Mein Teddy hat ihn lieb – du auch? - Friederike von Buchner - E-Book

Mein Teddy hat ihn lieb – du auch? E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Es war Mittagszeit. Toni kam vom Einkauf in Kirchwalden zurück und parkte auf dem Marktplatz von Waldkogel. Er ging in den Andenken- und Trachtenladen Boller. »Grüß Gott, Franz! Wie geht es?« »Grüß Gott, Toni! Frag besser net so genau!«, antwortete Franz und schloss den Laden ab. Er hängte das selbstgeschriebene Schild an die Eingangstür. Darauf stand: ›Mittagspause‹. »Komm mit nach oben!«, sagte Franz und ging voraus. In der Küche bot er Toni einen Kaffee an. Während Toni trank, öffnete Franz eine Dose mit einem Fertiggericht. Er goss den Inhalt in einen Topf und schaltete den Elektroherd ein. Er blieb dabei stehen und rührte um. Toni beobachtete ihn anteilnahmsvoll. »Warum gehst du nicht mehr zu meinen Eltern Mittagessen, Franz? Meine Mutter hat es dir doch angeboten.« »Deine Eltern öffnen ihr Wirtshaus erst am Nachmittag. Ich will deiner Mutter net so viel Umstände machen.« Franz Boller seufzte. »Toni, es gibt noch einen Grund. Ich bin im Augenblick am liebsten für mich. Dass ich den Laden allein führen muss und jeder mich anspricht auf Veronikas …, wie soll ich sagen …?« »Dummheit«, sagte Toni knapp. »Ja, so muss man es wohl nennen. Also, fast jeder spricht mich darauf an. Des ist mir peinlich genug. Ich bin zwar um eine passende Antwort nicht verlegen, aber es belastet mich sehr. Ich habe den Eindruck, dass viele nur aus Neugierde zum Einkaufen kommen.« »Lass es dir net so nah gehen, Franz! Wie geht es Veronika inzwischen?« »Martin sagt, dass es ihr körperlich besser geht. Aber es ist eben der seelische Kummer. Sie schämt sich. Sie will niemanden sehen, auch

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Toni der Hüttenwirt – 181–

Mein Teddy hat ihn lieb – du auch?

Für die kleine Chantal ist alles ganz einfach ...

Friederike von Buchner

Es war Mittagszeit. Toni kam vom Einkauf in Kirchwalden zurück und parkte auf dem Marktplatz von Waldkogel. Er ging in den Andenken- und Trachtenladen Boller.

»Grüß Gott, Franz! Wie geht es?«

»Grüß Gott, Toni! Frag besser net so genau!«, antwortete Franz und schloss den Laden ab. Er hängte das selbstgeschriebene Schild an die Eingangstür. Darauf stand: ›Mittagspause‹.

»Komm mit nach oben!«, sagte Franz und ging voraus.

In der Küche bot er Toni einen Kaffee an. Während Toni trank, öffnete Franz eine Dose mit einem Fertiggericht. Er goss den Inhalt in einen Topf und schaltete den Elektroherd ein. Er blieb dabei stehen und rührte um. Toni beobachtete ihn anteilnahmsvoll.

»Warum gehst du nicht mehr zu meinen Eltern Mittagessen, Franz? Meine Mutter hat es dir doch angeboten.«

»Deine Eltern öffnen ihr Wirtshaus erst am Nachmittag. Ich will deiner Mutter net so viel Umstände machen.«

Franz Boller seufzte.

»Toni, es gibt noch einen Grund. Ich bin im Augenblick am liebsten für mich. Dass ich den Laden allein führen muss und jeder mich anspricht auf Veronikas …, wie soll ich sagen …?«

»Dummheit«, sagte Toni knapp.

»Ja, so muss man es wohl nennen. Also, fast jeder spricht mich darauf an. Des ist mir peinlich genug. Ich bin zwar um eine passende Antwort nicht verlegen, aber es belastet mich sehr. Ich habe den Eindruck, dass viele nur aus Neugierde zum Einkaufen kommen.«

»Lass es dir net so nah gehen, Franz! Wie geht es Veronika inzwischen?«

»Martin sagt, dass es ihr körperlich besser geht. Aber es ist eben der seelische Kummer. Sie schämt sich. Sie will niemanden sehen, auch mich nicht. Der Martin sagt, dass sei normal nach einem solchen Schock.«

Toni nickte und trank einen Schluck Kaffee.

»Mei, des kann man doch auch verstehen. Das war ein richtiger Absturz aus höchsten Höhen in ein tiefes Tal.«

»Ja, so war es. Sie macht sich Vorwürfe, sagt Martin, sie leidet sehr unter ihrem schlechten Gewissen.«

»Ein schlechtes Gewissen kann sie nur dir gegenüber haben. Aber ihr führt doch eine gute Ehe. Da müsste doch eine Verständigung möglich sein. Meinst du net?«

Der Eintopf war heiß. Franz setzte sich und aß.

»Toni, du kennst die Veronika. Sie ist eine tüchtige Person. Sie kann wirklich zupacken. Das ist die eine Seite von ihr. Die andere Seite ist, dass sie immer alles besser weiß, jedermann Ratschläge gibt und sich gern überall einmischt. Sie hat gedacht, sie macht nie Fehler. Das ist doch Unsinn. Jeder Mensch macht mal Fehler, das gehört zum Leben dazu. Und jetzt hat sie einen großen Fehler gemacht. Sie hat sich über den Tisch ziehen lassen. Das wurmt sie. Darüber kommt sie nicht hinweg.«

»Kommt Zeit, kommt Rat, Franz.«

»Weißt du, ich war von Anfang an dagegen. Was haben wir wegen der Sache gestritten! Doch diese Herren haben meine Veronika mit schönen Worten und Komplimenten weichgeklopft. Deshalb hat sie net genau hingeschaut. Sie ist verführt worden. Das verzeiht sie sich so schnell net und auch net, dass ich Recht behalten habe. Toni, ich sage deswegen nix zu ihr. Sie ist schon geprüft genug. Außerdem gehöre ich net zu denen, die sagen, siehst du, ich habe es gewusst. Jedenfalls will sie mich nicht sehen. Drei Tage ist sie jetzt schon beim Martin auf der Krankenstation. Martin rät ihr, sich in psychologische Behandlung zu begeben, damit sie das Trauma besser verarbeitet. Sie muss lernen, mit ihrem Fehler umzugehen und einen neuen Standpunkt gewinnen. Sicher könne er als Arzt viel tun, aber ein Fachmann sei schon besser.«

»Gute Idee«, sagte Toni. »Außerdem käme der Therapeut nicht aus Waldkogel und wäre somit ein Fremder. Auf den würde sie vielleicht eher hören.«

»Genau des meint der Martin auch. Außerdem, Toni, ich will mal ganz ehrlich sein. Was ist passiert? Veronika hat ihr eigenes Geld in die unsinnige Sache gesteckt. Ihr Erbe ist fort, jedenfalls zum großen Teil. Sie hat es den Gaunern hinterhergeworfen. Aber es ist doch nur Geld. Es ist nicht die Gesundheit oder das Leben oder sonst etwas Wichtiges und Wertvolles.«

»Wie eure Ehe«, sagte Toni.

»Genauso ist es, Toni. Ich liebe meine Veronika immer noch und bin bereit, so zu tun, als wäre nix geschehen. Himmel, was soll es? Sie hat einen Fehler gemacht. Das kann sie sich nicht verzeihen. Aber muss sie jetzt noch einen Fehler machen, vielleicht einen noch größeren? Des waren ausgefuchste Trickbetrüger. Wie deine Anna herausgefunden hat, sind schon viele auf diese Gauner hereingefallen.«

»Das stimmt, Franz. Du hast klug und schnell reagiert. So hat Veronika nur des Geld aus ihrer Erbschaft verloren, und ihr seid mit einem blauen Auge davongekommen. Andere haben ihre gesamten Familienersparnisse in die angebliche Geschäftsgründung gesteckt und sich damit um ihre Existenz gebracht.«

»Das stimmt, Toni. So gesehen, ist alles nicht so schlimm. Wenn Veronika sich nur selbst verzeihen und einen Schlussstrich ziehen könnte! Ich bin ihr doch nicht böse. Ich fühle mit ihr. Aber sie will mich nicht sehen. Ich gehe jeden Morgen zu Martin, bevor ich den Laden aufmache und gehe jeden Abend hin nach Ladenschluss. Jedes Mal muss ich unverrichteter Dinge umkehren. Martin lässt mich nicht zu ihr, weil Veronika mich nicht sehen will. Toni, ich bin verzweifelt.«

»Dass du verzweifelt bist, des glaube ich dir gern, Franz. Ich sage dir etwas. Du musst einfach ein bisserl stur sein. Am besten, du lässt den Laden zu. Du setzt dich beim Martin ins Wartezimmer und sagst, dass du so lange sitzen bleibst, bis Veronika dich sehen will.«

»Das kann dauern. Du weißt nicht, wie stur und verbohrt sie sein kann. Mei, den Martin kann ich verstehen. Er hat oft genug versucht, sie umzustimmen, aber sie will mich einfach nicht sehen.«

Toni trank den Kaffee aus. Er stand auf und schmunzelte.

»Franz, ich habe es! Als junger Bursche hast du bestimmt bei deiner Veronika gefensterlt, richtig?«

Sie lachten beide laut.

»Na, siehst du? Jetzt brauchst du nicht mal mehr eine Leiter, die Krankenzimmer auf Martins kleiner Krankenstation liegen alle im Erdgeschoss. Wir haben im Augenblick heiße Nächte. Da sind sicherlich die Fenster auf.«

Sie grinsten sich an.

»Ist das nicht Hausfriedensbruch?«, fragte Franz. »Martin wird mich hinauswerfen, wenn ich einsteige. Er wird Wolfi oder Chris anrufen und sie werden mich abführen.«

Toni lachte laut.

»Des glaubst du selbst nicht, Franz! Wer kann einem Mann verbieten, seine Frau zu besuchen, wenn ihn sein Herz dazu drängt?«

Franz schmunzelte.

»Des ist eine gute Idee, Toni. Die werde ich mir durch den Kopf gehen lassen. Aber du hast recht. Ich muss Veronika überrumpeln.«

»Ja, das musst du! Ihr müsst endlich miteinander reden!«

Franz stand auf. Er brachte Toni zur Tür.

»So, heute Nachmittag bleibt der Laden geschlossen. Ich fahre nach Kirchwalden und kaufe Geschenke für Veronika. Etwas Besonderes soll es sein, etwas, was wir nicht im Sortiment haben. Teuer muss es sein. Mei, sie wird schimpfen, dass ich so viel Geld ausgegeben habe. Aber wenn sie schimpft, dann weiß ich, dass es ihr besser geht und dass sie sich freut.«

»Dann wünsche ich, dass du mit deiner Therapie Erfolg hast, Franz. Sage ihr Grüße von Anna, dem alten Alois, mir und meinen Eltern! Sage ihr, dass wir alle zu ihr halten und sie soll sich keine Gedanken machen.«

»Das werde ich, Toni. Nochmals Danke für deinen Besuch! Es war gut, mit dir zu reden.«

»Gern geschehen und morgen gehst du mittags wieder zu meinen Eltern ins Wirtshaus essen, Franz, falls die Veronika noch net daheim ist. Dieses Büchsenzeug ist nur was für den Notfall und net auf Dauer. Pass auf dich auf und iss etwas Ordentliches, sonst wirst du uns auch noch krank. Dann kann Martin euch zusammen in ein Zimmer legen.«

»Mei, das ist es doch, Toni. Ich habe ohnehin schon Magenbeschwerden.«

»Na siehst du! Jetzt hast du schon zwei Ideen, wie du deiner Veronika näherkommen kannst. Du wirst schon wissen, was du machen sollst. Pfüat di, Franz!«

»Pfüat di, Toni, und grüß mir alle auf der Berghütte, besonders die Kinder.«

»Die haben es dir angetan, Franz. Das konnte ich sehen.«

»Ja, ich liebe Kinder. Leider ist unsere Ehe kinderlos geblieben. Des ist schade.«

Sie lächelten sich zu. Dann ging Toni zu seinem Auto. Franz Boller schloss die Ladentür wieder ab. Er klebte innen einen neuen Zettel gegen das Glas. Darauf stand:

›Heute bis 17.00 Uhr geschlossen!‹

Dann zog er seinen Sonntagsanzug an und fuhr nach Kirchwalden.

*

Daniela stand in der Küche und bereitete das Abendessen zu. Die Haustür ging auf.

»Schatz, ich bin in der Küche«, rief Daniela laut.

Doktor Alexander Krause blieb kurz in der Küchentür stehen und warf seiner Frau einen Luftkuss zu.

»Wir können in zehn Minuten essen«, sagte sie. »Du bist wieder spät dran.«

Alexander nickte nur und ging ins Badezimmer. Er duschte und zog sich um.

Als er kurz darauf in Freizeitkleidung ins Esszimmer kam, war ein Teil des Stresses von ihm abgefallen. So ging es ihm immer nach einer schönen Dusche. Er wusch sich nicht nur möglicherweise vorhandene Bakterien und Viren ab, sondern schrubbte sich auch den Ärger herunter.

Er ging auf seine Frau zu und nahm sie in den Arm.

»Guten Abend, mein Schatz!«

Sie sahen sich in die Augen und strahlten sich an.

»Guten Abend, Liebling«, flüsterte Daniela und streichelte ihm über die Wange.

Sie nahmen sich in den Arm und küssten sich.

»Du siehst schon viel besser aus, als wie du vorhin zur Tür hereingekommen bist, Alexander. War dein Tag schlimm?«

»Es war die ganz normale Hektik. Zwei Kollegen sind in Urlaub. Eine Kollegin mussten wir auf die Wochenstation legen. Ihr droht eine Frühgeburt. Bei dem Arbeitspensum auf der Station ist es nicht verwunderlich. Aber ich denke, es geht gut und sie kommt nicht vorzeitig nieder. Kurz, es kam mal wieder alles zusammen. Dazu hat unser Krankenhaus diese Woche Notaufnahme. Und der ganze Schreibkram muss auch noch gemacht werden.«

Daniela nickte. Sie verstand ihren Mann. Sie war selbst Ärztin und hatte bis zum Ende der Facharztausbildung als Allgemeinmedizinerin im Krankenhaus gearbeitet. Nach Chantals Geburt, ihres kleinen Sonnenscheins, war sie daheimgeblieben. Wenn Chantal in die Schule kommt, würde sie wieder arbeiten, zumindest halbe Tage. Alexander war Internist.

»Wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir so weitermachen wollen. Du kommst fast jeden Tag spät nach Hause und siehst deine Tochter während der Woche nur, wenn sie schläft.«

»Das stimmt. Heute wollte ich früher gehen. Doch dann gab es einen schweren Unfall und ich wurde als Internist hinzugezogen, als der Rettungshubschrauber die Verletzten brachte.«

»Schlimm?«, fragte Daniela knapp.

»Sie hatten Glück. Das sind so Momente, in denen ich weiß, dass es sich lohnt, Arzt zu sein.«

Daniela wusste, wovon ihr Mann sprach.

Sie setzten sich zu Tisch. Daniela war eine ausgezeichnete Köchin. Seit sie daheim war, kochte sie jeden Abend ein warmes Essen. Sie wusste, dass ihr Mann im Krankenhaus zu Mittag oft nur ein belegtes Brötchen aß. Es gab gebackene Leber mit vielen Zwiebeln und Apfelscheiben. Dazu hatte sie Kartoffelmus gemacht und Rotkraut. Die Schokoladencreme rundete als Nachtisch das Menü ab.

»Heute kam die Fachzeitung. Ich habe mir die Praxisangebote angesehen. Es gibt viele Kollegen, die aus Altersgründen ihre Praxis abgeben wollen. Die Anzeigen werden von Monat zu Monat mehr. Es waren einige interessante Angebote dabei.«

»Die in den letzten Monaten waren alle inakzeptabel.«

»Das stimmt. Die Bedingungen waren ungünstig und zu teuer. Jetzt ist eine dabei, die uns vielleicht interessieren könnte.«

»Wirklich?«

»Ja, die Anzeige klingt gut. Es ist eine Landarztpraxis, etwas abgelegen in Mecklenburg-Vorpommern.«

»Fragen und ansehen kostet nichts«, sagte Alexander.

Sie räumten gemeinsam den Tisch ab. Dann gingen sie ins Wohnzimmer. Die Terrassentüren zum Garten standen offen. Draußen ging die Sonne langsam unter. Daniela holte zwei Rotweingläser. Alexander entkorkte die Flasche und schenkte ein. Sie prosteten sich zu und tranken. Daniela reichte Alexander die Fachzeitschrift. Sie hatte die Anzeige umrahmt. Er las.

»Das klingt gut. Meinst du, ich sollte dort anrufen?«

»Sicher!«, sagte Daniela. »Ich stamme vom Land und du auch. Wir waren uns einig, dass für uns eine Landarztpraxis ebenso infrage kommt wie eine Stadtpraxis.«

»Ja. Auf dem Land zu leben, auch im Hinblick auf Chantal, hat viele Vorteile. Ich rufe gleich an.«

Alexander stand auf und ging in sein Arbeitszimmer. Daniela lief nach oben und sah nach Chantal. Das kleine Mädchen schlief, den geliebten Teddy fest im Arm.

Als sie wieder nach unten kam, telefonierte Alexander immer noch. Daniela machte die Küche sauber und wartete. Nach fast einer Stunde kam Alexander. Am Strahlen seiner Augen sah sie, dass das Gespräch gut gelaufen war. Alexander setzte sich und trank einen Schluck Rotwein.

»Der alte Arzt heißt Bernhard Fischer. Er will die Praxis aufgeben, um zu seinen Kindern in den sonnigen Süden ziehen zu können. Er ist Witwer. Auf Geld ist er nicht angewiesen. Er will, dass seine Patienten gut versorgt werden. Als ich ihm sagte, dass ich Internist bin und du Ärztin für Allgemeinmedizin, war er begeistert. Er hat über Jahrzehnte die Praxis zusammen mit seiner Frau betrieben, die auch Ärztin war. Wir haben uns gut verstanden. Jedenfalls hat er uns beide eingeladen, ihn zu besuchen. Wir könnten dann auch einige Tage Dienst machen und die Leute kennenlernen. Er will dabei nicht in der Praxis sein. Er geht angeln, sagt er. Wir sollen uns alles in Ruhe anschauen, seine Patienten behandeln, Hausbesuche machen, das ganze Programm. Dann wüssten wir alles, meint er. Zur Übergabe will er das Haus räumen, bis auf ein Zimmer. Er würde zu unserer Unterstützung noch einige Wochen bleiben und dann zu seinen Kindern ziehen.«

»Das klingt traumhaft. Und wie ist es mit den Kosten?«

Alexander nannte den kleinen Betrag der monatlichen Leibrente, die Doktor Fischer verlangt hatte.

»Das gibt es doch nicht! Dieser Mann ist nicht von dieser Welt«, sagte Daniela.

»Das habe ich ihm auch gesagt. Er ist vom alten Schlag. Deshalb tut er sich mit der Übergabe sehr schwer.«

»Bei diesen Bedingungen gibt es sicherlich viele Interessenten.«

Alexander schüttelte den Kopf.

»So ist es nicht. Den meisten liegt der Ort zu weit weg von der nächsten größeren Stadt. Dabei sind es nur zwanzig Minuten mit dem Auto, dazu kam, dass die Praxis nicht supermodern ist. Andere Ärzte kamen gleich mit einem Finanzberater und einem Architekten an. Das war zu viel für den alten Mann. Er hat sie hinausgeworfen. Er sagt, seine Patienten seien alles so gewohnt und so sollte es bleiben. Das haben die meisten Interessenten nicht eingesehen. Sie wollten nichts Altes.«

»Darauf kommt es nicht an. Solange alle Geräte funktionieren und ein guter Arzt hinter dem Schreibtisch sitzt, der Zeit für die Patienten hat, kann die Einrichtung getrost schon in die Jahre gekommen sein. Vielleicht hat die Praxis sogar Charme.«

»Das hat sie sicher.«

Sie lächelten sich an.

»Ich werde dem Chef sagen, dass ich, wegen einer dringenden Familienangelegenheit, Urlaub nehmen möchte.«

»Er wird sicherlich nicht begeistert sein«, sagte Daniela.

»Das nicht, aber wird es mit genehmigen, ich hatte so lange keinen Urlaub. Dann werden wir uns die Praxis ansehen.«

»Das ist großartig, Alexander.«

»Es wäre gut, wenn wir Chantal jemandem anvertrauen könnten. Ich dachte mir, wir bleiben mindestens eine Woche dort. Es wird hektisch werden. Wenn wir ohne Chantal fahren, wird es bestimmt einfacher. Wie ist es mit deiner Mutter und deiner Schwester?«

Danielas Mutter hatte schon öfter auf Chantal aufgepasst.

Lucia, Danielas jüngere Schwester, war Lehrerin. Bald begannen die großen Ferien.

»Ich rufe Lucia gleich morgen an und spreche mit ihr.«