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"Köstlich! Mein Kompliment! Vor allem über Oma Ulla habe ich sehr lachen müssen." Gisa Pauly Um ihre Ehe zu retten, fliegt die 27-jährige Alexandra nach New York. Mutter Henrietta und Schwiegermutter Ulla sind sofort zur Stelle, um in einem Strandhaus auf Sylt auf die kleine Emma aufzupassen. Dumm nur, dass sich die beiden jungen Omas nicht ausstehen können. Ulla ist überzeugte Esoterikerin, Henrietta knallharte Karrierefrau. Bio contra Business, Eso contra Ellenbogen - zwei Welten prallen aufeinander. Als auch noch Alexandras kinderlose Schwester Jana zu Hilfe eilt, ist das Chaos perfekt. Das Leben der Frauen wird ordentlich durcheinandergerüttelt - und ist am Ende viel besser als vorher ... "Herrlich! Flotte Feder, schöner Wortwitz, liebenswerte Figuren – macht Spaß! Und ich will nach Sylt …" Käthe Lachmann, Autorin und Komikerin "Lustig, fesselnd, klug und sehr gut beobachtet. Claudia Thesenfitz hat die Formel für den perfekten Frauenroman gefunden." Wiebke Lorenz
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Der Typ neben ihr auf dem Rücksitz aß doch tatsächlich ein Leberwurstbrot!! Ignorant! Tiermörder! Wie konnte man nur etwas zu sich nehmen, das mal Augen gehabt hatte!
Ja, war das denn zu fassen? Sie hatte doch extra auf einer Mitfahrmöglichkeit in einem schadstoffarmen Elektro- oder Hybridauto mit veganem Fahrer bestanden!
Obwohl sie den Fleischgeruch kaum ertragen konnte, zählte Ulla innerlich bis zehn, dachte »Omm« und schluckte ihren Zorn herunter. Aggression rief nur Gegenaggression hervor – so viel hatte sie im Laufe ihres Lebens kapiert. Außerdem waren sie kurz vor Niebüll, von wo aus sie mit dem Zug weiterreisen würde.
20 Minuten später saß sie auf einem der unerwartet komfortablen Sitze der zweiten Klasse der Nord-Ostsee-Bahn, holte einen veganen Hanfriegel aus ihrem Rucksack und ließ die weite, wie mit einem gigantischen Bügeleisen platt gebügelte Landschaft an sich vorbeiziehen. Ganz schön viel Gegend!
Obwohl sie sich über die vielen Windräder ärgerte, deren Schallwellen Menschen und Tieren nachweislich schadeten, dachte sie über ihr Leben nach. Sie war jetzt 52 und hatte wirklich nichts ausgelassen: Nach der Trennung von Marcus’ Vater hatte sie einen solchen Lebenshunger entwickelt, eine solche Neugier auf die Vielfalt dieser Erde, dass sie alles mitmachte, jede Gelegenheit wahrnahm, die sich ihr anbot.
Sie war Schamanen durch den Amazonas gefolgt, hatte 5000 Meter hohe Berge in Peru bestiegen, war den Jakobsweg gegangen, hatte die fragwürdige »Sie-fahrung« .(frauensprachliches Äquivalent zu »Er-fahrung«) gemacht, bei Vollmöndin in die Erde zu menstruieren, um ihre Urweiblichkeit wiederzubeleben, hatte gefastet, sich nur von Rohkost ernährt, Brot gemieden, jedes Gemüse mit Leinöl übergossen, Sprossen gezüchtet, Bachblüten ausgependelt, Tarotkarten gelegt und mit einem Medium gesprochen.
Sie wusste um die sagenhafte Heilkraft der Kurkumawurzel, die phänomenale Wirkung von Kaffee-Einläufen und die antibiotische Kraft von Kokosöl.
Sie hatte sich mit ihren Körperzellen unterhalten, effektive Mikroorganismen getrunken, sich mit Eigenurin eingerieben, morgens die Zähne mit Olivenöl gespült, Fair-Trade-Kaffee gebraut und vegane Recyclingklamotten getragen.
Sie hatte Ameisen von ihrem Weg gefegt, um sie nicht zu zertreten, hatte mit Mücken gesprochen und ihr »Krafttier« visualisiert.
Sie war auf Anti-Fracking-Demonstrationen gegangen, hatte gegen Massentierhaltung protestiert, Unterschriftensammlungen initiiert, ehrenamtlich Flüchtlinge versorgt und im Zuge uneigennütziger Psychohygiene und Selbstreflexion mehrere Therapien verschiedener Ausrichtungen absolviert.
Sie hatte ihr inneres Kind umarmt, ihren Eltern verziehen, ihre anerzogenen Muster und Programmierungen aufgedeckt und jeden Tag bewusst mit einem Lächeln begrüßt.
Sie vermied negative Wörter, trainierte sich im positiven Denken und atmete den größten Teil des Tages bewusst in ihren Solarplexus.
Selbstverständlich war sie gegen Glyphosat in Gemüse, Genmanipulation in Sojaprodukten und Acrylamide in Kurzgebratenem.
Sie hatte die Bücher des Dalai Lama, von Osho, Florence Scovel Shinn und Deepak Chopra gelesen, in diversen Kommunen und WGs gewohnt und war alleine mit ihrem Sohn im VW-Bus durch Marokko gereist.
Sie hatte Drogenexperimente in der Schweiz gemacht, Ashrams in Indien besucht, Yoga in Goa praktiziert und Buddhismus in Tibet genossen. Sie hatte mit echten Indianern in Schwitzhütten geschwitzt, mit echten Afrikanern in Trommelkursen getrommelt und mit echten Bauchtänzerinnen gebauchtanzt.
Sie hatte Achtsamkeitsseminare belegt, im Schweigekloster geschwiegen und Sex mit Männern, Frauen, mit mehreren – und einmal auch ganz alleine gehabt: Ungerne erinnerte sie sich an das Tantraseminar, bei dem sie vor allen anderen masturbieren musste, weil sich kein Partner für sie gefunden hatte … Eine furchtbare Erfahrung …
Am schrecklichsten daran war, dass sie am Ende ihrer .(zugegeben hilflosen) Performance von den anderen Teilnehmern heftig kritisiert worden war. Ihre »Liebe mit sich selbst« schien den meisten wie eine Show und nicht echt. Es war absolut demütigend, und Ulla war darüber aufs Äußerste empört gewesen. Wer war sie denn, ihre Orgasmus-Glaubwürdigkeit bewerten zu lassen? Eine absolute Frechheit, schließlich war sie ja keine Pornodarstellerin, sondern eine Erkenntnis-Suchende!
Keine Frage, sie hatte aus dem Vollen gelebt, alles ausprobiert und kaum etwas ausgelassen. Und trotzdem hatte sie das Gefühl, ihr Ziel noch nicht erreicht zu haben. Trotz all der Wege, die sie beschritten hatte, war sie noch nicht angekommen. Irgendetwas fehlte – aber was bloß?
Ihre Seele kam ihr vor wie eine Dauerbaustelle – genau wie der Berliner Flughafen.
Resigniert biss sie in einen Hanfriegel und bemühte sich, den Bissen 37-mal zu kauen und korrekt einzuspeicheln.