Außer Kontrolle - Matthias Freytag - E-Book

Außer Kontrolle E-Book

Matthias Freytag

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Beschreibung

Es muß darum möglich sein, ein Medikament zu entwickeln, das sozusagen hypnoseartige Zustände hervorruft, den eigenen Willen einer Person - nicht lähmt, sondern öffnet, offen macht für Beeinflussung von außen und die Kontroll-, die Abwehrfunktionen außer Kraft setzt. Der Mensch bedarf der Leitung, vor allem solang er noch jung und formbar ist (Schule!). Welche Erziehungsmöglichkeiten eröffnete doch solch ein Stoff. Und am geeignetsten für die flexible Anwendung wäre die liquide Form. Was Hänschen nicht lernt … ein Medikament, das die unterbewußten Regionen im Menschen aufschlösse zur direkten Ineinflußnahme, böte auch ›Hans‹, der längst seine Schülerjahre hinter sich hat, die Gewißheit der positiven mentalen wie sozialen Neu- und Weiterkonditionierung, eine neue Art des lebenslangen Lernens mit Erfolgsgarantie.

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Inhaltsverzeichnis

Dreimal schwarzer Kater

Dicke Freundschaft – und mehr

Großer Auftritt, kläglicher Abgang

Oma so lieb und ekliger Enkel

Noch ein Opfer

Einbruch und Diebstahl

Verwunschene Visionen

Abwesender Hammer holt aus

Knock out

Ausgezählt ist erst am Schluß

Dreimal schwarzer Kater

Berta saß im offenen Fenster, mit angewinkelten Beinen, was für sie etwas unbequem war, denn sie war natürlich dick, viel zu dick, wie sie fand. Sie wartete auf Frank, der gegenüber wohnte. Die zwei Häuser waren nur durch einen Hofzugang getrennt, der, außer daß er auf die langgestreckten Höfe hinter den Häusern führte, zu nichts taugte, als die Mülltonnen aufzunehmen, die sich im städtischen Farbspektrum der Mülltrennung links und rechts an der Wand reihten. Indes war das ganz nach Bertas Wunsch, weil auf diese Weise ihr Zimmer und das von Frank nicht mehr als vier Meter voneinander entfernt waren. Außerdem lagen beide im Erdgeschoß, vielmehr im Hochparterre. Frank hätte ohne weiteres, denn er war sportlich, ganz anders als sie (das wußte sie nur allzu genau), aus seinem Fenster heraus- und zu ihr hereinklettern können; die Mülltonnen als Tritthilfe hätten es zudem für ihn zum Kinderspiel gemacht. Aber er tat es nicht – leider, dachte Berta, sie war nämlich in Frank verliebt.

Also saß sie im Fenster und wartete, daß er etwas anderes täte. Hauptsache, er beachtete sie. Sie schaute penetrant nicht zu Franks Fenster hin. Die Stupsnase im runden, rotbäckigen Gesicht hatte sie erhoben, ihre Finger, deren Gelenke, wenn sie sie ausstreckte, Grübchen zeigten, spielten an den blonden Zöpfen, so saß sie da und starrte stur geradeaus in die obere Ecke des Fensterrahmens. Mehrmals versuchte sie auch ihr vergiß-mein-nicht-geblümtes Kleid über die Schenkel zu ziehen – prachtvolle Schinkenschenkel, wie ihr Vater sagte. Der war Metzger und war darauf, wie auf alles, was ihn an seinen Beruf erinnerte, sehr stolz (also auch auf jedes rosige Volumen seiner Tochter). Der Stoff des Kleides reichte natürlich nicht weit, und der Saum rutschte auch stets wieder herunter, weil sie ja mit hochgezogenen Knien saß. Und es genierte sie, auf diese Schinken war sie gar nicht stolz, trotzdem änderte sie ihre Sitzhaltung nicht. Der Platz selbst war ebenfalls unbequem, denn die Fensterbank war eher schmal und sie, Berta, eben dick. Außerdem drückte der Fensterrahmen in den Po und in den Rücken, und das tat weh, trotz aller Eigenpolsterung. Doch sie hielt aus. Irgendwann mußte Frank sich rühren. Er war sicher zuhause. Schule hatte er heute nachmittag jedenfalls keine. Er ging in die Parallelklasse, und sie wußte seine Unterrichtszeiten so gut wie ihre eigenen. Und sie wußte genauso, daß er gerne daheim saß und las, vor allem an einem grauen Tag wie heute. Es regnete nicht, es war sogar warm, aber der Himmel gleichmäßig grau. Man wurde leicht dösig und faul bei solchem Wetter; ein Nachmittag früh im Juni, um in der Wohnung zu bleiben.

Außerdem war es schon fast zum Ritual geworden seit dem Frühling: allermeistens, wenn sie im Fenster saß, reagierte Frank schließlich. Und es war bereits Dienstag. Das Wochenende über war der Fensterplatz verwaist geblieben. Am Samstag hatte Berta ihrem Vater beim Schlachten mitgeholfen, sonntags war Besuch dagewesen. Gestern aber hatte sie Nachmittagsunterricht gehabt, und während der kurzen Zwischenzeit daheim hatte sie nach dem Mittagessen schnell noch gebüffelt für die Mathematikarbeit von heute (gleich in der ersten Stunde) und hatte das am Abend voller Panik fortgesetzt. Ja, und am Freitag hatte Frank nachmittags Schule gehabt. Vier Tage. Sie konnte es kaum erwarten. Vielleicht hatte er sie auch schon am Fenster vermißt. Er mußte sich rühren. Und sie wußte, was dann kommen würde. Warum konnte nicht auch Frank dick sein? Blond war er wie sie, hatte zwar keine Apfelbäckchen, aber auch einen runden Kopf und über der Nase Sommersprossen. Er war auch ungefähr so groß wie sie, und sie waren gleich alt, dreizehn Jahre waren sie diesen Frühling geworden, und feierten sogar im selben Monat Geburtstag – Berta war ein paar Tage älter, das hatte sie ihm voraus.

Doch Frank war eben gar nicht dick. In ihrer Familie waren alle dick, dick und rotbäckig. Auch ihr jüngerer Bruder; der wirkte eher noch runder, richtig rund, weil er kleiner war. Überpille (he, du Überpille) nannte ihn Frank, und sie nannte er – Klöpschen. Immerhin: -chen. Das mußte doch heißen, daß er sie irgendwie mochte. Zum Beispiel den Ulrich in ihrer Klasse, der wenig dicker war als sie, rief er nach allgemeinem Brauch Walroß. Gut, Ulrich schnaufte auch immer so. Trotzdem, für andere war sie wiederum Fettauge; so hatte sie Frank sie noch nie nennen hören. Sie wußte, daß sie schöne, große blaue Augen besaß. Der Ausdruck war freilich kein Kompliment. Im Gegenteil, und daß ihr Schönstes, wie sie fand, und vielleicht das einzige wirklich Schöne an ihr, wie sie manchmal traurig dachte, daß dies mit ihrem größten Kummer verschmolzen und dadurch völlig entwertet wurde, machte das fatale Witzwort für sie desto schmerzlicher.

Frank indes sagte – Klöpschen … In ihren Ohren wollte das lustig und verspielt klingen. ›Es könnte sogar ein Kosewort sein‹, dachte Berta. Klopse waren auch eine feine Sache. Königsberger Klopse, echte, mit richtiger Kapernsoße, nach dem Rezept von Großmutter, der Mutter ihrer Mutter, die (also die Großmutter) es selbst wieder von ihrer Mutter und diese wiederum von ihrer Mutter hatte. Das Rezept hielt man hoch in Bertas Familie, es bildete eines der Glanzlichter der häuslichen Küche, Berta selbst, die gerne kochte, wußte bereits die Klopse danach zuzubereiten. Obwohl, der Vater meinte, es gehe am Ende nichts über eine gute Schweinshaxn, eine schöne, außen knusprige, innen butterzarte Schweinshaxn. Er stammte aus Bayern, und schon für seinen Vater und Großvater, beide ebenfalls Metzger, war dies das Lieblingsessen gewesen. Und es stimmte – einerseits. Andererseits allerdings – Berta fielen die Schinken ein; nein, die Klopse mochte sie doch entschieden lieber, mochte sie sehr. Berta lief das Wasser im Munde zusammen. Ja, sie aß gerne, zu gerne, an Abnehmen war nicht zu denken, gleich gar nicht umgeben von ihrer Familie, das war ihr Kummer. Es schmeckte ihr, während sie aß, und sie sah sich oft, allzuoft verführt, noch zwischendurch zu naschen. Und danach bereute sie es ebensooft, überlegte sich, wie sie eine Diät machen und durchhalten könnte.

Aber: Klöpschen – und vielleicht waren Klopse auch eine von Franks Lieblingsspeisen, vielleicht die Lieblingsspeise, und er nannte sie so, mit zärtlichem ö und chen. Wie schade, daß er nicht dick war. Nein, nicht schade. So wie er war, hatte sie sich in ihn verliebt. Ganz plötzlich im Januar, nach den Weihnachtsferien. Bis dahin hatte sie ihn nicht besonders beachtet, er war eben dagewesen; seit sie denken konnte, wohnte seine Familie gegenüber. Wenn ihr aufgefallen war, daß es ihn gab, dann in den Momenten, wo er sie, wie all die anderen blöden Jungs, gehänselt hatte. Aber jetzt – – –. Und nannte er sie so, wie er sie jetzt nannte, denn nicht seit – ja, seit dem Frühjahr? Plötzlich hatte sie immerzu an ihn denken müssen, ihn in der Pause im Schulhof beobachtet und sich daheim ans Fenster gestellt, vom Vorhang verdeckt, und hatte sich gewünscht, er, er möchte aufhören, wie die anderen ihr hinterherzurufen. Dann eines Tages: »Hallo Klöpschen, wie geht’s«, sagte er, als sie sich morgens auf dem Schulweg begegneten, und sagte von da an nie mehr die andern gemeinen Ausdrücke. Klöpschen indessen, das mochte er rufen so oft er wollte. Und an einem der ersten warmen Tage im Frühling war sie irgendwie, mit klopfendem Herzen, auf den Gedanken gekommen, sich ins offene Fenster zu setzen, Frank gegenüber. Wie gut, daß nichts als dieser nichtsnutzige Hofzugang zwischen ihnen lag, der wenig begangen wurde, weil man vom Haus aus ebenso in den Hof gelangte, und wo niemand störend sich aufhielt, wenn sie im Fenster saß und wartete. Nur einmal, zweimal hatte jemand Müll in die Tonnen geleert. Frau Dörmann, die hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen, die war dahergeschlurgt und wieder weggeschlurgt. Und Herr Feltes von gegenüber, der hatte schleimig, so wie er immer schleimig wirkte, zu ihr hergegrinst und blöde gesungen: »Öch woiß nöcht, wos soll ös bödoiiiten …«. Wenigstens war er gleich wieder gegangen …

Immer weiter verlor sich Berta in ihre Träumereien. Nach außen hin gab sie sich freilich immer noch den Anschein, als säße sie bloß, um frische Luft zu schöpfen, an diesem Platz, obwohl sie beide dieses Spiel seit vielen Wochen bereits spielten. Berta wußte, was kommen würde, und ihr war auch klar, daß Frank inzwischen wohl genau durchschaute, warum sie hier saß – bei welchem Gedanken sie sich jedesmal wünschte, er möge blind dafür sein – und diesen Wunsch sofort wieder zurücknahm; einzig dafür, daß sie zu dick war, durfte er gerne blind sein …

Ja, sie wußte eigentlich, was kommen würde. Indessen, als es dann kam, war sie diesmal völlig geistesabwesend. Gegenüber hatte sich ein Blasrohr unten durch den Fensterspalt geschoben. Klatschend traf eine Knetkugel Berta am Hals. »Au«, rief sie aus und war dermaßen überrascht, daß sie nicht wie sonst hinter der Fensterbrüstung Deckung suchte, wo sie zuletzt ein weißes Tuch schwenken würde. Sondern aufschreckend verlor sie das Gleichgewicht, fiel nach außen mit Gepolter zwischen die Mülltonnen. Frank seinerseits schoß in die Höhe, nicht weniger böse überrascht und erschreckt, sein widerborstiges Haar schien sich noch stärker zu sträuben. Er riß das Fenster auf, und erschreckte noch mehr, als kurz nach der unsanften Landung Berta zu kreischen anfing. Er warf das Blasrohr zu Boden und kletterte und sprang aus dem Fenster. Berta war wieder verstummt, rückwärts kroch sie nun zwischen den Mülltonnen hervor. ›Gott sei Dank‹, dachte Frank. »Mensch Klöpschen, hast du dir weh getan?« fragte er, während er ihr aufhalf, sie recht ungeschickt emporzog, was nicht allein an ihrem Gewicht lag. – Sie schüttelte den Kopf, wollte sich tapfer zeigen. Und abgesehen von einigen Prellungen, die sehr wohl schmerzten, schien sie tatsächlich heil zu sein.

Die beiden stehen sich gegenüber. »Geht’s wieder?« fragt er. – »Danke fürs Helfen«, sagt sie und denkt bei sich, daß er ganz schön Kraft besitzt (sie hat nämlich mit Absicht kaum mitgeholfen). – »Tut mir leid«, sagt er und sieht und fühlt ihre Augen auf sich gerichtet. ›Fettauge – das ist wirklich total fies‹, muß er denken. – Da besinnt Berta sich. Sie zeigt, ohne den Kopf zu drehen, seitwärts zu den Mülltonnen hin. »Da hinten«, sagt sie, in der Stimme schwingt wieder Erschrecken mit. – »Was ist da? Hast du deswegen so geschrien?« – Sie wiederholt nur: »Da hinten« – und es scheint, als ängstige sie sich geradezu, ihre Augen von seinem Gesicht abzuwenden und hinzuschauen, wohin ihr Finger weist. »Also gut«, seufzt Frank, »schau ich halt mal nach« – muß indessen, bereits im Gehen, noch einmal Bertas Augen suchen und reckt sich dann in Hals und Schultern.

Da Berta in die Lücke gepaßt und sie noch verbreitert hatte, war es ein leichtes für ihn, zwischen die Mülltonnen zu schlüpfen. Hinter ihnen, an der Hauswand, lag etwas, etwas Schwarzes, am einen Ende, direkt vor Franks Füßen, war es weiß – eine schwarze Katze, und das Weiße, das war Schaum vor ihrem Maul. Ausgenommen der weiße Fleck zwischen den Ohren. Frank hatte sich halb niedergebeugt. Den Fleck kannte er. Die Katze kannte er. Sie war vielmehr ein Kater. »Klöpschen, das ist ja Murr«, rief Frank. – Den kannte Berta ebensogut, auch wenn sie ihn vorhin keineswegs erkannt, sondern nur aufgerissene grüne Augen und ein geöffnetes Maul mit einer ekligen weißen Substanz darin und darum herum gesehen hatte. »Murr?« fragte sie ungläubig, »der Kater von Frau Siebeneich?« – Sie trat jetzt herzu, beugte sich über Franks Schulter, um das erschreckende Etwas nochmals in Augenschein zu nehmen, das zu etwas so Vertrautem geworden sein sollte und dadurch auf andere Weise zugleich doch wieder fremdartig wirkte. »Das ist wirklich Murr«, hörte Frank neben seinem Ohr. »Ist er tot?« – Klöpschen roch nach Fruchtbonbons, fand Frank. Er mochte Bonbons, hatte meistens welche in den Hosentaschen. Aber Berta, auf seine Schulter gelehnt, hatte auch ein ganz schönes Gewicht. ›Kein Wunder‹, dachte Frank, ›sie war eben‹ – – obwohl, es fühlte sich irgendwie auch gut an. Das empfand Berta ähnlich und lehnte sich, trotz des armen Tiers dort auf dem Boden mit einemmal ganz glücklich, noch ein bißchen schwerer auf. ›Frank riecht nach Bonbons‹, kam ihr außerdem in den Sinn. ›Ob er die wohl so gerne mag wie ich …?‹

»Ja«, antwortete Frank, allerdings auf Bertas vorherige Frage wegen Murr. »Der ist mausetot.« – »Ach je«, machte Berta und richtete sich schnell wieder auf. »Das müssen wir Frau Siebeneich sagen, die hat sicher keine Ahnung, vielleicht vermißt sie Murr schon. Ich hab ihn übrigens auch seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.« – »Stimmt, ist schon ein Weilchen her, daß ich ihn hab rumstreunen sehn«, bestätigte Frank. – »Du hast ihn auch gemocht, nicht?« fragte Berta. – »Na klar.« Frank fühlte wieder Bertas Augen auf sich ruhen, ihre Backen waren ganz rot. ›Fettauge – wirklich, so was von fies und gemein‹, mußte er wieder denken. – »Was ist bloß mit Murr passiert?« hörte er Berta. – Er zuckte die Schultern. »Weiß nicht. Vielleicht Tollwut, vielleicht vergiftet. Vielleicht hat jemand für ’n Voodoozauber ’ne schwarze Katze gebraucht. Oder für ’ne schwarze Messe – und ihn dann einfach hier zum Müll geworfen.« Möglichst schnoddrig brachte er das vor. – »Meinst du? Also Tollwut hatte Murriburri bestimmt nicht, glaub ich nicht. Aber dann – uuh …« Berta schauderte. – Frank fühlte gleichfalls einen Schauder, als ihm aufging, was er gerade so dahergeredet. »Auf jeden Fall werd ich herauskriegen, was passiert ist. Wer das getan hat, soll nicht einfach davonkommen.« – Berta blickte ihn mit leuchtenden Augen an. »Das find ich toll von dir. Ich werd dir dabei helfen. Darf ich?« – Frank zögerte kurz. »Ja, wenn es – wenn du willst«, erwiderte er dann. – »Oh, fein.« Berta klatschte in die Hände. »Zuerst aber« – sie sah seitwärts zu den Mülltonnen hin – »zuerst muß ich Frau Siebeneich sagen, was los ist.«

Frau Siebeneich wohnte mit ihr im selben Haus, in der einen der beiden Kellerwohnungen zum Vorgarten, über der Seidelbasts wohnten, die Stockwerksnachbarn von Bertas Familie. Sie war Witwe; Berta fand sie schon alt, hielt sie für bestimmt schon über sechzig. Der Kater war ihr ein und alles, das wußte jeder im Haus wie in der gesamten näheren Nachbarschaft. Sie war darüberhinaus im Viertel bekannt und wurde mit Argwohn betrachtet. Die spioniert, wo’s nur geht, hieß es, obwohl niemand einen Beweis erbringen konnte. Möglicherweise rührte es daher, daß Frau Siebeneich auf ihren häufigen Spaziergängen durch die Straßen, die sie besonders in die Dämmerung hinein unternahm, murmelnd mit sich selbst sprach und dabei in etwas gebückter Haltung den Kopf hin und her bewegte und daß sie öfters die Klingelschilder an den Häusern studierte.

»Ich mag sie nicht besonders«, sagte Berta, »sie ist so seltsam … aber wegen Murr – Frank, kommst du mit?, ich mag nicht allein gehn, bitte …« – Das gefiel Frank gar nicht. Frau Siebeneich war ihm an sich gleichgültig. Er kannte sie natürlich vom Sehen, und kannte das Gerede um sie. Mit ihrer gebogenen Nase, dem scharfen Gesicht und den starrenden Augen, wenn sie einen ansah, mochte sie schon an eine Hexe erinnern. Aber doch bloß in dem Sinne, daß man, wenn man zu zweit oder mehreren ihr begegnete, so tat, als grusele man sich vor ihr, sich an ihr vorbeidrückte und »huuh, huuh« oder ähnliche Laute ausstieß. Allein machte das keinen Spaß, da war sie bloß eine komische Alte, oder? Seine Worte von vorhin, darüber was passiert sein konnte mit Murr, fielen ihm wieder ein. Sollte er irgendwie Angst haben? »Na klar komm ich mit, Ehrensache«, sagte Frank. – Berta strahlte ihn an. So glücklich fühlte sie sich, ganz im Gegensatz zu der traurigen Sache. »Prima«, sagte sie. »Am besten bringen wir es gleich hinter uns.« – »Meinetwegen. Murr kann sowieso nichts mehr – na ja, ich meine, nachher ist er auch noch da, und dann begraben wir ihn natürlich, wenn Frau Siebeneich es will.« – Sie brachen auf, und Berta war in Frank verliebter als je.

»Ja?, was gibt es, was wollt ihr?« fragte Frau Siebeneich scharf, mit keifendem Unterton, ihr Kopf ragte aus der nur spaltweit geöffneten Tür. Als das Gesicht mit diesem starrenden Blick wie ein Springteufel erschienen war, da waren Berta und Frank erst einmal zurückgezuckt. »Du bist doch die Berta, wie? Also, was willst du, und der da?« bäffte die Stimme. – Berta faßte sich ein Herz. »Guten Tag, Frau Siebeneich. Wir haben – haben Sie den Murr gesehen …?« begann sie. – »Murr? Was wollt ihr von Murr? Der Rumtreiber. Seit Tagen ist er nicht mehr aufgetaucht. So lang war er noch nie weg. Aber Katzen, plötzlich kommt es ihnen in den Sinn, egal wie man für sie gesorgt hat. Jetzt fängt er auch so an. Vielleicht habt auch ihr Bagage ihn geärgert und verscheucht. Katzen mögen das nicht. Und bei euch Rotzlöffeln heutzutage weiß man ja nie. Was habt ihr mit ihm angestellt, daß er einfach wegbleibt. Wenn ich euch dabei mal erwische, euch sollte man einmal Benimm beibringen, paßt bloß auf, dich kenn ich auch, du heißt doch Frank … was wollt ihr eigentlich!?« – böse fixierte sie die beiden. Frank verspürte große Lust, sie einfach stehenzulassen. Er zupfte Berta am Kleid. Die indessen war entschlossen, ihre Mission zu Ende zu führen.

Und welche Veränderung ging in Frau Siebeneich vor, als sie erfuhr, daß ihr Kater tot war. Sie schluchzte auf, ihre Züge erweichten sich, sie schwankte an der Tür und mußte sich festhalten. »Wahrscheinlich von einem Auto angefahren, und dann hat er sich hinter die Mülltonnen geschleppt«, log Frank, als Berta gesagt hatte, wo sie ihn gefunden. Er hatte plötzlich das Gefühl, von Vergiftung oder gar dem anderen zu reden, sei fehl am Platze. Frau Siebeneich brach in Tränen aus, sie verschwand hinter der Tür, die sich schloß. Durften sie, sollten sie gehen? Berta und Frank wollten im Moment sich zurückziehen, da öffnete sich die Türe wieder, öffnete sich diesmal weit. Und Frau Siebeneich, die Augen sich mit einem Tuch wischend, noch mit Zittern in der Stimme, sagte: »Tut mir leid, Kinder, wenn ich vorhin grob war. Ich bin halt ein bißchen schrullig, bin ja meistens allein, und nur mein Murr – ach, kommt doch herein, leistet mir Gesellschaft, auf eine Tasse Tee – oder Saft, wenn ihr lieber mögt, laßt mich jetzt nicht einfach allein – du Berta, hast ihn ja auch gekannt – und dein Freund wohl auch?« – Wie sie da stand, sah sie jetzt bloß noch alt und traurig aus. Berta und Frank warfen sich einen Blick zu, ganz kurz, denn beide waren gerade eben bei einem Wort Frau Siebeneichs rot geworden. Dann traten sie ein.

Über eine halbe Stunde mußten sie ausharren, bis sie die Wohnung wieder verlassen konnten. Obwohl, Frau Siebeneich konnte wirklich nett sein, stellten sie erstaunt fest. Öde freilich war’s doch. Sie holte Kekse, Apfelsaft und Sprudel herbei, setzte sich mit den beiden aufs Sofa, sie in der Mitte, und zeigte ihnen wahrhaftig ein Fotoalbum von Murr und kam dabei ins Erzählen. »Hier, schaut nur, wie klein er am Anfang war, der Murr, ach ja, hergetan habe ich ihn, nachdem mein Mann gestorben war und ich in diese kleine Wohnung gezogen bin. Früher unsere Wohnung, die war groß, fünf Zimmer, Balkon, im zweiten Stock, ja, aber dann so allein darin und sie war auch so teuer – die zwei Zimmer hier jetzt sind gerade richtig und ich muß nicht lange Treppen steigen, den Garten direkt vor dem Fenster, so ideal für Murr. Aber zuerst war es ihm gar nicht so geheuer draußen, da saß er lieber hinter der Scheibe und hat mit großen Augen hinausgeschaut, so wie hier auf dem Bild – ein richtiges Steifftierchen war er damals … Die Bilder sind leider ja alle schon älter. Mein Enkel, der Sohn meiner Tochter, hat sie in den ersten zwei, drei Jahren gemacht, als er noch oft herkam. Da wohnten sie nur zwei Straßen weiter, auch deshalb bin ich hierhergezogen, und ich hatte ihn in meinem Keller eine Dunkelkammer einrichten lassen. Fotografieren, das war doch sein Hobby. Vor sechs Jahren ist dann aber meine Tochter und ihre Familie umgezogen, kurz nach meinem fünfundsiebzigsten Geburtstag, und hatten mir damals noch gar nichts davon gesagt, ja, und zum Geburtstag hat mir Tobias, so heißt mein Enkel, das Album geschenkt von Murr, ach ja, neun Jahre ist er diesjahr geworden, ein paar mehr hätten es schon noch werden können – aber, da fällt mir ein, ein neueres Foto von ihm hab ich. Kürzlich, als er mich wieder einmal besucht hat, der Tobias, hat er es mir gebracht. Er kommt ja manchmal vorbei, aber längst nicht immer schaut er dann auch zu mir herein. Den Raum im Keller hat er nämlich noch, hat mich gefragt, ob er ihn behalten darf. Ja mein Gott, warum nicht, mir genügt mein anderer Kellerraum vollauf. Vielleicht hab ich auch gehofft, daß so wenigstens einer von der Familie mich öfters besuchen wird, und wenn es nur wäre, um guten Tag zu sagen. Besucht ihr eure Großeltern, ja …? Aber greift auch zu, die Kekse sind zum Essen da, und schenkt euch nur selber ein. Mit meiner Tochter und ihrem Mann hab ich mich ja sowieso nicht mehr so gut verstanden. Und Tobias, als sie weggezogen waren, er hat ja kurz darauf auswärts studieren angefangen. Jetzt ist er zwar wieder hier in der Stadt, aber er sei halt meist sehr beschäftigt, sagt er. Ja, Biologie und Chemie hat er studiert, ein schlauer Junge, und jetzt ist er dabei, den Doktor zu machen, hat er mir erzählt, das ist schon nicht ganz einfach, das glaub ich gern. Und immerhin, manchmal klingelt er bei mir, wenn er im Haus ist und seine alte Dunkelkammer benutzt, ist ja immer noch sein Hobby, wenn er auch nicht mehr so oft dazukommt wie früher, sagt er … – aber was wollt ich denn gleich? Ach, das Bild von Murr, ein paar Wochen erst alt.« –

Frau Siebeneich erhob sich, indem sie sich auf Franks Schulter stützte, und ging – »laß mich mal vorbei, Kind«, sagte sie zu Berta – hinüber zum Sekretär am Fenster, um die Fotografie zu holen. Frank rieb sich übertrieben die Schulter. Und solange die Alte ihnen den Rücken zukehrte, bedeuteten sich er und Berta außerdem durch Gesten und Grimassen, daß sie es inzwischen höchst langweilig fanden, mochten die Kekse auch noch so gut schmecken. Schließlich leerte Frank kurzerhand die Glasschale und steckte die Kekse alle in seine Hosentaschen; verschwörerisch grinsten die beiden sich an.

»So, da ist das Bild.« Frau Siebeneich kam zurück und setzte sich wieder zwischen die Kinder. Sie gab das Foto Frank, der einen kurzen Blick darauf warf und es hinter der Siebeneich an Berta weiterreichte. »Oh, ich seh, daß die Kekse euch geschmeckt haben«, sagte indessen Frau Siebeneich, »sie sind ja bis auf den letzten Krümel aufgegessen. Soll ich euch noch welche holen?« – »Äh«, machte Frank, »ich glaub, ich muß jetzt heim.« – Berta legte das Bild auf den Tisch. »Ja, ich eigentlich auch«, sagte sie. »Und wir wollen doch noch Murr begraben. Ich meine, sollen wir das für sie tun?« – »Ach, würdet ihr das. Das wäre nett. Aber wo denn? Wenn ihr es hier vorne im Garten macht und euch sieht jemand, vor allem die Seidelbastsche oben, die beobachtet doch alles und jeden. Erst neulich hat sie mir scheinheilig gesagt: So, hat sie ihr Enkel wieder besucht? Er war ja wieder im Haus. Ist ja so lieb von ihm, daß er dann für sie immer in den Keller geht. Und fragt dann noch: Wie ist das eigentlich mit dem Schlüssel? Ich hab gar nicht ihre Klingel gehört. Also wirklich, sitzt da und horcht auf die Türklingeln anderer Leute.« – Berta grinste, wohnte doch ihre Familie neben Seidelbasts. Der Mann war auch nicht besser. Es würde sie nicht wundern, wenn das Gerede um Frau Siebeneich Seidelbastschen Ursprung hätte. Vor ihrem Vater freilich kuschten sie, diese halben Portionen, wie der sie nannte.

Frank hingegen fand die neuerliche Abschweifung wenig lustig, er kannte die Leute kaum. Ungeduldig schnaufte er aus, das dauerte ihm zu lang. »Bei uns im Garten, zwischen den Forsythienbüschen zum Beispiel, dort ging’s«, sagte er. Das Haus nämlich, wo er wohnte, war ein Eckhaus, und der Vorgarten zog sich herum und wurde zu einem ausgedehnteren Gartenstück, bevor hinter dem Haus der Hof sich anschloß. »Aber, hätten Sie eine Schachtel?« fragte er dann. – »Eine Schachtel? Ach so. Ja, wartet, einen Schuhkarton – ach Gott, mein Murr in einem Schuhkarton, ach Gott …« – Sie verließ das Zimmer, Berta und Frank folgten nach. »Hier, bist ein guter Junge, Frank« – sie reichte den Karton und schluchzte. – »Na, wird schon gehn«, murmelte Frank. – Berta aber fragte: »Wollen Sie Murr denn noch einmal sehen?« – »Sieht allerdings nicht grade schön aus«, setzte Frank hinzu, was ihm einen strafenden Blick Bertas einbrachte. (Doch auch da: sie hatte schöne Augen.) – »Nein«, entschied Frau Siebeneich, »nein, lieber nicht. Daß ihr mir das mit dem Begraben abnehmt, ist wirklich lieb von euch. Ich will ihn in Erinnerung behalten, wie er war. Was war er für ein lieber, schöner Kater …« – Frank strebte entschlossen zur Türe, öffnete und trat hinaus, Berta folgte, hinter ihr Frau Siebeneich, wieder mit dem Tuch die Augen tupfend. An der Tür blieb sie stehen. »Besucht mich doch einmal wieder, Berta, du und dein Freund«, rief sie den beiden nach.

»Puh«, machte vor dem Haus Frank. »Sie ist ja gar nicht so übel, trotzdem, das war ätzend.« – »Die Kekse aber waren lecker«, meinte Berta. – Natürlich – wollte er schon erwidern, besann sich indes und sagte: »Na und ob, möchtest du eins?« – »Gerne.« Mit einem leichten Knicks nahm es Berta entgegen. Kauend sagte sie: »Nein, wirklich gar nicht übel. Und eigentlich ist sie arm dran. So steinalt, hast du das gehört?, und so allein, und jetzt das mit Murr … Ich werd sie wieder besuchen.« – »Bllll«, machte Frank.

Dann standen sie im Hofzugang, blickten hinter die Mülltonnen – die Katze war fort. »Vielleicht hat Murr doch noch gelebt.« Suchend drehte Berta den Kopf hin und her. – »Der war tot«, entgegnete Frank. »Ich wett was, den hat jemand aus der Nachbarschaft vergiftet, hat nach ihm gesucht oder hat uns vorhin bemerkt, wie wir ihn gefunden haben. Hm, auf deiner Seite und auf meiner gibt’s genug Möglichkeiten, daß man uns gesehn hat – auch wenn wir mal unsre Familien streichen, und auch die Dachfenster können wir, glaub ich, beiseite lassen. Da oben müßte man sich schon weit hinauslehnen, obwohl ich’s bei uns Herrn Feltes sofort zutrauen würde. Jedenfalls hat, solang wir bei der Siebendings waren, irgend jemand die Spuren seiner Tat beseitigt.«

»Meinst du?« Berta schaute auf die Fensterreihen zu beiden Seiten. »Hier bei uns: im Erdgeschoß wir; darüber Wittigs, ja, und ihr Untermieter; dann Scheurers, Dörmanns. Das wären, ohne uns, vier Parteien – und bei dir im Haus?« – »Kein Untermieter. Erdgeschoß, erster, zweiter Stock: Drei.« – »Blöd«, maulte Berta, »von den Seidelbasts würde ich so was am ehesten glauben. Aber leider, sie wohnen auf der falschen Hausseite.« – »Die am meisten Verdächtigen sind es meistens nie«, erklärte Frank sehr fachmännisch. »Aber, schau: die Fenster am Boden, ausgerechnet die hätten wir fast vergessen…«

»Oh, ja, genau.« Berta nahm eifrig wieder das Wort: »Da links, das sind die Fenster zur Kellerwohnung auf dieser Seite, da wohnen die Lombrosos, damit sind’s fünf Parteien. Und daneben das vergitterte geht auf die Treppe zum tiefen Keller.« – »Ja, ja.« Frank nickte gewichtig. »Und die Häuser sind ja wohl gleich, also – und, warte« – er kniete nieder, äugte durch das Maschengitter – »das Fenster ist offen.« – »Ist fast immer offen«, meinte Berta. – »Und drüben bei uns«, sagte Frank, »da gibt es genauso die Fenster zur Kellerwohnung, und das Fenster daneben ist das auf der andern Seite des Korridors zum Keller …«, und er ging rasch die paar Schritte hinüber. »Auch offen«, bestätigte er. »Also hätte an den beiden Fenstern praktisch jeder aus den Häusern mitbekommen können, daß wir Murr gefunden haben. Wär zwar ’n dummer Zufall, daß gerade – aber, dumme Zufälle gibt’s grade genug. Und dann – haben wir denn achtgegeben, ob jemand im Hof war, oder im Vorgarten oder vorn auf der Straße?« Er wartete erst gar keine Antwort ab. »Nein«, stellte er fest. »Folglich hätten – theoretisch sagt man in so einem Fall, mhm – theoretisch hätten wirklich alle von unsrer Entdeckung erfahren können, was heißt: alle sind verdächtig, auch der Feltes, auch die Seidel–dings. Und es muß sogar nicht mal jemand von unsern beiden Häusern gewesen sein, die ganze Nachbarschaft kann es gewesen sein.« Frank reckte sich. Schaute er außerdem etwas beifallheischend auf sein Gegenüber?

»Meinst du? Ich weiß nicht«, äußerte Berta unbestimmten Zweifel. – »Wieso? Ist doch logisch, oder? Macht freilich die Sache komplizierter. Aber jetzt erst recht: Wir werden herauskriegen, wer das war.« – In Bertas Gesicht leuchtete es auf. »Du meinst wir beide?, du willst mich wirklich dabeihaben?« – »Klar doch … Also ich geh jetzt heim. Ich muß jetzt ein Weilchen nachdenken. Oder vielleicht fällt dir ja ein, was wir tun können. Wir sehn uns dann morgen.« – »Ja, bis morgen. Du – was sagen wir denn Frau Siebeneich?« – »Der? Am besten gar nichts davon. Wir haben ihn begraben und fertig.« – »Ja, das ist am besten. Bis morgen also.« – »Ja – ach so, Klöpschen, willst du noch ein paar Kekse?« – Beglückt nahm Berta die Handvoll in Empfang. Dann trennten sie sich endgültig für diesmal.

Dicke Freundschaft – und mehr

Am nächsten Tag vermochte es Berta kaum auszuhalten, bis sie mit Frank sprechen konnte. Natürlich, um zu erfahren, welches Ergebnis sein Nachdenken über die Sache mit Murr gebracht hatte. Natürlich deswegen. Und auch sie hatte darüber nachgedacht und sich einen Plan zurechtgelegt, den sie ihm mitteilen wollte. Das waren die Gründe, weshalb sie unbedingt mit ihm sprechen mußte. Gute Gründe. Sie war froh, so gute Gründe zu haben. Am liebsten wäre es ihr gleich in der Frühe gewesen. Doch hatte Frank erst ab der zweiten Stunde Unterricht. Darum paßte sie ihn nach der Schule ab, mußte sich zunächst allerdings weiter in Geduld üben, weil er eine Stunde später aushatte.

Heute schien wieder die Sonne, es war heiß. Sie setzte sich auf der anderen Straßenseite in den Schatten, auf die Treppenstufen eines Hauseingangs, schräg gegenüber dem Tor zum Schulhof. Während sie wartete, dachte sie daran, daß sie gehofft hatte, Frank werde in der großen Pause auf sie zukommen, jetzt, wo alles so anders geworden. Aber es war alles gewesen wie sonst …

Er hielt sich bei seiner Clique auf. Und zu ihr, die sich von allen absondern wollte, um Frank die Gelegenheit zu geben, sie aufzusuchen – denn selbst zu ihm hingehen und der ganzen Blase um ihn herum – vor