Menschenbilder - Julia Ulrike Mack - E-Book

Menschenbilder E-Book

Julia Ulrike Mack

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Beschreibung

Im 19. Jahrhundert gehörten die Missionswerke der verschiedenen protestantischen Kirchen und Freikirchen sowie der römisch-katholischen Kirche zu den wichtigen Exponenten des Kulturaustausches: Sie konstruierten im Spannungsfeld von Christentum und den Religionen der "heidnischen" Welt ihre Selbst- und Fremdbilder. Julia Ulrike Mack untersucht in ihrer Studie die stereotypen und theologisch-anthropologischen Vorstellungen von "dem Menschen" in den Publikationen der Basler Mission und setzt sie in Beziehung zu den philosophischen und theologischen Diskursen dieser Zeit. Sie bietet damit historisch und theologisch interessierten Lesern einen innovativen Zugang zu einem bislang wenig bearbeiteten Thema der neuzeitlichen Kirchen-, Missions- und Mediengeschichte, das durchaus aktuell ist - wenn man sich etwa die Bedeutung stereotyper Islambilder und ihrer politischen Instrumentalisierung in europäischen Ländern heute vor Augen hält.

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Julia Ulrike Mack

Menschenbilder

Anthropologische Konzepte und stereotype Vorstellungen vom Menschen in der Publizistik der Basler Mission 1816–1914

Basler und Berner Studien zur historischen Theologie herausgegeben von Martin Sallmann und Martin Wallraff Band 76 – 2013

TVZ Theologischer Verlag Zürich

Gedruckt mit Unterstützung der Basler Studienstiftung, der Evangelischen Landeskirche in Baden und der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-290-17667-9 (Buch) ISBN 978-3-290-17737-9 (E-Book)

|XX| Seitenzahlen des E-Books verweisen auf die gedruckte Ausgabe.

© 2013 Theologischer Verlag Zürichwww.tvz-verlag.ch

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Vorwort

Einleitung

A. Fragestellung

B. Quellen und Methoden

a) Quellen

b) Methoden

C. Inhaltliche Untersuchung

Teil I Grundlegungen: Verortung der Basler Mission und ihrer Publikationen in ihrem geistes- und theologiegeschichtlichen Kontext

1. Einleitung

2. Zeitschriften als Quelle kirchen­geschichtlicher Forschung

2.1. Forschungsstand

2.2. Zeitschrift – kirchliche Zeitschrift – Missionszeitschrift

2.3. Illustrationen

2.4. Reflexion

3. Missionsgesellschaften und ihre Publizistik: Von den englischen societies zum ‹Missionsjahrhundert›

3.1. Das 18. Jahrhundert

3.1.1. Die englischen societies: Society for Promoting Christian Knowledge (1699) und Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts (1701)

3.1.2. Halle und der Beginn der planmäßigen protestantischen Mission

3.1.3. Die Sammlung der Erstlinge: Die Herrnhuter Mission ab 1732

3.2. Das ‹Missionsjahrhundert›: Protestantische Mission im 19. Jahrhundert

3.2.1. Pietismus und Erweckung

3.2.2. Das ‹Missionsjahrhundert› in der Wahrnehmung seiner Akteure

3.2.3. Mission im Verhältnis zu Kirche, Konfession und Staat

3.2.3.1. Überkonfessionelle Missionsgesellschaften

3.2.3.2. Konfessionelle Missionsgesellschaften

3.2.3.3. ‹Radikale› bzw. Glaubensmissionen

3.2.3.4. Kolonialmissionen

3.2.3.5. Die liberale Missionsgesellschaft

4. Die Basler Missionsgesellschaft

4.1. Entstehung und Vernetzung

4.2. Konfessionelles und theologisches Profil

4.3. Organisationsstruktur

4.4. Die Entstehung der Basler Frauenmission

5. Publikationen aus dem Umfeld der Basler Mission

5.1. Zeitschriften

5.1.1. Das Evangelische Missions-Magazin

5.1.2. Der Heidenbote

5.1.3. Die Missionszeitschriften der Church Missionary Society und der London Missionary Society

5.1.4. Calwer Missionsblatt

5.1.5. Allgemeine Missionszeitschrift

5.2. Die christliche Glaubenslehre

5.3. Missionstraktate

5.4. Reflexion

Teil II Durchführung: Menschenbilder in den Publikationen der Basler Mission

6. Einleitung

6.1. Stereotyp, Anthropologie und Menschenbild

6.2. Die qualitative und hermeneutische Inhaltsanalyse des Missions-Magazins

6.3. Aufbau und Gliederung

7. Die Figur des ‹Wilden› und seine Funktion im Missions-Magazin

7.1. Wild – heidnisch – barbarisch

7.2. Gut – edel

7.3. Kontakt zu Europäern

7.4. Hell – dunkel: Der ‹Wilde› und sein Äußeres

7.5. Sprache und Auffassungsgabe: Wild und intelligent?

7.6. Gewalt und Sesshaftigkeit: Bürgerlich-soziale Fähigkeiten des ‹Wilden›

7.7. Der Ackerbau als äußeres Symbol von innerer Wildheit und Bezähmung

7.8. ‹Wilde› als Demonstrationsobjekt und Medium der Kritik

7.9. Reflexion

8. «Geben Sie ihnen tüchtige, fromme Weiber»: Die Rolle der Frau im Missions-Diskurs

8.1. Frauen als Akteurinnen im Missions-Magazin

8.2. Frauen als Indikatorinnen für den Zustand von Familie und Gesellschaft

8.3. Frauen als Multiplikatorinnen des Glaubens

8.4. Von der Gehilfin zur Missionarin: Frauen als Mitarbeiterinnen der Mission

8.5. Die Ordnung der Geschlechter: Theologische Argumentationsmuster

8.6. Reflexion

9. ‹Die Rettung der armen Nachtbewohner›: Bildung und Kultur im Gefolge der Mission

9.1. ‹Bildung› und ‹Erziehung›

9.2. Zivilisations- und Kulturdiskurse bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

9.3. ‹Kultur› und ‹Volkscharakter› ab 1880

9.4. Das Licht des Evangeliums und die Finsternis des Aberglaubens

9.5. Reflexion

10. Der ‹Fluch des Ham› und das schlechte Klima: Stereotype Aussagen zu Sklaverei, Hautfarbe und Rasse

10.1. Der Sonderfall der Sklaverei

10.2. Kulturelle und sittliche Inferiorität als Folge des Klimas

10.3. Der ‹Fluch des Ham› als Begründung für Sklaverei und Unterdrückung

10.4. ‹Die gelbe Gefahr› und ‹die Not Afrikas›: Rasse und nationale Hierarchien

10.5. Reflexion

11. Der ‹wahre› Mensch: Theologische Aussagen zum Menschen

11.1. Die Bestimmung des Menschen: Menschen- und Nächstenliebe als Hauptmotiv der Mission

11.2. Das Wesen des Menschen: Das Ringen um die Gleichheit aller Menschen in Christus

11.3. Die Ambivalenz der Rede vom Kind (Gottes)

11.4. Bekehrung und Heiligung: Der Mensch als Ebenbild Gottes

12. Ergebnisse und Ausblick: Menschenbilder und die Publikationen der Basler Mission

12.1. Missionsanthropologie im Kontext von Heidenmission und Basler Missionsgesellschaft

12.1.1. Der alte Mensch

12.1.2. Der neue Mensch

12.1.3. Die Bestimmung des Menschen

12.2. Der Mensch als Zeichen: Die Beschreibung des/der Anderen als normatives Instrument

12.3. ‹Mission sind Menschen›

Teil III Anhang

13. Abkürzungen

14. Skizze der protestantischen Missionsgesellschaften im 19. Jahrhundert

14.1. Überkonfessionelle Missionsgesellschaften

14.1.1. London Missionary Society (LMS)

14.1.2. Basler Missionsgesellschaft (BM)

14.1.3. Berliner Missionsgesellschaft

14.1.4. Rheinische Missionsgesellschaft

14.1.5. Goßner(-sche) Missionsgesellschaft

14.1.6. Pilgermission St. Chrischona/Schweizer Zweig der China Inland Mission (CIM)

14.1.7. Norddeutsche Missionsgesellschaft

14.2. Konfessionelle Missionsgesellschaften

14.2.1. Church Missionary Society (CMS)

14.2.2. Leipziger Mission

14.2.3. Hermannsburger Mission

14.2.4. Neuendettelsauer Mission

14.2.5. Breklumer Mission

14.3. ‹Radikale› bzw. ‹Glaubensmissionen›

14.3.1. China Inland Mission (CIM)

14.3.2. Neukirchener Mission

14.3.3. Allianz-Mission Barmen

14.3.4. Pilgermission St. Chrischona – Schweizer Zweig der CIM

14.3.5. Liebenzeller Mission

14.4. Kolonialmissionen

14.4.1. Der Allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein

14.4.2. Deutsch-ostafrikanische Evangelische Missionsgesellschaft/Bethel-Mission

14.5. Evangelisch-lutherische Missionsgesellschaft für Ostafrika

15. Übersicht über die Missionszeitschriften aus dem Zeitraum 1800 bis 1914

15.1. Überkonfessionelle Missionszeitschriften

15.1.1. Basler Missionsgesellschaft

15.1.2. Berliner Missionsgesellschaft

15.1.3. Goßner Mission

15.1.4. London Missionary Society

15.1.5. Norddeutsche Missionsgesellschaft

15.1.6. Pilgermission St. Chrischona

15.1.7. Rheinische Missionsgesellschaft

15.2. Konfessionelle Missionsgesellschaften

15.2.1. Breklumer Mission

15.2.2. Church Missionary Society

15.2.3. Hermannsburger Mission

15.2.4. Leipziger Mission

15.2.5. Neuendettelsauer Mission

15.3. ‹Radikale›/Glaubensmissionen

15.3.1. Allianz-Mission

15.3.2. China Inland Mission

15.3.3. Liebenzeller Mission

15.3.4. Neukirchener Mission

15.4. Kolonialmission/Die Bethel-Mission

15.5. Der Allgemeine Evangelisch-Protestantische Missionsverein

15.6. Sonstige

15.6.1. Ärztliche Mission

15.6.2. Blindenmission

15.6.3. Hallesche Mission

15.6.4. Herrnhuter Mission

15.6.5. Missionsvereine

15.6.6. Missionswissenschaft

15.6.7. Society for the Propagation of the Gospel

16. Abbildungen

17. Archivquellen

17.1. Archiv der Basler Mission, Basel

17.1.1. Personalfaszikel

17.1.2. Komiteeprotokolle

17.2. Universität Birmingham

17.3. School of Oriental and African Studies, London

18. Gedruckte Quellen

19. Literaturverzeichnis

20. Personenverzeichnis

Fußnoten

Übersicht über die bisher erschienenen Bände der Reihe

Seitenverzeichnis

|11|

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Herbstsemester 2010 von der theologischen Fakultät der Universität Basel als Dissertation angenommen. Nach diesem Zeitpunkt erschienene Literatur konnte nur noch in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.

Die Arbeit an einer Dissertation spielt sich zwar in weiten Teilen als recht einsamer Denk- und Schreibprozess am Schreibtisch ab. Doch ohne Unterstützung wäre dieses Denken und Schreiben nicht möglich:

Mein Doktorvater Prof. Thomas K. Kuhn (Greifswald) begleitete mich mit Ver­trauen, Fachwissen und konstruktiver Kritik zum jeweils richtigen Zeitpunkt. Prof. Christine Lienemann-Perrin (Basel/Bern) brachte als Mitbetreuerin und Leiterin des ÖMW-Kolloquiums das Forschungsprojekt auf den Weg.

Die Mitarbeiter/-innen in den Archiven der Basler Mission, der University of Birmingham und der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London stellten mir bereitwillig und kompetent ihr Archivmaterial, ihre Infrastruktur und Zeit zur Verfügung.

Die großzügige finanzielle Förderung des Projektes durch die Freiwillige Akademische Gesellschaft in Basel und den Schweizerischen Nationalfonds ermöglichte eine ungestörte Konzentration auf meine Forschung.

Die Basler Studienstiftung, die Evangelische Landeskirche in Baden und die Deutsche Gesellschaft für Missionswissenschaft bezuschussten die Drucklegung der Arbeit.

Meine Familie, Freunde, Freundinnen, Kommilitonen und Kommilitoninnen, allen voran Dr. des. Christian Mack (Basel) sowie PD Dr. Christina Aus der Au-Heymann (Zürich), Dr. Judith Becker (Mainz), Dr. Daniel Frei (Basel), Dr. Ulrike Schröder (Heidelberg) und Roland Durst (Lupsingen), begleiteten den Fortgang des Projektes mit Geduld und großem Interesse und ließen sich jederzeit zum Diskutieren, Zuhören und Korrekturlesen einspannen. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.

Widmen möchte ich dieses Buch meiner Mutter Ulrike und meinem Bruder Christian sowie in liebevoller Erinnerung meinem Vater Dr. Ulrich Mack. |12|

|13|

Einleitung

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich am Beispiel des Evangelischen Missions-Magazins mit dem Medium der Missionszeitschrift (Teil I) und dem in ihr vertretenen Menschenbild (Teil II).

Im ersten Teil der Arbeit erfolgt eine geschichtliche Verortung der Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts in ihrem Verhältnis zu Kirche und Obrigkeit. Die publizistische Tätigkeit der Missionen und ihre damit verbundenen Motive werden in die Charakterisierung mit einbezogen. Als Paradigma dienen die Basler Missionsgesellschaft (BM) und das von ihr herausgegebene Evangelische Missions-Magazin. Daraus ergibt sich ein systematischer Überblick über die Zeitschriften aus dem Umfeld der Basler Mission, im 19. Jahrhundert eine der bedeutendsten Missionsgesellschaften im deutschsprachigen Raum. Die besonderen Kennzeichen des Evangelischen Missions-Magazins erklären sich aus seinem pietistisch-erwecklichen1 Entstehungskontext und werden in Übereinstimmung und Abgrenzung zu anderen Periodika entwickelt. Mit einer derartigen Systematisierung von Missionszeitschriften betritt die vorliegende Untersuchung Neuland. Dies macht eine relativ ausführliche Behandlung dieses Themas im ersten Teil notwendig. Die überkonfessionelle und internationale Vernetzung der Basler Mission und ihrer Publikationen sowie die große Bedeutung von Missionszeitschriften im Hinblick auf Identifikation, Kommunikation und der Steuerung von Diskursen spielen für die |14| Interpretation der Menschenbilder eine zentrale Rolle. Die Grundlegung erarbeitet so die nötigen Instrumente für die Interpretation im zweiten Teil.

Nach dieser Grundlegung kommen im zweiten Teil die in den Publikationen vertretenen Menschenbilder in den Blick. Sie dienen nicht nur als Beispiel dafür, wie in den Zeitschriften mit einem bestimmten Thema umgegangen wurde, sondern führen zu der These, dass die Beschreibung von ‹dem Menschen› allgemein, von menschlichen und nicht-menschlichen Eigenschaften, von verschiedenen Ethnien, Rassen, Völkern und Kulturen das Hauptinteresse einer Missionsgesellschaft darstellte. Demnach hatten die deutschsprachigen Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts ihren theologischen und praktischen Schwerpunkt in der Anthropologie. Die Entwicklung und Veränderung von Menschenbildern, z.B. im Zuge der Kolonialisierung oder während der Zeit des Imperialismus, war immer auch ein Spiegel der Entwicklungen und Veränderungen der Missionsgesellschaft als Ganze.

Die Basler Mission ist als Forschungsobjekt aus mehreren Gründen interessant. Erstens nahm sie im 19. Jahrhundert aktiv am gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und religiösen Leben ihrer Umwelt teil, grenzte sich da­bei aber auch deutlich von anders ausgerichteten Kulturträgern ab und bezog eine eigene Position im pietistisch-erwecklichen Kontext. Zweitens sind diese ­Diskurse im hauseigenen Publikationsorgan, dem Missions-Magazin, gut zugänglich, aber bislang noch kaum für die wissenschaftlich-theologische ­Diskussion fruchtbar gemacht worden.2 Drittens organisierte sich die Basler Mission von Anfang an patriarchal-autoritär und zugleich bürokratisch, was sich in einer oft nahezu lückenlosen Dokumentation von Lebensläufen und schriftlichen Rechtfertigungen der Tätigkeiten im Missionsgebiet niederschlug. Dadurch bietet das Archiv der Basler Mission eine Fülle von Quellen: Briefe, Trak­tate, Fotografien, Personalfaszikel, die für die Untersuchung ergänzend hinzu­ge­zogen werden können. Und viertens ist die Basler Mission eine der ältes­ten Missionsgesellschaften im deutschsprachigen Raum. Sie stand in enger Ver­bindung zur Norddeutschen und Berliner Missionsgesellschaft, zu Missionsgesellschaften in England, wie der Church Missionary Society (CMS) sowie zu Unterstützerkreisen (‹Hilfsvereinen›) in ganz Europa.

Mit der Erforschung des Menschenbildes einer bestimmten Zeit, einer Gesellschaft, einer literarischen Gattung oder einer theologischen Strömung ist es möglich, zumindest ansatzweise zu bestimmen, worin damals die Ziele des menschlichen Lebens bestanden, welche Werte als fundamental angesehen |15| wurden und was jeweils als Normalität des menschlichen Handelns galt. Durch das Generieren eines bestimmten Bildes vom Menschen wird gleich­zeitig eine Trennungslinie gegenüber der Welt der Tiere, der Pflanzen und Maschinen gezogen, wird festgestellt, was ‹menschlich› und was ‹un-› oder ‹nicht-menschlich› ist. Über das jeweilige Menschenbild werden somit fundamentale Aspekte der jeweiligen eigenen Identität bestimmt. Dementsprechend wurden und werden Menschenbilder verwendet, um potenziellen Gegnern oder Fremden die grundlegende Gleichheit zu- oder abzusprechen bis hin zur Aberkennung ihres Menschseins überhaupt.

Die Frage nach dem Menschenbild ist immer auch eine Frage nach stereotypen Vorstellungen vom Menschen eines bestimmten Kontinentes (‹der Afrikaner›), eines bestimmten Landes (‹die Schweizerin›), einer bestimmten Hautfarbe (‹der Schwarze/die Weiße›). Dabei entwerfen Heterostereotypen, also verfestigte, kollektive Charakteristiken, die einer fremden Ethnie oder Gruppe zugeschrieben werden, ein erhellendes Bild derjenigen Gruppe, die für diese Vorurteile oder Zuschreibungen verantwortlich ist. Die Zuschreibungen basieren auf gemeinsamen Vorstellungen, Erwartungen und Werten und dienen der Orientierung in einer sonst unübersichtlichen und unverständlichen Fülle von Erscheinungen und Signalen. Stereotype sind grundlegend für die Art und Weise, wie die Welt und die darin befindlichen Menschen wahrgenommen werden. Durch ihre gleichzeitig simplifizierende wie auch realitätsstiftende Wirkung bieten sie schließlich Identifikationsmöglichkeiten an. Mit ihrer Analyse ist auch die Möglichkeit zur Motivforschung verbunden: «Das Handeln von Subjekten wird verstehbar aufgrund ihrer (stereotypen) Vor­stellungen».3

Menschenbilder haben einen kulturell bestimmten, veränderlichen Charakter. Zugleich gibt es bestimmte Kontinuitäten – zeitlich und auch innerhalb einer bestimmten theologischen oder weltanschaulichen Strömung –, die erhellende Einblicke in das Selbstverständnis einer Epoche oder einer bestimmten theologischen Richtung bieten können.

Ziel dieser Dissertation ist es, Menschenbilder des 19. Jahrhunderts zu untersuchen, die in den Kontaktzonen unterschiedlicher Kulturen und Reli­gionen entwickelt wurden. Zu den wichtigsten Exponenten des Kulturaus­tausches jener Zeit gehören neben den staatlichen und wirtschaftlichen Institutionen der kolonialen Expansion hauptsächlich die Missionswerke der verschiedenen protestantischen Kirchen und Freikirchen sowie der römisch-katholischen Kirche, die im Spannungsfeld von Christentum und den Religionen der ‹heidnischen› Welt, europäischer Kultur und ‹heidnischen› Kulturen, Zivilisation und ‹unzivilisierter› Welt ihre kultur- und religionsvergleichen |16| den Selbst- und Fremdbilder konstruiert haben. Diese Missionswerke sollen am Beispiel der Basler Missionsgesellschaft analysiert werden. Die ‹Menschenbilder der Basler Mission› werden in den geisteswissenschaftlichen Kontext des 19. Jahrhunderts eingezeichnet, um die Anknüpfungspunkte, aber auch die Grenzlinien zu ihrer Umwelt deutlich zu machen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werfen ein Schlaglicht auf die Anthropologie der pietistisch-erwecklichen Bewegung im 19. Jahrhundert als Ganze und auf die zentrale Stellung von Menschenbildern im Missionsdiskurs.

A. Fragestellung

Folgende Forschungsfragen sind für die vorliegende Untersuchung maßgeblich:

Was waren die besonderen Kennzeichen einer Missionszeitschrift im Vergleich zu anderen Publikationen? Welche Rolle spielten Missionszeitschriften im 19. Jahrhundert für Missionsgesellschaften, für die Leserschaft und für die Mitarbeitenden? War die Basler Missionsgesellschaft – und damit auch deren Publikationen – eine für ihre Zeit typische Missionsgesellschaft, in welchen Positionen und Diskursen wich sie von dem Profil anderer Missionsgesellschaften ab? Welche Aussagen zu Menschenbildern wurden im Evangelischen Missions-Magazin getroffen? Werfen diese Aussagen ein Licht auf die Basler Missionsgesellschaft in ihrer Theologie und Praxis? Und schließlich: Lässt sich aufgrund der anthropologischen Konzepte und stereotypen Vorstellungen ‹vom Menschen› eine eigenständige Missionsanthropologie der Basler Missionsgesellschaft und eine über sie hinausgehende Missionsanthropologie entwerfen?

B. Quellen und Methoden

a) Quellen

Die Untersuchung von Zeitschriften mit ihrer fortlaufenden Berichterstattung ist ein Gradmesser von Veränderungen und Umbrüchen. Sie ermöglicht das Aufzeigen von Kontinuitäten und Brüchen über einen längeren Zeitraum.

Die wissenschaftliche Erschließung des Evangelischen Missions-Magazins bezüglich seiner Geschichte, Redaktion, Autorenschaft und behandelten Themen stellt den Ausgangspunkt der Studie dar. Daran knüpft sich die Frage an nach dem Charakter und der Bedeutung von Missionszeitschriften im 19. Jahrhundert allgemein. |17|

Ältere Untersuchungen über die Zeitschrift liegen nicht vor. Sie wurde bis jetzt vor allem als Quelle für Einzeluntersuchungen, nicht aber in ihrer Funktion als historische Quelle bearbeitet.4

Untersucht werden die Jahrgänge 1816 bis 1914, also die Zeit von den Anfängen der Basler Mission bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, der für die Basler Mission als schweizerisch-württembergische Gesellschaft einschneidende Veränderungen mit sich brachte. In diese Zeit fällt die Gründung des deutschen Nationalstaates, das Einsetzen des Kolonialismus, die Ära der Hochindustrialisierung. Für die Basler Mission ist dieser Zeitraum unter anderem durch das Inspektorat des einflussreichen Inspektors Joseph Josenhans (1850–1879) geprägt. Dazu kommt 1874 die Gründung der Allgemeinen Missionszeitschrift (AMZ) von Gustav Warneck, durch die dem Basler Missions-Magazin eine gewichtige Konkurrenz erwuchs.5 Durch diesen großen Untersuchungszeitraum – 1816 bis zum Ende des ‹langen 19. Jahrhunderts› – lassen sich langfristige Entwicklungen in der Theologie und dem gesellschaftlichem Umfeld der Basler Mission aufzeigen. Die Dissertation bietet eine nötige – und bis dato fehlende – Grundlage für alle weiteren Untersuchungen zum Thema Menschenbilder in der Missionspublizistik.

Dem Missions-Magazin als Hauptquelle werden weitere Publikationen der Basler Mission zur Seite gestellt, daneben Zeitschriften anderer Missionsgesellschaften aus Deutschland und England, vornehmlich der Church Missionary Society, zu der die Basler Mission besonders enge Beziehungen hatte,6 sowie die bereits erwähnte Allgemeine Missionszeitschrift.

Da die anthropologischen Aussagen in den Artikeln des Missions-Magazins zwar zahlreich, aber durchwegs implizit vorhanden sind, sollen diese indirekt formulierten Aussagen durch explizit dogmatische Aussagen beispielsweise über «Der Mensch, das Haupt und der Zweck der sichtbaren Schöpfung» verbunden werden, wie sie in Die christliche Glaubenslehre (1876) von Friedrich Reiff, der als Lehrer am Missionshaus tätig war, zu finden sind.7|18| Autoren aus dem Umfeld der Basler Mission mit spezifisch systematisch-theologischem Anliegen wie z.B. Hermann Gundert, Gustav Warneck und Theodor Oehler, die wie Reiff auch im Missions-Magazin publiziert, rezipiert und rezensiert wurden, bilden zusätzliche Referenzpunkte. Das erlaubt gleichzeitig einen Vergleich zwischen dem Sollen und dem Sein, zwischen der anthropologischen Lehre, mit der die Missionare ausgestattet wurden und ihre Arbeit begannen, und dem Menschenbild, welches aus den Aufsätzen und Artikeln des Missions-Magazins zur heimischen Leserschaft zurückkam. Welche Literatur von Angehörigen der Basler Mission rezipiert wurde, lässt sich anhand von Bibliothekskatalog und Verlagsführer nachvollziehen.8

Ein Problem der Quellen ist die redaktionelle Bearbeitung der Artikel. Die Missionare waren zu regelmäßigen Berichten an die Missionsleitung angehalten, die folglich als Grundlage für die publizierten Artikel dienten. Dabei muss stets beachtet werden, dass die Artikel immer zugleich auch als Werbetexte im Hinblick auf finanzielle und ideelle Unterstützung durch die Leserschaft dienen sollten. Von Interesse sind hier die sprachlichen Strategien, mit denen Plausibilität und Verbindlichkeit geschaffen und auf einen gemeinsamen Deutehorizont verwiesen wurde, um den Zusammenhang zwischen Autoren- und Leserschaft zu stärken.9

Und schließlich sind noch die zahlreichen Traktate zu nennen, die seit Bestehen der Basler Missionsgesellschaft zu vielen unterschiedlichen Themen erschienen und oft mehr als zehn Auflagen erreichten. Da sie sich oft mit den gleichen Themen beschäftigten, die auch die Zeitschriften behandelten, dies aber zumeist in einer viel plakativeren, polemischeren Sprache, sind sie punktuell eine interessante Ergänzung zu den Artikeln und können bestimmte Positionen auf besonders prägnante Weise illustrieren.

b) Methoden

Die Sichtung der Jahrgänge des Missions-Magazins und das Erstellen einer Übersicht der behandelten Themen geschehen mit Hilfe einer syntaktischen Analyse. Systematisch-theologische Abhandlungen und Charakterisierungen von Menschen, Rassen, Ländern werden genauer untersucht.

Die Annäherung an die ausgesuchten Texte geschieht mit dem Instrumentarium der medienwissenschaftlichen Inhaltsanalyse.10 Der Schwerpunkt der Analysen liegt auf der semantischen und der pragmatischen Ebene. |19| Schlüsselbegriffe wie ‹wild›, ‹Mann – Frau›, ‹heidnisch – bekehrt – christlich›, ‹Erziehung – Kultur›, ‹schwarz – weiß›, ‹der alte› bzw. ‹der neue Mensch›, werden quantitativ und qualitativ erfasst: Die in den Texten behandelten Themen und Motive werden zusammengefasst und in Kategorien aufgeteilt. In einer vergleichenden Themenanalyse wird untersucht, wie häufig und in welchem Zusammenhang die (semantischen) Kategorien in den Publikationsorganen auftauchen.

Die textpragmatisch orientierte Wert- bzw. Einstellungsanalyse untersucht die vom Autor vertretenen Werte und Einstellungen, die Motivanalyse beschäftigt sich mit der Aussagemotivation des Kommunikators/Autors.11

C. Inhaltliche Untersuchung

Die in der Inhaltsanalyse gewonnenen Ergebnisse fließen in die anschließende Interpretation ein. Die Interpretation selbst steht in der geisteswissenschaftlichen Tradition und bietet einen hermeneutischen Zugang. So wird es durch das Hinzuziehen textimmanenter und -externer Fakten möglich, die Bedeutungsstrukturen der Texte verstehend nachzuvollziehen. Dabei wird der hermeneutische Zirkel, in dem sich jede Untersuchung bewegt, immer mitreflektiert.

Die Untersuchung von Auto- und Heterostereotypen, ihre Interdependenz und Interaktion sowie ihre geschichtlichen und sprachlichen Erscheinungsformen in den Schriften der Basler Mission soll durch die Erforschung der theologischen Anthropologie vertieft und ergänzt werden. Sie werden von den Akteuren, den Autoren der Missionspublikationen, her interpretiert. Dies ermöglicht einerseits eine multiperspektivische und kritische Annäherung, andererseits sollen den heutigen Leserinnen und Lesern die damaligen Menschenbilder nahe gebracht werden. So bekommen sie einen Zugang zu der ‹fremden› Missionsgesellschaft als Ganze.12 Leitend ist dabei das theologisch-historische Interesse an der Missionsgeschichte des 19. Jahrhunderts.13|20|

|23|

1. Einleitung

«Was muss heutzutage nicht alles der Mission dienen? Da gibt es Missionsreiseprediger und Missionsärzte, Missionslehrer und Missionskaufleute, Missionskolonisten und Missionshandwerker, Missionsstationen und Missionsschulen, Missionsspitäler und Missionsdruckereien, Missionsschiffe und Missionskarawanen, Missionszelte und Missions- wer weiß was noch. Da wird gepredigt auf Straßen und Märkten, bei Götzenfesten und in Tempeln, in Häusern und auf freiem Feld – aber gepredigt nicht nur durchs Wort, sondern gepredigt auch durch Bilder, durch Inschriften, ja durch Zauberlaternen und Schattenspiele […]. Da wird studiert und übersetzt, geschrieben und gedruckt, redigiert und kolportiert.»14

Mit diesen Worten beschrieb Johannes Hesse im Jahr 1900 in einem Rückblick auf das ‹Missionsjahrhundert› die Mittel und Methoden der Missionsgesellschaften. Er ist ein Zeuge für die enorme Ausdifferenzierung, die sich seit den Anfängen der systematischen protestantischen Mission vollzogen hatte und für die zentrale Stellung, welche die literarische Arbeit – das Studieren, Übersetzen, Schreiben, Drucken, Redigieren und Kolportieren – in den Missionen einnahm.

Das folgende Kapitel charakterisiert nach einem Überblick über den Stand der Forschung (2.1.) das Medium der Missionszeitschrift (2.2.) und untersucht den historischen Wert ihrer Illustrationen (2.3.) sowie die Bedeutung und Beschränkungen, die ihr als Quelle kirchengeschichtlicher Forschung zukommt (2.4.).

Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit dem Kontext, in dem die Basler Missionsgesellschaft und ihre Publikationen entstanden. Kapitel 3.1. zeigt die missionspraktischen und -theoretischen Grundlagen, die im 18. Jahrhundert gelegt wurden und auf denen die Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts beruhte. Aufgrund der engen Verbindungen, welche die Basler Mission mit den englischen Missionsgesellschaften, allen voran mit der Church Missionary |24| Society, pflegte, kommt zunächst die Ausgangssituation in England in den Blick (3.1.1.). Die 1699 und 1701 gegründeten Society for Promoting Christian Knowledge und Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts (SPG) hatten ihre Arbeit in den englischen Kolonien ursprünglich nicht als Heidenmission angelegt. Die planmäßige protestantische Missionsarbeit der Dänisch-Halleschen Mission (3.1.2.) begann etwa zeitgleich auf dem Kontinent, wenig später folgte die Herrnhuter Mission (3.1.3.). Sowohl die englischen als auch die deutschsprachigen Missionsgesellschaften des 18. Jahrhunderts setzten mit ihrer Arbeit und ihrem Verhältnis zu Kirche und Obrigkeit Maßstäbe, welche von den späteren Missionsgesellschaften aufgenommen und transformiert wurden.

In seinem Rückblick auf das ‹Missionsjahrhundert› stellte Hesse fest, dass die Missionsgesellschaften ganz selbstverständlich nicht nur den direkten Kontakt zu den zu missionierenden Menschen pflegten, sondern dass sich Mission in starkem Maße auch über das geschriebene Wort inszenierte und ereignete. Dies geschah vor allem im Medium der Zeitschrift.15 Die Zeitschriften der Missionsgesellschaften spielten bei der Vernetzung untereinander, aber auch der Abgrenzung voneinander, bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden und bei der Schaffung einer medialen Missionsgemeinde eine zentrale Rolle. Nach einer Einführung in Pietismus und Erweckung (3.2.1.) sowie einer Reflexion über den Begriff ‹Missionsjahrhundert› (3.2.2.) beschreibt das Kapitel 3.2 deshalb sowohl Geschichte und Charakter der Missionsgesellschaften als auch deren Missionszeitschriften.16 Dabei macht das Verhältnis von Missionen zu Kirche und Obrigkeit verschiedene Missionstypen sichtbar, mit deren Hilfe eine gewisse Systematisierung und Bündelung dieses vielgestaltigen Phänomens möglich wird (3.2.3.1–3.2.3.5.).

Kapitel 4 bietet einen Überblick über die Geschichte der Basler Mission im 19. Jahrhundert, ihre Entstehung und Vernetzung (4.1.), ihre pietistisch-erweckliche bzw. überkonfessionelle Ausrichtung (4.2.), ihre hierarchische Organisationsstruktur (4.3.) und den langen Weg zu einer eigenständigen Frauenmission (4.4.).

Im 5. Kapitel richtet sich der Fokus auf Publikationen aus dem Umfeld der Basler Mission, allen voran die Hauptquelle dieser Untersuchung, das |25| Evangelische Missions-Magazin (5.1.1.). Die enge Vernetzung der Missionsgesellschaften bzw. pietistisch-erwecklichen Organisationen überhaupt hatte auch eine enge Vernetzung ihrer Publikationen zur Folge. So bilden der Evangelische Heidenbote (5.1.2.), die Missionszeitschriften der englischen London Missionary Society (LMS) und Church Missionary Society (5.1.3.), das Calwer Missionsblatt (5.1.4.) und die Allgemeine Missionszeitschrift (5.1.5) wichtige Referenzpunkte und Ergänzungen zum Missions-Magazin. Die christliche Glaubenslehre (5.2.) sowie Missionstraktate (5.3.) fügen der Untersuchung weitere Dimensionen hinzu.

Das breite Themenspektrum der Zeitschriften und periodischen Veröffentlichungen zeigt dabei, dass missionstheoretische und -praktische Fragen im 19. Jahrhundert zunächst weniger in systematischen Monografien behandelt wurden, sondern sich aktuelle Diskurse, Berichte und Erbauliches vor allem in den Zeitschriften fanden. Sie waren die zentrale Schnittstelle von Missionsfeld und Heimat, von Leitungsgremien, Mitarbeitern und Unterstützergemeinde. Mission stellte sich in ihren Zeitschriften nicht nur dar, sondern in und durch die Zeitschriften ereignete sich Mission selbst. |26|

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Teil I Grundlegungen: Verortung der Basler Mission und ihrer Publikationen in ihrem geistes- und theologiegeschichtlichen Kontext

|22|

|27|

2. Zeitschriften als Quelle kirchen­geschichtlicher Forschung

2.1. Forschungsstand

Zu kirchlichen und theologischen Zeitschriften als Quelle und Medium der historischen Forschung gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, obwohl bibliografische Gesamtübersichten zu Zeitschriften schon seit Ende des 17. Jahrhunderts, also fast genauso lange wie die Zeitschriften selbst vorliegen.17 Ins Blickfeld der Wissenschaft gelangten Zeitschriften erst im 20. Jahrhundert, als sie getrennt von Zeitungen betrachtet wurden. Die Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf Zeitschriften als Massenmedien sowie auf praktisch- und systematisch-theologische Aspekte von Zeitschriften. Friedrich Wilhelm Graf beklagt, «daß der außerordentlich hohe Quellenwert der reichen Zeitschriftenüberlieferung für diskurs-, ideen-, begriffs- und mentalitätshistorische Studien zu den religiösen Kulturen der Moderne bisher kaum wahrgenommen wurde».18 Zudem fehlten bibliografische Hilfsmittel sowie Angaben über Auflagen, Leserschaft, Verbreitung und Autorenschaft.19|28|

Im Bereich der Missionsgeschichte bietet sich das gleiche Bild: Es wird vor allem mit und nicht über Zeitschriften als Quellen gearbeitet.20 Von Terry Barringer und Rosemary Seton, welche die 1997 entstandene Missionary Periodicals Database initiiert haben und betreuen, stammen auch einige der wenigen Aufsätze über Missionszeitschriften als Quelle.21 Das Projekt von Seton und Barringer beschränkt sich auf Zeitschriften, die zwischen dem 18. Jahrhundert und den 1960er Jahren von Auslandsmissionen in Großbritannien herausgegeben wurden. Sie machen deutlich, dass Missionszeitschriften als Quelle zwar einerseits nicht unkritisch gelesen werden dürfen, da sie trotz aller Selbstreflexion aus einem ganz speziellen Anliegen heraus und mit einer bestimmten Motivation entstanden und von Organisationen herausgegeben wurden, die auf Spenden angewiesen waren. Zudem waren sie meist in einer anderen Sprache geschrieben, als die Kultur, über die sie berichteten.22 In Kombination mit anderen Quellen können Missionszeitschriften andererseits aber ein detailliertes Bild von außereuropäischen Menschen, Religionen, Kulturen und Gesellschaften zeichnen.23 Dabei zeigen sie, wie sich das missionarische Selbstverständnis und die Selbstdarstellung über einen längeren Zeitraum verändert.24|29|

Mit der Frage nach dem methodisch angemessenen Umgang mit bildhaften Quellen aus der Mission hat sich Paul Jenkins intensiv beschäftigt. Er rief auch die Internet-Datenbank Basel Mission Picture Archive mit ins Leben, welche die Missionsfotografien aus dem Archiv der Basler Mission erfasst und öffentlich zugänglich gemacht hat.25

Der Quellenbestand bei Missionszeitschriften ist sehr unterschiedlich. Viele Missionsquellen sind nicht nur an verschiedenen Orten, sondern auch in verschiedenen Ländern oder sogar Kontinenten aufbewahrt. Wenn – wie im Fall der Basler Mission – eine Missionsgesellschaft hierarchisch aufgebaut und bürokratisch geführt wurde, sind Quellenlage und Archivierung deutlich besser als bei den dezidiert unbürokratischen Glaubensmissionen.26

2.2. Zeitschrift – kirchliche Zeitschrift – Missionszeitschrift

Die Geschichte der Zeitschrift begann mit dem seit 1665 von Denis de Sallo in Paris edierten Journal des Sçavans, einem universalwissenschaftlich ausgerichteten Rezensionsblatt.27 Die frühen Zeitschriften waren in den Gelehrtensprachen Latein oder Französisch geschrieben – oder in einem diese nachahmenden Deutsch. 1688 brachte Christian Thomasius seine Monatgespräche28 in deutscher Sprache heraus, was zu einem Bruch mit der Gelehrtenschaft führte.29

Die Entwicklung des Zeitschriftenwesens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war eine Reaktion auf die Fülle neuer und neuester Erkenntnisse. Die Zeitschrift war ideal als Publikationsorgan für kurze Aufsätze und Mitteilungen, die schnell verbreitet wurden. Der Aufwand war geringer als der einer Buchpublikation und der Stand aktueller. Kritische Rezensionen und referierende Bibliografien ermöglichten schnelle und zuverlässige Informationen darüber, was im eigenen Fachgebiet wichtig war. Themen aus der aktuellen Nachrichtenpresse wurden aufgegriffen und – im Rahmen der Zensur – reflektiert und analysiert, vergleichbar mit den Nachrichtenmagazinen im |30| Fernsehen heute. In Abgrenzung von der Zeitung besitzt Aktualität für die Zeitschrift nur eine relative Bedeutung. «Behandelt werden zwar auch immer Fragen der Gegenwart. Vorausgesetzt dabei wird aber fast immer die Kenntnis der tatsächlichen Geschehnisse und ihrer Abläufe. […] Es wird mehr Wert auf Genauigkeit gelegt als auf Neuigkeit.»30

Die frühen Zeitschriften erschienen im Buchformat. Zum Jahresende erhielten die Leser ein Titelblatt und ein Register. Dies signalisierte den Anschluss an das Buch und damit Seriosität.

In der Zeit von 1670 bis 1790 stieg die Zahl der Zeitschriften von 58 auf 1225, davon erschienen allerdings viele Zeitschriften nur kurz oder unter ­verschiedenen Titeln. Das 18. Jahrhundert war die Blüte- und Hochzeit der Druckmedien.31 Sie stifteten soziale Einheit im Bürgertum und hatten iden­tifikatorische Funktion. «Mit der absoluten Dominanz der Printmedien war aber zugleich auch eine durchgängige Entsinnlichung der Kommunikation gegeben.»32 Die Zeitschrift nahm unter den Druckmedien im 18. Jahrhundert wiederum eine herausragende Rolle ein.33

Anfänglich fungierten Zeitschriften vor allem als Rezensionsorgane. Dadurch dienten sie der Rationalisierung von Wissen und der Beschleunigung des Informationsaustausches. Aber auch die Belehrung in Fragen von allgemeinem Interesse, die Meinungsbildung und die Selbstaneignung von Fachwissen gehörte zu den Leistungen der Zeitschriften.

Kirchner definiert eine Zeitschrift des 18. Jahrhunderts mit den folgenden fünf Kriterien:

Periodizität,unbegrenzte Dauer des Erscheinens,Publizität, d.h. Streben nach Öffentlichkeit,ein einheitlicher Charakter, der sich im gleichbleibenden Titel und im etwa gleichbleibenden Umfang zeigt, undVielfalt des Inhalts.34

|31| Auch Faulstich nennt fünf Merkmale, setzt bei seiner Charakterisierung aber andere Akzente:

Themenzentrierung, d.h. die prinzipielle Universalität des Inhalts verkehrt sich aufgrund des eingeschränkten, oft sehr spezialisierten Leserkreises bei der einzelnen Zeitschrift gerade in ihr Gegenteil,Temporizität,Interessenspezifizierung, d.h. Themenzentrierung in Anlehnung an das Medium Buch,Kontextualisierung undpartiell Visualisierung.35

Da Zeitschriften meist in niedrigeren Auflagen herausgegeben wurden, weniger aktuell oder politisch argumentierten und die Beiträge überwiegend anonym erschienen, hatten sie nicht so stark mit der Zensur zu kämpfen wie die (Tages-)Zeitungen. Sie konnten sich inhaltlich freimütiger äußern.

Im 19. Jahrhundert erlebte die Zeitschrift im deutschsprachigen Raum einen weiteren Aufschwung, sie wurde zum «Leitmedium in Wissenschaft und Kultur».36 Die «Wiederentdeckung der Sehsucht», also das Bedürfnis nach Veranschaulichung und Abbildbarkeit von Wirklichkeit als Reaktion auf die vorangegangene Periode der Entsinnlichung und der Konzentration auf den abstrakten Buchstaben, führte zu einer zunehmenden Visualisierung in den Medien und verhalf bebilderten Zeitschriften (‹Illustrierten›) zum Aufschwung.37

In der Theologie stieg zwischen 1800 und 1908 der Anteil von Zeitschriften an den Gesamterscheinungen von 8,3% auf 26,5%. Auch im religiösen Bereich zeigte sich die Differenzierung des Mediums Zeitschrift.

Kippenberg unterteilt die theologischen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts in

kritische Zeitschriften, die vor allem Rezensionen enthielten,|32| allgemeine Zeitschriften, mit Beiträgen zu Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft undbiblische, systematische, historische und praktische Fachzeitschriften, zu denen er das Missions-Magazin zählte.38

Neben der theologisch-wissenschaftlichen Fachzeitschrift und den eher praktisch-erbaulichen Gemeindeblättern ist seit spätestens 1790 der Begriff der kirchlichen Zeitschrift nachweisbar.39 Diese «umfasst ein breites Spektrum heterogener publizistischer Erzeugnisse, die formal nur die regelmäßige Erscheinungsweise, die thematische Fokussierung auf christl[ichen]. Glauben und Kirchen sowie die Orientierung an kirchl[ichen]. oder kirchennahen Öffentlichkeiten verbindet».40 Viele kirchliche Zeitschriften waren programmatisch ausgerichtet und vertraten – in scharfer Abgrenzung von konkurrierenden Richtungen – eine ganz bestimmte religiöse oder politische Wertorientierung, die als allgemein verbindlich dargestellt wurde. Auch deshalb sind kirchliche Zeitschriften, «stärker als andere kirchennahe literarische Medien […] repräsentativ für diskursive Konstellationen, weil in ihnen tektonische Verschiebungen des Politischen, sozialstrukturelle Wandlungsprozesse und teils sehr langsame, teils revolutionär explosive Neubestimmungen frommer Mentalitäten und Habitus Ausdruck finden».41 Dabei wird Geschichte als ein Prozess deutlich, dessen Ziel den ursprünglichen Akteuren verborgen war.42 Für das 19. Jahrhundert beobachtet Achtelstetter eine verstärkte Auseinandersetzung mit Positionen außerhalb der evangelischen Kirche.

Die Auseinandersetzung ist von Seiten der evangelischen Publizistik geprägt von fünf Motiven:

dem polemischen, in Auseinandersetzung mit dem Katholizismus,dem apologetischen, in Auseinandersetzung mit den Gebildeten über die Denkmöglichkeiten des Glaubens,dem sozialen, in Auseinandersetzung mit dem Sozialismus,|33| dem unionistischen, mit dem Ziel der Einigung der evangelischen Christen, von Kirche und Welt oder von Christentum und Kultur, schließlichdem missionarischen Motiv, das der (Wieder-)Gewinnung der Abtrünnigen und Gleichgültigen dient.43

War die evangelische Publizistik insgesamt eine Reaktion auf die Blüte der Zeitschriften in der weltlichen Presse,44 partizipierten die Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts als kirchlicher ‹Sonderfall› ebenfalls an dieser Zeitschriftenproduktion. Hier kam das oben erwähnte ‹missionarische Motiv› in besonderer Weise zum Tragen. Wenn auch an die unterschiedlichste Leserschaft gerichtet, mit wechselndem Erscheinungsrhythmus, von unterschiedlicher Qualität und variierendem Preis, so hatten doch alle Missionen ihre eigenen Zeitschriften und Magazine.45 Sie waren ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit: Ihr Verkauf diente ganz offen profanen Zwecken, sie waren eine wichtige und dazu noch eine relativ gut kalkulierbare Einnahmequelle für die Gesellschaften, die sonst auf oft unregelmäßig fließende Spenden angewiesen waren.46

Die Missionszeitschriften stillten mit ihren Berichten über ferne, exotische Länder und Gebräuche das Bedürfnis ihrer Leserschaft nach Informationen47 und «Vorbildbiografien»48, vielleicht auch nach Sensationen.49 Und daraus |34| abgeleitet schufen sie einen Zusammenhalt in ihrer Lesergemeinde, die durch das Gefühl der Identifikation bereit war, sich für die ‹Missionssache› weiter zu engagieren – durch Fürbitte, Übernahme von ehrenamtlichen Aufgaben, Werbung für die Mission und Spenden. Hier spielt das Thema der Konstruktion oder Stiftung einer pietistischen Identität bzw. die Selbstinszenierung eine große Rolle.50

Der besondere Charakter der Missionszeitschriften als Werbeinstrument muss bei der Lektüre der Artikel immer mitbedacht werden. Bickers und Seton sehen darin sogar einen kleinen Vorteil: «[…] the biases of the missionary reporter are often much more clearly acknowledged and better known than those of other writers, which adds to their usefulness.»51

Im 18. und 19. Jahrhundert war eine Zeitschrift dann rentabel, wenn die Auflage 500 Exemplare überschritt.52 Das Basler Missions-Magazin hatte in seiner Blütezeit in den 1820er Jahren gut 7000 Abonnenten.53 Diese Auflagenhöhe war beachtlich und erklärt sich durch den Pioniercharakter der Zeitschrift in den Anfangsjahren, doch sank die Auflage im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts mit Entstehen zahlreicher weiterer Missionsgesellschaften und -zeitschriften kontinuierlich.54 Viele Zeitschriften, auch das Missions-Magazin, wurden im Abonnement oder durch Subskription vertrieben, um so die Vertriebskosten und das verlegerische Risiko gering zu halten und eine längerfristige Kalkulation zu ermöglichen. Doch ist der Leserkreis wesentlich größer anzusetzen als die Zahl der Abonnenten. Denn erstens las man häufig in Gruppen, d.h. man traf sich zu Lesezirkel, in Lesegesellschaften, in christlichen Hauskreisen oder Gebetsstunden und ließ sich von einer Person die Artikel vorlesen, und gab zweitens die Hefte weiter.55 Drittens schließlich berichtete |35| man aus den Zeitschriften und nutzte sie für öffentliche Vorträge und für den Unterricht.56 Schlatter berichtet für das Missions-Magazin von einer Verbreitung bis nach Russland, Frankreich, England und in die Niederlande.57

Die abgedruckten Texte durchliefen meist mehrere redaktionelle Korrekturen, in denen sie zu Gunsten der ‹offiziellen› Meinung zurechtgeschliffen wurden. Dieser Vereinheitlichungsprozess ist bei der Interpretation der Zeitschriften zu berücksichtigen. Sie geben dementsprechend keinen sicheren Hinweis auf die Gedanken eines Individuums, aber in vielen Fällen sind sie die einzigen noch existierenden Indikatoren dieser Gedanken.58

Im Jahr 1880 stellte Gustav Warneck Überlegungen zum 19. Jahrhundert an, das für ihn das Jahrhundert der Mission war.59 In dieser Erkenntnis lag für ihn eine mächtige Stärkung des Glaubens für alle Christinnen und Christen. Jeden Bericht über erfolgreiche Missionen, jede Information über Bekehrungen, jede Nachricht aus einem Missionsgebiet sah er als Fingerzeig, dass Gott die Missionsarbeit will und folglich die Menschen, die in der Mission arbeiten, auf dem richtigen Weg waren. Hier kommt ein weiterer Punkt zum Ausdruck, der mit der Funktion von Missionszeitschriften als Werbeinstrument zusammenhängt: Die Publikationen berichteten vom Erfolg der Mission, requirierten auf diese Weise Unterstützung in Form von Spenden oder Mitarbeitern, was wiederum zum Erfolg der Mission beitrug, über den dann wieder berichtet werden konnte. Das könnte man als eine Art self-fulfilling prophecy bezeichnen. «Dass einem schwachen Glauben aufgeholfen werden müsse durch vermeintliche empirische, historisch erhärtete ‹Fakten›, ist», so Werner Ustorf, «eine Denkfigur mit Tradition.»60 Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass diese traditionelle Denkfigur sehr bewusst und strategisch eingesetzt wurde. |36|

2.3. Illustrationen

Die Missionszeitschriften des 19. Jahrhunderts trugen der oben erwähnten ‹Sehsucht› Rechnung. Durch Visualisierung sollte Wirklichkeit reproduziert und Authentizität nachgewiesen werden. Die zahlreichen Landkarten und Illustrationen waren für die ‹Missionssache› zudem in dreierlei Hinsicht von Nutzen: Sie dienten erstens einem pädagogischen Zweck, sollten zweitens den Erfolg der Arbeit demonstrieren und drittens den Einsatz der Spendengelder transparent machen.

Die Abbildungen boten die gesamte Bandbreite der damals möglichen Drucktechniken im Hochdruck (Holzschnitte bzw. -stiche), Tiefdruck (Radierungen) und dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts neu aufgekommenen Flachdrucks (Lithografien).61

Seit den 1850er Jahren waren Missionare in den Missionsgebieten auch als Fotografen tätig. Bedenkt man, dass die Fotografie kaum zehn Jahre zuvor, 1839, ihren internationalen technischen Durchbruch erlebt hatte, ist es erstaunlich, wie früh sich die Missionare diese brandneue, in Vorbereitung und Durchführung zu dieser Zeit nicht gerade anspruchslosen Technik aneigneten. Nicht nur die Basler Mission zeigte großes Interesse an dem neuen Medium der Fotografie, sondern auch London Missionary Society, Church Missionary Society, die Wesleyan Methodist Missionary Society, die Bremer und die Rheinische Mission.62 Fotografien konnten jedoch bis etwa 1880 aus technischen Gründen nicht direkt, sondern nur als Radierung oder Lithografie in Büchern und Zeitschriften abgedruckt werden.63

Lange Zeit unterschätzte man den historischen Wert von Abbildungen, die auf Fotografien beruhten. Denn entweder sah man sie bloß als künstlerische Impressionen oder als stark redaktionell überarbeitete Abbildungen an, |37| die sich erheblich vom Original unterschieden. Vergleiche von Fotografien und Drucken zeigen aber, dass verschiedene Drucke eine Fotografie als Vorlage hatten und diese detailliert wiederzugeben versuchten. Im Missions-Magazin wird dies sogar an einigen Stellen in der Bildunterschrift kenntlich gemacht.64 Deshalb sind die überlieferten Radierungen und Lithografien wertvolle historische Quellen, insbesondere dann, wenn die fotografischen Vorlagen verschollen sind.

Fotografien bieten zudem einen Einblick in geschichtliche Bereiche, die in Schriftdokumenten entweder wenig repräsentiert sind oder bewusst ausgelassen werden.65

2.4. Reflexion

Die Missionsgesellschaften partizipierten durch ihre Zeitschriften an der Blütezeit der Druckmedien. Durch ihren erstaunlich fortschrittlichen Umgang mit fotografischen Abbildungen verwiesen sie dabei zugleich schon auf die darauf folgende Epoche der Mediengeschichte, auf die Hinwendung zu Bild und Ton, auf die Dominanz der elektronischen Medien.

Die Tatsache, dass in Missionsquellen aus europäischer Sicht über fremde Länder und Kulturen geschrieben wurde, lässt noch nicht den Schluss zu, dass diese eurozentrische Sicht unbedingt falsch gewesen sein muss. Ebenso führt auch das missionarische Motiv und das apologetische Interesse der Missionare in der Begegnung mit der fremden Religion nicht von vornherein dazu, dass die Berichte über die Kultur, in der sie oft viele Jahre gelebt hatten, ein Verständnis der Menschen und der Kultur des jeweiligen Missionsgebietes verunmöglichten. Die Vorurteile der Autoren aus dem Umfeld der Mission sind zu einem großen Teil viel deutlicher und besser bekannt als die anderer Autoren. «Die Missionare hatten meist ein kritisches und oftmals ein offen polemisches Verhältnis zu den von ihnen beschriebenen religiösen oder kulturellen Gegebenheiten, und sie haben ihre Kritik offen ausgesprochen, so dass es dem gegenwärtigen Leser möglich gemacht wird, zwischen Kritik und sachlich deskriptivem Gehalt der Berichte zu unterscheiden».66|38|

Zusammen mit anderen Quellen und Informationen – Komiteeprotokollen, Briefen, Traktaten – geben Zeitschriften ein detailliertes Bild einer Gesellschaft, einer Epoche oder eine Denktradition. Die Faszination bei der Untersuchung von Zeitschriften – und auch Zeitungen – liegt darin, dass hier Geschichte als ein Prozess sichtbar wird, dessen Ziel den Schreibenden selbst oft verborgen bleibt. «Der Blick auf die Massenmedien gestattet einen in der historischen Forschung unvergleichlichen Blick auf die verlaufende Geschichte.»67 Sie sind «Bewegungstexte»68, die Entwicklungen, Wandlungsprozesse und sowohl langsame als auch sehr explosiv auftretende Neubestimmungen wiedergeben.

Die Quellen verraten viel über die Personen, die sie verfassten, bzw. über die Institution, welche die Texte und Artikel herausgab, die Einstellungen und Ideen, die sie vertrat. Die Missionsgesellschaften selbst hatten ein großes Interesse an der möglichst detaillierten und zeitnahen Wiedergabe von Informationen in Wort und Bild, lebten sie doch «von der Verlässlichkeit und der Lebendigkeit der Informationen, von einem vielschichtigen Kommunikationsprozeß, der sich durch Missionsanlässe, persönliche Kontakte, die Missionszeitschriften und schon im 19. Jahrhundert durch Diavorträge ‹in der Heimat› vollzog».69

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3. Missionsgesellschaften und ihre Publizistik: Von den englischen societies zum ‹Missionsjahrhundert›

3.1. Das 18. Jahrhundert

3.1.1. Die englischen societies: Society for Promoting Christian Knowledge (1699) und Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts (1701)

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden in der anglikanischen Kirche Englands die societies, die ein soziales und pädagogisches Anliegen mit der Arbeit an einer religiösen Erneuerung verknüpften. Puritanische und hochkirchliche Ideen verbanden sich dabei in unterschiedlicher Gewichtung, wie auch die Anbindung an die Kirche unterschiedlich stark, in jedem Fall aber immer vorhanden war.

Die englische Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK) wurde 1699 auf Veranlassung Henry Comptons (seit 1675 Bischof von London) vom anglikanischen Pfarrer Thomas Bray zusammen mit vier Gleichgesinnten als private, freiwillige Vereinigung gegründet. Ursprünglich war ein explizit missionarisches Wirken außerhalb Englands gar nicht vorgesehen, im Vordergrund stand die Förderung des christlichen Schulwesens in England. Daraus ergab sich die Aufgabe, Gelder für Bücher, Büchereien und Schulen für die Mission der Kirche in den Kolonien zu sammeln.70 Mit der Dänisch-Halleschen Mission ergab sich ab 1726 eine enge Verbindung, auch weil sich in England nicht genug Missionare fanden, so dass die Society for Promoting Christian |40| Knowledge auf deutsche Missionare angewiesen war, um ihre mittlerweile entstandenen eigenen Missionen in Südindien zu besetzen. Die Mission der Society for Promoting Christian Knowledge wurde dadurch bis ins frühe 19. Jahrhundert stark lutherisch geprägt.71 Dies änderte sich, als die Society for Promoting Christian Knowledge 1825 ihre indischen Stationen an ihre englische Schwestergesellschaft, die Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts übergab.

Wie die Society for Promoting Christian Knowledge verdankte die Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts den Anstoß zu ihrer Gründung Thomas Bray, war aber «ursprünglich als Gegenstück zur römischen Propaganda-Kongregation gedacht» und 1701 durch eine Charta Williams III. «als öffentlich-rechtliche Anstalt mit voller staatskirchlicher Autorisierung» gegründet worden.72 Ausgangspunkt bildeten die europäischen Entdeckungen der vorhergehenden zwei Jahrhunderte sowie die fortschreitende Kolonisierung Nordamerikas.73 Die Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts stand in der hochkirchlichen Tradition Richard Hookers und war eine der Kirche inkorporierte, anglikanisch-orthodoxe Gesellschaft unter bischöflicher Leitung. Die Missionare waren ordinierte Geistliche und zuerst Kirche und Bischof verantwortlich, dann erst der Missionsgesellschaft. Kirche, Kirchenordnung, apostolische Sukzession, Liturgie und Sakramente spielten eine große Rolle in der Missionsarbeit, was sich in der frühen Entscheidung zeigt, Bibeln immer zusammen mit dem Common Prayer Book abzugeben: «No Bibles be sent by the Society into the Plantations without Common Prayer Books bound up with them.»74 Das Siegel der Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts trägt das – in der Mission immer wieder verwendete – Zitat aus Apg 16,9: «Komm herüber und hilf uns.»75. Das Arbeitsgebiet der Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts lag |41| in den englischen Kolonien mit Schwerpunkt Nordamerika.76 Ab dem 19. Jahrhundert war sie als Nachfolgerin der Society for Promoting Christian Knowledge auch in Indien tätig. Die Missionsarbeit erstreckte sich dabei vor allem auf die weißen Siedler, Plantagenbesitzer und Kolonisten, später auch auf die Sklaven in Amerika und der Karibik.77 Ob die Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts tatsächlich den dänischen König Frederik IV. zur Gründung der Dänisch-Halleschen Mission inspirierte, wie es O’Connor beschreibt, ist umstritten.78

3.1.2. Halle und der Beginn der planmäßigen protestantischen Mission

Im 17. Jahrhundert wurden im Pietismus die ernsthafte theologische Forderungen von Einzelnen wie Justinian von Welz79 wie auch von Seiten der niederländischen Nadere Reformatie nach einer Missionierung von Heiden und Juden lauter, brachten aber noch keine grundsätzliche Wende.80 Der Frage, warum der Pietismus erst im 18. Jahrhundert zu einem Neubeginn der Mission fand und welche Konzepte, Gedanken und Vorbilder aus dem 17. Jahrhundert dabei eine Rolle spielten, ist bislang in der Forschung nicht zufriedenstellend bearbeitet oder beantwortet worden. Laut Wellenreuther könnte eine mögliche Erklärung in der allgemeinen Indifferenz gegenüber der Mission im 17. Jahrhundert sowie einer gewissen Ratlosigkeit hinsichtlich der praktischen Bewerkstelligung und der dazu benötigten Mitarbeiter bestehen. Denkbar ist, dass es erst einer gewissen innergemeindlichen Konsolidierung sowie eines äußeren Anstoßes bedurfte, um der Forderung nach einer Heidenmission nachzukommen.81|42|

Die planmäßige Heiden-Mission auf protestantischer Seite begann am 9. Juli 1706 mit Bartholomäus Ziegenbalg und Heinrich Plütschau in Tranquebar an der Südostküste Indiens. König Frederik IV. von Dänemark suchte für seine Kolonien Missionare. Durch Vermittlung seines Hofpredigers Franz Julius Lüttkens kam er in Kontakt mit den beiden Theologen aus Halle, einem der wichtigsten Zentren des Pietismus im 18. Jahrhundert.82 Damit begann die Geschichte einer organisierten, kontinuierlichen protestantischen Missionsarbeit auf breiterer Basis. Zugleich markierte sie auch den Übergang von lutherisch-orthodoxer Zurückhaltung in der Frage der Mission zu pietistischer Missions-Euphorie. Die Dänisch-Hallesche Mission stellte einen Sondertyp lutherisch-pietistischer Mission dar. Die Initiative ging von der Obrigkeit aus. Die Mission stand stets unter behördlicher Dienst- und Verwaltungsaufsicht, unter der Aufsicht des Missionskollegiums (gegründet 1714), mit Sitz in Kopenhagen, das direkt dem König unterstellt war. Die lutherische Kirche in Dänemark reagierte zunächst mit Zurückhaltung, das Unternehmen des Königs war umstritten.83 Die ersten Missionare Ziegenbalg und Plütschau waren Schüler August Hermann Franckes, der zwar erst nachträglich, dann jedoch umso intensiver das neue Projekt zu seinem eigenen machte. Durch die Veröffentlichungen der Halleschen Berichte ab 1710, der ersten periodisch erscheinenden Missionszeitschrift überhaupt, rückte Francke das Anliegen der Mission in den Fokus der evangelischen Welt und machte sie zu ihrer Aufgabe.84 Das erste Zentrum der protestantischen Mission wurde dadurch Halle bzw. die dortigen Franckeschen Anstalten.85

3.1.3. Die Sammlung der Erstlinge: Die Herrnhuter Mission ab 1732

Das zweite große Missionswerk aus dem Bereich des Pietismus, die Herrnhuter Brüdermission und ihr Initiator Zinzendorf, wurde stark durch die Dänisch-Hallesche Mission beeinflusst. Zinzendorf selbst kam durch die Halleschen Missionsberichte sowie durch persönliche Begegnungen mit Missionaren in den Franckeschen Anstalten während seiner Zeit auf dem dortigen Pädagogium zu dem Entschluss, Missionar zu werden. Mit der Aussendung eines ‹Hottentotten›-Missionars nach Südafrika verwirklichte die Herrnhuter Mission später sogar eine von Ziegenbalg stammende Anregung. 1732 gingen die ersten beiden Missionare ins westindische St. Thomas. Wie das gesamte theologische Denken Zinzendorfs war auch die Herrnhuter Mission streng |43| christozentrisch orientiert. Die Missionare waren unabhängige Laien, die eine abgegrenzte Gemeinschaft von Erweckten sein wollten. Eine konfessionelle Prägung war ihnen fremd. Jedoch führte die von ihnen angestrebte «Sammlung der Erstlinge»86 zu einer Art konfessioneller Sondergestalt, die in ihrer Eigenart auch in den Missionsgebieten deutlich erkennbar war und bis heute Bestand hat.87

Feststellen lässt sich jedoch, dass schon die englischen societies des 18. Jahrhunderts mit der Missionsarbeit auf dem europäischen Festland, insbesondere mit der Dänisch-Halleschen Mission, sehr eng verbunden waren und sie sich gegenseitig beeinflussten.88 Diese transnationalen Verbindungen setzten sich im 19. Jahrhunderts nicht nur fort, sondern wurden geradezu zu einem Kennzeichen von Erweckungs- und Missionsbewegung, der ‹protestantischen Internationalen›.89|44|

3.2. Das ‹Missionsjahrhundert›: Protestantische Mission im 19. Jahrhundert

Schon vor dem 19. Jahrhundert bestanden also protestantische Missionsbestrebungen in England, Halle und Herrnhut, die für die späteren Missionsgesellschaften wichtige Weichen stellten. Das 19. Jahrhundert galt aber in besonderer Weise, gerade auch in der Eigenwahrnehmung der Beteiligten, als das ‹Missionsjahrhundert›.

Ein ganz pragmatischer Grund für dieses neue protestantische Phänomen darf dabei nicht vergessen werden: Wie die katholische Mission waren auch die protestantischen Missionsunternehmungen wenn schon nicht auf die Unterstützung, so doch zumindest auf die Billigung der jeweiligen europäischen Kolonialmächte oder einheimischen Herrscher angewiesen. Protestantische Regierungen sperrten sich jedoch in der Regel bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gegen Mission in ihren kolonialen Territorien.90 Die Entscheidung für ein ganz bestimmtes Missionsfeld war deshalb oft auch mit politischen Entwicklungen verknüpft wie z.B. die Öffnung Britisch-Indiens für Missionare durch die erneuerte Charta der East India Company im Jahr 1813.91 Der «große missionsgeschichtliche Aufbruch»92 seit den 1790er Jahren stand im Zusammenhang mit den geänderten machtpolitischen Rahmenbedingungen dieser Zeit, die der Mission neue Freiräume vor allem in den außereuropäischen Gebieten schuf. Hinzu kam eine neue Welle der Erweckungsbewegung, die Adel und Bürgertum gleichermaßen erfasste und so eine breite Basis für ein neues Interesse an Mission schuf. Neue evangelikale Netzwerke entstanden und verbanden die Akteure zu einer transnational und überkonfessionell ausgerichteten Mission. Der weit verbreitete Aufruf zur Mission der London Missionary Society im Jahr 1795 gab den Anstoß zur Gründung zahlreicher |45| Missionsvereine – der typischen sozialen Organisationsform der bürgerlichen Gesellschaft –, die sich nach und nach selbst zu aussendenden Missionsgesellschaften entwickelten.93

3.2.1. Pietismus und Erweckung

Die Grenzen von Pietismus und Erweckung sind fließend und über den Pietismusbegriff, vor allem seine lokale und temporale Ausdehnung, herrscht keine Einigkeit.94 Mit meiner Definition des Pietismus schließe ich mich Wallmann an:

«Der Pietismus ist eine im 17. Jahrhundert entstehende, im 18. Jahrhundert zu voller Blüte kommende religiöse Erneuerungsbewegung im kontinentaleuropäischen Protestantismus, neben dem angelsächsischen Puritanismus die bedeutendste religiöse Bewegung des Protestantismus seit der Reformation. Gleicherweise in der lutherischen wie in der reformierten Kirche entstanden, dringt der Pietismus auf Individualisierung und Verinnerlichung des religiösen Lebens, entwickelt neue Formen persönlicher Frömmigkeit und gemeinschaftlichen Lebens, führt zu durchgreifenden Reformen in Theologie und Kirche und hinterlässt tiefe Spuren im gesellschaftlichen und kulturellen Leben der von ihm erfassten Länder.»95

Für die Verhältnisbestimmung von Pietismus und Erweckungsbewegung kommt Brecht zu dem Schluss:

«Wenn man so will, könnte man das, was in weiten Teilen des kontinentalen, europäischen Protestantismus sich als Fortsetzung des Pietismus darstellt, zumindest im kontinentalen, aber wohl nicht vom angelsächsischen Horizont aus für das 19. Jahrhundert nach wie vor unter dem Obertitel Pietismus als Erweckungsbewegung und Evangelikalismus bezeichnen und sich auf diesen gemeinsamen Nenner einigen.»96|46|

‹Erweckung› ist kein singuläres Ereignis des 19. Jahrhunderts.97 Immer wieder gab es in der Geschichte der christlichen Kirche Erweckungsbewegungen, doch erst im frühen 19. Jahrhundert wurde ‹Erweckung› zum Fachbegriff für «eine sich in mehreren Ländern zeigende, im Wesen antiaufklärerische Bewegung mit dem Höhepunkt um das Jahr 1830».98

Gäbler nennt fünf Motive, die charakteristisch für die Erweckungsbewegung in all ihrer Unterschiedlichkeit sind:

Das prophetische Motiv, das eine Analyse der Zeitereignisse mit der Heilsgeschichte in Verbindung bringt, dabei wird die Gegenwart als krisenhaft erfahren und beschrieben.Das biblizistische Motiv, das den Gegensatz zur historisch-kritischen Schriftauslegung betont und dezidiert antiaufklärerisch ist.Das chiliastische Motiv, das im Bewusstsein der bevorstehenden Endzeit in seiner postmillenaristischen Ausprägung, in Form von missionarischer, evangelisatorischer und karitativer Arbeit, zu unermüdlicher Arbeit für das Bauen des Gottesreiches führt.Das universalistische Motiv hängt mit dem chiliastischen Motiv insofern zusammen, als dass die Erweckten in der postmillenaristischen Tradition auf ein «universales, weltweites Gottesreich ohne nationale Barrieren und ohne konfessionelle Schranken» warten und die tatsächlich existierenden weltweiten evangelikalen Netzwerke als Zeichen dieses universalen Gottesreiches sehen.99 Dieser Universalismus kann jedoch auch in sein glattes Gegenteil, in Partikularismus oder Nationalismus umschlagen, so dass dann z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika als Ziel der Heilsgeschichte gelten.|47| 5. Das individualistische Motiv betont die persönliche und selbständige Gotteserfahrung, die jeder Christ machen müsse. Sie ist das wesentliche Merkmal des christlichen Glaubens. Wie im Pietismus dient die persönliche Bekehrung, das persönliche Gottesverhältnis zudem als gemeinschaftsstiftendes Erkennungszeichen.

Die Erweckungsbewegung steht in enger Beziehung zum Pietismus. Besonders die Verbindungen von Gestalten der Erweckungsbewegung wie Thomas Chalmers, Ami Bost oder Ludwig Hofacker zum Herrnhuter Pietismus sind zahlreich und bislang noch nicht intensiv erforscht. Mit dem indi­vidualistischen Motiv hing das soziale Motiv eng zusammen, das die Tradition von wissenschaftlichen, gemeinnützigen oder religiösen Gesellschaften aus dem 18. Jahrhundert fortsetzte. Mündige Christinnen und Christen schlossen sich zu Vereinen und Gesellschaften zusammen. Wie bei den aufklärerischen Sozietäten waren auch hier die Freiwilligkeit, die persönliche Überzeugung und die grundsätzliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen (zumindest vor Gott) zentral. So bestand eine fortgesetzte Kontinuität zwischen Aufklärung und Erweckung. Zugleich waren diese Zusammenschlüsse zweck­gebunden und dienten ganz bestimmten Aufgaben wie der Bibel- oder Trak­tatverbreitung oder eben der Heidenmission.