Menschenfänger - Matthias Freytag - E-Book

Menschenfänger E-Book

Matthias Freytag

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Beschreibung

Was für ein Dusel, dachte er, daß der Hausmeister vergessen hatte, sein Feierabendbier einzukaufen, und deshalb zur Tankstelle gegangen und mit zwei Sechser-Pack Dosenbier zurückgekehrt war. Nur darum hatte der den Brand rechtzeitig bemerkt und geistesgegenwärtig mit eigener Hand sofort löschen können. Andernfalls wäre das Büro längst lichterloh in Flammen aufgegangen und womöglich das gesamte Haus. Und in jedem Fall wären alle Spuren, die der oder die Täter möglicherweise hinterlassen hatten, vernichtet gewesen. Aber ihm persönlich hätte das Büro allein schon vollkommen gereicht, schließlich handelte es sich um sein Büro, seine Firma: Z. U. Fall – Ermittlungen aller Art. Etwas war faul – keine Frage. Der flüchtigste Blick auf den aufgeschichteten Haufen bewies Fall, daß es sich keinesfalls um einen zufälligen Brand handelte. Jemand hatte allem Anschein nach gründliche Arbeit leisten wollen und hätte ohne mit der Wimper zu zucken ein ganzes abgebranntes Haus oder Schlimmeres in Kauf genommen. Ein Geräusch an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Ein kräftiger Schatten zeichnete sich auf der Mattglasscheibe ab. Jemand versuchte sich vorsichtig am Türschloss. Sollte es den Täter nochmals an den Ort der Schandtat getrieben haben? Oder wollte man ihm auch noch persönlich einen Besuch abstatten – um zu erfahren, ob er von dem, was er nicht wissen sollte, vielleicht doch schon etwas wusste…?

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T(h)ril(l)ogie des Wahnsinns

Band 2

Menschen, voll Gebrechen, Schwächen,

Gehn dahin auf schiefen Flächen.

Sichrer gehen sie mit Gittern:

Nehmen ihnen zages Zittern.

Wär dies nicht gut zu erstreben,

Fern verwirrtem Eigenleben…?

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

I

!!!!... Was für ein Dusel, dachte er, daß der Hausmeister vergessen hatte, sein Feierabendbier einzukaufen, und deshalb zur Tankstelle gegangen und mit zwei Sechser-Pack Dosenbier zurückgekehrt war. Nur darum hatte der den Brand rechtzeitig bemerkt und geistesgegenwärtig mit eigener Hand sofort löschen können. Andernfalls wäre, bis irgendwann irgendwer in der Nachbarschaft irgendetwas gesehen und bis irgendjemand dann auch tatsächlich die Feuerwehr gerufen hätte, das Büro längst lichterloh in Flammen aufgegangen und womöglich bereits das gesamte Haus, und vielleicht auch wären dazuhin die umliegenden Häuser in diesem engbebauten Stadtviertel und, wer weiß, unter Umständen sogar das Viertel selbst abgebrannt; und in jedem Fall wären alle Spuren, die der oder die Täter möglicherweise hinterlassen hatten, vernichtet gewesen.

Aber ihm persönlich hätte das Büro allein schon vollkommen gereicht, schließlich handelte es sich um sein Büro, seine Firma: Z. U. Fall – Ermittlungen aller Art. Das war er, jawohl, Z. U. Fall, so hieß er nun einmal, und besser, die Vornamen standen abgekürzt auf dem Türschild und auf dem Firmenschild unten am Haus als ausgeschrieben. Auf die Art hatten seine Vornamen wenigstens etwas Gutes, erhielt sein Name eine Pointe und rief ein Schmunzeln, einen Aha-Effekt hervor. Mögliche Klienten sagten sich: »Warum nicht, engagieren wir also ihn persönlich für unsere Angelegenheit; in so vieles im Leben mischt er sich ungefragt ein, dann kann er sich jetzt auch einmal in unserem Auftrag bei uns einmischen« – so oder ähnlich hatte er es von manchen, die ihn schließlich aufgesucht hatten, vernommen, und außerdem sprang der Name auf die Art im Anzeigensalat der viel zu vielen Detekteien, die im Branchenverzeichnis meinten, ihre Dienste anbieten zu müssen, ins Auge, zumal er ihn richtig schön fett hatte drucken lassen: Z.U. Fall ... Auch wenn er selber an blinde Zufälle gar nicht glaubte: Alles wurde durch Motive, Absichten und Ziele gelenkt, für alles ließen sich Ursachen, Gründe und Folgen ermitteln; würde er sonst diesen Beruf ausüben, und zwar mit Erfolg? Doch unter seinen ausgeschriebenen Vornamen zu firmieren, Gott behüte, damit hätte er sich jedenfalls bloß lächerlich gemacht, damit wäre ihm niemals je ein Auftrag auch bloß zufällig, wenn es denn sein könnte, zugefallen: Zacharias Urs Fall, damit konnte doch kein Privatdetektiv sich an die Öffentlichkeit wagen. Und doch hieß er so – na, dann mach aus der Not eine Tugend und daraus das Beste ...

Das Beste, o ja ... Fall seufzte. Das wäre im Moment gewesen, wenn es gar nicht erst gebrannt hätte. Als Zweitbestes immerhin mußte das beherzte Eingreifen von Mägerlein, dem Hausmeister, gewertet werden, daran gab es keinen Zweifel. Und doch, warum war dieser Retter in der Not kein Abstinenzler, der schlichtes Mineralwasser trank? Denn Mägerlein hatte das Feuer mit seinen Bierdosen gelöscht. Ausführlich hatte er ihm erzählt, wie alles abgelaufen: »... also un’ dann steig ich die vermaledeiten Treppen hoch, bin ja auch nich’ mehr der Jüngste, nich’ wa, un’ auf jedem Absatz muß ich ‘n weng durchpust’n, die zwei Dosenpacks links un’ rechts ham ja auch ‘n Gewicht, un’ da komm ich also bei Ihne aufm Stock an un’ verschnauf, un’ da denk ich, hier riecht’s, nach Rauch riecht’s hier doch, un’ ich rauch doch gar nich, un’ dann kuck ich so un’ seh’s durchs Glas hinter Ihre Tür flackern. Holla, denk ich, so sieht’s nich’ aus, wenn Sie da sin, und Sie warn ja auch wech, wußt ich, ham uns ja gesehn, nich’ wa, ham uns ja noch gu’n Abend gesagt, un’ Ihre Sekretärin hab ich auch wechgehn sehn, als ich o’m ausm Fenster – ja, also das is nich’ elektrisch, was da flackert, denk ich, un’ den Zentralschlüssel hab ich ja immer bei, man weiß ja nie, nich’ wa, un’ ich schließ also auf un’ seh durchs Vorzimmer, wo’s Fröllen sonst sitzt, seh ich in Ihr Zimmer, denn die Tür ist sperrangelweit auf un’ übrigens auch ‘s Fenster, ja also un’ seh die Bescherung mitten in Ihrm Zimmer, den ganzen Haufen Zeugs da mitten im Zimmer, was alles brennt. Also, aber ich nich’ lang gefackelt, nich’ wa, schnapp meine Packs, un’ rinn, un’ ‘ne Dose gegriffen, kräftig geschüttelt, so« – er nahm die letzte der Dosen und schüttelte sie mit aller Kraft – »un’ so, un’ dann, aufgepaßt, mitm Ruck Ring abgezogen, so« – er demonstrierte auch das – »un’ pschschsch, spritzt’s auch schon raus« – und es spritzte und schäumte in der Tat, erstaunlich kräftig und in alle Richtungen – »jauu, sehn Sie, genau so, un’ genau mitten rinn in die Flammen, na vielleicht nich’ ganz so genau, un’ eine Dose reichte auch nich, also noch eine un’ zwei un’ drei, un’ auch als ich keine Flammen mehr sah, zur Sicherheit lieber noch eine drauf un’ immer alles ausgeleert, sagte ich mir, nich’ wa, so – oh, Schiete, das war mein letztes Bier, Schiete aber auch, das schöne Bier, alles wech ...«–

Selbst wenn man davon ausging, daß Mägerlein nach seiner Heldentat (und es war eine gewesen, ganz gewiß) noch seinen eigenen Brand in der Gurgel gelöscht und, großzügig geschätzt, auf die Schnelle zwei Dosen geleert haben mochte, dann war trotzdem, einschließlich dieser von gerade eben, der Inhalt von zehn Dosen Bier im Büro niedergeregnet, von zehn Halbliterdosen wohlgemerkt. Kein Wunder, daß es beinahe mehr nach Bier stank als nach verbranntem Papier und verschmortem Plastik. Pfui Teufel, und wie das überall klebte, bei jedem Schritt auf dem Linoleumboden und überall, wo man hinfaßte. Indes, der Mann hatte nichts als helfen wollen, und er hatte auch geholfen, sehr geholfen, er hatte, sagte sich Fall, sein Büro, seine berufliche Existenz gerettet, jetzt brauchte er wahrscheinlich nur eine komplette Renovierung des Büros, statt sich gleich eine neue Arbeit suchen zu müssen. Nein, er durfte nicht ungerecht sein, auf keinen Fall, ha-ha-ha, mochte es stinken und kleben, wie es wollte; viel Schlimmeres, eindeutig, war durch den mutigen Einsatz des Hausmeisters und seinen Geistesblitz mit den Bierdosen verhütet worden. Und darum hatte Fall ihm auch spontan als erstes Zeichen der Anerkennung Geld gegeben, damit er für das kostbare Naß, das er hier hatte vergeuden müssen, Nachschub besorgen konnte. »Wollen hoffen, daß es nicht nochmals brennt, wenn Sie wiederkommen«, hatte er Mägerlein bemüht scherzhaft nachgerufen und im Stillen gedacht: ,Wenigstens nicht bei mir.’ – Mein Gott, wie das stank, trotz offenem Fenster. Und wie das klebte ...

Fall hatte die Tür geschlossen und zugesperrt. Jetzt mußte er erst einmal in Ruhe nachdenken und die Bescherung genau in Augenschein nehmen. Wirklich, wie gut, daß Mägerlein keine Feuerwehr oder Polizei benachrichtigt, sondern selber Feuerwehrmann gespielt und anschließend sofort ihn angerufen hatte; und wie gut, daß er, Fall, daheim gewesen war, andernfalls hätte der andere sich gezwungen gesehen, die Sache doch noch amtlich zu melden. So indes hatte auch Mägerlein seinen Vorteil und vermochte die Heldentat brühwarm und exklusiv dem, der unmittelbar davon profitierte, anzupreisen, mit stolzgeblähter Brust und mit berechtigter Hoffnung auf eine Belohnung (die noch etwas großzügiger ausfallen dürfte als die paar Piepen, die Spesen sozusagen, für das Bier). Und darüber hinaus war es Mägerlein letztendlich wohl auch lieber, einen Brand in dem Haus, wo er Hausmeisterdienste versah, nach außen hin mit Stillschweigen übergehen zu können. Denn er galt sowieso nicht gerade als der Zuverlässigste und war von der Gebäudegesellschaft bereits ermahnt worden. Das rührte daher, daß Mägerlein schlichtweg versoffen war. Aber über dieses Laster wußte nur Fall genau Bescheid, und ebendies Wissen wiederum würde, wie Fall zufrieden feststellte, ihm ermöglichen, die Belohnung doch in äußerst eng begrenztem Rahmen zu halten. Vor allem aber hatte Mägerlein ihm, dem bereits genug Geschädigten, all die bürokratischen und juristischen Scherereien, die ganze Einmischung behördlicher Aufdringlichkeit und wichtigtuerischer Inkompetenz erspart, was alles ihn Zeit und Nerven gekostet und darin behindert hätte, der Sache auf eigene Faust gründlich auf den Grund zu gehen.

Denn daß da etwas faul war – keine Frage. Der flüchtigste Blick auf den aufgeschichteten Haufen bewies Fall, daß es sich keinesfalls um einen zufälligen Brand handelte. Nein, jemand hatte ihn mit voller Absicht gelegt. Und das war gewiß nicht die Putzfrau gewesen bei einem allzu gründlichen Versuch sauberzumachen. Erstens gab es hier nämlich keine. Und zweitens, welche verantwortungsbewußte oder auch bloß normale Raumpflegerin hätte sämtliche Akten, Ordner, Karteikarten, Notizblätter und Disketten, die im Büro aufzutreiben waren, der Müllverbrennung überantwortet? Genau das aber war passiert. Schränke, Regale, Schubladen, Kästen, sie alle waren leergeräumt, und die Bestandteile dieses Kokelhaufens da ließen sich, wiewohl er nichts Unversehrtes enthielt, mit Leichtigkeit als die Überbleibsel der Dinge identifizieren, die Fall in jenen Schränken, Regalen, Schubladen und Kästen aufbewahrt hatte. Da hatte jemand weniger auf- als vielmehr abgeräumt. Das offene Fenster schließlich setzte dieser ganz und gar vorsätzlichen Brandstiftung die Krone auf, denn die Sauerstoffzufuhr hätte das Feuer kräftig und dauerhaft angefacht. Der oder die Täter hatten also allem Anschein nach wahrlich gründliche Arbeit leisten wollen und hätten, ohne mit der Wimper zu zucken, ein ganzes abgebranntes Haus oder Schlimmeres in Kauf genommen.

Andererseits, warum hatten der oder die Täter dann nicht einfach Brandbeschleuniger – etwa Benzin, Terpentin, Petroleum oder Spiritus, es gab ja so viele jedermann verfügbare Möglichkeiten – im gesamten Büro verspritzt, so wie Mägerlein es ausgerechnet mit Bier getan ...? Damit wäre jede Entdeckung zu spät gekommen. Ja, dieser Mägerlein, daß der so wunderbar rechtzeitig erschienen war ... Wunderbar oder – wunderlich? Hatte der das Feuer wirklich bloß entdeckt? Welch merkwürdiger Zufall, daß ihm gerade heute sein Bier unverhofft ausgegangen und er gerade so fortgegangen und zurückgekehrt war, daß es wie mit der Stoppuhr gepaßt hatte: Das Feuer war nicht mehr zu klein gewesen, um übersehen zu werden, aber auch noch nicht zu groß, um von einem beherzten Mann allein gelöscht werden zu können ... Mägerlein war eigentlich der letzte, der seinen Biervorrat zur Neige gehen ließe, dachte Fall. Und in der Tat, zu jeder Zeit, wenn er zu Mägerlein hinaufgestiegen war, um ihm wieder einmal einen miesen Spitzeldienst anzubieten oder irgend sonst eine schmierige Sache, die ihn, Fall, so recht anwiderte, wofür sich aber Mägerlein in hervorragender Weise eignete und was er für ein paar schwarz hinzuverdiente Scheine stets mit größter Bereitwilligkeit annahm, zu jeder Stunde also hatte dieser dann Fall ein Bier angeboten, und jedesmal hatten sich im Kühlschrank in allen Fächern die Dosen geradezu gedrängt, die gleichen Halbliterdosen, wie er sie heute zum Löschen eingesetzt ... Überdies hätte Fall, wenn er’s recht bedachte, Mägerlein niemals solch eine Unerschrockenheit zugetraut. Selbst wenn einzig der Haufen gebrannt hatte – und so verkohlt, wie er aussah, hatte immerhin dieser ganze große Haufen gebrannt – , dann mußte das trotzdem ein ansehnliches Feuer gewesen sein, das jeden zunächst abgeschreckt hätte. Ausgerechnet aber Mägerlein sollte sich, mit nichts als seinen Dosen gewappnet, herein- und herangewagt haben, Mägerlein, der zwar hintenrum für jede Gemeinheit zu gewinnen war, indes vor jeglicher offenen Auseinandersetzung den Schwanz einzog.

Wenn es aber immer unwahrscheinlicher schien, daß Mägerlein ganz zufällig das Feuer bemerkt haben und ihm auch noch heldenmütig entgegengetreten sein sollte, was dann? Als Brandstifter wirkte er noch weitaus unwahrscheinlicher. Denn da hätte er, um nicht seinen Arbeitsplatz samt Wohnstatt den Flammen zu opfern, das Feuer, außer es zu legen, zusätzlich unter Kontrolle halten und wieder löschen müssen, wovon er hoffnungslos überfordert worden wäre. Was also? Zwei Möglichkeiten gab es. Entweder hatte Mägerlein die Bescherung erst entdeckt, als der Haufen von irgendjemand anderem bereits abgefackelt und gelöscht worden und er irgendwann später wirklich zufälligerweise vorbeigekommen war, wobei dann der oder die Täter im Weggehen die Türe versehentlich oder absichtlich hätten offenstehen lassen müssen. Oder aber er steckte mit drin, hätte zwar nicht selbst gezündelt, wäre jedoch genausowenig zufällig darauf gestoßen, hätte vielmehr als Bote fungiert, um ihm, Fall, die Bescherung möglichst frisch zu präsentieren.

Den Haufen abzufackeln, und zwar kontrolliert – das hieße aber, man wollte etwas Bestimmtes vernichten, von dem man befürchtete, daß Fall es andernfalls entdecken würde, und wollte zugleich die unmißverständliche, drastisch anschauliche Warnung hinterlassen, daß man nicht lange fackeln würde, auch weiter zu gehen, wenn – ja, wenn Fall trotzdem versuchen sollte herauszubekommen, worum es ging. Und was bedeutete das?: Irgendeiner der Aufträge, an denen er momentan arbeitete, barg hinter scheinbarer Alltäglichkeit ein brisantes Geheimnis. Nur so konnte dieser Anschlag gedeutet werden. Seit er, nach seiner Scheidung, vor sieben Jahren die Detektei eröffnet hatte, war ihm nichts als Kleinkram beschieden gewesen: mickrige Unterschlagungen, Bagatellen von Versicherungsbetrug, Erbschleicherei, Leumundsüberprüfungen und vor allem: Ehefrau läßt ihren Mann oder Ehemann läßt seine Frau überwachen, das ewige langweilige Einerlei. Jetzt indessen schlug seine große Stunde, jetzt mußte wirklich Wichtiges irgendwo im Busche sein, darum hatten der oder die Täter alle Karteikarten, Akten und Disketten im Büro auf einen Haufen geworfen und angezündet ... angezündet und wie ein Lagerfeuer gehütet und wieder gelöscht. Aber nicht der Hausmeister hatte das ausgeführt, daran gab es für ihn keinen Zweifel mehr. Und hier, richtig, die weißen Spuren auf dem Haufen, das waren doch eindeutig Reste von Löschmittel. Damit verwandelte sich Mägerleins Heldentat und Geistesblitz mit dem Bier endgültig zu einer schäbigen nachgeschobenen Gemeinheit. Ja, jetzt sah es Fall deutlich vor sich: Mägerlein hatte, nach abgebranntem Feuerwerk, von dem einen oder den mehreren Dunkelmännern das Zeichen bekommen, die Nachricht jetzt an den Mann bringen zu können. Daraufhin hatte der sich erst einmal die Bescherung angesehen, denn neugierig war er wie ein Waschweib, und so etwas mußte sein niederträchtiges, hinterhältiges Herz erfreuen, und angesichts des verkohlten Haufens war ihm dann die Idee mit dem Bier als Glanz- und Höhepunkt einer von A bis Z erfundenen, belohnungsträchtigen Heldensaga gekommen. Und mit Sicherheit hatte er dafür nicht sein letztes Bier eingesetzt ... hatte wahrscheinlich das wenigste seines Vorrats, den er im Kühlschrank bunkerte, überhaupt auf den Haufen geleert, der Inhalt zweier Dosen, großzügig im Büro verteilt, genügte vollkommen ... und die Demonstration vor ihm, Fall, war in Wirklichkeit der Gipfel des Schurkenstreichs gewesen, das Gejammer die reine Farce ... ,Mägerlein, Mägerlein, paß bloß auf, sonst haun dich ein paar Schläger klein’, dachte Fall ergrimmt und hatte dabei sowohl im Sinn, ein paar einschlägige Bekannte bei diesem mal anklopfen zu lassen, als auch, daß der oder die eigentlichen Täter Mägerlein mit allem Nachdruck nochmals zum Stillschweigen verpflichten könnten.

Er allerdings, Z. U. Fall, würde auf keinen Fall stillhalten. Diese Chance, wenigstens einmal in seinem Detektivleben einen wirklichen Fall zu lösen, ließe er sich nie und nimmer entgehen. Und auch die Schmach, von Mägerlein als böswillige Zusatzleistung sein Büro extra versaut zu bekommen, ließe er niemals auf sich sitzen. Noch jetzt, obwohl die ganze Zeit das Fenster offenstand, stank es erbärmlich nach Verkohltem, Verschmortem und Bierdunst, pfui Teufel, und wie das überall klebte ... Er würde, koste es, was es wolle, herauskriegen, wer dafür die Verantwortung trug. Daß der oder die Täter Mägerlein als Überbringer der schlechten Nachricht eingesetzt hatten, ja, das war bereits der erste schwere Fehler gewesen. Und dann hatte man zwar alle Unterlagen im Büro vernichtet, hatte sogar, wie er im Moment feststellte, den Computer aufgeschraubt und die Festplatte entwendet, aber daheim besaß er von allen wichtigen Unterlagen Kopien. Das war deren zweiter Fehler. Oder ...? Verflucht!: Hatte man ihn am Ende wegen mehr als nur, um ihm mit der Zerstörung zugleich eine unübersehbare Warnung vor Augen zu führen, aus dem Haus gelockt?! Er mußte sofort zurück!

Ein Geräusch an der Tür riß ihn aus seinen Gedanken. Ein kräftiger Schatten zeichnete sich auf der Mattglasscheibe ab. Wollte Mägerlein etwa noch weiter schwadronieren und – ihn verhöhnen? Doch kein Klopfen, kein Rufen erklang, jemand versuchte sich vorsichtig am Türschloß. Jetzt einfach aufzuschließen, wo er Fall im Büro wußte, das hätte dieser Feigling niemals gewagt. Wer konnte es sein? Sollte es den oder die Täter nochmals an den Ort ihrer Schandtat getrieben haben?! Hatten sie etwas vergessen, was sie trotz allem Feuer verraten könnte? Oder wollten sie ihm auch noch persönlich einen Besuch abstatten, vielleicht weil es sie zu wissen drängte, ob er von dem, was er nicht wissen sollte, vielleicht doch schon etwas wußte? Das Licht im Büro hatten sie natürlich längst gesehen. Wenn er es jetzt löschte, wüßten sie, daß er sie bemerkt hatte. Solange sie ihn ahnungslos glaubten, besaß er einen gewissen Vorteil, wie viele es auch sein mochten. Und er war ja nicht unbewaffnet, von wegen. Endlich konnte Fall seine Pistole einmal beruflich einsetzen. Wie hatte er darauf gewartet; ja, sie sollten bloß kommen ... Er holte rasch die Waffe aus dem Schreibtisch und huschte geräuschlos zur Tür, neben der er sich, so daß sie ihn im Aufgehen verdecken würde, an der Wand niederkauerte.

II

»Hmlkrztrknvflcht« oder so ähnlich vernahm Fall von draußen, gleichzeitig rüttelte es an der Türe. Sein Puls schnellte nach oben. Das mußten hartgesottene Burschen sein, denn offenkundig störte es sie einen Dreck, ob er sie bei ihrem Versuch einzudringen bemerkte oder nicht. Und wenn es nur einer war und der benahm sich trotzdem dermaßen dreist – um so gefährlicher. Falls Hand schloß sich fester um die Pistole. Da sprang die Tür auf und schwang vor ihn hin. Er hörte, ähnlich wie kurz zuvor, ein recht unartikuliertes Zischeln: »WrdchZtSchßSchlßSchßTrvmldtevflxtnchml ...«, und harte Schritte knallten auf dem Linoleum. ,Knobelbecher, Fallschirmspringerstiefel, Nagelschuhe’, durchzuckte es Fall. Indes – er lauschte – es schien tatsächlich nur eine Person. Die Schritte durchquerten eilig das Vorzimmer und hielten abrupt an. ,Jetzt schaut er, wo ich abgeblieben bin, und wundert sich’, dachte Fall. ,Jetzt oder nie.’ Er schnellte empor, stieß mit einem kungfumäßigen Fußkick die Türe von sich, umklammerte beidhändig, an ausgestreckten Armen, die Pistole und rief: »Keine Bewegung, sonst knallt’s« – und schon knallte es, nämlich die Tür ins Schloß. Eine stämmige Gestalt in Hut und Mantel fuhr herum. »Ach«, entfuhr es ihr. »Ach herrje – ach du bist’s, Fällchen. Was soll denn das, was ist denn hier los?!« – »Erna«, sagte Fall verwundert, erleichtert und enttäuscht, denn es handelte sich lediglich um seine Sekretärin, Erna Fallersleben. »Was machst du um diese Zeit hier?« fragte er, noch immer unschlüssig über seine Empfindungen und plötzlich auch irgendwie von Mißtrauen erfaßt. – Das trieb ihm Erna Fallersleben, wie sie leibte und lebte, freilich entschieden wieder aus. »Und du, was willst denn du noch hier, warum sitzt du nicht daheim oder in der Kneipe, wie sich’s gehört, und überhaupt, was ist’n das da hinten für eine Sauerei, und warum stinkt’s hier eigentlich so, und wenn wir schon dabei sind, entweder brauch ich ‘n neuen Schlüssel, oder das Schloß gehört ausgewechselt, ja, und was heißt, was ich hier mache, ich wohn hier ja wohl ganz in der Nähe, wie du ja ganz gut weißt, hast mich ja mehr als einmal schon auf die Schnelle hergebeten, oder?, und ich hab Licht von unten gesehen, als ich meine Joggingrunde um den Block drehte, und da dacht ich, ich hätt’s vergessen, als ich heut’ abend das Büro verließ, bin ja schließlich nach dir gegangen – schon vergessen, wie du mir immer schön allen Papierkram aufhalsen tust?, na, Pipifax, ich mein’s ja nicht so, jedenfalls bin ich dann heim, hab geduscht und die Schlüssel geholt und bin nochmals hierher, da siehst du mal, so kümmer’ ich mich um den Laden und – und hör jetzt endlich auf, mit diesem Spielzeug mir vor der Nase herumzufuchteln, was sind denn das für Manieren gegenüber einer älteren Dame, und was die Schweinerei in deinem Büro bedeutet, will ich auch endlich wissen.«

Wie ertappt senkte Fall die Pistole, die er geistesabwesend noch immer auf das vermeintliche Ziel gerichtet hatte. Inzwischen grinste er auch. Ja, das war sie, seine Erna. Zu gerne behandelte sie ihn wie einen Schuljungen, unbeeindruckt davon, daß er jenseits der Vierzig war. Freilich näherte sie sich bereits den Siebzigern, besaß jedoch ein Temperament, das zuzeiten wie ein Schlagbolzen wirkte, und an einen Bolzen gemahnte ebenso ihre Statur. Dabei war sie ein herzensguter Mensch und der gute Geist seines Büros. Schriftverkehr, Akten anlegen, Datenpflege, Buchführung, Kontoführung, Steuer – soviel nur ging, wälzte er davon auf sie ab. Natürlich nutzte er sie aus, zumal als geringverdienende Kraft, aber er hatte ihr in der Hinsicht von Anfang an klaren Wein eingeschenkt, und sie hatte alle Bedenken mit einer resoluten Armbewegung beiseitegewischt. Ihr Mann sei vor kurzem gestorben, hatte sie erklärt, und jetzt müsse und wolle sie sich zu ihrer Witwenrente etwas hinzuverdienen, um einen gewissen Standard, der das Leben erst lebenswert mache, halten zu können. Außerdem habe sie keine Lust, Tag für Tag bloß trübsinnig herumzusitzen oder Kaffeekränzchen, Altennachmittage, Seniorenfreizeiten oder Bastelkurse zu besuchen (was meist nicht weniger trübsinnig sei) und ansonsten geduldig zu warten, bis sie ihrem Seligen nachstürbe.

Als sie das erste Mal bei ihm erschienen war, hatte Fall ja zunächst den Verdacht gehegt, hier mache sich jemand einen Jux aufgrund seines Zeitungsinserates. Dort hatte er nämlich ein wenig mit seinem Namen gespielt, in der Hoffnung, aufzufallen und Neugier zu wecken. Leider ohne Erfolg, eine einzige Interessentin hatte sich gemeldet, mit einem Namen, der kein harmloser Zufall sein konnte, eben: Erna Fallersleben. Darauf angesprochen, entgegnete sie indes: »Ein Jux? Junger Mann, wenn Ihr Inserat ‘n Scherz sein sollte oder wenn Sie den Namen meines verstorb’nen Mannes als solchen bezeichnen woll’n, dann soll’n Sie mich zwar nur kurz, aber, das können Sie mir glauben, desto heftiger kennenlernen.« Fall, der scharfsinnig erkannte, daß er sich beinahe selbst eine Falle gestellt hätte, beeilte sich, mit gespreizten Fingern Abwehrgesten zu vollführen und den Kopf zu schütteln. Beschwichtigt fuhr Frau Fallersleben fort: »Ich meinerseits sah Ihren Namen und dachte, er und meiner, die passen zusammen wie’s Huhn zum Ei, wie der Hahn zur Henne – na, nu werden S’ nicht rot, so meinte ich’s nicht. Jedenfalls, wer, wenn nicht ich, sagt’ ich mir, soll sich bei Ihnen melden. Ich glaub übrigens auch nicht, daß Sie allzu große Auswahl haben werden ...« – Und mittlerweile kam sie seit über zwei Jahren zu ihm, für das Finanzamt an drei halben Tagen der Woche (in Wirklichkeit indessen längst als Vollzeit- und Überstundenkraft), hatte die Organisation von Falls Detektei richtig auf Vordermann gebracht, hatte diese praktisch zu ihrem Lebenszweck erkoren und bei so mancher Ermittlung tatkräftig, ja sogar entscheidend mitgeholfen. Wie Fall wünschte sich Erna Fallersleben von ganzem Herzen jetzt nur noch, endlich einmal an eine wirklich kriminelle Sache zu geraten, wo statt kleiner Rechtsbeuger und -verbieger echte Verbrecher auftraten, die kaltlächelnd über Leichen gingen, wo auch die Guten bis an die Grenze gehen mußten, wo es um Sein oder Nichtsein ging.

Begierig hing sie deswegen an Falls Lippen, während dieser erzählte, was vorgefallen und was ihm dazu eingefallen. Verschiedenste Geräusche aus ihrem Munde, Zusammenklatschen der Hände, ruckartige Bewegungen ihres Kopfes, ihres ganzen Körpers bezeugten, wie gespannt, wie erregt sie zuhörte. »Mensch, Fällchen, ganz klar, recht hast du«, rief sie schließlich, »das wird unser erster richtiger Kriminal-Fall. Da steckt was Großes dahinter, die Sache stinkt noch gewaltiger, als du glaubst, sag ich dir – abgesehen davon, daß es hier tatsächlich abscheulich stinkt, pfui Deibel – auf meine Nase jedenfalls kannste dich verlassen, ja hättste dich mal bloß öfters auf meine Nase verlassen, ‘s wäre manches für dich leichter gelaufen – na, weißt ja, wie ich’s meine ... Das wird uns ganz groß rausbringen, zwar kein Auftrag und bringt kein Geld rein, aber damit werden wir uns einen Namen machen, und das kann sich auf längere Sicht sehr wohl bezahlt machen, so was darf man nie außer acht lassen. Und nicht zuletzt wird die Sache für ‘ne Menge Spiel, Spaß und Spannung sorgen, das bringt Leben in die Bude ... Außerdem, wer weiß, am Ende läßt doch gerade dieses Ding die Kasse klingen, sei’s auch bloß, daß wir vielleicht die Gangster ‘n bißchen erleichtern können, bestimmt geht’s da auch um Geld, und dann sicher nicht um Krümelkram, und wer weiß, he-he ... ‘s müßte ja nicht jeder mitkriegen ...« – »Erna!« rief tadelnd Fall, wobei er selbst an Ähnliches gedacht hatte. »Nu ja«, machte Frau Fallersleben und zuckte die Schultern. Indes fühlte Fall sich verpflichtet, auf die Gefahren hinzuweisen. In Anbetracht all der Imponderabilien, die auf sie zukommen könnten, von Spiel und Spaß zu reden, halte er für allzu leichtfertig. – »Inpomm – ja, weiß ich, weiß ich«, blockte Frau Fallersleben ab. »Mensch, kennst mich doch, ich mein’s ja nicht so, brauchst die Worte von ‘ner älteren Frau nicht auf die Goldwaage legen. Und bevor wir uns auf ‘ne Grundsatzdiskussion einlassen, sollten wir uns lieber an die Arbeit machen. Also: schleunigst jetzt zu dir nach Hause. Und gleich morgen früh knöpfste dir den Mägerlein vor ...« – Gegen diese Schritte, in derselben Reihenfolge, fiel Fall kein Einwand ein. Sie brachen auf.

Die Wohnung fanden sie unberührt. Was nicht ist, kann aber noch werden, sagten sich beide und beschlossen, die Kopien der Unterlagen an einen sicheren Ort zu schaffen. Wohin? Ins Bankschließfach, meinte Fall. Seiner Ansicht nach genüge es, die Unterlagen der drei Aufträge, die er zur Zeit bearbeite, in Sicherheitsgewahrsam zu nehmen, bei einem von ihnen müsse der Hase im Pfeffer stecken, und für sie reiche der Platz in seinem kleinen Schließfach völlig aus. – »Alle, und zu mir«, widersprach die Fallersleben. Selbst wenn er mit dem Hasenpfeffer vermutlich recht habe. Hier aber gehe es ums Prinzip, diesen Zundelfriedern dürfe kein Fitzelchen mehr zur Befriedigung ihrer pyromanischen Gelüste überlassen werden. Es sei auch viel zu umständlich, ständig wegen der Unterlagen auf die Bank rennen zu müssen. »Im übrigen«, setzte sie hinzu, »sind die Sachen bei mir viel besser bewacht, Stoffel wird schon dafür sorgen, daß sich kein Unbefugter daranwagt.« – »Aristophanes?« fragte Fall verdutzt. Er wußte gut, von wem sie sprach, nämlich von ihrem Papagei, den sie des öfteren sogar ins Büro mitbrachte, um ihn nicht zuviel allein zu lassen. Aber eben, es handelte sich um keinen Wachhund, sondern schlicht um einen Vogel, um einen harmlosen Graupapagei. Der sollte ...? »Und ob, und wie«, entgegnete Erna. »Hast selber oft genug gestaunt, wie gelehrig, ach was, wie intelligent er ist. Dem bring ich bei, daß ich und du, sobald wir die Wohnung betreten, ein Codewort sagen, natürlich ein ausgefallenes, auf das keiner kommt, da können wir ihm schon was Kompliziertes zumuten, Desoxyribonukleinsäure etwa ...« – »Zu lang, viel zu lang.« – »Wie? Na schön, was Knacksicheres eben, weißt ja, wie ich’s meine ... und hört mein Stoffel kein Codewort, schlägt er sofort Alarm und erschreckt die Eindringlinge so sehr, daß die sofort Reißaus nehmen. Die Polizeisirene kann er ja bereits perfekt, und irgendeinen besonderen Knaller bring ich ihm dazu noch bei. Ich versprech dir, das gibt ein Spektakel, daß dem hartgesottensten Verbrecher das Herz in die Hose fällt. Und glaub mir, das lernt der ruckzuck.«

Die Sache war entschieden. Sie packten einen Waschkorb voll und transportierten alles in Frau Fallerslebens Wohnung. Aristophanes, der sich zuweilen als rechte Nachteule gebärdete und dessen Käfigtür immer offen stand, begrüßte sie im Wohnzimmer vom Kronleuchter aus und beäugte mißtrauisch, was da ins Haus kam. »Siehste«, sagte Erna, »der merkt gleich, daß etwas Besonderes vorgeht.« Und schon machte sie sich daran, ihren Vogel in das Geheimnis einzuweihen und zu instruieren. Fall war entlassen. Er solle sich noch ein paar Stunden aufs Ohr legen, damit er anschließend mit frischem Geist in den geretteten und ab jetzt sicheren Unterlagen nach dem Geheimnis forschen könne. – »Hoffentlich seid dann auch ihr frisch genug«, warf er im Hinausgehen ein. Statt einer Antwort ertönte die Polizeisirene. ,Die Nachbarn werden sich freuen, mitten in der Nacht’, dachte Fall. Aber es klang wirklich täuschend echt. Und so pfiff er doch anerkennend durch die Zähne und stieg zufrieden und unternehmungslustig gespannt darauf, was aus dieser noch reichlich nebulösen Affäre entstehen würde, die Treppe hinab. Und auf dem Nachhauseweg bereits begann er, so gut es ging, aus dem Gedächtnis jene drei Aufträge nach einem Indiz abzusuchen, das ihm jetzt, nachdem man seine Aufmerksamkeit erregt hatte, merkwürdig vorkommen mußte. Ja, daß, wer auch immer dahinterstecken mochte, sich überhaupt gerührt hatte, das war dessen dritter und Kardinalfehler gewesen.

Um dieselbe Zeit hockte Mägerlein im stillen Kämmerlein und soff und freute sich. Rings um den dickpolstrigen Fernsehsessel lagen leergetrunkene, zusammengedrückte Bierdosen. Der Fernseher lief nicht; was Mägerlein vor seinem geistigen Auge sah, unterhielt ihn weitaus amüsanter. »H-h-h-h-h un’ ssseigs d-dem auch noch«, gluckste er zum x-ten Mal. »Schütt’ln, R-r-ringab’s’n un’ pschschsch-h-h-h-h-h – ö-ööö ...« – ein mächtiger Rülpser unterbrach sein Selbstgespräch. »Aah, das b-fffreit ... uneinsgehtnoch.« Mägerlein zerdrückte die leere Dose in seiner Hand, warf sie auf den Boden und angelte sich neben dem Sessel eine neue. »Hatmrjaei’nlich niwwwas getan, im-m-m – Ge’nteil ... abr’n gemein’ Sch-schnüffleris‘n Schnüffler, kannichnichlei’n – na denn, proscht, der Herr ... öaah – un’ ssso’n Sschschpaaß, h-h-h-h-h, hatmiralls geglaubt, der Herr Willallswwiss’n, schü’ln un’ pschsch-h-h-h-h – d-darauf: p-proscht ... öaah – ab’r gekoj’lt hab ich nich’, jawollnich’ ... werd‘ch‘m was ffflüstern, h-h-h-h, soll no’m-m-mal was schschpring’ lassn, von da was un’ da was, bin‘n Mann ffür alle F-fffälle, öps, proscht ... öaah – ffürallsoffn, das lllohn’sich, h-h-h-h-h – bäh, bin ja selbr’ngemeins–Schwwwein – namein’twe’n, pr’schscht ... öaaah – ab’r nenee, weißjagarnix, jawollja, un’ der wwwird sich wwunnrn, was ich nich’ wwweiß, h-h-h-h-h – ö-ö-öö ... aaah – uneinsge’noch ...«

III