuisiert
Dem Erleiden Raum geben
Zeichen setzen
Kapitel 3: Schöner, besser, leistungsfähiger?
Warum wollen wir alles optimieren?
Der Imperativ des Gelingens
Die »Verzweiflung der Möglichkeit«
Gefährdung des guten Lebens
Aus der Möglichkeit wird Zwang
Lob des Vergessens
Optimierung als Mittel zum Glück?
Bedingungen eines guten Lebens
Offenheit des Lebensvollzugs
Bewahrung des Sinns für das Gegebene
Stärkung des Rückgrats statt Förderung der Anpassung
Kapitel 4: Gesundheit als Pflicht?
Eigenverantwortung als neues Paradigma
»Gesundheitskompetenz«
Fördern und Fordern
Grenzen der Eigenverantwortung
Krankheit als Schuld?
Gesundheitsrisiken individualisieren?
Vertrauen in das soziale Band
Gesundheitskompetenz ist mehr Haltung als Wissen
Kompetenz im Umgang mit Beschränkungen
Eigenverantwortung durch Sorge
Kapitel 5: Organspende in der Vertrauenskrise
Vertrauensbedingungen
Falsche Anreize ausschalten
Sorgen und Befürchtungen müssen ernst genommen werden
Die Spende darf nicht zur Bürgerpflicht werden
Ist der Hirntod der Tod des Menschen?
Die Definition des Hirntodes
Über die Grenzen naturwissenschaftlicher Erklärungen
Ansätze für eine humane Transplantationsmedizin
Trauer und Abschied
Verantwortung für den Organempfänger
Jede Entscheidung für die Organspende ist lebensentscheidend – auch für den Spender
Transplantationsmedizin als Beziehungsmedizin
Kapitel 6: Vom Wert des Alters – jenseits des Fitnessimperativs
»Damit der Bogen des Lebens voll werde …«
Anti-Aging als Betäubung des Wissens um die eigene Endlichkeit
Anti-Aging als Festschreibung des Menschen auf sein Könnenmüssen
Das Alter als klarer Blick auf die Wirklichkeit
Vertiefung der Grundbedingungen des Menschseins
Alter als Lernmodell für die Gesellschaft
Das Verhältnis der Angewiesenheit
Der alte Mensch gibt uns etwas
Kapitel 7: Formulare als Gesprächsersatz?
Die Patientenverfügung
Eine Patientengeschichte
Autonomie und Fürsorge
Autonomie wird oft erst durch Fürsorge ermöglicht
Ist meine heutige Einstellung auch die von morgen?
Deutungsunsicherheiten
Formulare können Beziehungen nicht ersetzen
Fehlendes Vertrauen in die Humanität der modernen Medizin?
Für eine Kultur der Angewiesenheit und des sprechenden Miteinanders
Kapitel 8: Loslassenkönnen. Für eine neue Kultur des Sterbens
Der »selbstbestimmte Tod« – aktive Sterbehilfe als ethische Resignation
»Mein Tod gehört mir«
»Verhinderung von unnötigem Leid«
Sterben heißt Loslassenkönnen
Die Rationalisierung des Todes und die Frage nach dem »Sinn«
Spiritualität als Ausrichtung auf die Sinnfrage
Der »private« Tod und die Gemeinschaft
Sein Leben annehmen können
Wie könnte ein gutes Sterben aussehen?
Überwindung der Selbstbezogenheit
Zur Bedeutung der Gelassenheit am Lebensende
Epilog: Das Glück liegt in unserer Einstellung zur Welt
Medizin der Besonnenheit
Wo liegt das Maß?
Die Medizin und die Frage nach dem guten Leben
Die Chance der inneren Heilkraft
Anmerkungen
Autorenvorstellung
Sachverzeichnis
Impressum
»Alles kann nicht alles sein.«(Ingeborg Bachmann)
Wer möchte die Möglichkeiten missen, die die moderne Medizin uns heute bereitstellt? Wir haben ihnen viel zu verdanken, von Anbeginn unseres Lebens bis zum Ende. Ja, dass viele von uns überhaupt am Leben sind, dass sie nicht an einer Krankheit oder einem Unfall sterben mussten, schulden wir zu einem großen Teil den Erfolgen der Medizin. Die Medizin hilft uns, unser Leben sorgenfreier zu leben, sie fängt uns auf, wenn uns eine Krankheit ereilt, die noch vor hundert Jahren ein sicheres Todesurteil bedeutet hätte. Insofern ist es eine große Errungenschaft, dass wir über eine moderne, gut funktionierende Medizin verfügen. Und dennoch: In dem großen und unbestreitbaren Erfolg liegt bereits der Keim einer Fehlentwicklung weiter Teile der modernen Medizin.
Was meine ich damit? Mit Fehlentwicklung meine ich die Beobachtung, dass die Medizin im Taumel ihres Erfolges insgeheim verspricht, alles im Griff zu haben. Sie suggeriert zunehmend, dass man sich heute, im Zeitalter einer hocheffektiven modernen Medizin, mit nichts mehr abzufinden brauche: Dank modernster Techniken kann die Medizin Krankheiten besiegen, sie kann Leben verlängern, den Körper verschönern, ehedem unheilbar Kranke für immer heilen – aber kann sie deswegen wirklich alles? In der von vielen Medizinbereichen angestimmten Euphorie des Machenkönnens wird zunehmend vergessen, dass es trotz aller Technik zum Menschen gehört, dass er nicht alles selbst bestimmen kann und die wesentlichen Dinge nicht in seiner Hand hat. Dieses »Vergessen« zieht es auch nach sich, dass es uns immer weniger gelingt, einen Umgang mit dieser Endlichkeit unseres Könnens zu erlernen – und es ist nicht zuletzt diese Kluft zwischen den maß-losen Verheißungen der Technik und der Unfähigkeit zu einem konstruktiven Umgang mit Grenzen, die zu den großen moralischen Engpässen wie zu einem wachsenden Unbehagen an »der Medizin« beiträgt, das unsere Gesellschaft immer stärker beherrscht.
In meinem Buch möchte ich mich jedoch weniger in die Phalanx der »Medizinkritiker« einreihen, die diesen gesellschaftlichen Unmut durch Skandalmeldungen bedienen, als vielmehr die Dinge wieder in den Blick rücken, die der Mensch trotz aller technischen Möglichkeiten eben nicht in seiner Hand hat und auch nie wirklich in seiner Hand haben kann.
Ich möchte über die Grenzen des Machbaren sprechen, aber nicht klagend darüber, dass der Mensch nicht alles selbst gestalten kann, sondern in dem Tenor, dass es vielleicht sogar gut ist, dass sich die wesentlichen Dinge dem technischen Zugriff entziehen.
Die zunehmend bedrückender werdende Schieflage der modernen Medizin verlangt es, den heutigen Zugang zur Welt vom Grundlegenden her zu reflektieren und zu hinterfragen. Diese Hinterfragung ist umso notwendiger, als die Medizin dazu neigt, sich im Umgang mit dem Menschen allein auf naturwissenschaftliche Fakten zu konzentrieren. Ist der Mensch im Bewusstsein weiter Teile der Medizin geradezu ausschließlich das, was sich naturwissenschaftlich beschreiben lässt, so zieht dies fast zwangsläufig die Einstellung nach sich, dass dieses naturwissenschaftlich Beschreibbare ja auch verändert, manipuliert und umgestaltet werden könne. Die moderne Medizin konzentriert sich auf die Veränderung der äußeren Parameter und verlernt dabei immer mehr zu unterscheiden zwischen dem, was zu ändern ist, und dem, worauf man nur mit Annahme des Gegebenen reagieren kann. Sie entwickelt ganze Arsenale zur Bekämpfung – aber sie leitet nicht an zu einem akzeptierenden Umgang mit dem, was ist.
Je mehr wir uns auf das Machen konzentrieren, desto mehr verlieren wir den Blick für das, was vor uns liegt, den Blick darauf, wie wichtig das Begrenzte für uns ist, für unsere Orientierung, für unsere Lebensgestaltung. Der Mensch kann nur innerhalb des ihm Vorgegebenen (etwas) machen; es steht ihm nicht absolut frei, dieses zu wählen. Und zugleich sind wir selbst weniger das Resultat des eigenen Machens als ein »Ereignis« auf dem Boden unverfügbarer Vorgaben. Diese Grundeinsicht ist gerade der modernen Medizin vollkommen fremd geworden. Das Vorgegebene, das nicht Machbare, das einfachhin Seiende – das sind Vorstellungen, die in einer auf Funktionalität, Planbarkeit, Kontrollierbarkeit und Effizienz ausgerichteten Medizin keinen Platz haben. Wie problematisch die Verbannung dieser Grundeinsichten sein kann, möchte ich in diesem Buch, das ausdrücklich ein »ethisches« Buch sein soll, aufzeigen.
Wenn wir heute das Wort »Ethik« hören, denken wir sofort an erhobene Zeigefinger, an Verbote, an Einschränkungen. Und wenn man ein Buch zur Hand nimmt, das auch noch den Titel »Medizin ohne Maß?« trägt, so könnte man glauben, es handele sich um einen erhobenen Zeigefinger, der Grenzen markiert, uns Entsagungen auferlegt und einen Verlust an Optionen. Doch das ist ein falsches Verständnis von Ethik. Seit der Antike dient ethisches Denken in erster Linie dazu, dem Menschen dabei zu helfen, ein erfülltes Leben zu führen. Ethisches Denken also als Anleitung zu einem guten Leben. Und genau so versteht sich dieses Buch.
Es geht in den folgenden Kapiteln nicht um Verurteilungen, um Verbote, um Beschneidungen, sondern gerade im Gegenteil: Es geht um die Frage, wie unser Leben »voller« werden kann. Wie können wir ein erfülltes Leben führen?
Die Medien vermitteln uns oft sehr klare Botschaften, sehr eindeutige Lösungen, aber die Probleme, die gerade in Bezug auf die moderne Medizin aufgeworfen werden, sind nicht auf flache Botschaften herunterzubrechen. Nehmen wir doch die Grenze. Es ist einfach, zu sagen, der Mensch brauche doch keine Grenzen heutzutage, weil er mündig sei und sich daher alles selbst aussuchen dürfe. Ja, das klingt gut: Jeder darf ganz alleine aussuchen! Das drückt in der Tat ein Lebensgefühl unserer Zeit aus, und es war der Soziologe und Philosoph Zygmunt Baumann, der dieses Credo in einer prägnanten Form wie folgt zu Papier brachte:
»Postmoderne ist die erregende Freiheit, jedes beliebige Ziel zu verfolgen und die verwirrende Unsicherheit darüber, welche Ziele es wert sind, verfolgt zu werden.«
Schon daran sehen wir, dass wir uns allein durch die Abschaffung aller Grenzen nicht automatisch dem Glück nähern, weil das Glück nicht primär mit dem Machenkönnen, mit den Mitteln unserer Herrschaft über die Welt zu tun hat, sondern damit, etwas über das Wohin und Wozu zu wissen. Wohin wollen wir, wozu leben wir, was ist wichtig im Leben, worauf kommt es überhaupt an? Das sind die zentralen Fragen, die letzten Endes etwas über das Glück des Menschen aussagen. Wenn wir diese Zielrichtung aus den Augen verlieren und einfach nur alles tun, was möglich ist, dann unterwerfen wir uns einer Diktatur der Machbarkeit und verlieren vor lauter Möglichkeiten das Gespür für das Eigentliche, nämlich für die Frage danach, wer wir eigentlich sind und sein wollen. Wenn wir alles könnten und alles wollten, was wir könnten, dann wären wir niemand. Eine Identität entwickeln können wir nur im Angesicht dessen, was wir nicht können. Identität ergibt und formt sich gerade über die Grenze – die Grenze des Machbaren, aber auch die Grenze des Wünschbaren.
In unserer Zeit können wir es schier nicht aushalten, wenn es eine Grenze gibt. Wir möchten am liebsten alle Grenzen abschaffen, alles können, alles selbst entscheiden, alles so haben, wie wir uns das vorstellen. Aber das ist ein falsches Verständnis von Freiheit und zugleich ein falsches Verständnis von einem guten Leben. So wie die Ufergrenzen den Fluss erst möglich machen, so sind auch für den Menschen die Grenzen notwendig dafür, dass er sich als Mensch begreifen kann. Grenzen sind also nicht als Beschränkung und Einengung zu verstehen, sondern als die Voraussetzung für Fülle.
Was aber nun eine wertvolle und identitätsstiftende Grenze ist oder wo die Begrenzung ein Hindernis darstellt, das man überwinden sollte – dies abzuwägen ist die Herausforderung unserer Zeit. Und nicht nur unserer Zeit: Sich in einer besonnenen Weise mit der Grenze auseinandersetzen muss jede Epoche. Und wenn ich hier schon von Besonnenheit spreche, so meine ich das eben nicht im Sinne einer Besinnlichkeit, die lähmen, sondern im Sinne einer Reflektiertheit, die uns zu neuen Taten anregen kann. Zu Taten, die sich nicht als automatisierte Reaktion des Bekämpfens aller Grenzen ergeben, sondern als reflektierte Entscheidung darüber, diese Grenze und nicht eine andere als eine Herausforderung anzunehmen, sie zu überwinden. Zwischen der heilsamen und der widrigen Grenze unterscheiden lernen – darauf kommt es an, wenn wir einen guten Umgang mit den neuen Möglichkeiten der modernen Medizin erlernen wollen, einen, der uns zu einem erfüllteren Menschsein verhilft.
Beispiele: Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, länger zu leben? Gar für immer zu leben? Ein alter Menschheitstraum. Und doch wird uns, wenn wir genauer darüber nachdenken, klar, dass es gerade die Begrenztheit der Zeit ist, die unserem Leben Sinn und Tiefe verleiht.
Weiter: Wer hat nicht schon mit dem Gedanken gespielt, ein anderer zu sein, sich sein Aussehen, seine Talente und Fähigkeiten selbst aussuchen zu können? Jeder Mensch hat solche Wünsche. Aber könnten wir selbst aussuchen, welche Ausstattung wir mitbekommen, was wäre das für ein Leben? Ist es nicht gerade das Bewusstsein darum, dass wir eben so sind und nicht anders, das uns dazu auffordert, etwas aus dem zu machen, was wir sind? Hätten wir alles selbst ausgesucht, was sollten wir dann mit unserem Leben anfangen? Sind es nicht gerade die Herausforderungen des Nicht-selbst-Ausgesuchten, die unser Leben interessant machen, weil wir nur so eine Chance bekommen, uns irgendwie zu bewähren?
Die Grenze ist also nicht unser Menetekel, sondern gewissermaßen unsere Rettung.
Weiter: Viele wünschen sich heute Kinder ganz nach ihren eigenen Vorstellungen: gesunde, schöne und intelligente Kinder. Verständlich, dass man Kinder haben möchte, die es nicht schwer haben sollen in ihrem Leben, Kinder, die nicht einfach kommen, wie sie kommen, sondern deren Existenz von »optimalen Startbedingungen« abhängig gemacht wird. Aber auch hier: Wie können Kinder glücklich werden, wenn sie wissen, dass sie nicht existieren, weil sie einfach so sind, wie sie sind, sondern weil ihre Eltern festgelegt haben, wie sie zu sein haben? Ist es nicht gerade ein Segen, dass Kinder einfach sind, ohne dass wir sie uns ausgesucht haben? Dass weder sie noch wir ihr und unser Sein zu rechtfertigen haben?
Ein paar Beispiele nur, die aufzeigen sollen, in welche Richtung ich in diesem Buch denke. Das, was auf den ersten Blick als Bürde erscheint, wird im zweiten Zuge zu einer Chance. Wie viel Freiheit liegt gerade in dem Bewusstsein des einfachhin Gegebenen!
»Es ist was es ist …« (Erich Fried).
Die Grundthese des Buches mag auf den ersten Blick paradox klingen, denn sie lautet: Das erfüllte Leben ist nur möglich, wenn der Mensch einen guten Umgang mit der Grenze erlernt. Die Grenze also als Bedingung für das Volle. Widersinnig klingt das. Und doch verbirgt sich dahinter eine tiefe Einsicht, die ich in meinem Buch aufgreifen möchte: Es geht nicht um Gebote und Verbote, sondern es geht um das Eröffnen einer Tiefendimension des Lebens.
Der Arzt und Theologe Albert Schweitzer hat einmal gesagt, die schönste Art zu begeistern sei es, nachdenklich zu stimmen. Und ich gebe zu, dass mir nichts wichtiger ist, als mit den folgenden Kapiteln Nachdenklichkeit hervorzurufen, um nicht über Versprechungen, sondern über die Besinnung Wege zu einem erfüllten Leben finden zu können. Wege, die nicht offenkundig brachliegen, sondern Wege, die erst durch eine Reflexion auf die Tiefendimension der zu entfaltenden Probleme jeder für sich und auf seine Weise Schritt für Schritt zu erschließen hat.
Wie viele Menschen wünschen sich nichts sehnlicher als ein Kind, können es jedoch nicht bekommen? Die Technik kann manchen von ihnen helfen, und doch schafft sie zugleich neue Probleme, über die man früh genug nachdenken muss. Das Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, warum die Technik allein das Kinderwunschproblem nicht lösen kann. Es stellt die Frage, wie den Kinderwunschpaaren umfassender geholfen werden kann – denn diese Paare sind keine Kunden, denen man Techniken anbietet, sondern Menschen, die ganzheitlich betreut werden wollen, um die Krise zu bewältigen. Das Kapitel fragt zudem, was Elternschaft bedeuten kann, die sich aus der Begegnung von Eizelle und Sperma in der Petrischale formiert, und welche herausfordernde Mitgift die technischen Entstehungsbedingungen für viele der zukünftigen Kinder darstellen.
Innerhalb nur weniger Jahrzehnte ist das ungeborene Kind, das eine Frau bislang im Sinne der guten Hoffnung einfach erwartete, ohne auf sein Kommen irgendeinen Einfluss nehmen zu können, zu einem scheinbar beliebig planbaren und zugleich diagnostisch überprüfbaren Objekt avanciert. So hat es sich die Medizin zur Aufgabe gemacht, sich mit dem Schicksal ungewollter Kinderlosigkeit nicht mehr einfach abzufinden. Und das ist auch gut so: Zahlreiche Menschen, die noch gestern schmerzlich auf eigene Kinder verzichten mussten, können heute mit Hilfe der künstlichen Befruchtung Eltern werden. Dies ist unbezweifelbar ein großer Fortschritt und ein Segen für viele. Wir können daher von der Reproduktionsmedizin zunächst einmal als einer Erfindung im Dienste des Menschen sprechen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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