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Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verlangt von den in seinen Anwendungsbereich fallenden Unternehmen festzulegen, wer für die Überwachung des Risikomanagements zuständig ist. Die Geschäftsleitung erfüllt diese Pflicht durch die Benennung von einem oder mehreren Menschenrechtsbeauftragten. Weiterhin hat die Geschäftsleitung sich regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, über die Arbeit des oder der Menschenrechtsbeauftragten zu informieren. Mit dieser knappen Beschreibung ist ein weites Aufgabenfeld der Überwachung des Managements menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken in der Lieferkette des Unternehmens eröffnet. Das Buch vermittelt die notwendigen Grundlagen zur Ausgestaltung und Erfüllung dieser Aufgabe. Es enthält konkrete Handlungsempfehlungen wie der Menschenrechtsbeauftragte die Angemessenheit und Wirksamkeit der Erfüllung der Sorgfaltspflichten überwacht. Dazu zählt insbesondere wie man effektiv die Einrichtung eines Risikomanagements, die Durchführung der Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, das Beschwerdesystems sowie die Dokumentation und Berichterstattung überprüft. Des Weiteren finden sich im Buch Vorschläge zur "Einbettung" des Menschenrechtsbeauftragten im Unternehmen, seine Stellung gegenüber anderen Beauftragten und Funktion und zur Ausstattung seiner Funktion. Auch nimmt das Werk ausführlich Stellung zur Qualifikation des Menschenrechtsbeauftragten (gemäß BAFA). Das Werk nimmt bereits Bezug auf die Übereinkunft der Mitgliedstaaten der EU zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) vom 15. März 2024.
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Seitenzahl: 408
von
Dr. Ulrich Hagel, Rechtsanwalt, Berlin
und
Michael Wiedmann, Rechtsanwalt, Essen
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
Alle im Buch verwendeten Begriffe verstehen sich geschlechterneutral. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet – entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-8005-1860-9
© 2024 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, 99947 Bad Langensalza
Mit unserem Buch wollen wir alle unterstützen, die bereits die Funktion des Menschenrechtsbeauftragten übernommen haben oder diese Rolle zukünftig übernehmen werden und sich darauf vorbereiten. Da das Gesetz es dem Unternehmen überlässt, wie es den für das Risikomanagement Verantwortlichen bezeichnet und zudem dieser Person auch die Überwachung von umweltbezogenen Risiken übertragen hat, sprechen wir im Folgenden vom Menschenrechts- und Umweltbeauftragten (nachfolgend „MRUB“).
Das Buch soll aber auch alle anderen unterstützen, die sich mit der Umsetzung des LkSG beschäftigen und auf der Suche nach praxiserprobten Beispielen sind. Der MRUB hat entgegen der knappen Beschreibung seiner Aufgaben im LkSG eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Gesetzes. Zum einen ist seine Benennung eine der Sorgfaltspflichten und zum anderen ist er für die Überwachung der Erfüllung aller Sorgfaltspflichten einschließlich der Berichterstattung verantwortlich. Diese zentrale Rolle des MRUB sieht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genauso. Daher bat es in seinem ersten Auskunftsersuchen im März 2023 die im Rahmen des risikobasierten Ansatzes ausgewählten Unternehmen um Auskunft und Beschreibung ihrer Maßnahmen zur Erfüllung ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflichten bei der Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit sowie bei der Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Dabei wollte das BAFA insbesondere herausfinden, wie die Unabhängigkeit und Verschwiegenheit des MRUB sichergestellt ist.
Das Buch beantwortet diese Fragen. Aber es beschreibt auch, wie die Sorgfaltspflichten insgesamt umzusetzen sind und welche Rolle und Verantwortlichkeit der MRUB hier jeweils zu erfüllen hat. Mit unserer gemeinsamen In-house-Erfahrung von mehr als 50 Jahren haben wir für den MRUB auch einen „Werkzeugkoffer“ zusammengestellt, der u.a. verschiedene Checklisten enthält, um die Angemessenheit und Wirksamkeit der Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu überwachen. Dabei orientieren wir uns nicht nur an den Sorgfaltspflichten des LkSG, sondern beziehen auch (Sorgfalts-) Pflichten aus anderen Gesetzen, wie bspw. dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) oder der noch in Bundesrecht umzusetzenden EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), mit ein. Das Gleiche gilt für weitere Gesetzgebungen der EU, bspw. die Verordnungen zu den Konfliktmineralien, zur Entwaldung oder zu Batterien.
Des Weiteren beschreiben wir die Qualifikationen, Kenntnisse und Soft Skills des MRUB, seine Einbettung im Unternehmen, die Ausgestaltung seines Arbeits- und Vertragsverhältnisses, sein Verhältnis zu anderen Funktionen und die ihm idealerweise zur Verfügung stehenden Ressourcen. Schwerpunkt des Risikomanagements, der Überwachungstätigkeit des MRUB und des momentanen Interesses der zuständigen Behörde ist die Auseinandersetzung mit der Risikoanalyse. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken geben wir konkrete Hinweise wie hier zu verfahren ist und wie der MRUB die Wirksamkeit überprüfen und beurteilen kann.
Ein weiterer Schwerpunkt des Buches sind die praktischen Arbeitshilfen, Checklisten, Übersichten und Kontrollfragen, sozusagen der Werkzeugkoffer des MRUB.
Das Buch spiegelt die Entwicklungen und Veröffentlichungen bis Mitte Januar 2024 und den Stand der EU-Lieferkettenrichtlinie bis zur Verabschiedung des Ausschusses der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten am 15. März 2024 wider. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir nicht alle Fragen um den MRUB umfassend behandeln konnten. Daher freuen wir uns über Ihr kritisches Feedback, weitere praktische Anregungen und auch Ihre Erfahrungen bei der Umsetzung bzw. Überwachung des LkSG-Risikomanagements. Sie erreichen uns unter [email protected] und [email protected].
Unser ausdrücklicher Dank gilt Herrn Vincent Hoppmann der uns auch während seiner erfolgreichen Vorbereitung auf das erste Staatsexamen stets kritisch mit vielen Anregungen unterstützte.
Berlin/Essen, im März 2024
Dr. Ulrich Hagel
Michael Wiedmann
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
A. Entwicklung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen
I. Entstehungsgeschichte
1. Einleitung
2. Charta der Vereinten Nationen vom 26.6.1945
3. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948
4. Die UN-Menschenrechtspakte
a) UN-Zivilpakt
b) UN-Sozialpakt
5. Internationale Menschenrechtscharta
6. ILO-Übereinkommen und Kernarbeitsnormen
7. Internationale Umweltabkommen
8. OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
9. Der UN Global Compact
10. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011
a) Hintergrund und Geschichte
b) Inhalt und Reichweite der Leitprinzipien
11. Nationaler Aktionsplan
12. Zusammenfassung und Ausblick
II. Entwicklungen auf EU-Ebene
1. Blutdiamantenverordnung
2. EU-Holzhandelsverordnung
3. EU-Konfliktmineralienverordnung
4. EU-Taxonomie und Menschenrechte
5. EU-Entwaldungsverordnung
6. Batterieverordnung
7. EU-Lieferkettenrichtlinie
a) Einleitung
b) Anwendungsbereich
c) Verpflichtungen der Unternehmen
d) Aktivitätenkette
e) Besonderheiten bei der Risikoanalyse
f) Spezifizierung der Sorgfaltspflichten
g) EU-weite Harmonisierung von Sorgfaltspflichten
h) Stärkung der Rolle der Stakeholder
i) Eindämmung des Klimawandels und die unternehmensinterne Umsetzung
j) Sanktionen und Kriterien für ihre Verhängung
k) Zivilrechtliche Haftung für die Verletzung von Sorgfaltspflichten
l) Umsetzung in nationales Recht
8. Entwurf einer Verordnung für kritische Rohstoffe
9. Verordnung über das Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten
III. Weitere menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen in Deutschland
1. Grüner Knopf
2. Bündnis für nachhaltige Textilien
IV. Gesetzgebungsverfahren des LkSG
B. Grundlagen des LkSG
I. Anwendungsbereich
1. Unternehmensgröße als Anknüpfungskriterium
2. Vertikale Zurechnung von Arbeitnehmern verbundener Unternehmen
3. Einbeziehung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen
4. Besonderheiten bei der Einbeziehung von Personengruppen
5. Berechnung der Stammbelegschaft
6. Überprüfung der Stammbelegschaft
7. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB im Hinblick auf den Anwendungsbereich des LkSG
II. Geschützte Rechtspositionen
III. Lieferkette
1. Der eigene Geschäftsbereich
2. Unmittelbare Zulieferer
3. Mittelbare Zulieferer
4. Keine Endkunden
5. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs
IV. Kriterien bei der Anwendung und Umsetzung des Gesetzes
1. Bemühenspflicht
2. Angemessenheit
a) Art und Umfang der Geschäftstätigkeit
b) Einflussvermögen
c) Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit
d) Art des Verursachungsbeitrags
3. Befähigung vor Rückzug
C. Der Menschenrechts- und Umweltbeauftragte
I. Rechtliche Grundlagen
1. Einleitung
2. Der Begriff des Menschenrechtsbeauftragten
3. Der Begriff des Umweltbeauftragten
4. Pflicht zur Bestellung eines Überwachungszuständigen
5. Freiwillige Benennung eines Menschenrechts- und Umweltbeauftragten
6. Ein oder mehrere Menschenrechts- und Umweltbeauftragte?
II. Organisatorische Einbindung
1. Hierarchische Integration
2. Fachliche Integration
3. Betriebsinterne Integration und Möglichkeit des Outsourcings
4. Ausübung mehrerer Funktionen im Unternehmen
III. Qualifikation
IV. Bestellung und Mitbestimmung
1. Allgemeine Ausführungen
2. Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes
3. Anwendung des Sprecherausschussgesetzes
V. Aufgabenbereich
VI. Arbeitsrechtliche Sonderrechte
VII. Unabhängigkeit und Verschwiegenheit
1. Unabhängigkeit/Weisungsungebundenheit
2. Verschwiegenheit
VIII. Haftung des MRUB
1. Arbeits- und schuldrechtliche Haftung
2. Bußgeldrechtliche Haftung
IX. Pflicht zur Anzeige von Straftaten und Verdachtsmeldung wegen Geldwäsche
1. Anzeige von Straftaten
2. Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz
D. Risikomanagement
I. Begrifflichkeiten
1. Risikobegriff
a) Zustand
b) Tatsächliche Umstände
c) Hinreichende Wahrscheinlichkeit
d) Verursachung durch das Unternehmen
2. Verletzung
3. Menschenrechtliche Risiken
a) Verbote im Zusammenhang mit Kinderarbeit
aa) Verbot von Kinderarbeit
bb) Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit
cc) Praxishinweise zur Erkennung und Verhütung von Kinderarbeit
dd) Kontrollfragen
b) Verbote im Zusammenhang mit Zwangsarbeit und Sklaverei
aa) Verbot von Zwangsarbeit
bb) Verbot von Sklaverei
cc) Praxishinweise zur Erkennung und Verhütung von Zwangsarbeit und Sklaverei
dd) Kontrollfragen
c) Verbote im Zusammenhang mit Arbeitnehmerrechten
aa) Verbot der Missachtung von Pflichten des Arbeitsschutzes
bb) Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 LkSG)
cc) Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung
dd) Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns
ee) Verbot der Missachtung von Menschenrechten durch Sicherheitskräfte
ff) Praxishinweise zur Erkennung und Verhütung der Missachtung von Arbeitnehmerrechten
gg) Kontrollfragen
d) Verbot der Herbeiführung schädlicher Umweltauswirkungen
aa) Einführung
bb) Praxishinweise zur Erkennung und Vermeidung von schädlichen Umweltauswirkungen
cc) Kontrollfragen
e) Verbot der widerrechtlichen Zwangsräumung und Entzug von Lebensgrundlagen
aa) Einführung
bb) Praxishinweise zur Erkennung und Vermeidung von widerrechtlichen Zwangsräumungen und des Entzugs von Lebensgrundlagen
cc) Kontrollfragen
f) Verbot der besonders schwerwiegenden Beeinträchtigung einer Rechtsposition
4. Umweltbezogene Risiken
a) Verbot des Einsatzes von Quecksilber (Minamata-Übereinkommen)
aa) Einführung
bb) Praxishinweise
cc) Kontrollfragen
b) Verbot der Produktion und Verwendung und des nicht umweltgerechten Umgangs mit persistenten organischen Schadstoffen
aa) Einführung
bb) Praxishinweise
cc) Kontrollfragen
c) Verbote der grenzüberschreitenden Abfallverbringung
aa) Einführung
bb) Praxishinweise
cc) Kontrollfragen
II. Risikomanagement
III. Überwachung
1. Der MRUB als Teil eines Überwachungssystems
2. Die Überwachungsaufgabe des MRUB
3. Überwachungsprozess
4. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB bezogen auf das
IV. Risikoanalyse
1. Risikoermittlung
a) Risikoermittlung im eigenen Geschäftsbereich
aa) Vorbereitungshandlungen und Datenermittlung
bb) Abstrakte Risikoermittlung für den eigenen Geschäftsbereich
cc) Konkrete Risikoermittlung (Risikobegriff nach § 2 Abs. 2 und 3 LkSG) im eigenen Geschäftsbereich
b) Risikoermittlung bei unmittelbaren Zulieferern
aa) Vorbereitungshandlungen und Datenermittlung
bb) Abstrakte Risikoermittlung bei unmittelbaren Zulieferern
cc) Konkrete Risikoermittlung bei unmittelbaren Zulieferern
2. Risikogewichtung
3. Risikopriorisierung
4. Risikokommunikation
5. Zeitpunkt der Risikoanalyse
6. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
V. Allgemeine Präventionsmaßnahmen
1. Einleitung
2. Grundsatzerklärung
a) Adressatenkreis und Form
b) Zeitpunkt
c) Bestandsaufnahme
d) Referenzrahmen
e) Inhalt
f) Ausfertigung
g) Kommunikation
h) Umsetzung der Grundsatzerklärung
i) Erweiterung
j) Entwicklung und Aktualisierung
k) Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB im Rahmen der Grundsatzerklärung
3. Verankerung der Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich
a) Verankerung der Grundsatzerklärung
b) Entwicklung und Implementierung von geeigneten Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken
c) Durchführung von Schulungen
d) Weitere Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich
aa) Integration der Erwartungen des Unternehmens im Bereich Personal
bb) Beitritt zu Brancheninitiativen
cc) Entwicklung von Maßnahmen mit Stakeholdern
e) Durchführung von Kontrollmaßnahmen
f) Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB bei der Verankerung von angemessenen Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich
4. Präventionsmaßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern
a) Auswahl und Onboarding von unmittelbaren Zulieferern
aa) Unternehmenseigene Recherche
bb) Verifizierung der unternehmenseigenen Recherche durch Fragebogen oder Interview
cc) Selbstauskünfte des Zulieferers
dd) Überprüfung von Zulieferern anhand von webbasierten Tools
b) Compliance-Klausel zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG
aa) Inhalt und Zulässigkeit der Compliance-Klausel
bb) Inhalt des Lieferantenkodex
cc) Weitergabeklausel
dd) Zivilrechtliche Folgen der Nichteinhaltung einer Compliance-Klausel
ee) Vorgehen bei der Ablehnung des Lieferantenkodex
c) Entwicklung von Schulungskonzepten für die Zulieferer
d) Weitere Präventionsmaßnahmen
aa) Studien und Pilotprojekte zur Steigerung der Transparenz in der Lieferkette
bb) Anreize für Zulieferer
cc) Unterstützungsangebote für die Zusammenarbeit in der Lieferkette
e) Entwicklung von Kontrollmechanismen gegenüber den Zulieferern
aa) Kontrolle mit unternehmenseigenen Auditoren
bb) Kontrolle mit externen Auditoren
cc) Zertifizierungen und andere Sozialaudits
dd) Verweigerung von Kontrollmaßnahmen durch den Zulieferer
5. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB bei der Verankerung von angemessenen Präventionsmaßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern
VI. Allgemeine Abhilfemaßnahmen
1. Eigener Geschäftsbereich des Unternehmens im Inland
2. Eigener Geschäftsbereich des Unternehmens im Ausland sowie bei Konzerngesellschaften
3. Umgang mit unmittelbaren Zulieferern
a) Mittel- und langfristige Abhilfepläne
aa) Beendigung
bb) Minimierung
b) Abbruch der Geschäftsbeziehung als Ultima ratio
4. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
VII. Beschwerdeverfahren
1. Einführung
2. Behandlung von Hinweisen/Kommunikation mit dem Hinweisgeber
3. Einvernehmliche Beilegung
4. Multi-Stakeholder-Initiativen
5. Zuständigkeit und Vertraulichkeit
6. Zugänglichkeit
7. Schutz vor Benachteiligung und Repressalien
8. Verfahrensordnung
9. Datenschutz
10. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
VIII. Maßnahmen bei mittelbaren Zulieferern
1. Einleitung
2. Substantiierte Kenntnis
3. Wissenszurechnung
4. Abfrage von mittelbaren Zulieferern durch Kunden
5. Folgen der substantiierten Kenntnis
6. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
IX. Dokumentation
1. Dokumentation der Sorgfaltspflichten durch das Unternehmen
2. Dokumentation der Überwachungsaufgaben des MRUB
3. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
X. Berichterstattung
1. Inhalt der Berichtspflicht
2. Gleichlaufende Berichtspflichten von Konzerngesellschaften
3. Konkurrierende Berichtspflichten zwischen LkSG und CSRD
4. Konkurrierende Berichtspflichten aus anderen Gesetzgebungen für Konzerngesellschaften
5. Konkurrierende freiwillige Berichtspflichten
6. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
E. Stakeholder
I. Definition der Stakeholder
II. Stakeholder Mapping und Zusammenarbeit
III. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
F. Verwaltungsverfahren
I. Zuständige Behörde
II. Aufgaben und Befugnisse der zuständigen Behörde
1. Berichtsprüfung
2. Kontrolle der Sorgfaltspflichten
3. Durchsetzung der Sorgfaltspflichten
4. Sanktionen
5. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB
G. Folgen von Verstößen und Verdachtsfällen
I. Strafrechtliche Folgen
1. Dritte als Geschädigte
2. Unternehmen als Geschädigter
II. Zivilrechtliche Folgen
1. Geschäftsleitung
2. Unternehmen
III. Sanktionen (Handelsbeschränkungen)
IV. Reputationsfolgen und sonstige Konsequenzen
V. Rolle und Verantwortlichkeit des MRUB im Verwaltungs-, Zivil- und Strafprozess
H. Werkzeugkoffer des MRUB
I. Übersicht über die Aufgaben des MRUB per Vorschrift des LkSG
II. Indizes zu menschen- und umweltrechtlichen Risiken
III. Drittanbieter von webbasierten Tools zur Überprüfung von Zulieferern
IV. Statistische Werte und KPIs für die Wirksamkeitsprüfung
V. Checkliste Grundsatzerklärung
VI. Checkliste Lieferantenkodex
VII. Checkliste Beschwerdeverfahren
VIII. Checkliste Verfahrensordnung Hinweisgeberschutzsystem
IX. Checkliste für Risikowahrscheinlichkeit
X. Checkliste zur Ermittlung des bestimmenden Einflusses
XI. Übersicht über die Veröffentlichungen des BAFA
XII. Dokumentationskonzept (Beispiel)
XIII. Kontrolltätigkeiten des BAFA
1. Auskunftsersuchen
2. Erweitertes Auskunftsersuchen
XIV. Brancheninitiativen
XV. Übersicht zu (gesetzlichen) Pflicht-Beauftragten innerhalb des Unternehmens
Anhang
Anhang 1: Muster
I. Stellenausschreibung eines MRUB
II. Ernennungsurkunde zum MRUB
III. Lieferantenkodex
IV. Klauselvorschläge für Verträge mit unmittelbaren Zulieferern
1. Verweis in den AEB auf den Lieferantenkodex
2. Weitergabeklausel
3. Informations- und Abhilfeklausel
4. Auditklausel
5. Schulungsklauseln
6. Beschwerdeverfahren
7. Kündigung
8. Vertragsstrafe und Schadensersatz
Anhang 2: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Literatur
Stichwortverzeichnis
Autorenprofile
a.A.
andere Ansicht
ABl.
Amtsblatt der Europäischen Union
Abs.
Absatz
AEB
Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Unternehmen
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AktG
Aktiengesetz
Art.
Artikel
BAFA
Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
BAG
Bundesarbeitsgericht
BCM
Bromchlormethan
Bd.
Band
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BMAS
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMWK
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
BT-Drs.
Bundestagsdrucksache
bzw.
beziehungsweise
CBD
Convention on Biological Diversity (Biodiversitätskonvention)
CITES
Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (Washingtoner Artenschutzübereinkommen)
CMS
Compliance-Management-System
CS3D
Corporate Sustainability Due Diligence Directive/Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit
CSR
Corporate Social Responsibility
CTC
Chlortetracycline
d.h.
das heißt
DCAF
Geneva Centre for Security Sector Governance
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex
DDT
Dichlorphenyltrichlorethan
ders.
derselbe
dies.
dieselbe
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
f./ff.
folgende/fortfolgende
FAQ
Frequently Asked Questions
FCKW
Fluorchlorkohlenwasserstoff
ggf.
gegebenenfalls
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
GwG
Geldwäschegesetz
h.M.
herrschende Meinung
HBFKW
Bromfluorkohlenwasserstoff
HFCKW
Chlorfluorkohlenwasserstoff
HGB
Handelsgesetzbuch
i.V.m.
in Verbindung mit
ILO
International Labour Organization
IWF
Internationaler Währungsfonds
JArbSchG
Jugendarbeitsschutzgesetz
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
KPI(s)
Key Performance Indicator(s)/Leistungskennzahl(en)
LG
Landgericht
LkSG
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
m.w.N.
mit weiteren Nennungen
MaRisk
Mindestanforderungen an das Risikomanagement
MB
Mainboard
NAP
Nationaler Aktionsplan
NGO
Non Governmental Organisation/Nichtregierungsorganisation
Nr.
Nummer
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development
OHCHR
Office of the United Nations High Commissioner for Refugees
OLG
Oberlandesgericht
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PCB
Printed Circuit Board (Leiterplatte)
POP
Persistent Organic Pollutants
Rn.
Randnummer
S.
Seite
s.o.
siehe oben
s.u.
siehe unten
SDG
Sustainable Development Goals
SprAuG
Sprecherausschussgesetz
TCA
Trichloressigsäure
u.a.
unter anderem
UN-Leitprinzipien
Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen
vgl.
vergleiche
VO
Verordnung
Das LkSG ist im Sommer 2021 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. In § 2 Abs. 1 bis 4 LkSG werden die geschützten Rechtspositionen, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken und die Verletzungen aufgeführt, hinsichtlich derer die in den §§ 3 bis 10 LkSG enthaltenen Sorgfaltspflichten anzuwenden sind. Die vom Gesetz geschützten Rechtspositionen finden sich in den Nummern 1 bis 11 der Anlage zum Gesetz aufgelisteten Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte. Der Katalog ist abschließend. Er dient als Referenzrahmen für die unternehmerischen Sorgfaltspflichten.1 Grundlegende Abkommen und Erklärungen zum Schutz der Menschenrechte wie bspw. die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte werden dort aber nicht aufgelistet. Die nachfolgenden einleitenden Ausführungen dienen dazu, kurz die Zusammenhänge zwischen diesen grundlegenden Abkommen und Erklärungen untereinander aufzuzeigen und wie sich diese auf das LkSG und andere Gesetzgebungen ausgewirkt haben und noch auswirken und warum diese Abkommen und Erklärungen als Referenzrahmen für Gesetze wie auch für Lieferantenkodizes benutzt werden.
1
Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/28649, S. 34.
Der Beginn des zweiten Weltkrieges markierte das Versagen des Völkerbundes. Schon während des zweiten Weltkrieges entstand das Bedürfnis nach einer neuen Friedensordnung. Dieses Ziel wurde mit der Charta der Vereinten Nationen (nachfolgend „UN-Charta“) verwirklicht, die am 26.6.1945 in San Francisco von 50 Gründungsstaaten unterzeichnet wurde.2 Nachdem auch Polen als 51. Staat seine Ratifizierungsurkunde hinterlegt hatte, trat die UN-Charta am 24.10.1945 endgültig in Kraft. Dieses Datum gilt als der Tag der Vereinten Nationen.3
An verschiedenen Stellen wurde die Achtung der Menschenrechte als Prinzip und Ziel der UN verankert. U.a. wurde festgehalten, dass „die Vereinten Nationen die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion, fördern“ (Art. 56 i.V.m. Art. 55c UN-Charta).
Des Weiteren sah die UN-Charta in Art. 68 die Schaffung einer Menschenrechtskommission vor, die von der Konferenz in San Francisco beauftragt wurde, eine „Bill of Rights“ zu formulieren.4
2
Die Charta der Vereinten Nationen, abrufbar unter https://unric.org/de/charta (abgerufen am 28.9.2023).
3
Vgl. Die Geschichte der Vereinten Nationen, abrufbar unter https://unric.org (abgerufen am 28.9.2023).
4
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Kurze Geschichte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, abrufbar unter https://www.bpb.de/themen/recht-justiz/dossier-menschenrechte/38643/kurze-geschichte-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte/ (abgerufen am 28.9.2023).
Die Kommission nahm 1946 ihre Arbeit auf, musste aber feststellen, dass die Staaten, angesichts des aufziehenden Kalten Krieges zwischen Ost und West, nicht mehr bereit waren, eine Menschenrechtskonvention zu verabschieden. Letztendlich wurde am 10.12.1948 nur eine rechtlich nicht bindende Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu den Menschenrechten verkündet.5 Gegenstand der Erklärung sind 30 Artikel mit politischen6 und bürgerlichen Freiheitsrechten7 genauso wie wirtschaftliche8 und soziale Rechte9.
Die Erklärung ist zwar völkerrechtlich nicht verbindlich, war und ist jedoch der Ausgangspunkt für viele internationale und nationale Gesetzgebungen. Sie wird zur Auslegung völkerrechtlich verbindlicher Vorschriften herangezogen und stellt mittlerweile zumindest in Teilen Gewohnheitsrecht dar.10
5
Vereinte Nationen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, abrufbar unter https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr (abgerufen am 28.9.2023).
6
Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.
7
Artikel 17 (Recht auf Eigentum)
1. Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben.
2. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.
8
Artikel 23 (Recht auf Arbeit, gleichen Lohn)
1. Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
2. Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
3. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.
4. Jeder hat das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.
9
Artikel 24 (Recht auf Erholung und Freizeit).Jeder hat das Recht auf Erholung und Freizeit und insbesondere auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmäßigen bezahlten Urlaub.
10
Payandeh
, JuS 2012, 506, 511.
Um das Defizit der fehlenden Verbindlichkeit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auszugleichen, beschloss die UN-Generalversammlung 1952 die Menschenrechtskommission zu beauftragen, Entwürfe für ein Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR)) einerseits sowie ein Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR)) andererseits vorzubereiten. Die Entwürfe lagen zwei Jahre später schon vor, aber vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs und der Dekolonisierung dauerte es bis zum 20.12.1966, bis die beiden Pakte von der UN-Generalversammlung einstimmig angenommen wurden. Es dauerte dann weitere zehn Jahre, bis die erforderlichen Ratifikationen für das Inkrafttreten vorlagen.11
Regelungsgegenstand des UN-Zivilpakts, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte12, sind die grundlegenden Menschenrechte, die sogenannten Menschenrechte der 1. Generation: das Recht auf Leben, das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf die Teilnahme an allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Der UN-Zivilpakt wurde insbesondere von den „westlichen“ Ländern vorangetrieben.
Regelungsgegenstand des UN-Sozialpakts, des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,13 sind Rechte eines jeden Einzelnen, man spricht auch von Menschenrechten der 2. Generation. Dazu zählen u.a. das Recht auf Arbeit, Berufsfreiheit, gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, angemessenen Lohn, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, angemessenen Lebensunterhalt, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, Bildung von Gewerkschaften und auf Streik. Diese Rechte wurden vor allem durch die „östlichen“ Länder entwickelt, die diese als Grundvoraussetzungen für die von den westlichen Demokratien betonten Freiheitsrechte sahen.
11
Vgl.
Wagner
, Aus Politik und Zeitgeschichte 10-11/2016, 17ff.
12
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt), abrufbar unter https://www.bmz.de/de/service/lexikon/internationaler-pakt-buergerliche-politischerechte-60140 (abgerufen am 28.9.2023).
13
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt), abrufbar unter https://www.bmz.de/de/service/lexikon/internationaler-pakt-wirtschaftliche-soziale-kulturelle-rechte-60142 (abgerufen am 28.9.2023).
Der UN-Zivil und -Sozialpakt, gemeinsam mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wird auch als Internationale Menschenrechtscharta (International Bill of Human Rights) bezeichnet.14
14
Vgl. International Bill of Human Rights, A brief history, and the two International Covenants, abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/what-are-human-rights/internationalbill-human-rights (abgerufen am 28.9.2023).
Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization (ILO)) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen.15 Sie ist einzigartig, da nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen Repräsentanten in ihre Organe entsenden, um gemeinsam menschenwürdige Beschäftigungsmöglichkeiten, die Verbesserung des Sozialschutzes und die Stärkung des Dialogs über arbeitsbezogene Fragen zu fördern.
Die so erarbeiteten Übereinkommen setzen universelle Mindeststandards für menschenwürdige Arbeit. Bei den Kernarbeitsnormen handelt es sich um acht internationale Übereinkommen zur grundlegenden Verbesserung der Standards für Arbeitsbeziehungen und Lebensbedingungen. Mangels Rechtssetzungsbefugnis der ILO begründen die Kernarbeitsnormen auch keine Rechte und/oder Pflichten für Bürger, Unternehmen oder öffentliche Auftraggeber. Bei den Kernarbeitsnormen handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, „die aber keine allgemeinen Regeln des Völkerrechts darstellen und deshalb auch nicht unter Art. 25 GG fallen und somit keine Gesetzeskraft haben.“16
Die Unterzeichnung der Übereinkommen steht jedem der 187 Mitglieder der ILO frei. Die acht Übereinkommen sind zwischenzeitlich von 138 Mitgliedern, einschließlich Deutschland, unterzeichnet worden.17 Die Ratifizierung verpflichtet die Mitglieder, „die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Bestimmungen des Übereinkommens zu treffen.“18 Aber erst die nationalen Gesetze, bspw. das LkSG, „begründen Rechte und Pflichte für Staatsbürger und für in dem jeweiligen Staat ansässige oder tätige Unternehmen sowie für staatlichen Stellen.“19
Die acht Konventionen basieren auf den vier ILO Kernprinzipien Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Die acht Kernarbeitsnormen lassen sich wie folgt zusammenfassen:20
1.Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen (Übereinkommen 87 und 98) – Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht, sich ohne äußere Einmischung oder vorherige Genehmigung in Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden zu organisieren sowie Tarifverhandlungen über Lohn- und Arbeitsbedingungen zu führen und Arbeitnehmer haben das Recht zu streiken.
2.Beseitigung der Zwangsarbeit (Übereinkommen 29 und 105)21 – Jeder hat das Recht, seine Arbeit frei zu wählen. Niemand darf unter Androhung von Strafe gezwungen oder verpflichtet werden, bestimmte Arbeiten zu verrichten; Ausnahmen sind möglich im Falle des Wehrdienstes oder beim Einsatz in Katastrophenfällen.22 Zwangsarbeit ist verboten. Diese umfasst alle Arbeitsverhältnisse, in denen die Arbeitsleistung durch Gewalt oder Drohungen erzwungen wird, z.B. Sklaverei, Schuldknechtschaft und Arbeitsverhältnisse, bei denen Arbeitnehmer eingesperrt oder bedroht werden oder ihnen die Ausweispapiere abgenommen werden.
3.Abschaffung der Kinderarbeit (Übereinkommen 138 und 182)23 – Ziel der beiden Übereinkommen ist es, Kinder vor Ausbeutung zu schützen und die Mitglieder zu verpflichten, Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen und sie vor jeglicher Beschäftigung vor Vollendung des 15. Lebensjahres zu schützen. Des Weiteren ist jede gefährliche oder die Entwicklung hindernde Tätigkeit für Personen unter 18 Jahren grundsätzlich verboten. „Für einfache Tätigkeiten dürfen auch 13–15-Jährige beschäftigt werden, wenn die nationalen Gesetze dies erlauben und der Schulbesuch dadurch nicht verhindert wird. Die Abschaffung der Kinderarbeit beinhaltet auch eine Verpflichtung, Alternativen (Schulbesuch, gesichertes Einkommen für die Eltern) zu schaffen.“24
Das Übereinkommen 138 wird durch das Übereinkommen 182 ergänzt, mit dem die schlimmsten Formen der Kinderarbeit verboten und beseitigt werden sollen. Art. 3 a) – d) des Übereinkommens 182 findet sich in den Verboten des § 2 Abs. 2 Nr. 2 a) – d) LkSG wieder. Die besondere Herausforderung bei der Umsetzung des Art. 3 d) des Übereinkommens 182 besteht darin, dass die Mitgliedstaaten erst durch nationales Recht bestimmen müssen, welche Tätigkeiten darunter zu subsumieren sind und ob diese in ihrem Staatsgebiet überhaupt vorkommen und wenn ja, diese Stätten in einem Verzeichnis festzuhalten.25
4.Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Übereinkommen 100 und 111) – verboten ist jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen26 sowie die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleichwertige Arbeit.27
Abbildung 1: Übersicht über die ILO-Grundsätze28
15
Vgl. International Labour Organization, abrufbar unter https://www.ilo.org (abgerufen am 28.9.2023).
16
Summa
, in: Terwiesche/Becker/Prechtel, § 7 TVgG NRW Rn. 21.
17
Vgl. Ratifications of fundamental Conventions by number of ratifications, abrufbar unter https://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:10011:0::NO::P10011_DISPLAY_BY,P10011_CONVENTION_TYPE_CODE:1,F (abgerufen am 28.9.2023).
18
Summa
, in: Terwiesche/Becker/Prechtel, § 7 TVgG NRW Rn. 23.
19
Summa
, in: Terwiesche/Becker/Prechtel, § 7 TVgG NRW Rn. 23.
20
Ausführlich unten unter D.I.3.
21
Laut dem G20-Arbeits- und Beschäftigungsministertreffen in Matsuyama, Japan 1./2.9.2019 sind 25 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit, abrufbar unter https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2019/g20-arbeits-und-beschaeftigungsministertreffen-in-matsuyama.html (abgerufen am 28.9.2023).
22
Summa
, in: Terwiesche/Becker/Prechtel, § 7 TVgG NRW Rn. 29.
23
Laut dem G20-Arbeits- und Beschäftigungsministertreffen in Matsuyama, Japan 1./2.9.2019 müssen noch 152 Millionen Kinder arbeiten, abrufbar unter https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2019/g20-arbeits-und-beschaeftigungsministertreffen-in-matsuyama.html (abgerufen am 28.9.2023).
24
Die Kernarbeitsnormen der ILO, abrufbar unter https://www.ilo.org/berlin/arbeits-undstandards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm (abgerufen am 28.9.2023).
25
Vgl. zu den weiteren Herausforderungen
Summa
, in: Terwiesche/Becker/Prechtel, § 7 TVgG NRW Rn. 35.
26
Vgl. Art. 1 des Übereinkommens 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, 1958, https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm (abgerufen am 28.9.2023).
27
Vgl. Art. 1 des Übereinkommens 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit, 1951, abrufbar unter https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm (abgerufen am 28.9.2023).
28
Die Grafik entstammt der Broschüre „Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) – Ein Wegweiser für GewerkschafterInnen“.
Das LkSG nimmt auch Bezug auf Verbote zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit, die auf völkerrechtlichen Verträgen beruhen29 und die zugleich dem „Schutz der menschlichen Gesundheit dienen.30 Dabei handelt es sich um die Übereinkommen von Minamata31, Stockholm32 und Basel33.
1.Übereinkommen von Minamata – Die Konvention vom 10.10.2013 regelt den Umgang mit Quecksilber, das in einigen Formen sehr giftig ist und sich aufgrund seiner Eigenschaften global verteilt.34 § 2 Abs. 3 Nr. 1–3 LkSG verbietet daher die Herstellung von mit Quecksilber versetzten Produkten, die Verwendung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen und die Behandlung von Quecksilberabfällen.
2.Übereinkommen von Stockholm – Die Konvention vom 23.5.2001 dient dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor persistenten organischen Schadstoffen („persistent organic pollutants“ – POPs).
3.Übereinkommen von Basel35 – Die Konvention vom 22.3.1989 regelt die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung.
Details zu den drei Abkommen finden sich unter D.I.4.
Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer internationaler Abkommen zum Schutz der Umwelt, die letztendlich auch dem Schutz der Menschenrechte dienen. Diese haben auch teilweise Eingang in den Vorschlag der EU-Kommission vom 23.2.2022 für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (nachfolgend „CS3D“) gefunden,36 u.a. werden Verstöße gegen die anerkannten Ziele und Verbote der folgenden Übereinkommen miteinbezogen:
1.Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD): Das Übereinkommen, informell auch Biodiversitätskonvention genannt, „ist eines der Ergebnisse der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahr 1992. Es ist das weltweit umfassendste Abkommen zum Schutz der Natur und der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Bei der Umsetzung des Übereinkommens sollen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte in ausgewogener Form berücksichtigt werden“.37
2.Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES): Das 1973 unterzeichnete Übereinkommen regelt den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen und soll diese vor übermäßiger Ausbeutung schützen. „CITES gewährt heute mehr als 37 000 Tier- und Pflanzenarten unterschiedlichen Schutz, unabhängig davon, ob sie als lebende Exemplare, deren Teile oder daraus gefertigte Erzeugnisse gehandelt werden.“38
3.Wiener Übereinkommen: Das Übereinkommen von 1985 regelt den Umgang mit Verstößen gegen das Verbot der Herstellung und des Verbrauchs bestimmter Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen (z.B. FCKW, Halone, CTC, TCA, BCM, MB, HBFKW und HFCKW).
29
Vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1–8 LkSG.
30
Vgl. Ausschussbegründung, BT-Drs. 19/30505, S. 37.
31
Vgl. BGBl. II 2017, S. 610, 611.
32
Vgl. BGBl. II 2002, S. 803, 804.
33
Vgl. BGBl. II 1989, S. 2703, 2704.
34
Vgl. Umweltbundesamt, Die Minamata-Konvention zu Quecksilber, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/chemikalien-management/die-minamata-konvention-zu-quecksilber#die-minamata-konvention (abgerufen am 28.9.2023).
35
Vgl. Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 22.3.1989, abrufbar unter https://www.bmuv.de/gesetz/basler-uebereinkommen-ueber-die-kontrolle-der-grenzueberschreitenden-verbringung-gefaehrlicher-abfaelle-und-ihrer-entsorgung (abgerufen am 28.9.2023).
36
Vgl. Vorschlag der EU-Kommission vom 23.2.2022 für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, Teil II des Anhangs zur Richtlinie, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A52022PC0071 (abgerufen am 28.9.2023).
37
Vgl. Bundesamt für Naturschutz, abrufbar unter https://www.bfn.de/abkommen-richtlinie/uebereinkommen-ueber-die-biologische-vielfalt-cbd (abgerufen am 28.9.2023).
38
Vgl. Bundesamt für Naturschutz, abrufbar unter https://www.bfn.de/thema/cites#:~:text=Das%201973%20unterzeichnete%20Washingtoner%20Artenschutz%C3%BCbereinkommen%20(Convention%20on%20International%20Trade%20in,zum%20Schutz%20vor%20%C3%BCberm%C3%A4%C3%9Figer%20Ausbeutung (abgerufen am 28.9.2023).
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen39 bieten einen freiwilligen Verhaltenskodex für verantwortungsvolles Verhalten von Unternehmen bei ihren Auslandsinvestitionen und für ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Zulieferern. Sie enthalten Empfehlungen von Regierungen an die Wirtschaft, wie Unternehmen weltweit Menschenrechte achten, die Umwelt schützen, mit Gewerkschaften umgehen, die Korruption bekämpfen und die Verbraucherinteressen wahren sollen.40 Die Leitsätze gehen auf das Jahr 1976 zurück und wurden 2011, unter Berücksichtigung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (s.u. A.I.10.) umfassend überarbeitet41 und im Juni 2023 nochmals aktualisiert. Die Aktualisierung enthält u.a. Empfehlungen für Unternehmen, wie sie ihre Ziele an international vereinbarte Ziele zum Klimawandel und zur biologischen Vielfalt anpassen oder wie Unternehmen die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit oder ihrer Lieferkette überprüfen sollen.42
Des Weiteren hat die OECD den Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln erlassen.43 Er bietet multinationalen Unternehmen praktische Erläuterungen, Empfehlungen und anschauliche Beispiele für die Umsetzungen der Due Diligence. Insbesondere soll er Unternehmen helfen, negative Auswirkungen, die mit ihren Tätigkeiten, Lieferketten und anderen Geschäftsbeziehungen verbunden sein können, insbesondere in Bezug auf Arbeitnehmer, Menschenrechte und die Umwelt, zu vermeiden und zu bewältigen.
Daneben gibt es noch sektorspezifische Leitfäden für die unternehmerische Sorgfalt entlang der Lieferketten, bspw. der Agrar-, Finanz- und Textilindustrie. Der bekannteste dürfte der Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten sein, auf den die EU-Konfliktmineralien-Verordnung44 (s.u. A.II.3.) Bezug nimmt. Neben diesem Leitfaden hat die OECD noch weitere Berichte und Standards zum Abbau von Mineralien in verschiedenen Ländern veröffentlicht.45
39
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Ausgabe 2011, abrufbar unter https://mneguidelines.oecd.org/48808708.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
40
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, 2011 abrufbar unter https://mneguidelines.oecd.org/48808708.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
41
Vgl.
Nietsch
, in: Nietsch, CSR-Compliance, § 7 Rn. 18f.
42
OECD Guidelines for Multinational Enterprises on Responsible Business Conduct, 2023, abrufbar unter https://www.oecd.org/publications/oecd-guidelines-for-multinational-enterprises-on-responsible-business-conduct-81f92357-en.htm (abgerufen am 28.9.2023).
43
OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, abrufbar unter https://mneguidelines.oecd.org/OECD-leitfaden-fur-die-erfullung-der-sorgfaltspflicht-fur-verantwortungsvolles-unternehmerisches-handeln.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
44
OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt und Hochrisikogebieten, Dritte Ausgabe 2019, abrufbar unter https://www.oecd.org/publications/oecd-leitfaden-fur-die-erfullung-der-sorgfaltspflicht-zur-forderung-verantwortungsvoller-lieferketten-fur-minerale-aus-konflikt-3d21faa0-de.htm (abgerufen am 28.9.2023).
45
OECD, Responsible Mineral Supply Chains in Focus, abrufbar unter https://mneguidelines.oecd.org/Brochure_OECD-Responsible-Mineral-Supply-Chains.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
Der UN Global Compact geht auf ein Angebot des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zurück, der am 31.1.1999 beim World Economic Forum in Davos Unternehmen anbot, einen Pakt zu schließen, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten und so zu einer inklusiven und nachhaltigen Weltwirtschaft zum Nutzen aller Menschen, Gemeinschaften und Märkte beizutragen.
Beim UN Global Compact handelt es sich um die freiwillige Verpflichtung von Unternehmen, zehn universelle Prinzipien (Minimalstandards) im Bereich der Menschenrechte, der Arbeitsnormen, der Umwelt und der Korruptionsprävention in den eigenen unternehmerischen Aktivitäten umzusetzen.46 Konkret handelt es sich um einen nicht bindenden Vertrag (Letter of Commitment) zwischen Unternehmen und der UN. Der Beitrittsantrag muss vom CEO unterzeichnet sein.47
Seit der Verabschiedung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen unterstützt der UN Global Compact ferner auch die damit festgelegten 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs).48
Nach eigenen Angaben ist der UN Global Compact die „weltweit größte und wichtigste Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung“.49 Die teilnehmenden Unternehmen sind verpflichtet, einen jährlichen Fortschrittsbericht (Communication on Progress – CoP) vorzulegen. Unternehmen, die zwei Jahre in Folge ihren Pflichten nicht nachkommen werden ausgeschlossen und entsprechend gelistet.50
Die Umsetzung der Verpflichtungen der Unternehmen entzog sich bislang jeglicher Kontrolle und Überprüfung, weshalb auch der Vorwurf von Bluewashing51 aufkam.
Ab 2023 sind die Unterzeichner jedoch verpflichtet, ihre Fortschritte mithilfe eines Online-Fragebogens offenzulegen. Dies bedeutet einen Übergang von einem narrativen Format zu einem standardisierten Fragebogen. Der Online-Fragebogen soll die Fortschritte beim UN Global Compact und bei den SDGs messen und nachweisen. Der Fragebogen muss zusammen mit dem „e-Sign CEO Statement of Continued Support“ ausgefüllt werden.52 Es wird sich zeigen, ob diese Reformen helfen, die Reputation des Global Compact zu verbessern.
46
Die Zehn Prinzipien des Global Compact, abrufbar unter https://www.globalcompact.de (abgerufen am 28.9.2023).
47
Vgl. Online Bewerbungs-Guideline mit einer Beschreibung der Teilnahmevoraussetzungen, abrufbar unter https://www.globalcompact.de/fileadmin/user_upload/Online_Application_Guideline_Business_Deutsch.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
48
Vgl. Vereinte Nationen, Regional Informationszentrum, abrufbar unter https://unric.org/de/17ziele/ (abgerufen am 28.9.2023).
49
Global Compact Netzwerk Deutschland, abrufbar unter https://www.globalcompact.de (abgerufen am 28.9.2023).
50
About the UN Global Compact, FAQs, Does the UN Global Compact have teeth, abrufbar unter https://unglobalcompact.org/about/faq (abgerufen am 28.9.2023).
51
UmSoRess Steckbrief 2015, S. 6, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/umsoress_kurzsteckbrief_eg-bergbauabfall_final.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
52
UN Global Compact, Online Application Guidelines, abrufbar unter https://unglobalcompact.org/participation/join/application (abgerufen am 28.9.2023).
Spätestens seit der Jahrtausendwende mit der Gründung des Global Compact und der Einladung des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan an die Unternehmen der Initiative beizutreten, sahen sich viele Unternehmen veranlasst, ökonomische Aktivitäten einerseits und den Schutz der Menschenrechte, Sozialstandards und der Umwelt sowie die Korruptionsbekämpfung andererseits vereinbar zu gestalten. Den Unternehmen wurde zunehmend die (moralische) Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte übertragen. Die Verantwortung manifestiert sich vor allem darin, dass Unternehmen sich dazu verpflichten, regelmäßig öffentlich zu berichten, wie sie mit dem Thema umgehen. Das Prinzip des „blaming and shaming“ ist der Hebel dafür. Die Öffentlichkeit soll in die Lage versetzt werden auf die Berichterstattung der Unternehmen reagieren zu können und diese, im Zweifel über ihr Konsumverhalten zu veranlassen, ihre Bemühungen zur Achtung der Menschenrechte zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang sprach man auch von „soft law“, von Regelungen, die keine verbindlichen, sondern nur moralische Vorgaben für Unternehmen machen. Die Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte am 16.6.2011 durch den UN-Menschenrechtsrat (nachfolgend „Leitprinzipien“)53 führte eine „Zeitenwende“ ein. Sie waren rund um den Globus der Ausgangspunkt für unzählige Gesetze zum Schutz der Menschenrechte. Der Verbindlichkeitscharakter dieser Regelungen für die Unternehmen stieg von Jahr zu Jahr und von Gesetz zu Gesetz. Daher spricht man auch von einem Wandel der unternehmerischen Sorgfaltspflichten „from soft law to hard law.54
Die nachfolgende Grafik illustriert den zeitlichen Ablauf; dabei wird jeweils auf den Zeitpunkt der Verabschiedung der einzelnen aufgezählten Gesetze und Maßnahmen abgestellt.
Abbildung 2: Entwicklung der Lieferkettenverantwortung vom Soft Law zum Hard Law.
Die Leitprinzipien gehen wie der UN Global Compact auf den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Anan zurück. Dieser berief 2005 den Harvard-Professor John Ruggie zum Sonderbeauftragten für Fragen der Menschenrechte und transnationaler Unternehmen sowie anderer Wirtschaftsunternehmen. In seinem Zwischenbericht stellte Professor Ruggie 2008 ein Drei-Säulen-Modell vor, das später auch zur Grundlage der Leitprinzipien wurde. Die drei Säulen standen für den Schutz und die Achtung von Menschenrechten sowie die Wiedergutmachung im Falle ihrer Verletzung.
In der ersten Säule haben die Staaten die völkerrechtliche Verpflichtung, Menschen vor wirtschaftsbezogenen Menschenrechtsverstößen zu schützen, bspw. „Rechtsvorschriften durchzusetzen, deren Ziel oder Wirkung darin besteht, von Wirtschaftsunternehmen die Achtung der Menschenrechte einzufordern, und in unregelmäßigen Abständen die Hinlänglichkeit dieser Rechtsvorschriften zu bewerten und etwaige Lücken zu schließen.“55
In der zweiten Säule haben die Unternehmen die Menschenrechte zu achten sowie mögliche negative menschenrechtliche Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu beenden und im Falle von Menschenrechtsverletzungen sich um Wiedergutmachung zu bemühen. Das Modell und auch die Leitprinzipien sprechen in diesem Zusammenhang von der Verantwortung und nicht von der Verpflichtung der Unternehmen. Dieser Ansatz ist auf die noch herrschende Dogmatik zur Völkerrechtssubjektivität zurückzuführen.56 Danach haben transnationale Unternehmen aus völkerrechtlicher Sicht, ungeachtet ihrer tatsächlichen Wirkungsmacht, keine ausdrücklichen Rechte und Pflichten und sind somit nicht zum Schutz von Menschenrechten sowie der Verwirklichung des weltweiten Gemeinwohls verpflichtet. Sie laufen bei unterlassenem Bemühen aber immer Gefahr, dass sie an den Pranger („courts of public opinion“) gestellt werden und sich ggf. gegenüber Arbeitnehmern, Gemeinden, Verbrauchern, der Zivilgesellschaft, aber zunehmend auch Investoren und gelegentlich auch vor den Gerichten für ihr Untätigkeit verantworten müssen.57
In der dritten Säule müssen die Staaten den Betroffenen von Menschenrechtsverstößen Zugang zu gerichtlichen und außergerichtlichen Mitteln verschaffen, damit wirtschaftsbezogene Menschenrechtsverstöße untersucht, geahndet und wiedergutgemacht werden können.
Die erste Säule, also die Leitprinzipien 1 bis 10, beschreiben die Maßnahmen, die Staaten zu treffen haben, um Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhüten, zu untersuchen, zu ahnden und wiedergutzumachen. Staaten können ihrer Verantwortung u.a. im Rahmen von Rechtsvorschriften, Berichtspflichten, Schulungen, eigenen unternehmerischen Aktivitäten oder bei der Ausgestaltung von Exportgarantien und der staatliche Auftragsvergabe sowie im Rahmen von Investitionsabkommen oder multilateraler Institutionen nachkommen.
Die zweite Säule, also die Leitprinzipien 11 bis 24, beschreiben die Verantwortung der Unternehmen. Dabei beschränkt sich der Schutz nicht auf die eigene Geschäftstätigkeit, sondern erstreckt sich auch auf die Geschäftstätigkeit der Geschäftspartner. Zur Verantwortung zählt u.a. die Analyse der Geschäftstätigkeiten im Hinblick auf Menschenrechtsrisiken sowie die Ergreifung angemessener Maßnahmen, um diese zu verhindern bzw. zu mildern. Ebenso ist die Wirksamkeit dieser Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu verifizieren. Des Weiteren sollen Unternehmen in Form einer Grundsatzerklärung öffentlich bekannt machen, wie sie ihrer Verantwortung nachkommen. Zusätzlich sollen sie, falls es zu schweren menschenrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit kommt, hierüber berichten und auch für Wiedergutmachung sorgen.
In der dritten Säule, in den Leitprinzipien 25 bis 31, wird beschrieben, was zu veranlassen ist, um den von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen Zugang zu wirksamer Abhilfe und Wiedergutmachung zu gewähren. So finden sich in den Leitprinzipien 29 bis 31 Vorgaben für außergerichtliche Beschwerdemechanismen vergleichbar zu § 8 LkSG.
53
Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipiende-data.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
54
Vgl. u.a.
Nietsch
, in: Nietsch, CSR-Compliance, § 1 Rn. 52.
55
Leitprinzip 3 (a).
56
Vgl.
Nettesheim
, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 32 Rn. 40.
57
John Ruggie
, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, 7.4.2008 Rn. 54, abrufbar unter https://media.business-humanrights.org/media/documents/files/reports-and-materials/Ruggie-report-7-Apr-2008.pdf (abgerufen am 28.9.2023).
Neben der Verabschiedung der Leitprinzipien setzte der UN-Menschenrechtsrat eine Arbeitsgruppe ein, die die Verbreitung und Umsetzung der Leitprinzipien voranbringen sollte.58
In ihrem ersten Bericht an den Menschenrechtsrat in 2012 forderte die Arbeitsgruppe die Staaten nachdrücklich auf, einen nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte zu entwickeln, zu verabschieden und regelmäßig zu aktualisieren. Entsprechend hat auch die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Leitprinzipien am 16.12.2016 verabschiedet.59 Im Aktionsplan formulierte die Bundesregierung ihre klare Erwartung an die unternehmerische Sorgfaltspflicht, nämlich die Achtung der Menschenrechte entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten. Den Umsetzungsstand der Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in der Wirtschaft überprüfte die Bundesregierung im Rahmen des NAP-Monitorings in zwei Erhebungsphasen im Herbst 2019 und im Frühjahr 2020 mittels strukturierter Fragebögen. Adressaten der Fragebögen waren Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern. Da weniger als 20 % der Unternehmen die Anforderungen des NAP vollständig erfüllten und nicht die avisierten 50 %60, entschloss sich die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag vom 12.3.2018 angekündigt,61 national gesetzlich tätig zu werden und sich für eine EU-weite Regelung einzusetzen.
Die nachfolgende Weltkarte zeigt auf, wo Menschenrechte durch umfassende Sorgfaltspflichtengesetze („DD“) geschützt werden. Weiterhin sind Länder abgebildet, in denen nur einzelne Risikobereiche durch Sorgfaltspflichten abgedeckt werden (eingeschränkte DD Gesetze). Ebenso enthält die Karte die Länder die einen NAP schon umgesetzt haben bzw. planen.62
Insbesondere sollten multinationale Unternehmen bei ihren Auslandsaktivitäten berücksichtigen, inwieweit es lokale NAPs gibt, da diese einen Ausblick auf mögliche Sorgfaltspflichtengesetze geben.
Abbildung 3: Implementierungsstadien von Nationalen Aktionsplänen.
58
Vgl. Working Group on Business and Human Rights, National action plans on business and human rights, abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/special-procedures/wgbusiness/national-action-plans-business-and-human-rights (abgerufen am 16.10.2023).
59
Nationaler Aktionsplan – Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/blob/297434/8d6ab29982767d5a31d2e85464461565/nap-wirtschaft-menschenrechte-data.pdf (abgerufen am 16.10.2023).
60
Vgl. Abschlussbericht des Monitorings zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2405080/23e76da338f1a1c06b1306c8f5f74615/201013-nap-monitoring-abschlussbericht-data.pdf (abgerufen am 16.10.2023).
61
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S. 156 Zeilen 7380 bis 7384: „Wir setzen uns für eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) ein, einschließlich des öffentlichen Beschaffungswesens. Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cdu-csu-und-spd-195906 (abgerufen am 16.10.2023).
62
Vgl. National action plans on business and human rights – Working Group on Business and Human Rights, abrufbar unter https://www.ohchr.org/en/special-procedures/wgbusiness/national-action-plans-business-and-human-rights (abgerufen am 16.10.2023).
Menschenrechte waren und sind immer noch ein Instrument der politischen Auseinandersetzung zwischen den Staaten.
Die Durchsetzung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen erwies sich seit Beginn als schwierig bis unmöglich. Die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten führte dazu, dass den universellen Menschenrechten keine Geltung verschafft wurde, auch nicht durch die UN. Dies liegt vielerorts daran, dass die Mitgliedstaaten ihr eigenes Verständnis der Menschenrechte haben oder bei Vorliegen von Menschenrechtsverletzungen behaupten, dass es sich um innerstaatliche Angelegenheiten handle, in die sich niemand einzumischen habe.63
Die effektive Umsetzung der Menschenrechte scheiterte auch daran, dass nur die Staaten und nicht die Unternehmen, mangels ihrer Völkerrechtssubjektivität, Adressaten der internationalen Abkommen waren.
Mit Beginn der 70er Jahre verließen die Menschenrechte jedoch die Konferenzräume der internationalen Organisationen. Grenzüberschreitende NGOs wie Amnesty International nutzten die globale, überwiegend westliche Öffentlichkeit, um für die internationale Achtung der Menschenrechte zu mobilisieren.
Gleichzeitig appellierte die OECD an die multinationalen Unternehmen der Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung nicht nur in ihrem Heimatstaat, sondern auch an Auslandsstandorten gerecht zu werden. So enthielten die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen von 1976 Empfehlungen wie multinationale Unternehmen einen positiven Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Gastländer leisten können.
Es dauerte aber bis zum Fall des Eisernen Vorhangs und der damit verbundenen weiteren Welle der Globalisierung, dass die Menschenrechte bzw. ihre Achtung durch Unternehmen auch in den Fokus der internationalen Organisationen wie der UN, der Weltbank, dem IWF und der EU rückten. Diese machten die Achtung der Menschenrechte zur Voraussetzung für die Zusammenarbeit oder Einbindung von multinationalen Unternehmen in ihre eigenen Aktivitäten. Infolgedessen wurde den Unternehmen aufgrund ihrer multinationalen Präsenz aufgetragen, sich auch dort für Rechtsdurchsetzung im Allgemeinen und für die Achtung der Menschenrechte im Besonderen einzusetzen, wo die „rule of law“ u.a. infolge von Korruption und/oder schwacher bzw. fehlender Institutionen kaum oder nicht vorhanden ist. Ob es angemessen ist, dass multinationale Unternehmen diese Aufgaben übertragen werden und sie gewissermaßen lokale Defizite kompensieren sollen, was bspw. ihre Heimatstaaten im Rahmen von internationalen Verträgen nicht durchzusetzen vermögen, ist eine andere Frage.
Ebenso stellt sich die Frage, ob durch den Wettstreit der Systeme, Demokratien gegen autokratische Staaten sowie der Rivalität zwischen den G764 und den BRICS-Staaten65 sowie deren Institutionen66 die weitere Ausbreitung der Menschenrechte vorübergehend verlangsamt wird und überwiegend auf die westliche Staatengemeinschaft sowie ihre dort beheimateten multinationalen Unternehmen beschränkt bleibt.
63
Vgl. Merkur, Menschenrechte in China: Die bisherige Entwicklung, 26.5.2021, abrufbar unter https://www.merkur.de/politik/china-menschenrechte-volksrepublik-vereinte-nationen-meinungsfreiheit-diskriminierung-90254654.html (abgerufen am 16.10.2023).
64
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA sowie die EU.
65
Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
66
New Development Bank, Contingent Reserve Arrangement.
Die Verordnung (EG) zur Umsetzung des Zertifikationssystems des Kimberley-Prozesses67, auch Blutdiamantenverordnung genannt, war eine der ersten Regelungen der EU mit dem Zweck, Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden oder zu beenden. Diese entstanden im Zusammenhang mit der Finanzierung von gewalttätigen Konflikten durch Diamanten. Die EU führte mit der Blutdiamantenverordnung das Zertifikationssystem des Kimberley-Prozesses für den internationalen Handel mit Rohdiamanten ein, das den Handel mit Blut- und Konfliktdiamanten unterbinden soll und die Akteure verpflichtet, gebührende Sorgfalt walten zu lassen.68 Der Kimberley-Prozess vereint Verwaltungen, Zivilgesellschaften und die Industrie, um den Fluss von Konfliktdiamanten – „Rohdiamanten, die zur Finanzierung von Kriegen gegen Regierungen verwendet werden“ – weltweit zu reduzieren.69
67
Vgl. Verordnung (EG) Nr. 2368/2002 vom 20.12.2002 zur Umsetzung des Zertifikationssystems des Kimberley-Prozesses für den internationalen Handel mit Rohdiamanten, zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2020/2149 vom 9.12.2020, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02002R2368-20210101&qid=1657734676191&from=en (abgerufen am 16.10.2023).
68
Generalzolldirektion, Konflikt- und Blutdiamanten, abrufbar unter https://www.zoll.de/DE/Unternehmen/Warenverkehr/Durchfuhr-durch-Deutschland/Einschraenkungen/Rohdiamanten/rohdiamanten.html (abgerufen am 16.10.2023).
69
Kimberley Process, abrufbar unter https://www.kimberleyprocess.com (abgerufen am 16.10.2023).
Auch die EU-Holzhandelsverordnung70 kennt wie die Blutdiamantenverordnung das System der gebotenen Sorgfalt beim Inverkehrbringen von Holz oder Holzerzeugnissen. Ziel der Verordnung ist es, den illegalen Holzeinschlag zu stoppen, der wiederum Entwaldung, Verlust an biologischer Vielfalt, die Emission von Treibhausgasen sowie Konflikte um Landrechte und Ressourcen und die Entmachtung lokaler Bevölkerungsgruppen zur Folge hat. Die Verordnung trat am 3.3.2013 in Kraft und wird durch die Verordnung über entwaldungsfreie Erzeugnisse aufgehoben. Die neuen Vorschriften bauen auf dem bestehenden Rahmen für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht auf.71
70
Vgl. Verordnung (EU) Nr. 995/2010 vom 20.10.2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:295:0023:0034:de:PDF#:~:text=Verpflichtungen%20der%20Marktteilnehmer,oder%20Holzerzeugnisse%20in%20Verkehr%20bringen (abgerufen am 16.10.2023).
71
Vgl. die weitergehenden Informationen zur Holzverordnung: Europäische Kommission, Timber Regulation, https://environment.ec.europa.eu/topics/forests/deforestation/illegal-logging/timber-regulation_de?etrans=de (abgerufen am 16.10.2023).
Auch diese Verordnung72 sowie das deutsche Gesetz zur Durchführung der Verordnung73 verpflichten Unternehmen, Sorgfaltspflichten bei der Einfuhr von Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten anzuwenden. Das sind Gebiete, in denen Staatsführung und Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind und in denen weit verbreitete und systematische Verstöße gegen internationales Recht einschließlich Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Unter die Verordnung fallen folgende Mineralien: Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold.74 Mit der Verordnung soll verhindert werden, dass Erlöse aus dem Verkauf dieser Mineralien in die Finanzierung von bewaffneten Gruppen fließen, die staatliche Institutionen sowie die Achtung und Durchsetzung lokalen Rechts noch weiter schwächen. Im Unterschied zum vergleichbaren aber schon 2010 erlassenen US Dodd-Frank Act Section 150275 spielt es keine Rolle, wo die bewaffneten Konflikte76 weltweit auftreten. Ebenso wie das LkSG sieht auch die Verordnung vor, dass die betroffenen Unternehmen über die Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten berichten.77
72
Vgl. Verordnung (EU) 2017/821 vom 17.5.2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0821 (abgerufen am 16.10.2023).
73
Vgl. Mineralische-Rohstoffe-Sorgfaltspflichten-Gesetz (MinRohSorgG), BGBl. I 2020, S. 864–866.
74
Im Englischen „tantalum, tin, tungsten and gold“, abgekürzt „3TG“.
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