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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Charlotte parkte ihr Auto auf dem Marktplatz von Waldkogel. Sie ging in den Andenken- und Trachtenladen Boller und kaufte eine Dose Schnupftabak für ihren Großvater. Als sie den Laden verließ, begegnete ihr Pfarrer Zandler, der sich mit einem älteren Herrn unterhielt. »Grüß Gott, Lotte!«, sagte Pfarrer Zandler. »Bist du auf dem Weg zum Alois?« Charlotte begrüßte den Geistlichen herzlich. Der wandte sich an seine Begleitung. »Tassilo, das ist Charlotte Holzer, die Enkelin vom alten Alois. Gerufen wird sie Lotte.« »Ich weiß«, sagte der Graf und reichte ihr die Hand. »Du kannst dich nicht mehr an mich erinnern. Stimmt's? Ich sehe es dir an. Alois hat uns einander vorgestellt, nach eurem ersten gemeinsamen Kirchgang. Ich bin Tassilo, Graf von Teufen-Thurmann.« »Entschuldigen Sie, an dem Sonntag haben mir wohl alle Waldkogeler die Hand geschüttelt. Ich werde noch oft herkommen müssen, bis ich mir die vielen Gesichter und Namen gemerkt habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich nur vage an Sie erinnere, Herr Graf.«
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Seitenzahl: 128
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Charlotte parkte ihr Auto auf dem Marktplatz von Waldkogel. Sie ging in den Andenken- und Trachtenladen Boller und kaufte eine Dose Schnupftabak für ihren Großvater.
Als sie den Laden verließ, begegnete ihr Pfarrer Zandler, der sich mit einem älteren Herrn unterhielt.
»Grüß Gott, Lotte!«, sagte Pfarrer Zandler. »Bist du auf dem Weg zum Alois?«
Charlotte begrüßte den Geistlichen herzlich. Der wandte sich an seine Begleitung.
»Tassilo, das ist Charlotte Holzer, die Enkelin vom alten Alois. Gerufen wird sie Lotte.«
»Ich weiß«, sagte der Graf und reichte ihr die Hand. »Du kannst dich nicht mehr an mich erinnern. Stimmt’s? Ich sehe es dir an. Alois hat uns einander vorgestellt, nach eurem ersten gemeinsamen Kirchgang. Ich bin Tassilo, Graf von Teufen-Thurmann.«
»Entschuldigen Sie, an dem Sonntag haben mir wohl alle Waldkogeler die Hand geschüttelt. Ich werde noch oft herkommen müssen, bis ich mir die vielen Gesichter und Namen gemerkt habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich nur vage an Sie erinnere, Herr Graf.«
Tassilo lachte. »Mach dir deswegen keine Sorgen, Lotte! Ich bin der Tassilo. Des mit dem Titel und dem Siezen, des lässt fein bleiben! Und am besten besuchst du mich mal im Waldschlösschen. Dann trinken wir Kaffee zusammen. Die Zenzi backt bestimmt einen besonders guten Kuchen, wenn sie hört, dass du kommst.«
»Danke für die Einladung, Tassilo! Ich komme gern. Vielleicht können wir den Termin auf den Winter verschieben? Dann ist Großvater Alois hier unten in Waldkogel. Ich genieße jeden Augenblick mit ihm und er jeden Augenblick mit mir. Ich will möglichst viel mit ihm zusammen sein. Es ist eine ganz schön lange Strecke ins Tal.«
»Ihr beide habt viel nachzuholen«, sagte Pfarrer Zandler.
»Des klingt zwar gut, aber in Wirklichkeit kann man nichts nachholen«, bemerkte Tassilo. Er schaute Charlotte an und fragte: »Wie alt bist jetzt, Madl?«
»Fünfundzwanzig!«
»Siehst du, dir fehlen Erlebnisse aus fünfundzwanzig Jahren. Da gab es keine gemeinsamen Weihnachten, Ostern, Geburts- und Namenstage. Du konntest nicht die Ferien beim Großvater in den Bergen verbringen. Das hat man dir genommen, Lotte. Ich muss es ganz offen sagen, weil es mir auf der Seele liegt. Dir hat man Wertvolles vorenthalten, Madl. Du bist zu bedauern.«
»Ich denke nicht daran«, sagte Charlotte. »Ich freue mich, ihn jetzt zu haben. Ich bin Ihnen, Herr Pfarrer, Toni, Anna, Martin und Katja und allen sehr dankbar, die daran beteiligt waren. Es ist wunderbar, mit Opa Alois zusammen zu sein. Er hat unglaublich viel Lebenserfahrung. Er kann so ausdrucksvoll erzählen. Seine Augen leuchten, wenn er mich ansieht. Ich fiebere die ganze Woche auf das Wochenende hin, wenn ich wieder hier sein kann.«
Pfarrer Zandler zog die Stirn kraus und rieb sich das Kinn.
»Wie stehen deine Cousine und dein Cousin dazu? Und wie reagieren Alois’ Söhne, weigern sie sich immer noch, ihn zu besuchen?«
Charlotte wurde sehr verlegen, sie errötete.
»Ich habe meiner Familie noch nichts gesagt. Es liegt mir schwer auf der Seele, dass ich es verschwiegen habe. Aber ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich habe große Angst, dass unsere Familie daran zerbrechen könnte. Auch wenn es, objektiv betrachtet, nur darum geht, eine Lügengeschichte aus der Welt zu schaffen, und der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, kann es doch schlimme Folgen haben. Sage ich etwas, muss ich die Folgen tragen. Sage ich nichts, dann bin ich nicht besser, als mein Onkel, seine Frau und meine Eltern, die uns verschwiegen haben, dass wir einen Großvater in den Bergen haben. Ich mache mir viele Gedanken darüber, wer wie viel davon wusste, und warum alle mitgespielt haben.«
Charlotte seufzte.
»Die ganzen Wochen grübele ich darüber nach. Ich stecke in einer Zwickmühle. Der einzige Trost sind die schönen Stunden mit Großvater Alois.«
»Und was sagt er dazu?«
»Er geht dem Thema aus dem Weg. Einmal sagte er, da ich den Weg auf die Berghütte gefunden habe, würden vielleicht Harald und Emil mit ihren Familien ihn auch finden. Er habe all die Jahre auf ein Wiedersehen gehofft und jetzt sei ich da. Darüber freut er sich. Er will wohl die Freude über das Zusammensein mit mir nicht trüben. Er weiß, dass ich traurig und wütend bin. Dazu meint er, es sei das Vorrecht der Jugend, wütend zu sein. Aber die Wut sollte mir nicht mein Leben verbittern. Ich denke, er ist in Sorge, dass sich das Verhältnis zu meinen Eltern und auch zu Onkel Harry und Tante Karola trüben könnte.«
Pfarrer Zandler und Tassilo nickten.
»Der Alois ist ein guter Menschenkenner, Lotte«, meinte Tassilo. »Er weiß bestimmt, wie sehr dich das beschäftigt. Aber er weiß auch, dass man im Leben oft Geduld haben muss. ›Kommt Zeit, kommt Rat‹, sagt man.«
»Irgendwann wird der Augenblick reif sein«, sagte Pfarrer Zandler, »deine Eltern zu fragen. Ich gebe dir etwas zu bedenken: Vielleicht hatten sie oft daran gedacht, reinen Tisch zu machen. Da sie aber so lange damit gewartet hatten, fanden sie nicht mehr den Mut dazu. Je mehr Zeit verstrich, desto schwieriger wurde es. So verging Jahr um Jahr. Vielleicht wären sie sogar erleichtert, wenn du sie darauf ansprichst?«
»Geben Sie mir den Rat, mit ihnen zu reden?«, fragte Charlotte. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Es ist doch so, das ich ihnen die Maske vom Gesicht reiße, indem ich ausplaudere, dass sie uns jahrelang unseres Großvaters verschwiegen haben. Sie haben uns angelogen. Eltern können ihre Kinder tadeln, wenn die etwas Unrechtes getan haben. Dürfen Kinder auch ihre Eltern tadeln?«
Pfarrer Zandler sah Charlotte an, sein Gesicht war sehr ernst.
»Lotte, jeder Mensch, gleich in welcher Position, kann und darf, ja, er muss darüber sprechen, wenn Unrecht begangen wird. Es kommt nur auf die Form an. Lass dir Zeit, Lotte! Jetzt sind die Gefühle noch zu frisch. Aufgewühlte Emotionen sind nie gute Ratgeber. Genieße die Wochenenden auf der Berghütte! Du lernst deinen Großvater jedes Mal besser kennen. Das wird dich stark machen und du wirst einen Weg finden.«
»Danke, dass Sie mir Mut machen, Pfarrer Zandler! Im Augenblick führe ich in gewisser Weise ein Doppelleben. Und mir ist unwohl dabei. Dazu kommt, dass meine Eltern und meine Großeltern sich allmählich wundern, was ich an den Wochenenden treibe. Ich will nicht lügen, also winde ich mich heraus.«
»Und wie schaffst du das?«
»Ich sage, ich fahre ins Blaue und studiere alte Bauernhäuser mit Lüftlmalereien. Was auch nicht gelogen ist. Ich interessiere mich für alte Gebäude und schaue sie mir an. Nur, dass sie alle in Waldkogel stehen, das verschweige ich.«
»Lotte«, sagte Pfarrer Zandler, »bis du eine Lösung gefunden hast, kannst du des ruhig so machen. Du hast vergessen, dieses Detail zu erwähnen. Meinen Segen hast du! Mei, ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo in der Bibel steht, dass man nichts vergessen darf. Was sagst du dazu, Tassilo?«
Pfarrer Zandler lächelte Charlotte verschmitzt zu.
»Man soll nicht lügen, das stimmt schon«, sagte Tassilo. »Aber dass man mal vergessen kann, etwas zu erzählen, davon steht nix in den Geboten. Des ist eine gute Eselsbrücke, die du dem Madl gebaut hast, Heiner.«
»Und die Leute werden heute immer vergesslicher«, blinzelte Pfarrer Zandler Charlotte zu.
Sie lachte. »Herr Pfarrer, Sie sind ganz schön gerissen. Trotzdem, danke für die Eselsbrücke! Sie gibt mir ein Stück inneren Frieden.«
Charlotte legte die Tüte mit dem Schnupftabak ins Auto.
»Da kommt mir eine Idee«, sagte Pfarrer Zandler. »Zu unserer Diözese gehört eine Schule, der ein Internat und ein Waisenhaus angeschlossen ist. Sie werden von Nonnen geführt. Das Kloster ist ein sehr altes Gebäude, mit wunderschönen Malereien im Kreuzgang des Innenhofs. Außerdem gibt es Räume, in denen der Stuck mal wieder ausgebessert werden müsste. Ich treffe mich oft mit der Mutter Oberin. Vielleicht kann ich etwas für dich tun? Im Kloster gibt es Werkstätten und einen Bildhauer, der mit der Renovierung des Klosters und der denkmalgeschützten Klosterkirche beauftragt ist.«
»Das klingt sehr interessant«, sagte Charlotte. »Die würde ich mir gern ansehen, wenn ich darf.«
Pfarrer Zandler bat Charlotte um ihre Handynummer und die Festnetznummer in München. Sie gab ihm beide.
Charlotte war begeistert.
»Ich muss für mein Architekturstudium noch ein Praktikum am Bau nachweisen, obwohl ich ausgebildete Stuckateurin bin. Vielleicht könnte ich ein Praktikum bei dem Bildhauer machen?«
Pfarrer Zandler lächelte geheimnisvoll.
»Ein Praktikum in der Nähe von Waldkogel, das wäre ideal. Dann bräuchte ich nicht mehr zu schummeln, wenn ich in die Berge fahre«, ergänzte Charlotte.
»Du bist ein kluges Madl, Lotte«, lobte sie Pfarrer Zandler. »Das nennt man Politik.«
»Politik?«, wiederholte Charlotte fragend und sah den Geistlichen schmunzelnd an.
»So würde es mein Freund und Bürgermeister, Fritz Fellbacher, umschreiben. Politik ist, etwas so darzustellen, dass es vorteilhaft aussieht und man die Schwachstellen nicht erkennt.«
Charlotte lachte und schaute dann auf die Uhr.
»Ich muss los. Großvater Alois wartet sicher schon sehnsüchtig.«
Sie verabschiedete sich.
»Richte Alois und allen auf der Berghütte Grüße von uns aus!«, sagte Tassilo.
Charlotte versprach es. Sie bedankte sich noch einmal für die Einladung und stieg in ihren bunten Jeep. Während sie die Hauptstraße hinunterfuhr, winkte sie mit einer Hand aus dem Fenster.
Tassilo wandte sich an Zandler. »Du hast doch einen Plan!«
»Einen sehr guten Plan, Tassilo. Allerdings habe ich erst den groben Rahmen. Ich bin dabei, die Feinheiten auszufeilen, verstehst du?«
Tassilo grinste. »Du willst es mir nicht sagen?«
»Nein, über ungelegte Eier soll man nicht sprechen. Ich gehe jetzt telefonieren.«
»Du willst die Mutter Oberin anrufen?«
»Ich will versuchen, sie zu meiner Komplizin zu machen.«
Sie verabschiedeten sich. Zandler ging ins Pfarrhaus. Tassilo stieg ins Auto und fuhr heim.
*
Petra trat aus der Haustür, als Carmen vor dem Haus parkte. Sie ging ihr entgegen und hielt die Gartentür auf.
Die beiden Freundinnen begrüßten sich herzlich.
»So still hier«, bemerkte Carmen.
Petra lachte laut.
»Nina und Luca habe ich zum Spielen geschickt, gleich nachdem du angerufen hast. Sie sind bei Freunden in der Nachbarschaft. Du hast es sehr wichtig gemacht am Telefon. Doch jetzt komme erst mal rein! Ich habe auf der Terrasse hinter dem Haus den Tisch gedeckt. Dann erzählst du mir in aller Ruhe, was dir auf dem Herzen liegt.«
Die beiden Freundinnen gingen durch den Garten. Sie setzten sich an den gedeckten Tisch. Petra schenkte Kaffee ein. Sie wollte Carmen ein Stück Kuchen auf den Teller legen.
Carmen wehrte entsetzt ab.
»Ich esse nichts Süßes, das weißt du. Ich muss auf meine Linie achten. Frauen mit Pölsterchen haben schlechte Karten in meinem Beruf.«
»Du bist Modejournalistin und kein Modell«, stellte Petra fest.
»Wenn man im Modebusiness arbeitet, muss man sich anpassen. Da gilt es, mit den Wölfen zu heulen. Hätte ich eine rundliche Rubensfigur, hätte ich es nie so weit gebracht. Fülligen Frauen wird einfach die Kompetenz in Sachen Mode abgesprochen.«
»Das kann ich nicht glauben«, sagte Petra. »Aber lassen wir das! Darüber waren wir uns noch nie einig. Also, was hast du auf dem Herzen, Carmen?«
»Es geht um Lenz und seine Kinder. Mit Lenz und mir wird es enger und enger. Wir werden wohl noch in diesem Sommer heiraten.«
»Glückwunsch! Du hast den Goldfisch endlich an der Angel«, sagte Petra.
»Das stimmt. Er frisst mir aus der Hand. Er betont immer wieder, ich habe ihm, nach dem Tod seiner Frau, neuen Lebensmut gegeben.«
»Seit wann ist er Witwer?«
»Seine Rosi starb vor sechs Jahren. Die Kinder gingen noch nicht zur Schule. Jetzt sind Mia und Florian zehn, eigentlich fast elf.«
Carmen trank einen Schluck Kaffee.
»Und um die Kinder geht es mir – ich habe keine Ahnung von Kindern. Gib du mir als Expertin bitte einen Schnellkurs! Du hast zwei in dem Alter.«
Petra lachte laut. »Carmen, wie stellst du dir das vor? Es kommt mir vor, als suchtest du nach einer Gebrauchsanweisung oder einem Beipackzettel, wie bei Medikamenten!«
Carmen errötete leicht. »Ich suche nach einer Formel, wie aus mir, Lenz und seinen Kindern eine glückliche Familie wird. Ich muss unser Verhältnis optimieren, sonst wird das nicht so perfekt, wie ich mir das vorstelle!«
Petra sah sie verständnislos an. »Ich fürchte, mit einer Formel kann ich dir nicht dienen. Du musst schon ein wenig konkreter werden.«
Carmen wedelte ungeduldig mit den Händen.
»Ich frage mich, womit kann ich die beiden beeindrucken? Was beschäftigt Kinder in ihrem Alter? Ich will sie auf meine Seite ziehen.«
»Du willst dich anbiedern?«
»Nein, das klingt hart. Ich will ihnen nur zeigen, dass ich mich für sie interessiere. Ich finde irgendwie keinen Zugang zu ihnen. Ich bemühe mich, aber da ist eine Wand zwischen mir und den Kindern. Es fehlt etwas. Ich kann es schlecht ausdrücken. Ich suche etwas, was eine Verbindung schafft zwischen mir und den Kindern. Etwas Gemeinsames, was uns näherbringt.« Carmen seufzte. Sie war ehrlich zerknirscht.
»Und das fragst du jetzt?«, sagte Petra. »Du bist schon über drei Jahre mit Lenz zusammen und kennst die Vorlieben der Kinder nicht? Dann hast du schlechte Karten, liebe Carmen. Das sage ich dir ganz offen.«
Carmen schüttelte den Kopf. Sie nahm sich jetzt doch ein Stück Torte.
»Ich muss jetzt sündigen. Ich brauche Nervennahrung. Heute Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen. Petra, ich habe Angst. Werde ich seine Liebe verlieren, wenn ich es nicht schaffe, dass die Kinder mich mögen?«
»Mm, keine Ahnung! Es kommt darauf an, wie stark seine Liebe zu dir ist. Bekämpfen dich die Kinder? Lehnen sie dich ab? Motzen sie?«
Carmen schüttelte den Kopf.
»Nein, so kann man es nicht sagen. Sie sind sehr lieb. Das waren sie schon immer. Ich kann eigentlich nicht Klagen. Sie sind freundlich und höflich. Schon fast zu höflich. Und sie essen, wenn ich mal gekocht habe.«
»Warum fürchtest du dich dann? Scheint doch alles bestens zu sein.«
»Zurzeit nehmen die Kinder an einem Nachmittagsunterricht in der Schule teil. Sie kommen erst abends heim, wenn ihr Vater da ist. Meistens holt er sie nach der Arbeit ab, wenn es möglich ist. Die Kinder sind sehr selbstständig. Lenz möchte sie nach unserer Hochzeit nicht länger in der Ganztagsschule lassen. Bei mir wären sie besser aufgehoben, sagt er. Lenz wünscht sich, dass ich beruflich kürzer trete und meine Festanstellung aufgebe. Die Idee ist nicht schlecht. Ich bin Mitte dreißig, und du weißt, dass das ein Alter ist, wo der berufliche Nachwuchs anfängt, an den Stühlen zu sägen. Die Modebranche ist jung und flippig. Lenz meint, ich könnte freiberuflich arbeiten, Modekolumnen schreiben.«
»Ist doch eine gute Idee! Das mit den Kolumnen gefällt mir. Außerdem tickt deine biologische Uhr. Will Lenz noch ein Kind?«
»Natürlich will er. Und ich bin nicht abgeneigt. Ich habe ihm aber signalisiert, dass die Kinder mich erst wirklich akzeptieren müssen. Du verstehst?«
»Carmen, es ist schön, dass du dir so viele Gedanken machst, aber du bist doch gut dran. Sie arbeiten nicht gegen dich. Da habe ich schon ganz andere Geschichten gehört! Es gibt echte Biester und Horrorkinder!«
»Das stimmt, aber sie sind auch nicht gerade begeistert. Sie brechen nicht in Jubel aus, wenn sie mich sehen.«
»Hast du mir nicht einmal gesagt, dass sie ohnehin sehr ruhig sind?«
»Sie sind nicht sehr lebhaft, nicht so wie deine Kinder. Mia und Florian sitzen am liebsten in ihrem Zimmer. Sie lesen und beschäftigen sich am Computer. Sie scheinen mathematisches Verständnis zu haben, das weit über ihr Alter hinausgeht. Da kommen sie ganz nach Lenz. Sie haben wohl seine Gene.«