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Ernst von Wolzogen war ein Schriftsteller, Verlagslektor und Gründer eines der ersten literarischen Kabarette in Deutschland. Dieser Band umfasst seine beliebtesten Erzählungen: Die Gloriahose. Werthers Leiden in Sexta. Mein erstes Abenteuer. Wasserscheu. Die versetzte Heilige. Der Peperl Die taubstumme Katze Der Raritätenliabhaber Ein unheimlicher Reisegefährte Der Blüthner-Flügel Der seidene Schipongs Der Topf der Danaiden Das Mädchen mit den Schwänen Die Sühne der großen Stunde Die heilige Maske
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Seitenzahl: 787
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Meine besten Geschichten
Ernst von Wolzogen
Inhalt:
Ernst von Wolzogen – Biografie und Bibliografie
Die Gloriahose.
Werthers Leiden in Sexta.
Mein erstes Abenteuer.
Wasserscheu.
Die versetzte Heilige.
Der Peperl
Die taubstumme Katze
Der Raritätenliabhaber
Ein unheimlicher Reisegefährte
Der Blüthner-Flügel
Der seidene Schipongs
Der Topf der Danaiden
Das Mädchen mit den Schwänen
Die Sühne der großen Stunde
Die heilige Maske
Meine besten Geschichten, E. von Wolzogen
Ernst Freiherr von Wolzogen, Schriftsteller, Stiefbruder des vorigen, geb. 23. April 1855 in Breslau, wurde bis zum Tode seiner Mutter (1863), einer Engländerin, ganz als Engländer erzogen, studierte 1876 bis 1879 in Straßburg und Leipzig deutsche Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte und verlebte hierauf mehrere Jahre in Weimar. 1882 ließ er sich in Berlin, später in München nieder, jetzt hat er seinen Wohnsitz in Darmstadt. W. hat sich besonders als munterer, leichtflüssiger Erzähler, der in maßvoller Weise der modernen realistischen Richtung Rechnung trägt, und auch als Lustspieldichter vorteilhaft bekannt gemacht. Es erschienen von ihm die (teilweise oft ausgelegten) Erzählungen und Romane: »Um 13 Uhr in der Christnacht« (Leipz. 1879), »Immakulata« (das. 1881), »Der Mieter des Herrn Thaddäus« (das. 1886), »Heiteres und Weiteres« (Stuttg. 1886), »Basilla«, ein »Thüringer Roman« (das. 1887), »Die rote Franz« (Berl. 1888), »Er photographiert«, Humoreske (das. 1890), »Erlebtes, Erlauschtes und Erlogenes« (das. 1892), »Die Entgleisten« (das. 1894), »Das gute Krokodil und andre Geschichten« (das. 1893), »Fahnenflucht« (das. 1894), »Ecce Ego. Erst komme ich« (das. 1895), »Die Gloriahose« (das. 1897), »Geschichten von lieben süßen Mädeln« (das. 1897), »Vom Peperl und andern Raritäten« (Münch. 1897), »Das Wunderbare« (Berl. 1898), »Das dritte Geschlecht« (das. 1899, 150. Tausend 1903), »Was Onkel Oskar mit seiner Schwiegermutter in Amerika passierte« (das. 1904), »Seltsame Geschichten« (das. 1906), »Der Topf der Danaiden« (das. 1906), »Der Bibelhase« (Stuttg. 1908); ferner (seit 1888) in »Engelhorns Romanbibliothek«: »Die Kinder der Exzellenz«, »Die tolle Komtesse«, »Die kühle Blonde«, »Blau-Blut« (3 Bde.), »Die Erbschleicherinnen«, »Der Thronfolger«, »Der Kraft-Mayr«, ein humoristischer Musikantenroman, dem Andenken Franz Liszts gewidmet (1897, 2 Bde.; als Lustspiel bearbeitet mit E. Haller, Berl. 1906) und »Die arme Sünderin« (1901, 2 Bde.). Auf dramatischem Gebiete schrieb W. das Festspiel: »Das Gastgeschenk der Phantasie« (1882), die Lustspiele: »Der letzte Zopf« (1884), »Die Kinder der Exzellenz« (mit W. Schumann, 1890), »Das Lumpengesindel«, Tragikomödie (Berl. 1892, 2. Aufl. 1902), »Ein unbeschriebenes Blatt« (1896), »Unjamwewe« (1897), die Schauspiele: »Daniela Weert« (Berl. 1894), »Der Bastard« (1903); die Operntexte: »Feuersnot« (Berl. 1901, 9. Aufl. 1902; in Musik gesetzt von Richard Strauß), »Die bösen Buben von Sevilla« (1903) und »Die Bäder von Lucca« (1903, nach Heine). Seine Gedichte veröffentlichte W. u. d. T.: »Verse aus meinem Leben« (Berl. 1907); mit seiner Gattin Elsa, geborne Seemann (geb. 5. Aug. 1876 in Dresden), verfaßte er das »Eheliche Andichtbüchlein« (das. 1903). Außerdem veröffentlichte W. noch biographisch-kritische Studien: »George Eliot«, »Wilkie Collins« (beide Leipz. 1885), die Flugschrift: »Linksum kehrt schwenkt-Trab. Ein ernstes Mahnwort an die herrschenden Klassen« (1.–4. Aufl., Berl. 1895), »Ansichten und Aussichten. Gesammelte Studien über Musik, Literatur und Theater« (das. 1908) und gab die »Eigene Lebensbeschreibung des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen« (Leipz. 1885; 2. Aufl., Berl. 1907) heraus. Ende der 1890er Jahre schuf W. das sogen. Überbrettl (s. d.) und veranstaltete Aufführungen in zahlreichen deutschen Städten; auch setzt er sie noch jetzt als musikalisch-deklamatorische Unterhaltungen fort, wobei ihn seine Gattin durch ihren eindrucksvollen Vortrag von Liedern zur Laute unterstützt.
Eine thüringische Pastoratsgeschichte.
»Frau, Frau!« rief der Pfarrer Kannepich ganz aufgeregt in die Küche hinein. »Gib dem Boten einen Bittern, 's ist ein Brief gekommen – vom hohen Kirchenregiment.«
Die Frau Pfarrerin stand eben am Waschfaß und wusch die Windeln des Jüngsten aus. »Ein Brief!« rief sie und riß vor Schreck die Augen weit auf. Und dann trocknete sie sich die Hände oberflächlich an der Schürze, rieb die bloßen Arme auf ihren Hüften ab und nahm aus den zitternden Fingern ihres Mannes das gefährliche Schreiben entgegen. Sie drehte es nach allen Seiten hin, betrachtete bald das große Amtssiegel, bald die Adresse und reichte es endlich vorsichtig wieder zurück: »'s ist wirklich an dich, Kannepich – na, da werd' einer klug draus!«
Damals, vor sechzig Jahren ungefähr war es, kam der Briefbote nur gar selten in das abgelegene Dörfchen hoch oben im Thüringer Wald, wo der hochwürdige Gotthilf Kannepich Seelsorger war. Der gute Mann hatte absolut gar keine Korrespondenz, nicht die geringsten Beziehungen zur Außenwelt und kaum irgendwelche zu seinen kirchlichen Behörden, die ihn seit einer ganzen Reihe von Jahren in seinem toten Winkel schier vergessen zu haben schienen. Das war ihm auch sehr recht so, denn er hatte einen wahrhaft kindlichen Respekt vor allem, was mit der hohen Obrigkeit, sei es geistliche oder weltliche, zusammenhing, und kam sich ihr gegenüber stets etwas armsündermäßig vor, denn er war sich wohl bewußt, daß er weder ein Schriftgelehrter, noch ein Gewaltiger des Wortes, noch ein Heiliger sei und überhaupt nicht eine einzige imponierende Eigenschaft besitze – es sei denn seine Eigenschaft als Vater von sieben unvermählten Töchtern. Aber in seiner Einfalt und Demut war er ein guter Christ, und er hatte eine eigene Art, den Leuten tröstend zuzureden, und wurde von ihnen hoch verehrt wegen seines Verständnisses für alle Leiden des lieben Viehes.
Nachdem der Briefbote seinen Bittern genossen und sich verabschiedet hatte, eilte die Pfarrerin in ihres Mannes Stube. Anna und Lieschen, die sechs und vier Jahre alten Töchterchen, hatten sich an ihren Rock gehängt und mit hineinschleppen lassen: Lore, die fünfzehnjährige, kam mit der Jüngsten auf den Armen nach, und alle starrten bestürzt den alten Vater an, der mit dem geöffneten Schreiben ganz geknickt in seinem Lehnstuhl sah.
»Modice, Modice, Modice!?« seufzte der Pastor mit verzweifeltem Frageton vor sich hin.
»Was ist's denn? Lieber Himmel, Kannepich, du bist ja ganz blaß!« rief die Frau und stützte ihre derben Fäuste auf den Tisch, indem sie sich zu ihrem Gatten hinüberbeugte.
»Modice will er haben, Frau. Weißt du nicht, was Modice ist?«
»Wer denn?«
»Der neue Supperdent kommt zur Visitation am Sonntage. Modice will er haben, schreibt er.«
»Ist das was zum Essen?«
»Freilich, freilich!« Und der arme Pastor kratzte sich die Bartstoppeln gegen den Strich, wie er immer zu tun pflegte, wenn er in Verlegenheit war. »Weiß denn keins, was das ist?«
»Vielleicht der Herr Kandidat«, wagte Lore nach einer längeren Pause schüchtern zu bemerken.
»Der Herr Kandidat! Immer der Herr Kandidat«, brauste der Alte auf. »Ich will von dem Windbeutel ein für allemal nichts wissen.«
»Aber Mann, der Herr Kandidat ist doch bei dem Grafen in Weimar Hauslehrer gewesen, der kennt gewiß alle die feinen Modegerichte, und vielleicht kennt er gar den neuen Supperdenten selber.«
Der Pastor kratzte immer aufgeregter mit dem Rücken seiner Rechten gegen seine Stoppeln. Was die Frau gesagt hatte, war ganz richtig; er hatte selbst gleich an den Kandidaten gedacht, aber – er zog seine Frau in die Fensternische und sagte ganz kleinlaut: »Siehst du, Luise, ich hab' ihm doch vor ein paar Tagen erst den Pelz gewaschen wegen seinem heimlichen Karessieren und Scharmieren mit unserem Dortchen und hab' ihm gesagt, daß er sich nicht unterstehen soll ...«
»Du wirst's ihm schön grob gegeben haben, dem armen, lieben Menschen«, fiel ihm die Pastorin erregt ins Wort. »Wir haben doch, weiß der liebe Himmel, die Freier so nötig wie's liebe Brot, hier oben mit unseren Sieben. Ich möchte wissen, worauf du noch warten willst für unser Dortchen, und Malchen könnte auch schon daran denken.«
»So bist du nu, Luise«, unterbrach der Pfarrer ihren Redefluß und wendete seufzend die Augen gen Himmel. »Guck doch, wie die Kinder horchen. Geht 'naus, Kinder. – Ich werde doch mein gutes Dortchen nicht einem jungen Sausewind geben, dem noch weit mehr Studiosenunfug als Gottes Wort im Kopfe steckt und der noch lange laufen kann, bis er zu Amt und Würden kommt. Über alte Leute lachen und mit seines Pfarrers Töchtern Heimlichkeiten anzetteln, das kann er, aber ...«
»Siehst du, Kannepich, siehst du. Wer wird hitzig von uns beiden, wer redet, was nicht hergehört? Und was du da sagst, daß er Gottes Wort nicht im Kopfe hätte, das ist auch gar nicht wahr, denn er hat neulich, wie du das Zipperlein hattest, so herzbeweglich gepredigt, daß nicht einmal die alten Weiber eingeschlafen sind, und mein Dortchen ist heimgekommen und hat geweint und gesagt: ›Mutter, es wär' unverdiente Gnade, wenn ich den Johannes kriegte, aber einem andern Manne könnt' ich um nichts in der Welt wieder so gut sein!‹ Das hat sie gesagt.« Und die Frau Pastorin hätte noch lange nicht aufgehört, wenn nicht plötzlich die Tür aufgeflogen, und die zweite Tochter, Malchen, mit erhitztem Gesicht hereingelaufen wäre.
»Vater«, flüsterte sie, noch halb atemlos. »Der Johannes, der Herr Kandidat, ist wieder mit der Doris im Garten, und sie knutschen sich und küssen sich ab, daß es eine Schande ist.«
»Ei du!« rief der gute Pfarrer und versuchte, sehr grimmig dreinzuschauen. »Da haben wir's! Soll ich jetzt vielleicht 'nausgehen und ihn schön bitten, wenn er sich an meinem Dortchen satt geschmatzt, mich gefälligst anzuhören und mir einen guten Rat zu geben?«
»Ist ja auch nicht nötig, es wird dir schon noch selbst einfallen, was Modice ist«, versetzte seine Gattin nicht ohne Schärfe und warf dem Malchen einen bösen Blick wegen ihrer Zuträgerei zu, die gerade zur unpassendsten Zeit gekommen war. Darauf schritt sie sehr eilig hinaus und warf die Tür hinter sich.
»Modice!« rief der arme Pastor in heller Verzweiflung ihr nach. »Modice! 'naus, Malchen, du Klatschbase, und daß du dich nicht mehr aus dem Hause rührst, bis ...« Er wies mit strengem Blick nach der Tür, und Malchen, die den Vater nie so ernstlich böse gesehen hatte, begann vor Schreck zu weinen, als sie hinausging.
»Ach, diese Visitation! Modice – ich muß es wissen«, jammerte der alte Herr vor sich hin, setzte in der Eile das Käppchen schief auf und lief spornstreichs zum Hause hinaus, das verhängnisvolle Schreiben noch in der Hand haltend.
Der Garten war durch eine Mauer vom Hofe des Pfarrhauses getrennt. Vor dem offenen Tore derselben blieb der Pastor eine Minute lang sinnend stehen. Dann nahm er eine große Prise, trat in den Garten, schlug den einen Torflügel zu, daß es dumpf krachte, und begann dann plötzlich laut, mit etwas zitteriger Stimme, zu singen: »Mein erst Gefühl sei Preis und Dank ...«
Da leuchtete ja Dortchens helles Kleid hinter den Haselsträuchern. Der Herr Pfarrer blieb stehen, wandte den Haselsträuchern den Rücken und sang in die blaue Luft hinauf: »Erhebe Gott, o Seele«. Hea-a-tschi! Ein erschütterndes Niesen unterbrach den frommen Morgengesang. Und dann zog er sein baumwollenes Sacktuch hervor und ließ mit Anstrengung aller Kräfte volltönende, langandauernde Trompetenstöße erschallen. Darauf wendete er sich vorsichtig wieder nach der Richtung der Haselsträucher um. Richtig, sie waren fort und hatten ihre Zeit wahrlich gut benutzt, denn schon im nächsten Moment kam der Herr Kandidat, Johannes Möbius, ganz harmlos vom Hause her auf den hochwürdigen Papa Kannepich zugegangen.
»Schönen guten Morgen, Herr Pastor. Ich hörte Ihren Morgengesang und erlaubte mir einzutreten, um ...«
»Servus, Servus, Herr Kandidat. Ist mir eine rechte Freude, daß Sie mich einmal besuchen. Wir können ja gute Freunde bleiben, nicht wahr, wenn das auch mit meiner Ältesten ... na, wir wollen nicht davon sprechen.«
»Ich komme eigentlich, um mich zu verabschieden. Ich will mich nämlich wieder nach einer Hauslehrerstelle umtun, da auf eine Anstellung noch keine Aussicht ist, und meinen Eltern hier möcht' ich auch nicht gern länger zur Last fallen.«
»Ach, Sie wollen schon wieder fort, lieber Möbius? Das tut mir aber leid! Hören Sie, über den Sonntag müssen Sie aber noch bleiben, da kommt der neue Herr Supperdent zur Visitation und bleibt bei uns die Nacht.«
»Ei, wirklich, Herr Pastor!« rief Johannes, und es blitzte übermütig in seinen hübschen, blauen Augen auf. »Der Herr Doktor Schneckenfett, nicht wahr? Den kenn' ich schon von Weimar her. Ein sehr gelehrter Herr und ein strenger Herr soll er sein, ein sehr strenger Herr, der's in allen Dingen gar so genau nimmt. Na, Herr Pastor, bei Ihnen hat's ja keine Not, Sie werden wegen dieser Visitation schon ruhig schlafen können.«
O weh, wie wurde dem armen, alten Pfarrer bei dieser Nachricht zumute! In seiner Aufregung überhörte er ganz den Spott, der wohl in den letzten Worten des mutwilligen Kandidaten liegen sollte, und bemühte sich nur, unbefangen zu lächeln.
»Freilich wohl, freilich wohl«, sagte er. »Übrigens, da, lesen Sie selbst, was er schreibt.« Und er reichte dem jungen Manne den Brief hin. Aufmerksam beobachtete er die Züge des Lesenden, die jedoch ganz ruhig blieben. Gleichgültig, mit einer kleinen Verbeugung, gab jener das Schreiben zurück.
Der Herr Pastor hatte ein wenig Herzklopfen, aber es mußte heraus. Er räusperte sich stark und fragte dann mit einem unsicheren Aufblick: »Haben Sie's denn vielleicht schon einmal gegessen?«
»Gegessen?« gab der Kandidat mit ungeheucheltem Erstaunen zurück.
»Nu ja, hier steht's doch.« Und er faltete das Blatt wieder auseinander und las: »Wenn ich bezüglich des Essens einen Wunsch aussprechen darf, so sei es der: modice! Es ist mir so vielfach bei meinen Visitationen vorgekommen, daß die Herren in einer Weise üppig auftischten, wie es weder meinen bescheidenen Ansprüchen noch ihren Verhältnissen angemessen erschien. Darum modice, lieber Herr Amtsbruder, nicht wahr: modice!«
Es kostete den Kandidaten gewaltige Mühe, dem guten Alten nicht laut ins Gesicht zu lachen. Daß eines Pfarrers Latein einmal so gänzlich zu Ende sein könnte, daß er nicht wußte, daß modice »mit Maßen« hieß, hätte er nicht für möglich gehalten. Aber das war doch eine zu prächtige Gelegenheit, dem alten Papa für seine Hartherzigkeit in Sachen Dortchens einen kleinen Streich zu spielen, als daß er sie sich hätte entgehen lassen können. Er setzte also eine möglichst ernsthafte Miene auf und sagte: »Modice? Ach richtig – jawohl, freilich – das ist ja das neue Gericht, das in Weimar bei Hofe jetzt so Mode ist. Die Frau Großherzogin muß es ihrem Manne immer zum Geburtstage kochen. Kalbskopf in Sahne gebraten ist das; ich hab's bei meinem Grafen auch manchmal gegessen. Delikat, sage ich Ihnen, Herr Pastor. Ich habe mir das Rezept von dem gräflichen Koch geben lassen. Ich muß es noch zu Hause haben; soll ich's abschreiben für die Frau Pastorin?«
»Ach ja, bitte, lieber Möbius; Sie täten mir einen großen Gefallen damit. Nicht wahr, man will's doch seinem Vorgesetzten recht gern gemütlich im Hause machen, und wenn so ein Herr seinen aparten Geschmack hat und obendrein drum bittet. Menschliche Schwäche, lieber Möbius. Eine feine Küche gehört freilich nicht zu einem guten Seelsorger, aber nu ja ... sehen Sie, so ist der Mensch nu 'mal – wir haben alle unsere kleinen Schwächen.«
»Ja, und deine ist das Latein«, dachte Johannes und versprach, das Rezept sofort abzuschreiben und in die Pfarre zu bringen.
»Kalbskopf in Sahne!« murmelte der Pastor und rieb sich vergnügt die Hände. »Ein strenger Herr soll er sein, ein sehr strenger Herr – aber wenn er sein Modice in Sahne gebraten kriegt –«
Das liebe, blonde Dortchen hatte von der Mutter schon Malchens Verrat erfahren und war auf das Schlimmste vorbereitet. Es stand am Herd und kochte und wischte sich immer ein Tränchen nach dem andern von den gesunden, roten Wangen. Da kam der Vater mit ungewöhnlich raschem, festem Schritt in die Küche und rief freudestrahlend: »Kalbskopf in Sahne!« Und dann erzählte er sein ganzes Gespräch mit dem jungen Möbius und tätschelte währenddessen sein schämiges Dortchen fortwährend auf die Backen.
Und nach kaum einer halben Stunde war auch der Kandidat wieder da mit dem Rezept in der Hand, noch naß von der Tinte. Dortchen guckte durch die Türspalte und sah, wie ihm der Vater mit ausgestreckten Händen entgegenging. »Mein lieber, junger Freund!« sagte er. Da schlug Dortchens verliebtes, achtzehnjähriges Herz so stark vor Freuden, daß sie einen leisen, sehr hohen Jubelschrei ausstieß und ganz vergaß, Malchen die Augen auszukratzen, wie sie sich doch fest vorgenommen hatte.
Bald darauf, der Kandidat hatte sich wieder empfohlen, fanden sich alle neune zum Mittagessen zusammen. Vater, Mutter, Dortchen, Malchen, Lorchen, Klärchen, Anna, Lieschen und das allerkleinste, Gretchen in seiner Wiege, war auch dabei. Aber der Vater war auffallend ernsthaft und schweigsam, trotzdem sich das große Modicerätsel so glücklich für ihn gelöst hatte. Die Frau Pastorin fragte zwar mehrmals, was ihm denn sei, bekam aber nur ein ernstes »Warte nur!« zur Auskunft.
Nachdem das Gebet gesprochen worden, sagte der Pfarrer wichtig: »Kinder, geht 'naus. Dortchen, Malchen bleibt da.«
Dortchen wurde ganz rot und zitterte. Malchen freute sich, daß es nun am Ende doch noch für das Stelldichein hinter den Haselbüschen etwas setzen würde. Aber nichts dergleichen.
»Hört 'mal,« begann der Alte und schritt bedächtig im Zimmer auf und nieder, »da hat mir der Kandidat von dem neuen Herrn Superintendent Sachen erzählt, daß einem ...« Der Stoppelbart kratzte fürchterlich! – »So einen gestrengen Herrn haben wir noch nicht im Kirchenregiment gehabt.« Er seufzte. Die Mutter und die Mädchen sahen sich ängstlich an.
»Kinder, ich bin ein bescheidener Mann, ich weiß nicht, ob meine Predigten gut oder schlecht sind und ob ich damit vor dem Herrn Superintendenten bestehen werde. In eine schlechtere Stelle kann er mich nicht versetzen lassen, denn das hier ist, Gott sei Dank, die schlechteste im Lande, und wie ich darauf auskomme und euch sieben durchbringe, das weiß nur Gott und meine Luise.« Er trat vor seine Frau und drückte ihr die beiden Hände. Es war sehr feierlich und ängstlich, und die beiden großen Mädchen waren nahe daran, vor Rührung zu weinen.
»Na, aber wißt ihr, Kinderchen,« fuhr der Alte fort, »wie ich immer sage: Nur immer heiter, der Herr hilft weiter! Wenn ich dem gelehrten Herrn auch zu einfältig predige, soll's ihm doch wenigstens bei uns im Hause gefallen – und dabei müßt ihr mir helfen. Bei einem guten Essen kann man schon einmal eine schlechte Predigt vergessen ...«
»Kannepich,« fiel hier die ungeduldige Frau Pfarrerin ein, »könnten wir ihm nicht seinen Kalbskopf vor der Kirche auftragen?«
»Aber Luise!« rief der Pastor aus und sah seine Frau mit mildem Vorwurf an. »Mit vollem Magen in die Kirche gehen? Nein, meine Predigt, mag sie werden, wie sie will, muß er nüchtern hören. Kocht mir nur das Modice genau nach dem Rezept, Kinder, das wird ihm dann schon schmecken! Und dann auf den Abend ...« Er stockte, er lachte kurz auf, kratzte sich im Bart und fuhr dann fort: »Nein, was es doch für närrische Menschen gibt! So vornehme Herren haben doch zu merkwürdige Grillen im Kopfe. Denkt euch, der Möbius, der den Herrn Supperdenten von Weimar her ganz genau kennt, hat mir erzählt, er hätte eine Passion für – ihr werdet mir's nicht glauben, Kinder, aber der Kandidat hat mir's selber erzählt, er wäre auch im ganzen Lande dafür bekannt – er hätte eine närrische Passion fürs – Lichtputzen!«
»Fürs Lichtputzen?!« riefen die drei Zuhörerinnen erstaunt.
»Ja, fürs Lichtputzen. Ein komischer Herr, nicht wahr? Aber wenn er abends in seiner Studierstube sitzt und recht gelehrt zu arbeiten hat, dann müssen sie ihm immer eine halbe Mandel Lichter auf den Tisch stellen, und wenn dann die Schnuppen so recht schön lang geworden sind, so richtige Räuber, dann macht er sich mit der Lichtputzschere darüber, und das macht ihm solchen Spaß, daß er davon immer die beste Laune und die tiefsten Gedanken kriegt.«
»Herrjechen, nein!« rief die Pastorin und schlug die Hände zusammen.
»Na, da!« sagte Malchen.
Dortchen allein schwieg und machte ein verlegenes Gesichtchen, denn ihr stiegen plötzlich Bedenken auf gegen die Wahrscheinlichkeit einer so überaus »närrischen Passion« – zumal für einen gelehrten Superintendenten. Sollte nicht ihr lieber Johannes sich einen etwas gewagten Scherz mit ihrem guten Papa erlaubt haben? Dortchen war gar nicht so dumm, wie sie es hätte sein dürfen als hinterwäldische Pfarrerstochter mit ganz wenig mehr als Dorfschulbildung. Seit sie ihren Kandidaten hatte predigen hören, merkte sie auch wohl, daß ihr alter Vater doch gar kein Redner vor dem Herrn war, und daß er klugen Stadtleuten wohl etwas einfältig vorkommen mochte. Aber sie liebte ihn trotzdem inniger, als die anderen Mädchen und war um sein Wohl besorgter als alle. Sie beschloß, ihren Liebsten bei nächster Gelegenheit gehörig ins Gebet zu nehmen. Finden wollte sie diese Gelegenheit schon, auch wenn sie Vater und Mutter darum ungehorsam sein mußte.
Es wurde nun eifrig Rat gehalten, wo und wie der Herr Superintendent unterzubringen sei, was alles zum Essen angeschafft werden mußte, wieviel Talglichter zu kaufen seien und so weiter. Und dann wurden die Kosten berechnet und geseufzt und der Bart gekratzt und überlegt, was man sich fürs nächste Halbjahr für Entbehrungen aufzuerlegen habe, um die unvorhergesehene Ausgabe zu decken.
Und als dies schwere Stück Arbeit erledigt, die Rollen verteilt und die Frauen an die Ausführung gegangen waren, da schloß sich der hochwürdige Pfarrer Kannepich in sein Stübchen ein, nahm eine Prise nach der andern und überlegte, worüber er an dem Schreckenstage vor dem gelehrten Doktor Schneckenfett predigen sollte. Von seinen zweiundfünfzig fertigen Sonntagspredigten, die er Jahr für Jahr wieder aufwärmte, bestand keine vor seiner Selbstkritik. Er wollte es einmal mit einem freien Texte versuchen, nahm die Bibel vor und blätterte stundenlang mit nassem Finger darin, ohne etwas zu finden, worüber er sich etwas Besonderes zu sagen getraute. Endlich ging er verzweiflungsvoll in den Garten hinaus und grub im Schweiße seines Angesichts ein Stück Land um. Dabei fiel es ihm endlich ein, worüber er predigen wollte und auch gleich die Einteilung dazu in fünf Teile, ganz neu und erbaulich. Nun schloß er sich wieder ein, arbeitete das Thema aus und legte sich abends nicht eher zu Bett, als bis er fertig war. Er schlief etwas unruhig die Nacht, denn er träumte von Kalbskopf in Sahne und von qualmenden Talgschnuppen und vom Doktor Schneckenfett mit der Lichtputzschere. Und dann kam der grimmige Superintendent und schnitt dem Kalbskopf à la modice mit der Lichtputzschere die Zunge heraus. Es war sehr schrecklich, aber trotzdem schlief der hochwürdige Gotthilf Kannepich gerade hierüber ein.
Der furchtbare Sonntag war gekommen, die Bewohner der Pfarre seit dem frühesten Morgen in Aufregung und Geschäftigkeit. Der Pfarrer allein, der doch am aufgeregtesten war, stand heute später auf als sonst, weil er bis zu ungewöhnlich später Stunde seine Predigt memorierte und danach lange nicht hatte einschlafen können. Es war bereits acht Uhr vorbei, als er erst zum Rasieren vor den Spiegel trat. Hätte ihn sein Dortchen nicht zum Glücke beim Morgenkuß noch auf seinen gräßlichen Stoppelbart aufmerksam gemacht, so hätte er's in der Verwirrung vielleicht ganz und gar vergessen. Er hatte sich eingeseift und kratzte mit dem herzlich stumpfen Messer zum Erbarmen auf seiner linken Wange herum, als er zu seinem Schrecken im Hausflur erst das Aufkreischen, Stürzen, Drängen, Schelten und Flüstern der Weiberschar und gleich darauf die volltönende tiefe Stimme des Superintendenten vernahm. Die Hand mit dem Messer sank dem armen Pastor zitternd herab, in den steifen, weißen Schaum der linken Backe bohrten sich langsam die ersten trägen Blutstropfen hinein. Hilf, Himmel, da stand er in Hemdärmeln, schwarzsamtenen Kniehosen, geflickten Strümpfen und Pantoffeln und wußte nicht aus noch ein. Sollte er ins Nebenzimmer laufen und hinter sich zuriegeln? Aber nein, von da gab's keinen andern Ausgang, und die Frau hatte den guten Rock noch zum Ausbürsten draußen. Oder sollte er sich nur den Schaum abwischen und sich durch die Türspalte entschuldigen?
Während er noch überlegte, trat der gestrenge Herr Doktor Schneckenfett, von der knicksenden Hausfrau geleitet, auch schon über die Schwelle und ohne weiteres auf den sich verlegen hin und her drehenden Kannepich zu. Ehe er noch ein Wort der Entschuldigung und Begrüßung zu stammeln vermochte, dröhnte ihn bereits der saftige Baß des Kirchenhäuptlings gemütlich an: »Keine Entschuldigung, lieber Amtsbruder, keine Entschuldigung! Ja, Sie haben wohl nicht gedacht, daß ich so früh hier heraufkommen würde in Ihre Einsamkeit? Ich bin ein Frühaufsteher, Herr Amtsbruder, und halte Fuhrmannsstunden im Sommer.«
Der arme Pfarrer glaubte aus den letzten Worten einen Vorwurf für sich herauszuhören und verbeugte sich linkisch einmal über das andere. Er stotterte ungeschickte Entschuldigungen über den wenig feierlichen Empfang – immer noch das Rasiermesser zwischen den zitternden Fingern und ohne dem hohen Gaste die Hand zu bieten. Er bemerkte plötzlich, daß die Tür weit offen stand und in derselben seine Frau, in gleichfalls unvollendetem Anzug, und hinter ihr die lebende Mauer der sieben Töchter, alle mit ängstlichen Augen, vorgestreckten Hälsen und offenen Mündern. Das vermehrte noch die Verwirrung des Ärmsten, er kam sich wie am Pranger stehend vor. Da winkte er halb ärgerlich, halb betrübt mit dem Messer gegen die Tür und rief leise das Wort, das er seit langen Jahren täglich unzähligemal zu wiederholen genötigt war: »'naus, Kinder!« Und der Mutter, welche erschrocken mit kehrt machte, rief er noch nach: »Luise, mein Rock!«
»So, Herr Amtsbruder«, dröhnte der Superintendent in seinem jovialen Forte, »nun lassen Sie sich nicht stören: bringen Sie ihr Grummet trocken herein, ehe wir in die Kirche gehen – hahaha!«
Sein donnerndes Lachen dünkte dem verschüchterten Kannepich vollends fürchterlich, und aus allen seinen harmlosen Scherzreden meinte er etwas ironisch Bedrohliches herauszuhören. Aber er begann, sich endlich mit Todesverachtung durch die zähe Kruste der halb eingetrockneten Seife mit seinem stumpfen Messer hindurchzuarbeiten. Der Herr Doktor Schneckenfett putzte indessen seine goldene Brille und plauderte munter fort, während er mit großen Schritten, unter denen die alten Dielen krachten – ebenso wie von seinem donnernden Baß die Kalksplitter sich von der Decke lösten –, in dem engen, ärmlichen, fast bücherlosen Studierzimmer auf und ab ging. Er erzählte sehr nett und liebenswürdig, wie er es in den schon besuchten Pfarrereien seiner Diözese gefunden, und wie man ihn aufgenommen habe. Er war eben dabei, seinem Entzücken über die Schönheit des Thüringer Waldes, den er bei dieser Gelegenheit bereist hatte, Ausdruck zu geben, als er plötzlich verstummte, stutzte und den durchbohrenden Blick seiner großen, runden Augen mit olympischem Stirnrunzeln auf – dem Hosenboden seines Amtsbruders haften ließ. Der elende, kleine Spiegel, vor dem jener sich rasierte, konnte ihm das Gebaren des Superintendenten nicht verraten und da er gerade an der scharfen Wendung des Kinnes, der gefährlichsten Stelle, angelangt war, so überhörte er auch das Knacken der Kniegelenke seines hohen Gastes, welcher eben dicht hinter ihm niederhockte, seine Brille auf die Stirn schob, um näher sehen zu können, und dann mit vor Erstaunen wirklich gedämpfter Stimme von der Hinterseite der schwarzen Samthose die: Worte ablas: »Gloria in excelsis Deo!« Wehe! Da stockte das kratzende Messer in der Hand des unglücklichen Pfarrers, und ein zweites, klebriges Blutbächlein suchte sich sein Rinnsal in der runzeligen Pergamenthaut seines trübseligen, biederen Bauerngesichtes. »Ei du mein, gucke da!« rief der Ärmste: »da hat mir meine Luise doch richtig die Gloriahose hingelegt.«
»Die Gloriahose?!« fragte der Superintendent, indem er sich langsam aufrichtete.
»Ja, so nenn' ich sie immer«, antwortete kleinlaut der Pastor, während er sich mit dem alten, zerrissenen Handtuch den Schaum vom Gesicht tupfte. Er war jetzt fertig mit der schwierigen Operation und stand gebeugten Hauptes mit bekümmerten Augen vor seinen großgewaltigen Vorgesetzten, der die vollen Lippen in die Breite zog und offenbar Mühe hatte, seine Lachlust zu bekämpfen. »Gucken Sie, Herr Supperdent,« erzählte er in rührender Verlegenheit, »wenn eins hier oben in dem armen Lande mit sieben Kindern sitzt, die alle essen und trinken und angezogen sein wollen, da hat's manchmal seine liebe Not, und die Frau kommt aus dem Flicken und Drehen und Wenden das ganze Jahr nicht 'raus. Und wie nun vorig' Jahr hier zu ihrer goldenen Hochzeit eine wohlhabende Bauersfrau eine neue Altardecke in die Kirche stiftete, da ließ ich die alte verauktionieren, weil sie schon gar zu schlecht war, und hab' sie dabei billig selbst gekauft, weil sonst nur noch ein alter Tagwerker darauf bot. Na, und – gucken Sie, Herr Supperdent, meine Luise versteht alles so schön – da hat sie mir davon ein paar Kniehosen und eine Weste gemacht, und für die kleinen Mädchen ist noch ein hübsches Wintermäntelchen abgefallen. Meine Frau wollte erst die Inschrift heraustrennen, aber ich meinte, der Boden könne dann leichter reißen, wenn ich ihn arg strapaziere, und da hat sie das Gold drin gelassen. Man kann ja auch seinem Herrgott mit allem preisen, Herr Supperdent, nicht wahr? Warum nicht auch mit dem Hosenboden?«
Über das Gesicht des Doktor Schneckenfett zuckte es seltsam – halb Lächeln, halb Rührung. »Hm, hm!« brummte er nur und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. – Und der gute Kannepich forschte in seinem Angesicht, wurde nicht klug daraus und wandte sich seufzend der Tür zu. Am Ende fand der gestrenge Herr die heilige Inschrift an dieser Stelle doch nicht am Platze – und der gute Mann bedeckte rasch mit beiden Händen seinen podex inscriptionum und wischte dann hurtig durch die Tür, um seinen Rock zu holen. – –
Der Herr Superintendent, allein gelassen, lachte lange und herzinniglich. Seine breiten Schultern zuckten im Takte, sein wohlanständiges Bäuchlein wackelte und seine wasserblauen Kugelaugen wurden so feucht, daß er sich die Tropfen von den Brillengläsern wischen mußte. Aber das war nur ein vielversprechender Anfang für all die Wunderlichkeiten, die er noch erleben sollte. Man ging in die Kirche, ein stil- und schmuckloses Gebäude, von den Konfirmandenkindern bekränzt, Girlanden um Altar und Kanzel sowie um den Lehnstuhl, den man für den Superintendenten in den Holzverschlag gestellt hatte, der für die Mitglieder der Pastoratfamilie bestimmt war. Der gewaltige Doktor Schneckenfett kam sich drollig unbehaglich in dem bekränzten Stuhle vor und fürchtete, der Gemeinde dadurch lächerlich zu erscheinen. Da er aber auf allen Gesichtern den ehrfürchtigsten Ernst wahrnahm, fand er sich lächelnd darein. Neben ihm saß Dortchen, sehr hübsch und sittig, sehr blond und sehr gut gewachsen. Der geistliche Herr konnte sich nicht versagen, hier und da einen wohlgefälligen Blick auf das eifrig singende Mädchen mit dem schlechtsitzenden Kattunkleid zu werfen. Außer Dortchen war nur noch Lorchen und Klärchen zur Kirche gekommen, und die Mutter hatte sich entschuldigt und Matchen zur Hilfe in der Küche behalten. Eigentlich hätte die Älteste daheimbleiben sollen, aber sie war zu begierig, des Vaters Predigt zu hören und an dem Gesichte des geliebten Kandidaten zu sehen, was sie wert sei, und deshalb hatte sie der Mutter die Erlaubnis abgebettelt. Das Orgelspiel war grausam, gräßlich, der Gesang der Konfirmandinnen, welche zu beiden Seiten des Altars saßen, ohrenzerreißend und der Duft ihrer stark gefetteten Frisuren wenig lieblich. Oben auf der Galerie, dem Pfarrerstande gegenüber, saß Johannes neben dem alten Bauern Möbius, seinem Vater, erwartungsvoll lächelnd und Dortchens Blick zu erhaschen suchend. Endlich bestieg der hochwürdige Gotthilf Kannepich die Kanzel. Der Superintendent in bekränztem Sessel und der Kandidat oben auf der Galerie setzten gleichzeitig die frischgeputzten Brillen auf und fixierten den bleichen Prediger. Dortchen seufzte und wurde sehr rot, und dann erhob man sich, um das Evangelium zu vernehmen. Es war aus dem zehnten Kapitel des Evangeliums Johannis der zwölfte Vers: »Ich bin ein guter Hirte; ein guter Hirte lässet sein Leben für die Schafe. Ein Mietling aber, des die Schafe nicht eigen sind, siehet den Wolf kommen und verlasset die Schafe und fleucht; und der Wolf erhaschet und zerstreuet die Schafe. – Amen.«
Man setzte sich, scharrte mit den Füßen, hustete, räusperte und dann begann der gute Pfarrer also: »Ihr kennt mich nun schon seit zwanzig Jahren, geliebte Gemeinde, ihr wißt, daß ich einfältig vor dem Herrn und von Herzen demütig bin, wenn ich also gelesen habe: ich bin ein guter Hirte, so habe ich mich damit wahrhaftig nicht selber gemeint, denn ich bin selbst nur ein Schaf in der Herde unseres Herrgotts, und vielleicht auch ein Mietling, denn ich werde dafür bezahlt, daß ich die kleine Christenherde hier im Dorfe und auf dem Filial in Obacht nehme, aber freilich so elend bezahlt, daß es manches von euch Schafen besser hat als ich, der Hirte. Aber seht ihr, ich wohne hier zwanzig Jahre unter euch, und meine liebe Frau hat mir unter euch sieben Mädchen geboren, ich bestelle meinen Acker wie ihr, was ihr erntet, ernte ich auch, und was euch verhagelt, verhagelt mir auch; darum gehöre ich zu euch, und ihr gehöret zu mir, wie der rechte Hirte zu seinen rechten Schafen. Ob ich auch ein guter Hirte bin, das zu prüfen, ist der gelehrte Mann aus Weimar gekommen, den ihr hier auf dem festlich bekränzten Stuhle sitzen seht.«
Er machte hier eine kleine Pause, um der Gemeinde Zeit zu geben, sich den gelehrten Mann aus Weimar anzusehen, und um sich die Schweißperlen von der Stirne zu wischen. Dortchen blickte zur Galerie empor – der Kopf des Kandidaten mit krampfhaft zuckenden Mienen verschwand eben hinter der Brüstung. Sie schielte bestürzt nach dem Herrn Superintendenten herum, der ganz rot geworden war, unruhig auf dem eingesessenen Polster rückte und die großen Augen unruhig über die Gemeinde rollen ließ. Aber die dumpfen Züge all der guten Weiber im Schiff und der Männer auf der Galerie waren ernst und ehrfürchtig wie zuvor.
Der arme Pastor fing einen zornig verdutzten Blick des Visitators auf, und seine Stimme zitterte, indem er nun also fortfuhr: »Ich weiß, geliebte Gemeinde, daß ich euch mit Rat und Hilfe, mit Trost und Vermahnung allezeit beigestanden habe, mochte euch nun eine Kuh oder ein Kind krank sein, die Ernte verregnet oder ein Liebes gestorben sein, darum seht ihr mich nun auch an wie die richtigen Schafe ihren richtigen Hirten und ihr wißt, daß ich nicht von euch gehen werde, wenn der Wolf kommt, der die Herde erhaschet und zerstreuet. – Was ist denn das für ein Wolf, geliebte Gemeinde?«
Er machte wieder eine kleine Pause, ließ seine Blicke über die andächtige Versammlung schweifen und richtete sie dann mit einem gewissen Triumph auf den Superintendenten, der sehr ruhig und rot wurde, denn nach den schon erlebten Unglaublichkeiten war er darauf gefaßt, sich selbst der Gemeinde als Wolf vorgestellt zu sehen. Er blickte sehr zornig durch die goldene Brille zur Kanzel hinauf; aber der gute Pfarrer lächelte gutmütig und sagte: »Ich will's euch einmal sagen, liebe Kinder: Das ist nicht ein Wolf, das sind ihrer fünf Wölfe! Und indem er diesen Trumpf ausspielte, schlug er kräftig mit der Faust auf die Brüstung und schaute den Herrn Superintendenten herausfordernd an. Der fuhr sich ganz erschrocken mit der Hand durchs Haar und riß vor Erstaunen Mund und Augen weit auf. Das bebende Dortchen neben ihm schreckte zusammen und war dem Weinen nahe. Oben auf der Galerie aber ward ein fürchterliches Schneuzen laut, und Dortchen wußte, daß unter diesem der Johannes Möbius sein Lachen verbarg. Der arme Vater, wenn er nur nicht seine Stelle verlor!
Ehren-Kannepich aber lächelte zufrieden weiter und fuhr mit lauter Stimme fort: »Das ist erstens der Wolf des Hochmuts, der kommt von den Bergen herab und bläht sich, daß er hoch oben über den anderen zu Hause ist. Das ist zweitens der Wolf des Geizes, der hockt in den Kellern und Gewölben auf den Geldtruhen und hält zähnefletschend vor den Kornböden Wacht, wenn die Armen hungern. Da ist drittens der Wolf der Wollust, der kommt aus dem Sumpfe und geht wieder in den Sumpf. Da ist viertens der Wolf des Vergnügens, das ist ein Bruder des Wollustwolfes, der ist in den Schenken und auf den Tanzböden zu Hause und lauert den geputzten Mädchen und den betrunkenen Burschen auf. Und da ist endlich fünftens der Wolf des Unglaubens, den hab' ich aber selbst noch nicht gesehen, der kommt, gottlob, hier bei uns nicht vor. – Also erstens, der Wolf des Hochmuts, welcher von den Bergen kommt ...«
Und nun war er in seinem Fahrwasser, sprach laut, fließend, in derber, bäuerischer Bildersprache und ließ sich durch die entsetzten Blicke des Superintendenten nicht irre machen, sondern handelte ein langes und breites über seine fünf Wölfe, kehrte dann mit wenig Worten zum guten Hirten zurück und sagte schleunigst Amen. – Mit zitternden Knien, in Schweiß gebadet, stieg er in die Sakristei hinunter, aber froh und siegesbewußt, denn seine Predigt hatte ihm selbst ungemein gefallen. Dem alten Manne, der mit dem Klingelbeutel herumging, hatte er den Auftrag gegeben, den gestrengen Doktor Schneckenfett durch das Sakristeifensterchen aufmerksam zu beobachten. Der Alte kam ihm schon entgegengelaufen und rief ganz aufgeregt: »Nee, Herr Pastor, so scheene haben Sie noch nie gepredigt, wie heute mit den fünf Wölfen! Dunner alle Quatschken, das war Sie eene Visitationspredigt, wie der Herr Suppendent noch keine gehört haben. So weit hat er's Maul aufgesperrt ...«
Und glückstrahlend gesellte sich der gute Pfarrer nach der Kirche zu seinem Vorgesetzten und fragte ihn ohne weiteres, wie ihm die Predigt gefallen habe. »Ja, wissen Sie, mein guter Herr Amtsbruder«, antwortete der Superintendent, indem er stehen blieb und den armen Kannepich mit einem feuchten Rollblick, der durch das Funkeln der Brillengläser in der Sonne noch schrecklicher wurde, schier durchbohrte: »Ich habe schon manche ... sonderbare Predigt zu hören bekommen auf meiner Visitationsreise, und gebe auch gern zu, daß Ihr Stil populär und verständlich ist: aber – aber – aber! Erster Wolf, zweiter Wolf, dritter Wolf – o sancta simplicitas! – Mein guter Herr Amtsbruder, was soll man dazu sagen?!«
Der Ärmste fiel aus allen seinen Himmeln. – Seine gewaltige Wolfspredigt! – Er war ganz geknickt, rief bleich und zitternd seine Frau aus der Küche und raunte ihr ins Ohr: »Ach, Luise, 's war nichts mit den Wölfen! ›Aber – aber – aber!‹ hat er gesagt. – Wenn ihn jetzt der Modice nicht wieder gut macht, ist er imstande und bringt mich ums Amt!« – –-
War das ein Tag! Die Aufregung der Frauen in der Küche, wo der berühmte Kalbskopf seit einer Stunde in Sahne schmorte, war noch weit größer als die des Pfarrers, da er heute morgen die Kanzel bestiegen hatte. Und Dortchen saß oben in der Kammer auf ihrem Bett und weinte zum Gotterbarmen. Es mußte schon um halb zwölf gegessen werden, da für den Nachmittag ein Besuch des fast zwei Stunden entfernten Filials beabsichtigt war, woselbst Ehren-Kannepich Bibelstunde und Katechisation abhalten sollte.
Man setzte sich zu Tische. Der Pfarrer blaß und appetitlos, seine Frau hochrot vom Kochen und in einer Haartracht, einem Anzug, die den Herrn Superintendenten lebhaft an das Porträt seiner verstorbenen Großmutter über seinem Schreibtisch erinnerten. Aber der gestrenge Herr gab sich redlich Mühe, die Schrecknisse der Frühkirche zu vergessen und sich mit gutem Humor in die wunderliche Ärmlichkeit der Verhältnisse dieser Pfarrei hineinzufinden. Er war sehr artig zur Frau Pastorin und scherzte mit den kleineren Kindern, daß diese bald hell auflachten. Auch gelang es ihm, Dortchens und Malchens Schüchternheit zu überwinden und ein leidlich fließendes Gespräch mit ihnen anzuknüpfen. Nur machte ihn das ewige Aufspringen und aus dem Zimmer stürzen der Mutter und der beiden ältesten Mädchen einigermaßen nervös.
Der Herr Superintendent brachte einen recht guten Appetit mit. Leider war die Suppe arg versalzen, und man wollte durchaus seinen Teller nicht fortnehmen, bevor er den letzten Löffel hinuntergewürgt hatte. Dann kam ein delikater Gänsebraten, der ihm trefflich mundete, so trefflich, daß er um seinetwillen sich sogar den grausamen Johannisbeerwein, eigener Kelterei, gefallen ließ. Er wollte sich noch ein Stück Gänsebraten ausbitten, aber die Frau Pastorin schob ihm seinen Teller wieder zu und sagte: »Ach nein, Herr Supperdent, essen Sie nicht so viel davon, es gibt noch mehr!«
»Noch mehr!« rief der geistliche Herr mit mildem Vorwurf. »Aber, lieber Herr Amtsbruder, das hätten Sie ihrer lieben Frau doch nicht gestatten sollen. Ich bat doch ausdrücklich, mir modice aufzutischen.« Das Wort weckte den Pfarrer aus seiner Niedergeschlagenheit auf, und er lächelte verschmitzt und sagte freundlich: »Kommt schon, kommt schon, Herr Supperdent; nur ein bißchen Geduld.«
Der gelehrte Doktor kam heute aus der Verwunderung gar nicht heraus. Kommt schon? Hm, hm! – er schielte den lächelnden Alten mißtrauisch von der Seite an. Da eilte Malchen mit einer großen Schüssel herein, die sie kaum zu schleppen vermochte. Es war ein Schweinsbraten, der etwas brenzlich roch, mit Sauerkohl dazu. Der Herr Superintendent war kein Freund von Schweinernem, aber er aß auch hiervon, um die Wirtin nicht zu kränken, obwohl er das rasche Verschwinden der Gans noch betrauerte. Er hatte eben wieder ein Gespräch mit dem blonden Dortchen begonnen, das ihm ganz außerordentlich gefiel, als die Frau Pastorin mit einer dritten, noch größeren Schüssel hereintrat. Hilf Himmel! dachte der Superintendent, nun gar noch Kalbsbraten! Und laut setzte er hinzu: »Aber Herr Amtsbruder, nennen Sie das vielleicht modice?«
»Ach nein, Herr Supperdent, ich weiß schon, was Modice ist«, versetzte der Pfarrer schmunzelnd und sah bedeutungsvoll seine Frau an. Der ganz verdutzte Gast ließ seine hellen Augen zwischen beiden hin und her rollen und machte sich dann mit Todesverachtung an die Bewältigung des Bratenstückes, welches ihm die Frau Pastorin rasch auf den Teller gelegt hatte, auf welchem bereits die Neste dreier verschiedener Tunken sich zu einem bedenklichen Ganzen vermengt hatten. Eben wollte er eine scherzende Frage an Dortchen richten, als diese vom Stuhl aufschnellte und förmlich hinausflog. Bestürzt schaute er ihr nach. Stand ihm vielleicht noch ein Hammel oder ein Ochs bevor?
Eine erwartungsvolle Pause trat ein. Die Frau Pastorin war besonders unruhig; die Kinder stießen einander bedeutsam an, und alle richteten ihre gespannten Blicke nach der halb offen gebliebenen Tür. Auch der Doktor Schneckenfett starrte dorthin; aller Mut hatte ihn verlassen, und er konnte den verlorenen Gesprächsfaden nicht wiederfinden.
Eine unheimliche Stille war's. Da schob Dortchen mit ihrem niedlichen Fuß die Tür vollends auf und trat, über und über errötend, herein, ihre Schüssel, wie Titians Tochter etwa, hoch in beiden Händen tragend. Zunächst sah es grün aus. Als der Teller aber auf den Tisch, gerade vor den Herrn Superintendenten, hingestellt ward, da wollten sich dem die Eingeweide im Leibe herumdrehen, und in sprachlosem Entsetzen klammerte er sich mit beiden Händen an seinen Sitz und starrte mit weitgeöffneten Augen dies neueste, schrecklichste aller Schrecknisse an. Da lag auf dem Teller, mit Petersilie bekränzt, Lorbeerblätter büschelweis in den Ohren und eine saure Gurke quer durch das offene Maul gesteckt, der in Sahne geschmorte Kalbskopf und glotzte mit entsetzlich melancholischen Augen den Doktor Schneckenfett an. Der Anblick war so verblüffend schrecklich, daß selbst die Frau Pfarrerin, die bis auf das Grünzeug und die saure Gurke alles vorbereitet hatte, die Fassung verlor und das erhobene Tranchierbesteck kraftlos sinken ließ.
»Kalbskopf à la modice!« sagte der Pfarrer mühsam lächelnd mit einer einladenden Handbewegung.
»Genau nach Rezept«, fügte die Gattin schnell hinzu.
Da brachen die vier kleineren Mädchen, wie auf ein gegebenes Zeichen, in ein jämmerliches Schreckensgeheul aus und mußten eiligst aus dem Zimmer entfernt werden. Dem Herrn Superintendenten aber begann sehr übel zu werden. Er erhob sich und bat mit schwacher Stimme um einen Schnaps, denn er fürchtete, des Guten etwas zu viel getan zu haben, und bitte sehr um Entschuldigung, daß er diesem »vorzüglichen Gerichte« keine Kräfte mehr zu widmen habe. Und mit einem letzten ängstlichen Blick auf das Ungetüm verließ er schaudernd mit dem ganz geknickten Kannepich den Schauplatz des grausamen Festmahls.
Die Frau Pastorin mit Dortchen und Malchen blieb allein zurück. Und alle drei starrten sie das bekränzte Scheusal an und seufzten tief auf. – –
Bald nach dem Essen brachen der Pfarrer und der Superintendent nach dem Filial auf. Ersterer wagte nicht, des unglücklichen Modice nochmals Erwähnung zu tun. War er mißraten, oder ein Fehler im Rezept? Daß der Kandidat ihm einen Schelmenstreich gespielt haben könnte, schwante ihm wohl in seiner Seele Grund, doch wagte er nicht, sich selbst das zu glauben. Der Doktor Schneckenfett war anfangs auch schweigsam, bald aber kehrte im Genuß des prächtigen Spazierweges, der alle hundert Schritte neue, herrliche Aussichten in dunkle Fichtengründe und lachende Täler bot, seine gute Laune zurück, und er fand auch zu seiner Freude in seinem Begleiter einen Mann, der ein schlichtinniges Verständnis für die Schönheit seines Heimatlandes und genaue Kenntnis aller Wege und Stege in seinen Bergen befaß. Da zum Glück auch die Katechisation im Filial ihn leidlich befriedigte, so machten sich die beiden Geistlichen in recht froher Stimmung auf den Heimweg, und da der Superintendent ein guter Läufer war, schlug er das angebotene Fuhrwerk aus und machte lieber den weiten Weg nochmals zu Fuß.
Es dunkelte bereits stark, als sie nach Hause kamen. Beim Eintritt in die Wohnstube bot sich dem Gaste eine neue Überraschung dar. Die Frau Pastorin und ihre sechs Töchterlein sahen erwartungsvoll um den großen Eßtisch, auf welchem fünf Talglichter in blankgeputzten Messingleuchtern brannten. Auf dem Sims des großen Backsteinofens, auf der Kommode, auf den Schränken und wo sonst ein erhöhter Standpunkt zu finden war, standen gar ganze Reihen von Kerzen, die in Flaschenhälsen und anderen Notleuchtern befestigt waren. Im ganzen wohl an dreißig Talglichter, welche mäßig leuchteten, aber lieblich qualmten.
Der Herr Superintendent lachte gemütlich: »Was seh' ich, meine liebe Frau Pastorin, das ist ja eine glänzende Illumination. Zu viel Ehre, zu viel Ehre!«
Und dann scherzte er mit den großen Mädchen und streichelte den kleinen die ländlichen Flachsköpfe. Der Pastor aber raunte seiner Frau ins Ohr: »Siehst du, es gefällt ihm. Er ist guter Laune.«
Man setzte sich zum Abendbrot, das aus kaltem Braten und Kartoffelsalat bestand. Es schmeckte dem Gaste nach dem weiten Wege vortrefflich. Wenn nur nicht die Talglichter so qualmen wollten! Dicht neben seinem Teller lag die Lichtputzschere. Er schob sie dem Pastor zu, aber der legte sie freundlich lächelnd wieder zurück. Endlich wurde es ihm doch zu arg, und er ergriff energisch die Schere und schnitt die riesige Schnuppe des ihm zunächst stehenden Lichtes ab. Sofort packte jedes der Kinder sein Licht und schob es ihm hastig zu. Der Superintendent machte große Augen über diese seltsame Höflichkeit, lachte kurz auf und putzte alle fünf Kerzen. Dann warf er einen Blick in die Runde, auf das ganze qualmende Heer der Talglichter, deren Schnuppen sich glühend zur Seite geneigt hatten und immer tiefere Löcher in den Talg fraßen.
»Na, da muß ich mich wohl auch erbarmen?« rief er endlich scherzend aus, da niemand Anstalt machte, sich zu erheben. Und er stand rasch auf und schnuppte alle fünfundzwanzig Kerzen.
»Siehst du, Luise, es gefällt ihm«, flüsterte der gute Kannepich seiner Gattin zu und rieb sich vergnügt die Hände. Dann wurde abgeräumt, man nötigte den Superintendenten auf das Sofa und gruppierte sich gemütlich um ihn, andächtig seinen Erzählungen aus der Residenz lauschend und seine kleinen Scherze respektvoll belachend. Aber diese verwünschten Talglichter! Hartnäckig beharrte die ganze Familie dabei, die furchtbarsten Räuber sich bilden zu lassen, ohne einen Finger zu rühren. Die kleinen Mädchen guckten fortwährend von einem Kerzenbataillon zum andern, stießen sich an und flüsterten.
»Ach, bitte, lieber Herr Amtsbruder, wollen Sie nicht vielleicht die Lichter putzen?«
»O nein, Herr Supperdent, ich will nicht vorgreifen, beileibe nicht.«
Es half nichts, der arme Doktor Schneckenfett mußte immer wieder aufspringen und alle dreißig Schnuppen köpfen. Er tat es mit komischer Verzweiflung in den Mienen, und der Pfarrer lachte sich innerlich ins Fäustchen. Endlich wurde dem langmütigen Gaste der Spaß aber doch zu arg. Der Qualm versetzte ihm schier den Atem – es war unerträglich. Da schützte er denn Müdigkeit vor und bat den Pastor, ihm sein Zimmer zu weisen.
Himmel! da war kein Ende der närrischen Überraschungen. Oben in der Schlafkammer auf der Kommode, auf dem Schranke, auf dem Waschtische qualmten dem Eintretenden wieder zehn trübselig flackernde Flämmchen entgegen, und der begleitende Pfarrer drückte ihm eine zweite Lichtputzschere in die Hand und lächelte pfiffig dazu. »Zu viel Ehre, zu viel Ehre!« dröhnte der grimmgeschwollene Baß den Wirt an, der sich unter tiefen Bücklingen zurückzog und schmunzelnd in der Tür stehen blieb, bis der Herr Doktor seine zehn Kerzen wütend abgeputzt hatte.
Sowie er hinaus war, drückte jener neun von den Lichtern mit dem Finger aus und begann in nervöser Eile sich seiner Kleider zu entledigen.
»Unerhörte Narrenspossen! Eine wahrhaft behexte Pfarre!« brummte er ärgerlich und warf seine Beinkleider auf den Stuhl. »Das glaubt ja kein Mensch, wenn ich das in Weimar erzähle.«
Der Herr Doktor Schneckenfett war seiner Gewohnheit gemäß sehr früh aufgestanden. Es war nicht viel über sechs Uhr, als er schon angekleidet vor dem weit geöffneten Fenster saß, durch welches der herrliche Sommermorgen schmeichelnd hereinwehte, mit goldigen Strahlen um sich werfend wie ein ausgelassenes Kind, Harzduft atmend, leise summend und surrend.
Der gestrenge Herr Superintendent sah dem Kleinleben im Pfarrhofe zu, hörte die Kuh brüllen und die Hühner gackern – und dachte darüber nach, was er wohl dem Pastor Kannepich über sein unerhörtes Benehmen sagen, und was er über ihn an den Kirchenrat berichten sollte. Da trat das blonde Dortchen auf den Hof, schon angekleidet, nett und sauber in seinem ärmlichen Kleide, und die dicken Flechten zu beiden Seiten des glatten Scheitels sittig aufgesteckt. Sie trug etwas Schwarzes über dem Arm und ein spanisches Rohr in der Hand. Nun hängte sie das Ding an einen Haken in der Stalltür und begann, es eifrig mit dem Stöckchen zu bearbeiten.
Es war die Gloriahose! Die goldenen Buchstaben des engelischen Lobgesangs flimmerten trotz ihres ehrwürdigen Alters in der übermütigen Morgensonne, und die matten Feuerfunken hüpften bei dem kräftigen Klopfen des Mädchens lustig über den ergrauten Hosenboden.
O Gloriahose! Ehrwürdiges Symbol geistiger Armut, ehrlichster Leibesnot! Das fröhliche Glitzern deiner alten Goldfäden im sommerlichen Morgenlicht wird dem behäbigen Manne dort oben am Fenster zu einer erbaulichen Frühpredigt über den Text: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr.
Ja, nun weiß er, was er über den hochwürdigen Gotthilf Kannepich zu berichten hat. Die Falten auf seiner Stirn glätteten sich, seine Lippen verzogen sich in die Breite, dann zuckte es um seine fette Nase, dann wackelten seine Schultern, und endlich brach er in ein schallendes Gelächter aus und rief in den Hof hinunter: »So ist's recht, mein liebes Kind, klopfe du nur deinem Papa die Motten aus den Hosen. Guten Morgen, Dortchen!«
Wie fuhr das liebe Kind zusammen! Und es ließ das Rohr fallen und lief spornstreichs ins Haus. Im nächsten Augenblick klapperten ein Paar Pantöffelchen die Stiege herauf, und es klopfte bescheiden an die Tür.
»Nur herein!« rief der Superintendent, immer noch lachend, daß ihm die Seiten schmerzten.
Dortchen trat mit gesenktem Blick herein, machte rasch die Tür hinter sich zu, knickste und sagte sehr ängstlich: »Seien Sie nicht böse, Herr Supperdent, ich – ich muß sie sprechen.« Und dabei trat sie einen Schritt näher.
Er ging ihr rasch entgegen, reichte ihr die große, fleischige Hand und sagte sehr freundlich: »Was gibt's denn, mein gutes Kind?«
»Ach, lieber Herr Supperdent –« stotterte Dortchen. Und dann hob sich ihre Brust, und wieder, und immer höher und rascher, und dann schluchzte sie, daß es ihr schier das Herz abstieß.
Der Herr Doktor Schneckenfett war so gerührt, daß er sie väterlich in die Arme schloß und zärtlich ihren Rücken streichelte. Das beruhigte sie bald so weit, daß sie ihm ihr Leid klagen und ihr ganzes Herz ausschütten konnte. Da kam das Verhältnis zum Johannes zum Vorschein, von Anfang bis zu Ende, des Vaters strenges Verbot, der Ungehorsam und endlich der mutwillige Streich des gekränkten Kandidaten, der dem gläubigen Alten vorgeredet, Modice sei ein funkelneues Hofgericht, und des Doktor Schneckenfett Hauptpassion das Lichtputzen. Und dann bat das gute Dortchen so inständig, er möchte doch ihrem alten Papa ja nichts zuleide tun, daß das Wasser in den Kugelaugen des Superintendenten, welches vorhin schon das Lachen hineingetrieben hatte, nun vor Rührung in dicken Tropfen über seine Wangen rann.
»Sei ruhig, liebes Dortchen«, sagte er freundlich und ernst. »Deinem guten Vater soll kein Leid geschehen. Gott liebt ja, die so einfältigen Herzens sind. Aber mit deinem Herrn Kandidaten möchte ich gern noch ein Wörtchen reden. Bring ihn mir doch einmal hier in meine Kammer, aber ohne daß dein Vater es merkt, hörst du? Nein, mein Kind – sei nicht bange; den Kopf reiße ich ihm nicht ab, aber Strafe muß sein!« –
Das arme Dortchen! Nun mußte sie wieder für das Schicksal ihres Liebsten zittern. Aber sie wagte doch nicht, ungehorsam zu sein, und schlich sich glücklich aus dem Hause, ihren Johannes zu holen. – Das gab ein Aufschauen bei den Möbiussens, als Pfarrers Doris dem jungen Manne ohne Umstände auf das Zimmer lief und nach einem kleinen Weilchen ihn am Rockärmel zum Hause hinauszog, ohne einem Menschen Rede und Antwort zu stehen. Dem Johannes selbst war am allerwenigsten wohl zumute, und er bereute auch seinen Schelmenstreich recht sehr von Herzen. – –
»Da ist er!« sagte Dortchen und schob den arg verlegenen Kandidaten zur Tür hinein.
»So, so, da sind Sie also, Herr Kandidat. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, Sie müssen ein recht scharmanter junger Mann sein. Mich und meine Passionen für Kalbsköpfe und Talglichtschnuppen kennen Sie ja schon, also ... hm, hm!« Der Herr Doktor Schneckenfett bemühte sich, ein sehr grimmiges Gesicht zu machen, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Seine Blicke gingen zwischen Dortchen und diesem hübschen, errötenden jungen Manne hin und her, und er mußte sich eingestehen, daß die beiden ein prächtiges Paar abgeben müßten.
Johannes blickte jetzt auf und sah seinem gestrengen Richter offen und frei ins Auge. In einfachen, ehrlichen Worten gestand er die Ungehörigkeit seines mutwilligen Scherzes ein und entschuldigte sich mit seiner Jugend und seiner Verliebtheit.
»Ja, ja, das ist schon alles recht schön«, versetzte der Superintendent. »Aber können der Herr Kandidat auch wohl noch etwas anderes, als Pfarrerstöchtern den Kopf verdrehen und ihre alten Väter ins Bockshorn jagen?«
»Ich denke ja«, sagte der Johannes mit mutigen Aufblick, und sein Liebchen legte ängstlich die Hand aus das laut pochende Herz und schaute bittend zu dem Herrn Superintendenten hinauf.
Der lächelte und sagte: »Ei, ei – nun, stolz lieb' ich den Kandidaten. Setze dich, liebes Dortchen, der Herr Kandidat will uns eine Predigt halten über das Wort: Und wenn ich mit Menschen- und Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein klingendes Erz und eine tönende Schelle.«
Doris war mit ihrem Johannes so rasch die Treppe hinaufgestürmt, daß ihr erstaunter, entrüsteter Vater gar nicht Zeit gefunden hatte, sie zur Rede zu stellen. Ganz erstarrt blieb er unten stehen und sah die beiden in der Türe des Gastes verschwinden. Er lief und sagte es seiner Frau; Malchen, Lorchen, Anna, Lieschen kamen auch herbei, stellten sich am Fuße der Treppe auf und starrten nach der verschlossenen Tür empor, während die Eltern sich in Vermutungen aller Art ergingen.
Da kam Klärchen ganz aufgeregt vom Hof herauf und rief schon in der Haustür: »Vater, Vater – horch doch nur, oben beim Herrn Supperdenten predigt eins!«
Da folgte die ganze Familie dem Klärchen in den Hof, stellte sich unter das offene Fenster und lauschte erst erstaunt, dann immer andächtiger der frischen, hellen Stimme, die da droben die Allgewalt der Liebe predigte in Tönen, in Worten, die nur die Liebe selber finden kann. Der gute, alte Pfarrer hatte seiner Lebtage nicht so reden hören. Die Gedanken so klar, aneinandergereiht wie Perlen auf der Schnur, und die Bilder so ganz ohne Nachsinnen gefunden im Augenblick des Gebrauchs, und diese schöne, junge Begeisterung, hinstürmend über die engen Schranken gewohnter Formeln, und das ganze Herz hingebend, um das ganze Herz zu gewinnen. Es war dem alten Pastor zumute, als ob diese klare Stimme ihn zu Boden drücke, als ob er immer kleiner, immer kleiner werde – o Himmel, er mußte an seine fünf Wölfe denken und wurde fast schamrot. Und dann kam das Amen. Da oben war es ganz still und drunten auch. Der Alte hielt noch die Hände gefaltet und betete stumm innerlich. Aber droben lagen sich ein Paar glückseliger Brautleute in den Armen, und der tiefergriffene Doktor Schneckenfett stand dabei und segnete sie. – – –
»Sie können bald mit der Brautwäsche anfangen«, sagte der Superintendent unten beim Frühstück zur Frau Pastorin. »Denn die vakante Stelle verschaffe ich unserem Möbius ganz bestimmt.«
Der hochwürdige Gotthilf Kannepich saß neben dem bösen Johannes und drückte ihm fortwährend unter dem Tische die Hand. – – –
»Wissen Sie, lieber Herr Amtsbruder«, sagte der Superintendent beim Abschied. »Ich habe mich weidlich über Sie geärgert gestern – alles, was wahr ist! – Aber wenn wir auch nicht diesen Erzschelm hier als den Schuldigen entdeckten, nachtragen hätte ich's Ihnen doch nicht können, denn Sie haben zwei Fürsprecher gefunden, denen kein Sterblicher widerstanden hätte: das Dortchen und – die Gloriahose!« – –
Und darum erbte die denkwürdige Hose in der gesegneten Familie Möbius sich immer weiter und wird von den Enkeln des Kandidaten Johannes noch ebenso in Ehren gehalten, wie einst vom alten Kannepich, der ganz gewiß, trotz der fünf Wölfe, die er auf dem Gewissen hatte, in den Himmel gekommen ist und vor dem Throne des Höchsten mit dem Doktor Schneckenfett zusammen singt: Gloria in excelsis Deo.
Eine Berliner Geschichte.
Im äußersten Osten der Reichshauptstadt, in einer Gegend, welche der anständige Mensch höchstens vom Hörensagen kennt, und wohin der Droschkenkutscher aus dem Herren der Stadt sich nur allmählich zu fahren entschließt, nachdem er durch einige blühende Redensarten dem Fahrgäste die Kühnheit seiner Zumutung klar gemacht, in einer solchen »schönen Gegend« war eben wieder ein riesiges Haus fertig geworden, ein feiner, stilvoller Neubau. Es fehlte nicht das ehrfurchtgebietende Portal mit den schweren, eichenen Torflügeln, nicht die falschen Marmorsäulen am Aufgang, nicht die bunten Fenster mit den Butzenscheiben an den Treppenwendungen, die mit blanken Messingstangen befestigten Läufer – bis zum ersten Stockwerk wohlverstanden! Dort hörten die Butzenscheiben auf, um glattem, buntem Glase, die Teppiche, um Fasermatten Platz zu machen, und im dritten Stock wurden die Scheiben weiß und die Läufer – gemalt! Kaum hatte der letzte Handwerker mit Farben- oder Kleistertopf das Feld geräumt, als die Möbelwagen vor dem stolzen Bau auffuhren, die Gardinen an den Fenstern und die Blumentöpfe auf den Balkons erschienen. Acht Tage später bewies eine vieldutzendköpfige Kinderschar, welche von Sonnenaufgang bis Untergang im Torweg, im Hof, auf dem Bürgersteig vor dem Hause lachte, lärmte, sich balgte, heulte und tobte, daß Vorder- und Hintergebäude bis unter das Dach besetzt seien.
Eine wahre Mördergrube war in der einen Woche aus dem heuchlerischen Mietspalast geworden. Fast an allen den gewaltigen Männerfäusten, die von den klatschneuen, feuchtkalt dünstenden Wohnräumen Besitz ergriffen hatten, klebte Blut; allen den wässerigen, vom Fette der Umgebung schier überwucherten Äuglein, die hier über das Wohl ihrer Familien wachten, war das letzte Zucken warmer Leichname ein gleichgültiger Anblick; all den großen, roten Ohren das Todesröcheln unschuldiger Opfer ein so gewohntes Geräusch, wie das Rasseln der Lastwagen auf der Straße. In der »Beletage« – der reichgewordene Berliner streicht sich den Schmerbauch, wenn er das schöne Wort hört! – wohnte der frühere Großschlächter, jetzige Rentier Schulze, im ersten Stock der Fettviehhändler Meyer, im zweiten Stock die Schlächtermeister Müller rechts und Neumann links, im dritten Plümicke und Piefke von demselben Gewerbe und im vierten der Bureauvorsteher Thielemann rechts und seine Untergebene, die Fleischbeschauerin und Witwe von Barchwitz links. Und auch in dem vollgepfropften Hinterhause war das blutige Gewerbe zahlreich vertreten, von dem protzigen Schlächtergesellen, unter dessen hochaufgebauschter Seidenmütze bereits die kühnsten Träume brauten von Landauern auf Gummirädern, Marmortreppen und Livreedienern – bis herab zum kleinen Fetthändler, zum Darmschlemmer und zum jovialen »warmen Jauerschen«, der nie über einen erkälteten Magen zu klagen hat, weil ihm der Blechkasten vor dem Unterleib die ganze Nacht nicht kalt wird. »Warm sind se noch, kalt werden se doch – riechen Se bloß mal dran, Herr Jeheimrat!«
Das Ziehwetter war ausnehmend schön gewesen. So warmer Oktobertage wußten sich die gezogensten Berliner Mietsodysseuse nicht zu entsinnen. Auf dem engen Balkon des vierten Stockwerks, der durch eine hölzerne Scheidewand noch geteilt war, stand ein allerliebstes, kleines Mädchen von etwa zehn Jahren, klammerte sich ängstlich an die Brüstung und lugte vorsichtig hinunter in den schwindelerregenden Abgrund der Straße. Sie war es noch nicht gewohnt und mußte einen Schritt zurücktreten, denn es wurde ihr schwarz vor den Augen. Sie blickte über das Meer der Schieferdächer hinweg, das endlos sich vor ihr dehnte und im Abendsonnenlichte glühte und flimmerte. Den Rathausturm