Meine 100 Kinder - Martin Bühler - E-Book

Meine 100 Kinder E-Book

Martin Bühler

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Beschreibung

Das Thema Samenspende ist noch immer ein Tabu. Dabei leben Schätzungen zufolge allein in Deutschland etwa 100 000 Menschen, die durch eine Samenspende gezeugt wurden. Die genaue Zahl kennt niemand, denn neben Kinderwunschzentren und Samenbanken gibt es auch die Möglichkeit, sich auf eigene Faust einen Spender zu suchen. Keiner dieser privaten deutschen Samenspender ist je in die Öffentlichkeit getreten – bis heute. Martin Bühler, mit dessen Samen schon über 100 Kinder gezeugt wurden, bricht das Schweigen und berichtet in diesem Buch offen von seinen Erlebnissen. Woher kommt seine Motivation, unbekannten Menschen zu einem Kind zu verhelfen? Auf welche Weise entsteht der Kontakt zwischen Spender und Empfänger? Wie laufen die Begegnungen zwischen den beiden Parteien ab? Und wie geht er damit um, wenn ein Spenderkind ihn kennenlernen will? Es sind kuriose, schockierende, aber auch ergreifende Momente, die Martin Bühler in über fünfzehn Jahren als privater Samenspender erlebt hat. Ein unerfüllter Kinderwunsch bringt nämlich nicht nur die größten Sehnsüchte, sondern auch die tiefsten Abgründe der Menschen zum Vorschein.

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Seitenzahl: 159

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation 
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
Originalausgabe, 1. Auflage 2016
© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Elisabeth Bösl
Umschlaggestaltung: Marco Slowik
Umschlagabbildung: Getty Images/Tom Merton
Satz: Medienbearbeitung Machleidt, Ottobrunn
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86883-940-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-287-3
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-288-0
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.rivaverlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter 
www.muenchner-verlagsgruppe.de
Inhalt
Vorwort
Wie wird man Samenspender?
Wie empfängt die Frau das Spendersperma?
Rechte und Pflichten
Und die Moral von der Geschicht’?
Mein erster privater Auftrag
Turbo-Renate
Geld allein macht nicht glücklich
Nazi-Kinder
Caffè Latte
Im Auftrag des Islam
Abendessen mit Folgen – Jutta 1
SOS von einer Singlefrau aus Afrika
Gegen alle Regeln – Jutta 2
Wenn das Schicksal gnadenlos zuschlägt
Praktikum in einer Samenbank
Meine Festnahme
Mein erstes Gespräch mit einem Spenderkind
Voodoo-Zauber in Grünwald
Meine erste Beichte
Sperma-Junkie
Terrorwarnung im ICE
Freundschaftsdienst
Schuss ins Leere
Nachwort
Danksagung

Vorwort

Die Erfüllung des Kinderwunsches mithilfe einer Samenspende ist bis heute eines der großen Tabuthemen in unserer Gesellschaft, so aufgeklärt und modern sie auch erscheinen mag. Viele halten Samenspenden für unmoralisch, für einen medizinisch unterstützten Seitensprung. Männer, die keine Kinder zeugen können (oder es nicht wollen, weil sie vielleicht Erbkrankheitenin sich tragen, die sie an ihre Kinder weitergeben könnten), haben nach wie vor mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie weniger männlich seien. Dieses Stigma verhindert, dass Themen wie Samenspende oder künstliche Befruchtung offen diskutiert werden können. Noch schwerer haben es lesbische Paare, die sich den Kinderwunsch durch eine Samenspende erfüllen wollen, oder allein lebende Frauen, die keinen Partner, aber ein Kind möchten. Daran haben auch Veränderungen in unserer Gesellschaft wie die Anerkennung der »Homo-Ehe« oder die Tatsache, dass die traditionelle Familie von alternativen Modellen Konkurrenz bekommen hat, bislang nichts geändert.

Ich bin seit über fünfzehn Jahren aktiver Samenspender. Ich verhelfe kinderlosen heterosexuellen Paaren, Singlefrauen oder lesbischen Paaren auf privater Ebene zum Wunschkind, denn meiner Meinung nach hat jede Frau das Recht auf ein Kind, unabhängig von ihrer Lebensweise oder sexuellen Orientierung. Das gesellschaftliche Tabu und ein Zwei-Klassen-System in der Reproduktionsmedizin haben dafür gesorgt, dass ein enormer Markt für solche privaten Samenspenden, die also nicht über eine Samenbank den Weg zur Empfängerin finden, entstanden ist, der einem Mann einen beachtlichen Nebenverdienst, wenn nicht sogar ein gutes Auskommen bieten kann.

Wie wird man Samenspender?

»Samenspender« ist natürlich keine Berufsbezeichnung im herkömmlichen Sinne. Es ist mit einer freiberuflichen Tätigkeit vergleichbar. Grundsätzlich besteht für jeden Mann zwischen zwanzig und vierzig die Möglichkeit, sein Sperma einer Samenbank zu spenden. Samenbanken sammeln das Sperma der Spender und lagern es bei -169 °C in flüssigem Stickstoff ein, um es dann an eine Empfängerin zu vermitteln.

Doch nicht jeder Spendewillige wird von einer Samenbank auch als Spender akzeptiert. Diese Einrichtungen haben hohe Anforderungen, die zum Teil durch gesetzliche Regelungen, aber auch durch praktische Erfordernisse bedingt sind. Man(n) durchläuft einen aufwändigen Bewerbungsprozess, bei dem nicht nur medizinische Tests gemacht, sondern auch Fragen zum Medikamentenkonsum und allgemeinen Lebenswandel gestellt werden. Erb- und Infektionskrankheiten wie beispielsweise HIV oder Hepatitis müssen natürlich mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen werden können. Wird man zum Spenden zugelassen, kann man also davon ausgehen, dass man körperlich gesund ist. Obendrein unterliegt man als Spender bei einer Samenbank einer ständigen Gesundheitskontrolle.

Ist man erst einmal »offiziell anerkannter Spender«, kann man alle zwei Wochen zu bestimmten Terminen in der Samenbank spenden. Die Spermaabgabe an sich ist verhältnismäßig leicht zu bewerkstelligen. Nach dem Personalienabgleich wartet man in einem dafür vorgesehenen Bereich, bis man aufgerufen wird. Dann geht man in einen von innen abschließbaren Raum, in dem sich, je nach Ausstattung, eine bequeme Couch oder eine Liege befinden. Weiterhin stehen Fernseher mit DVD-Playern und entsprechendem Filmmaterial und selbstverständlich einschlägige Zeitschriften zur Verfügung. Mit den vorhandenen Requisiten bringt man sich in Stimmung, um schließlich das Ejakulat in einen dafür vorgesehenen Becher zu füllen. Den gibt man vorne am Empfang ab, holt sich seinen nächsten Termin und geht dann seiner Wege. Pro Spende erhält man, je nach Vereinbarung, um die 100 Euro, die in der Regel nach ein paar Tagen auf dem Konto sind. Geht man alle zwei Wochen spenden, können im Jahr etwa 2 600 Euro zusammenkommen, die, ähnlich wie beim Blutspenden, nicht versteuert werden müssen. Geht man dazu über, so wie ich, in erster Linie private Spenden zu geben, hat man freilich einen erheblich höheren Gewinn, da das Geld, das die Empfänger bereit sind auszugeben, direkt in die eigene Tasche geht.

Die regelmäßigen Termine in der Samenbank sind allerdings auch dann nicht beendet, wenn man sich entschließt, nicht mehr spenden zu wollen. Da Krankheiten wie HIV erst nach einiger Zeit zweifelsfrei nachgewiesen werden können, laufen die medizinischen Tests auf jeden Fall für eine gewisse Zeit weiter. So wird sichergestellt, dass das abgegebene Sperma den Richtlinien entspricht.

Wie empfängt die Frau das Spendersperma?

Die Empfängerin muss sich vor einer sogenannten »donogenen Insemination«, also der Gabe von Sperma mit einer Spritze, ebenfalls einer Reihe medizinischer Untersuchungen unterziehen. Außerdem werden lange und intensive Vorgespräche mit ihr und ihrem Partner geführt, in denen auch die Alternativen aufgezeigt werden. Hier stellt sich bereits die erste Hürde für ein lesbisches Paar oder eine Singlefrau: Manche Samenbanken oder Fertilitätskliniken lehnen es aus moralischen Gründen ab, Homosexuelle oder Alleinstehende zu behandeln. Wenn die Empfängerin zugelassen wird, schließt sie mit der Samenbank oder der Klinik einen Behandlungsvertrag.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Frau das gespendete Sperma empfangen kann. Die gebräuchlichste Methode ist die bereits erwähnte Insemination. Dabei wird das Spendersperma mit einer Spritze oder einem Katheter in die Gebärmutter der Frau eingebracht. In der Regel führt das ein Facharzt durch, aber es ist durchaus möglich, dass man es alleine oder mit seinem Partner oder der Partnerin im eigenen Schlaf- oder Badezimmer macht. Dafür ist nicht nur wichtig, dass zwischen Ejakulation und Insemination möglichst wenig Zeit vergeht (Spermien sterben nach kurzer Zeit ab, wenn die Flüssigkeit austrocknet), sondern auch, dass sich die Frau am richtigen Punkt ihres Zyklus befindet, sodass das Ei reif ist. Timing ist alles.

Eine intimere Variante der Insemination ist die Trichtermethode. Dabei führt sich die Frau einen handelsüblichen Kunststofftrichter in die Vagina ein, in den der Mann dann entweder direkt ejakuliert oder in den er das Ejakulat mit einer Spritze hinein gibt. Nach der Insemination kann die Frau sich eine sogenannte Menstruationstasse einsetzen, die dafür sorgt, dass das Sperma dort bleibt, wo es »wirken« soll.

Die Anwesenheit des Partners oder der Partnerin bei der Insemination, sei es zu Hause oder in der Arztpraxis, sorgt für Entspannung bei der Partnerin – und die ist wichtig, wenn es mit der Befruchtung klappen soll.

Die Insemination ist nicht erfolgversprechender als »normaler« Geschlechtsverkehr – sie ist lediglich aufwändiger. Meistens sind mehrere Versuche über mehrere Zyklen hinweg nötig, damit die Frau schwanger wird. Bei einer Samenbank können sich um die 700 Euro pro Versuch ergeben, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Hinzu kommen Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren sowie die Gebühren für die medizinischen Tests und Vorgespräche.

Noch komplizierter – und damit auch sehr viel teurer – wird es bei der IVF, der In-vitro-Fertilisation. Im Gegensatz zur Insemination handelt es sich bei der IVF um eine künstliche Befruchtung. Nach einer Vorbehandlung mit Hormonen wird mit einer Stimulationstherapie zur Eizellproduktion begonnen. Wenn genügend Eibläschen (Follikel mit Eizelle) herangewachsen sind, spritzt man das Schwangerschaftshormon HCG, um die Eizellreifungsphase abzuschließen. 32 bis 36 Stunden nach der HCG-Spritze können unter Narkose Eizellen aus dem Eierstock entnommen werden. Bei dieser sogenannten Follikelpunktion führt der Arzt eine Punktionsnadel mit Ultraschallkopf durch die Scheide bis zum Eierstock, sticht ein Eibläschen nach dem anderen an und saugt die Flüssigkeit ab. Die abgesaugte Flüssigkeit enthält in den meisten Fällen eine Eizelle.

Die Eizellen werden im Labor in eine besondere Nährlösung gegeben, mit einer bestimmten Menge gut beweglicher Samenzellen vermischt und im Brutschrank kultiviert, bis sie das sogenannte Vorkernstadium (eine Eizelle im Anfangsstadium der Befruchtung, in dem der männliche und der weibliche Zellkern noch getrennt zu sehen sind) erreicht haben. An diesem Punkt muss das Paar entscheiden, bei wie vielen Eizellen die Befruchtung abgeschlossen werden soll. Selbstverständlich gilt auch hier das eherne Gesetz der Marktwirtschaft: Will man mehr, zahlt man mehr. Doch die Zahl kann nicht beliebig hoch sein, sondern ist durch die jeweiligen Gesetze eines Landes bestimmt.

In den folgenden zwei bis vier Tagen teilt sich die befruchtete Eizelle mehrmals und wird zu einem winzigen Embryo, der dann mit einem Katheter in die Gebärmutterhöhle eingesetzt wird. Zur Vorbereitung dieser Übertragung bekommt die Frau Medikamente, die die Gebärmuttermuskulatur entspannen. In der Zeit nach dem Eingriff sollte auf alles, was den Kreislauf belastet, etwa Aufregung, Sport und starke Temperaturerhöhungen wie bei Saunabesuchen, heißen Wannenbädern oder intensiven Sonnenbädern, verzichtet werden. Zwölf bis vierzehn Tage nach der Befruchtung kann der Arzt per Blutuntersuchung feststellen, ob die Frau schwanger ist oder nicht.

In Deutschland ist eine IVF nur für verheiratete heterosexuelle Paare vorgesehen. Singlefrauen und lesbische Paare müssen ins Ausland, beispielsweise nach Dänemark reisen, um die Methode in Anspruch nehmen zu können, denn dort herrscht eine liberalere Gesetzgebung. Die Kosten liegen bei rund 4 000 Euro, die ebenfalls nicht von den Krankenkassen übernommen werden.

Rechte und Pflichten

Als Spender befindet man sich in vielerlei Hinsicht in einer rechtlichen Grauzone. Der Gesetzgeber sieht die Sache so: Zwei Menschen zeugen zusammen ein Kind, und daraus ergeben sich nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Fragen, die man als Samenspender unbedingt im Vorfeld klären und schriftlich festhalten sollte.

Über eines muss sich jeder Spender im Klaren sein: Kinder, die durch eine Samenspende gezeugt wurden, haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist. Das entschied der Bundesgerichtshof 1989. Die Anonymität, die unter Umständen sowohl vom Spender als auch von der Mutter, der Co-Mutter bei einem lesbischen Paar oder dem sozialen Vater gewünscht wird, ist also nicht gewährt, egal, ob man einen entsprechenden Passus in seiner Vereinbarung hat oder nicht. Außerdem gilt, dass der Spender vom Gesetzgeber als biologischer Vater angesehen wird, ähnlich wie bei einer Schwangerschaft nach einem One-Night-Stand. Die Spenderkinder sind also theoretisch unterhalts- und erbberechtigt. In den Vereinbarungen der Samenbanken (und auch in den Verträgen, die ich mit meinen Kundinnen geschlossen habe) versucht man, den Spender so gut es geht vor finanziellen Ansprüchen zu schützen.

Die gegenwärtige Rechtslage schließt mit dem im Frühjahr 2002 eingeführten § 1600 Abs. 2 Nr. 5 BGB die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann, also den sozialen »Vater«, oder die Mutter des durch donogene Insemination gezeugten Kindes aus, wenn beide vorher die Insemination gewünscht und in sie eingewilligt haben, unabhängig davon, wie sie durchgeführt wurde. Das gibt dem Spender einen gewissen Schutz vor eventuellen Klagen »seiner« Kinder.

Die Mutter kann nach § 1594 Abs. 4 BGB die Vaterschaft des sozialen Vaters bereits vor der Geburt rechtmäßig anerkennen lassen. Bei verheirateten lesbischen Paaren geht das nicht, da es sozusagen keinen Vater in der Familie gibt. Hier verpflichtet sich die sogenannte Co-Mutter im Behandlungsvertrag, das gemeinsame Kind nach der Geburt zu adoptieren, wodurch sie zum gesetzlich anerkannten zweiten Elternteil des Kindes wird.

Die Verträge, die zwischen Kliniken, Spendern und Empfängern geschlossen werden, versuchen also zumindest, dem Spender eine gewisse rechtliche Sicherheit zu bieten. Inwiefern diese jedoch tatsächlich besteht, ist fraglich. Eine mögliche Lösung, die beispielsweise in Österreich und Griechenland praktiziert wird, wäre, den Spender von vornherein vor dem Gesetz nicht als Vater anzuerkennen.

Die Insemination selbst ist vollkommen legal und wird tagtäglich durchgeführt, sei es in einer Klinik oder zu Hause. Und trotz des gesellschaftlichen Tabus werden die Inseminationen in den nächsten Jahren nicht abnehmen. Im Gegenteil: Es ist anzunehmen, dass die zunehmende Unfruchtbarkeit bei Männern dafür sorgen wird, dass eine Samenspende für ein Paar immer öfter der einzige Weg sein wird, ein Kind zu bekommen. Aber auch die steigende Anzahl von lesbischen Paaren sowie gut ausgebildeten und wohl situierten Singlefrauen, die sich trotz des nicht vorhandenen Partners ein Kind wünschen, wird dazu führen, dass die Suche nach Alternativen zur klassischen Befruchtung durch Geschlechtsverkehr nicht abreißen wird. Die Politik sollte sich also Gedanken um entsprechende Gesetze und Regelungen machen – schließlich sind es ja nicht zuletzt die Politiker, die ständig fordern, dass wir Deutschen doch mehr Kinder in die Welt setzen sollen …

Und die Moral von der Geschicht’?

Es sind aber nicht nur rechtliche, sondern auch moralische Fragen, die jeder, der Samen spenden oder gespendeten Samen empfangen möchte, für sich beantworten muss. Welche Rolle soll, kann und will der Spender (und damit der biologische Vater) im Leben »seines« Kindes einnehmen? Will man seinem Kind später einmal sagen, auf welchem Wege es entstanden ist? Hat der Spender eine Art Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass »sein« Kind auch in »guten« Verhältnissen aufwächst? Spendet man einfach jedem, der genug Geld hat, sein Sperma, oder trifft man eine gewisse Auswahl?

Die Spende bei einer Samenbank ist anonym – solange kein »Spenderkind« die Herausgabe der Daten verlangt. Als Spender erfährt man nichts über die Kinder, die man gezeugt hat. Dies ist der Grund, warum ich private Spenden bevorzuge. Die absolute Anonymität war einfach noch nie etwas für mich. Ich wollte wissen, wem ich zu einem Kind verhelfe. Und ich wollte mich auch in einem gewissen Maße dadurch absichern, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen mir und der jeweiligen Empfängerin bestand. Zudem habe ich immer schriftliche Vereinbarungen mit meinen Kundinnen getroffen, in denen diese Dinge explizit festgelegt wurden. Ob diese Vereinbarungen im Falle einer späteren Auseinandersetzung tatsächlich vor Gericht auch zu hundert Prozent greifen, kann ich nicht genau sagen. Ich bin glücklicherweise nie in die Situation gekommen.

Mir geht es schon lange nicht mehr allein darum, mit dem Kinderwunsch anderer Geld zu verdienen, auch wenn das – zugegeben – anfänglich meine Motivation dafür war. Heute möchte ich vor allem den Frauen zu einer Schwangerschaft verhelfen, denen der Weg zum eigenen Kind durch eine Samenspende oder eine künstliche Befruchtung gesellschaftlich, rechtlich oder finanziell erschwert wird. Deswegen arbeite ich viel mit lesbischen Paaren und Singlefrauen zusammen, wenngleich natürlich auch Hetero-Paare zu meinen Kunden gehören. Dass ich dabei Geld verdienen kann, ist natürlich ein Anreiz. Aber ich wollte auch ein gewisses Maß an Kontrolle darüber haben, wem ich meinen Samen spende, und so in einem begrenzten Rahmen sicherstellen, dass es dem Kind gut gehen wird.

Die Art und Weise, wie ich meine Kunden finde, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Waren es anfangs noch in erster Linie Kleinanzeigen in lokalen Zeitschriften oder Kontaktmagazinen, kann man heute überall auf der Welt in einschlägigen Internetforen und -portalen inserieren. So erreicht man viel mehr potenzielle Kundinnen, andererseits gibt es dadurch auch jede Menge Mitbewerber, sodass manche Spender sich sozusagen spezialisieren, etwa indem sie sich auf lesbische Paare konzentrieren.

Privat Samen zu spenden ist mehr als nur in einen Plastikbecher zu ejakulieren. Man begleitet die Frauen monate-, manchmal sogar jahrelang, bis es endlich geklappt hat. Ich habe durch diesen ungewöhnlichen Nebenjob die unterschiedlichsten Menschen sehr intim kennenlernen dürfen. Einige dieser Geschichten habe ich in diesem Buch versammelt. Alle Namen sind natürlich geändert.

Als privater Samenspender bekommt man Einblicke in die sehnlichsten Wünsche und tiefsten Abgründe der Menschen. In meinen Kurzgeschichten möchte ich Sie mitnehmen auf eine Reise in eine ganz eigene Welt. Es sind die Fälle, die mir im Gedächtnis geblieben sind, die herausragen, die ungewöhnlichen – selbst in einem so ungewöhnlichen Nebenberuf. Noch nie wurden in dieser Deutlichkeit die Erlebnisse eines Samenspenders veröffentlicht. Die Geschichten sollen das illustrieren, was ich gerade erklärt habe. Doch unabhängig davon, ob Sie als Leser zu einer meiner Zielgruppen gehören oder einfach nur einen Einblick in die Welt eines Samenspenders erlangen möchten, sollen die folgenden Seiten auch berühren, nachdenklich machen und amüsieren – und manchmal auch alles zugleich.

Mein erster privater Auftrag

Es war ein Samstagmorgen im Juni, als ich mit dem Zug zu einem lesbischen Paar, Maria und Jasmin, nach Trier fuhr. Je näher ich meinem Ziel kam, desto feuchter wurden meine Hände und desto weicher meine Knie. Ich hatte mich eben erst dazu entschlossen, zukünftig auch auf privater Ebene mein Sperma zu spenden, und das den beiden Frauen, die ich in einer Kinderwunschklinik in den Niederlanden kennengelernt hatte, mitgeteilt.

In Holland war es für mich viel einfacher, als Spender aktiv zu werden, da der bürokratische Apparat in den Niederlanden bei weitem noch nicht so ausgedehnt war wie in Deutschland. Natürlich wurden auch hier medizinische Tests durchgeführt und Lebenswandel und Medikamentenkonsum des Spenders abgefragt. Aber der Prozess insgesamt war doch um Längen überschaubarer als in Deutschland. Für die beiden Frauen war es in den Niederlanden ebenfalls einfacher, gespendetes Sperma zu empfangen – weil die Holländer sehr viel entspannter mit Homosexualität umgingen.

Ursprünglich hatte ich den Weg in diese Klinik nur auf mich genommen, um dort eine Samenspende abzugeben und so in den Pool der anonymen Spender aufgenommen zu werden.

Wir hatten uns im Wartezimmer kennengelernt. Die zwei Frauen waren offen mit ihrer Sexualität umgegangen, und aus blanker Neugier hatte ich mit ihnen ein Gespräch angefangen. Auch sie hatten sich für mich als Samenspender interessiert. Nach meinem Termin hatten sie vor der Klinik auf mich gewartet und ganz direkt gefragt, ob ich mir vorstellen könne, für sie privat zu spenden. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit hatte ich zugestimmt.

Jetzt wollten wir uns treffen und besprechen, wie alles ablaufen sollte. Ein schwieriges Kapitel, wenn man das erste Mal in diese Situation kommt und spürt, dass es ernst wird. Mir schwirrten tausend Fragen durch den Kopf: Was, wenn dieses Kind mich später einmal kennenlernen will? Oder wenn es mich auf Unterhalt verklagt? Wird es überhaupt klappen? Wie gehe ich damit um, wenn es klappt? Wird das Kind später einmal eine Erklärung fordern? Was sagt man dann? Wie viel Geld ist das eigene Sperma eigentlich wert? Ist es geschmacklos, dieses zu vermarkten? Trotz all der Fragezeichen in meinem Kopf wollte ich den beiden helfen, und jetzt galt es, zu sehen, ob wir uns einig werden konnten.

Am Bahnhof in Trier angekommen wurde ich auf das Herzlichste begrüßt, und wir fuhren in die Wohnung der beiden. Sie hatten einen wunderbar duftenden Kirschkuchen gebacken, und beim gemütlichen Zusammensitzen wich die Anspannung langsam, meine wie ihre. Maria und Jasmin erzählten mir ihre Geschichte, die mich wirklich zutiefst bewegte. Sie waren seit zehn Jahren zusammen, und irgendwann kam der Wunsch nach einem eigenen Kind auf, der immer stärker wurde. Gemeinsam entschlossen sie sich, sich in einer Kinderwunschklinik in Holland behandeln zu lassen, denn eine andere Möglichkeit gab es für sie als gleichgeschlechtlich lebendes Paar in Deutschland damals noch nicht.