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Der Antiquitätenhändler Siegfried Kath war der wohl einzige Selfmade-Millionär der DDR und dabei ein Grenzgänger zwischen Ost und West. Wenige Monate nach Schließung der innerdeutschen Grenze wanderte er im Jahr 1961 in die DDR ein – scheinbar aus Versehen. Innerhalb von zehn Jahren baute er sich vom sächsischen Pirna aus ein extrem lukratives Kunsthandelsimperium auf und geriet damit ins Visier des Ministeriums für Außenhandel: Alexander Schalck-Golodkowskis Kommerzielle Koordinierung, die legendäre KoKo. Der Historiker Christopher Nehring hat die Archivquellen zu Siegfried Kath ausgewertet und im familiären Umfeld geforscht. Mit "Millionär in der DDR" legt er die erste Biografie dieser schillernden Figur vor. Vom Tellerwäscher zum Antiquitätenmogul – Kath lebte mitten im Sozialismus den American Dream. Dafür musste er auf drastische Weise bezahlen, als er 1974/75 von der KoKo abserviert, von der Stasi verhaftet und dann abgeschoben wurde. Doch Kath ließ sich nicht lange fernhalten. Schon kurze Zeit später betrat er wieder den Boden der DDR, konnte allerdings weder im Osten, noch im Westen Deutschlands jemals wieder an alte Zeiten anknüpfen. Nehring folgt Kaths Geschichte in all ihren erstaunlichen Wendungen. Ihm gelingen spannende Einblicke in eine unkonventionelle deutsch-deutsche Geschichte, in der die historischen Hintergründe von Bundesrepublik und DDR in ihrer Unterschiedlichkeit, aber auch in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit hervortreten.
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Seitenzahl: 230
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Christopher Nehring
Millionär in der DDR
Die deutsch-deutsche Geschichte des Kunstmillionärs Siegfried Kath
ISBN (Print) 978-3-96317-100-0
ISBN (ePDF) 978-3-96317-600-5
ISBN (EPUB) 978-3-96317-735-4
Copyright © 2018 Büchner-Verlag eG, Marburg
Umschlaggestaltung: Collage des Autors in Kooperation mit Franz-Michael Günther
Bildnachweis Umschlag: Fotografie von Franz-Michael Günther
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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
www.buechner-verlag.de
von Craig R. Whitney
Dieses Buch erzählt eine Geschichte, die unglaublich, aber wahr ist. Die Geschichte eines der wenigen selfmade Millionäre in der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Einwanderer, der als Unternehmer reich wurde, den american dream im Sozialismus lebte. Bis er fiel.
Vier Monate nach der Errichtung der Berliner Mauer 1961 fährt Siegfried Kath, ein ahnungsloser junger Mann aus der Bundesrepublik Deutschland, in die Deutsche Demokratische Republik. Ohne Reisepass, ohne Visum, angeblich um seine Verwandten dort zu besuchen. Er wird verhaftet, aber schließlich darf er bleiben.
Dort entdeckt er, dass es möglich ist, auch im Sozialismus ein privates Geschäft zu führen – als Antiquitätenhändler. Kunstwerke, Porzellanstücke, Uhren und Möbel sammelt er von privaten Haushalten. Dann verkauft er die Waren in seinem kleinen Laden, mit Gewinn. Das Geschäft läuft gut, so gut, dass der DDR-Staat als Partner einsteigen will. Ulbricht, Honecker, Mielke, die Außenhandel-GmbHs und ihr System brauchen Devisen, harte D-Mark. Warum nicht mit Antiquitäten, die Kath und seine Einkäufer mit Staatshilfe in der DDR aufkaufen und dann in die Bundesrepublik schicken?
Nach Abzug der Kosten und Provisionen fließt reichlich harte Währung in die Staatskasse. Der Umsatz steigt in die Millionen und nach zehn Jahren in der DDR steht Siegfried Kath – kaum zu glauben – als Millionär dar.
Aber ein Millionär, der einem Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Mit Partnern wie Alexander Schalck-Golodkowski, ein Offizier der Staatssicherheit und Leiter des später berüchtigten Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) im Ministerium für Außenwirtschaft.
Die misstrauischen Aufseher und Schlapphüte der Stasi haben diesen eingewanderten Kath schon lange im Visier. Wilde Vermutungen und Spekulationen, Kath sei West-Agent, ein Schmuggler, ein Schwätzer. Irgendwann sehen auch Schalck-Golodkowski und Co, dass der Paradiesvogel Kath nicht der diskrete Partner ist, den sie sich wünschen. Er hat seine Schuldigkeit getan, das Geschäft aufgebaut, dann wird er nicht mehr gebraucht, wird als Konkurrent und Gefahr betrachtet. Im April 1974 wird er festgenommen. Der Staat übernimmt sein ganzes Geschäft und alles was er besitzt – im Wert von 2 bis 2,5 Millionen D-Mark – und schickt ihn zurück in die Bundesrepublik.
Dabei hilft ein zweiter DDR-Millionär: der berühmte Rechtsanwalt Wolfgang Vogel – »Advocatus Diaboli«. Vogel hatte seine eigenen »Partner« im DDR-Staatsapparat, in der Stasi, in der Bundesrepublik und den USA. Auch er wurde zum DDR-Millionär, tauschte dabei nicht Kunst und Antiquitäten, sondern politische Gefangene und Spione zwischen Ost und West.
In den Westen soll auch Siegfried Kath verschwinden, Vogel brachte ihn in seinem Mercedes am 6. Juni 1975 zur Grenzübergangsstelle Wartha-Herleshausen. Die Bundesregierung hat Kath nicht freigekauft, aber für die Freilassung von 33,755 politischen Häftlingen zwischen 1964 und 1989 mehr als 3,4 Milliarden D-Mark bezahlt und durch Vogel über Kanäle der Evangelischen Kirche nach Ost-Berlin transferiert. Auch hier war Schalck-Golodkowski eine der Hauptfiguren auf DDR-Seite.
Aber Kaths Geschichte endete nicht 1975. Noch bevor er das Gefängnis verlassen durfte, boten ihm sein ehemaliger Geschäftspartner an, bei seinem Neuanfang im Westen zu helfen. Der Preis: Stillschweigen über ihre Geschäftsmethoden und Partner im Westen. Kurz nach seiner Entlassung darf Kath wieder nach Ost-Berlin und bekommt 20.000 DM als Startkapital – von denselben »Partnern«, die ihn gerade ruiniert hatten.
Was dann passierte, kann man in diesem spannenden Buch lesen – und danach nur den Kopf schütteln. Doch kein einziger Satz ist erfunden, manchmal ist es einfach so: Life is stranger than fiction.
Craig R. Whitneywar jahrelang Korrespondent der New York Times in Saigon, Bonn, Ost-Berlin, Moskau, Washington, London, Paris. 1993 veröffentlichte er nach langen Gesprächen mit Wolfgang Vogel das Buch: »Advocatus Diaboli: Wolfgang Vogel – Anwalt zwischen Ost und West« (Siedler Verlag, 1993).
Viele Zahlen in der DDR waren geheim. Wie hoch war die Staatsverschuldung? (Zuletzt ca. 172 Mrd. Mark oder 83% des BIP von 1989). Wie viele hauptamtliche Mitarbeiter hatte die Stasi? (91.015). Wie viele Tote gab es an der innerdeutschen Grenze? (872 bis 1.393).1
Eine Zahl freilich hätten selbst die geheimsten der geheimen Statistiker in Ost und West nicht finden können: Wie viele Millionäre gab es in der DDR? Antwort unbekannt. Eigentlich hätte die Antwort »genau 0« lauten müssen. Millionäre? Im Paradies des Arbeiter- und Bauernstaates, in dem sich Funktionäre und Reinigungskräfte vor Gleichheit die Klinke in die Hand gaben? Nach offizieller Lesart des Kommunismus unvorstellbar. Wo das Privateigentum an Produktionsmitteln als Grundübel allen Daseins abgeschafft werden sollte, war die massenhafte Anhäufung von Geld und Wertgegenständen ein Anathema. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wurden Millionäre im Sozialismus auch nicht gezählt.
Trotzdem gab es sie, spätestens in den 1980er Jahren pfiffen es die Spatzen von den Dächern. Die Glaubwürdigkeit des Sozialismus verschwand auch deshalb, weil die Kluft zwischen der Bevölkerung und dem »roten Adel« immer offensichtlicher wurde. So stellt man sich den DDR-Millionär gewiss auch vor, als beleibtes Mitglied der politischen Elite.
Die Genossen der ersten Reihe, die Honeckers und Mielkes gehörten, obgleich nicht von Armut gezeichnet, allerdings nicht dazu. Bei Alexander Schalck-Golodkowski oder Wolfgang Vogel sah es schon anders aus.2 Beide standen inmitten der deutsch-deutschen Beziehungen und kassierten von beiden Seiten. Ihr tatsächliches Vermögen ließ sich nie genau beziffern, kumulativ gerechnet mussten sie die Millionengrenze indes in den 1970ern überschritten haben. Politstars, die sich unersetzlich gemacht hatten. Der eine als Devisenbeschaffer, der andere als Eminenz der Häftlingsfreikäufe und des Agentenaustauschs.
Manfred von Ardenne, Naturwissenschaftler, Erfinder und Direktor eines riesigen Forschungsinstituts in Dresden war hingegen ein Sonderfall. Als Parteiloser verdankte er sein Vermögen nicht seiner Stellung als Funktionär. Als einer der Forscher des sowjetischen Atombombenprogramms 1945–1954 war er mit Staats- und Stalinpreis ausgezeichnet worden und erreichte eine Sonderstellung in der DDR. Nach Jahrzehnten im Staatsauftrag gestattete man ihm Patente und den Betrieb eines privatwirtschaftlichen medizinischen Forschungszentrums. Unzweifelhaft war es seinem sowjetischen Heldenstatus und seiner Regimetreue geschuldet, dass man ihn letztendlich auch beim Geldverdienen gewähren ließ.3
Zu einer ganz anderen, kaum bekannten Kategorie Wohlhabender gehörten die wenigen selbstständigen Unternehmer der DDR. Manufakturen, Handwerker und Gewerbetreibende, die sich irgendwie – niemand weiß so recht wie – in der Provinz (und fast nie in den Großstädten) halten konnten. Klaus Felgentreff ist einer der Namen, die in diesem Zusammenhang durch die Geschichte geistern. Gelernter Roßschlächter aus dem Leipziger Umland sattelte er in den 1970er Jahren um – im wörtlichen Sinne, als Gründer eines Fuhrparkimperiums. Bis heute existiert die von ihm gegründete Firma, der MDR listete ihn als DDR-Millionär. Die Einzelheiten dieses Aufstiegs sind allerdings nach wie vor unklar.4 Wie konnte sich ein privater Fuhrunternehmer dem staatlichen Druck widersetzen? Welche Form der Allianz ging das Unternehmen mit dem SED-Staat ein, der wohl sein größter Auftraggeber war? Keine Antworten, nur eine spannende Geschichte, die ihrer Erzählung harrt.
Ähnliches gilt auch für die großen Künstler und Kulturschaffenden der DDR, die es nicht nur zu internationalem Ruhm, sondern auch zu Reichtum schafften. Genies der klassischen Musik zum Beispiel, wie der Leipziger Dirigent Kurt Masur.5 Gastspiele und Plattenaufnahmen brachten nicht nur Anerkennung, sondern eben auch das notwendige Kleingeld. Heinz Bormann aus Magdeburg, der »Dior der DDR«, stieg von einer einfachen Nähwerkstatt zum gutverdienenden Modeschöpfer auf.6
Eine unvollständige Aufzählung, eine Forbes-Liste, ein who is who? der Reichen in der Deutschen Demokratischen Republik gab es nicht. So ungezählt wie ihr privat angehäuftes Vermögen waren auch die sozialistischen Millionäre.
Millionäre in der DDR – an und für sich also schon ein Kuriosum. Die Geschichte des DDR-Millionärs Siegfried Kath, die hier erzählt wird, war noch um ein Vielfaches ausgefallener.
Er kam nicht aus der Funktionärsklasse, hatte keine Heldenvergangenheit – ja, er kam nicht einmal aus der DDR! Siegfried Kath kam aus der Bundesrepublik und legte im sozialistischen Teil Deutschlands einen Bilderbuchaufstieg hin: Migrant, Kellner, Millionär, der amercian dream in der DDR.
Dabei sollte es nicht bleiben. Siegfried Kaths Schicksal verlief stattdessen in der Umlaufbahn einer klassischen Tragödie, war geprägt von Aufstieg, der schicksalshaften Begebenheit und dem unvermeidlichen Abschwung bis zum katastrophalen Niedergang. Er fiel derweil nicht von allein, eine Fama in allerhöchsten Staatskreisen der DDR entspannte sich gegen ihn. Alle wollten seinen Niedergang, voran die Stasi, das Devisenimperium des Alexander Schalck-Golodkowski, der Staatliche Kunsthandel der DDR, seine Nachbarn. Sie bekamen alsbald, was sie wollten. Am Ende stand Siegfried Kath wieder dort, wo er Jahre zuvor angefangen hatte: mittellos, traumatisiert und in Niedersachsen.
Seine Reaktion auf das Scheitern verdutzte, machte Staunen, alle außer ihm selbst. Er wandte sich wieder an seine alten Partner in Ost-Berlin. Jene, die ihn erst groß und dann wieder klein gemacht hatten. Viel Glück brachte es ihm nicht. Bald traf ihn ein persönlicher Schicksalsschlag und Siegfried Kath geriet in Vergessenheit. Nach dem Untergang der DDR tauchte auch sein Name gelegentlich in den Untiefen der historischen und strafrechtlichen Aufarbeitung auf. Er geisterte durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und mediale Strohfeuer. Irgendwo zwischen KoKo, Devisen, Millionen, politischen Häftlingen und DDR-Größen war auch sein Name zu lesen.
Jede einzelne Erwähnung war ein Mosaiksteinchen zu Siegfried Kath. Im Mittelpunkt immer seine erfolgreichsten Jahre in der DDR und seine Verhaftung, zeitlich verengt auf die Jahre 1969–1975. Eine Biografie von Kath und eine Dokumentation dieser Story, die Hollywood nicht skurriler und tragischer hätte schreiben können, war überfällig. Ein Leben als Drehbuch. Siegfried Kath eröffnet den Blick in Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte, die, so merkte man auch während der Recherchen und zahllosen Gespräche bei der Vorbereitung dieses Buchs, mit größer werdendem zeitlichem Abstand immer weiter verschwimmen. Ein Unternehmer als Opfer? Ein selfmade Millionär in der DDR? Auf den ersten Blick alles unglaubwürdig.
Siegfried Kath war, gelinde gesagt, kompliziert. Er entzog sich sicher geglaubten historischen Kategorien und Kategorisierungen, Begrifflichkeiten und Bewertungen. Immer wieder mussten diese in seinem Fall überdacht, gewechselt, verworfen oder in Anführungszeichen gesetzt werden. Die Komplexität seiner Person und seiner Lebensgeschichte, die ständigen Widersprüche und seine Weigerung, sich greifen und durchschauen zu lassen, sie trugen sicherlich dazu bei, dass er immer nur in Teilen, aus der Distanz behandelt oder oftmals gleich links liegen gelassen wurde.
Gleichzeitig machte genau das auch die Faszination aus, die von Siegfried Kath ausging. Wie konnte es sein, dass ein Westdeutscher in der DDR zum Millionär wurde? Stand Siegfried Kath hier repräsentativ für eine oftmals vernachlässigte und zahlenmäßig kleine Gruppe oder war er ein Ausnahmefall? Wie stand Siegfried Kath zum SED-Staat, machte er sich in irgendeiner Weise zum Täter oder wurde er zum Opfer gemacht? Kath als Opfer, Kath als Täter, beide Versionen wurden immer wieder stimmhaft artikuliert, auch im Zuge dieser Recherchen. War er ein sauberer Unternehmer oder ein windiger Geschäftemacher?
An Siegfried Kath waren nicht nur die historischen Entwicklungen und Hintergründe interessant, sondern auch der Charakter, die Persönlichkeit und Psyche, die dahinterstand. Was musste er für ein Typ sein, um ausgerechnet in der DDR, zu genau diesem Zeitpunkt zum Millionär zu werden? Um diese Frage zu beantworten, musste neben dem faktischen und chronologischen Erzählstrang zwangsläufig auch ein Blick auf die persönliche psychologische Erklärung gerichtet werden. Die Distanz zum Protagonisten wurde so immer wieder überwunden, um den Menschen Siegfried Kath hinter der dicken Hülle seiner Geschichte hervorzuholen. Warum er seine Entscheidungen so traf, wie er sie traf, warum er in die DDR kam und warum er wieder den geschäftlichen Kontakt zu jenen suchte, die ihm geschadet hatten, diese Fragen hatten in dieser Betrachtung ebenso viel Gewicht wie die Erzählung dessen, was eigentlich passierte. Herausgekommen ist auf diese Weise neben der Biografie des Menschen Siegfried Kath auch die des Unternehmers Siegfried Kath.
In diesem Sinne hält die Geschichte des Siegfried Kath auch für diejenigen etwas bereit, die selbst einmal von Millionen träumten oder träumen. Eine »Psychologie der Superreichen«, die nach den mentalen Dispositionen jenes Teils reicher Unternehmer fragt, die sich ihren Reichtum selbst aufgebaut haben.7 Dabei schwingt auch die Frage nach der Wiederholbarkeit mit, nach den erfolgsbedingenden psychischen Faktoren. Wäre der unternehmerisch erfolgreiche Teil von Siegfried Kaths Leben wiederholbar gewesen?
»Ich hatte eine glückliche Kindheit, bis wir Pommern verlassen mussten.«8 Ohne sich dessen genau bewusst zu sein, verriet Siegfried Kath mit dieser Aussage in den Verhören der Staatssicherheit 1975 mehr über sich und sein Leben, als er eigentlich wollte.
Am 12. Dezember 1936 in Steglin (Kreis Köslin, heute poln. Szczeglino) geboren, blieben Siegfried Karl Willi Kath, wie so vielen anderen Deutschen in Pommern, nur wenige unbeschwerliche Jahre. Von dem deutschen Angriff auf Polen und die Sowjetunion bekamen er und seine Familie wenig bis gar nichts mit. Erst das Vorrücken der Roten Armee an der Ostfront traf sie mit voller Härte. Als seine Familie nach Niedersachsen flüchtete, war der kleine Siegfried kaum acht Jahre alt. Zur geografischen Entwurzelung kam der Tod des Vaters in den letzten Kriegsjahren hinzu. Der gelernte Ofensetzer wurde noch 1944 für Führer und Reich eingezogen und kehrte nie wieder zurück. Sein Dahinscheiden bedeutete für die Familie in dieser harten Zeit eine Katastrophe.9 Der junge Halbwaise sprach selten darüber, doch die Erfahrung, wie der fest geglaubte Boden einfach so unter den Füßen hinwegbrechen konnte, grub sich tief in ihn hinein.
Die Trennung zwischen einer normalen, von Leichtigkeit, Geborgenheit und Sicherheit geprägten Kindheit und dem Übergang in eine vom ganzen Ernst des Lebens gekennzeichnete Frühadoleszenz kann im Leben des Siegfried Kath sehr genau datiert werden. Sein erster, als »gut« und »glücklich« bewerteter Lebensabschnitt endete mit der Flucht der Familie nach Niedersachsen. Eine tiefe Zäsur, mit allem, was sie wirtschaftlich, finanziell und emotional für die Familie Kath mit sich bringen sollte. Kaum zufällig also ließ Siegfried Kath seine »Kindheit« mit der Flucht und Umsiedlung im letzten Kriegsjahr enden. Allzu deutlich machte er: Seine kindliche Entwicklungsphase nahm im achten Lebensjahr ihr zwangsläufiges Ende, als die Familie die ganze Last des entfesselten und verlorenen Krieges zu spüren bekam. Die Flucht an sich mochte nur wenige Wochen gedauert haben, die Folgen für die Kaths waren – ebenso wie bei Millionen anderer Vertriebener und Kriegsflüchtlinge – ein Leben lang zu spüren. Auch Siegfried Kath war in den ersten beiden Nachkriegsjahren nicht der gleiche Junge, der er ohne die Entwurzelung und das harte Leben am Existenzminimum während des Wiederaufbaus hätte sein können.
Trümmerfrauen, Aufbaumänner, Kriegsheimkehrer und Alt-Nazis, sie formten das Amalgam für das Bild der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Wie für so viele Deutsche seines Jahrgangs waren es für Siegfried Kath weniger die Kriegsjahre selbst, als vielmehr die Zeit des Wiederaufbaus, die formierend auf ihren Charakter wirkte. Die Frühadoleszenz, Pubertät und die Jahre als junger Erwachsener waren dem physischen Überleben gewidmet. Das persönliche »Wollen« musste lange hinter dem familiären »Müssen«, das Immaterielle hinter dem Materiellen zurücktreten. Für die Beschäftigung mit Nationalsozialismus, Entnazifizierung, gesellschaftlichem und politischem Umbau war da wenig Platz. Diese Einstellung, die eine vorgebliche Möglichkeit des Einzelnen zum apolitischen Leben zum Inhalt hatte, sollte Kath sein Leben lang beibehalten.
Als ältester Sohn einer verwitweten Vertriebenen musste Siegfried Kath schnell in die Rolle eines Erwachsenen schlüpfen. Und dies im Alter von neun Jahren. Zwar blieb seine Mutter Hertha nicht lange alleinstehend, daraus sollten sich gleichwohl für Siegfried nicht nur zusätzliche emotionale, sondern auch wirtschaftliche Probleme ergeben. Kaths Verhältnis zu seinem Stiefvater war bestenfalls angespannt. Seine Mutter Hertha hatte nur kurz nach dem Tod seines Vaters und der Flucht Janek Markowski geheiratet, ebenfalls Kriegsflüchtling aus Warschau, den sie im Sammellager kennengelernt hatte. Die Partnerschaft glich mehr einer Zweckehe, denn einer romantischen Liebe. Als einen »faulen Trinker« bezeichnet Annelies Kath den Stiefvater ihres verstorbenen Mannes noch heute. Markowski spülte das Kriegstrauma allzu oft mit großen Mengen Vodka hinunter. Die Konflikte zwischen Stiefvater Markowski und dem Kath’schen Familienältesten Siegfried waren da vorprogrammiert. Als Janek eines Tages ein von Siegfried in mühsamer Kleinarbeit selbst zusammengebautes Fahrrad versetzte, kam es zur körperlichen Auseinandersetzung. Siegfried selbst schloss den Stiefvater in der Folge aus seinem Leben aus. Vielsagend gab er 1974 bei seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft an, von der Mutter erzogen worden zu sein und zu seinem Stiefvater »kaum Kontakt« gehabt zu haben.10 Ein positives männliches Rollenvorbild in der Familie hatte Kath also nie kennengelernt, stattdessen wurde er selbst zu einem, lernte, sich selbst zu helfen, um das Leben zu meistern. Dies galt auch für die Vorbildrolle gegenüber dem drei Jahre jüngeren, leiblichen Bruder Gerd und den Markowski-Halbbrüdern Jürgen, Günther, Helmut und Johannes. Im Gegensatz zu seiner Beziehung zu Jannek Makowski pflegte Siegfried mit seinen Geschwistern ein herzliches Verhältnis, war Erzieher und (Mit-)Versorger zugleich. Widersprüchlich blieb sein Familienkontakt über die Jahre, ob im Westen oder später im Osten. Hier der Stiefvater, der für ihn inexistent geworden war, dort seine Halbbrüder, mit denen er auch während der kommenden, unruhigen Jahre in freundschaftlichem Kontakt stand und irgendwo dazwischen sein leiblicher Bruder Gerd. Mit Letzterem entfaltete sich das Verhältnis zwischen brüderlicher Rivalität, finanziellem Neid und Siegfrieds manchmal rauer Art. Helmut hingegen war sein gut behüteter Augapfel, den er speziell umsorgte und wegen seines Fleißes besonders schätzte.
Siegfried Kath mit seinem Halbbruder Günther Kath, im Spiegel zu sehen Annelies’ Neffe Frank, ca. 1970, Privatarchiv Annelies Kath
Siegfried Kath mit Annelies’ Mutter Schneider und dem Aushilfs-Studenten Rafael, ca. 1979, Privatarchiv Annelies Kath
Seine frühen Familienbeziehungen wirken heute wie aus dem Geschichtsbuch. Episoden aus einer anderen Zeit, die emotional nur schwer nachzufühlen sind. Genau sie legten die Grundlage für seinen Charakter, der später seine Handlungen leiten sollte. Dort waren Sensibilität und die Weichheit liebevoller Kontakte tief begraben worden unter den Auswirkungen der Vaterlosigkeit und sozialen Erschwernissen.
1952, mit jugendlichen 15 Jahren, verließ Siegfried Kath das Elternhaus. Die Volksschule hatte er beendet und begann eine Bergmannslehre als »Kumpel« bei der Zeche »Haus Aden« in Oberaden, Kreis Unna im Ruhrgebiet. Nichts wie raus wollte er, körperliche Arbeit und schwere Bedingungen schreckten ihn nicht – ein Aspekt, der sich durch sein Leben zog. Durchs Leben boxte sich Kath ohnehin, während der Lehre stieg er dazu auch in den Ring – als Freizeitboxer.
Nach zwei Lehrjahren wurde er zum Knappen, unter Tage hielt es ihn allerdings nicht. Ein Blick auf die wankelmütigen Züge in Siegfrieds Charakter eröffnet sich, als er in den folgenden Jahren von Beschäftigung zu Beschäftigung springt. Wie Siegfried erst Jahre später gegenüber seiner Frau Annelies zugeben würde, war Innenarchitektur der Berufstraum seiner jungen Jahre. Ein Studium für einen Flüchtling ohne Familienbesitz Mitte der 1950er Jahre? Eine finanzielle Unmöglichkeit.
1956 verließ er die Zeche, verdingte sich als Fabrikarbeiter und folgte dem trügerischen Versprechen von schnellem Geld als Vertreter. Der einsetzende Dienstleistungs- und Technisierungsboom der 1960er begann sich abzuzeichnen und spülte krude Geschäftemacher wie Sand am Meer hervor. Automaten waren für ein paar Jahre der letzte Schrei, Kaugummi-, Verkaufs- und Wäscheautomaten verhießen große Gewinne. Vor allem für die, die sie schnell mit hinterlistigen Verträgen an den Mann brachten. Einer dieser Betrüger war Rudolf Sepp, der in Goslar die Saxonia GmbH & Co KG betrieb. Musikboxen waren seine Automaten der Zukunft. Das Geschäftsmodell: Aufstellung und Wartung der Automaten in Gaststätten, Kneipen und Amüsierbetrieben. Zwischen 4.000 und 6.000 Mark kostete das die Kunden, deren Gewinnaussichten von den Vertretern zwar ausschmückend beschrieben wurden, in der Realität hingegen mau waren. Sepps wirkliches Geschäft bestand darin, seine Kunden die Gebühren in verschiedenen Schuldverschreibungen abzeichnen zu lassen, die er in einem kriminellen Kartenhaus querverband und bei Banken belieh. Das Ende vom Lied: die Saxonia ging pleite und ihre Kundenschar stand mit insgesamt 7 Millionen in der Schuld von Banken.11
Rudolf Sepps Saxonia war Siegfried Kaths erste Station in der Welt der Geschäfte. Von März 1959 bis Sommer 1961 arbeitete er dort als Vertreter, bis er kurz vor dem Bankrott angeblich auf eigenen Wunsch hin ausschied.12 Sein Engagement sagt einiges über Kath aus: Als Vertreter für einen Pleitegeier und Scharlatan, der seine Kunden gleich zweifach über den Tisch zog, legte er wahrlich keinen guten Start hin. Wie tief er in den Betrügereien seines Chefs steckte, hat er nie jemandem anvertraut. Sepp versprach auch seinen Vertretern das Blaue vom Himmel und Kath sprang bereitwillig darauf an. Es war ein Flirt mit den Schattenseiten von Unternehmertum und Geschäftemacherei, ein Spiel zwischen Wagnis und Verbrechen. Für Siegfried Kath war eine Beschäftigung in dieser Grauzone indes ein erster Schritt, ein Schritt raus aus der perspektivlosen Maloche, raus aus der abhängigen Arbeit. Seine Skrupel waren dabei offensichtlich gering. Es ging um ihn und das Geld, das er am Ende gar nicht sah.
Ähnlich erfolglos verlief seine nächste Station. Euphemistisch umtitelte er sie im späteren Verhör als »Geschäftsführer und Empfangschef«, wahrscheinlicher jedoch als Kellner und Mädchen für alles, bei der Gaststätte »Hacienda Mexikana« in der Nähe von Hannover.13 Nur wenige Monate dauerte dieses Engagement, im Dezember 1961 stand er ohne Arbeit da.
Sprunghaft war Kath auch im Privaten, zusammen mit der Arbeit wechselte er den Wohnort, mit seiner Mutter und den Brüdern unterhielt er unregelmäßigen Kontakt. Ähnliches gilt auch für seine Beziehungen zu Frauen. Mit nicht einmal 21 heiratete er am 18. Mai 1957 seine erste Frau Renate Pinkawa. Aufgrund seiner Unstetigkeit in Liebesdingen wird die Ehe, aus der Kaths Sohn Jürgen hervorging, im Mai 1960 wieder geschieden. Nur kurz danach sollte er sich auf seine schicksalsbestimmende Reise in die DDR begeben.
Rund 16 Jahre lagen für Siegfried Kath zwischen dem Umzug nach Niedersachsen und seinem Schicksalsjahr 1961. 16 Jahre lagen auch zwischen Kriegsende und Mauerbau. Die deutsche Geschichte und Siegfried Kaths Lebenslauf - manchmal überschnitten sich ihre Wege, Orte und Daten überraschend deutlich.
Der Spanne dieser gut eineinhalb Jahrzehnte kommt für das Verständnis von Siegfried Kaths späterer Entwicklung große Bedeutung zu. Das liegt weniger an einem besonderen Ereignisreichtum, denn die Stationen seiner Jugend und Arbeit sind schnell erzählt. Doch für den Unternehmer und Millionär Kath finden sich in diesem Zeitraum gleich mehrere entscheidende Erlebnisse: Einerseits müssen die einfachen und schweren sozialen Umstände, unter denen Siegfried Kath aufwuchs, als prägend für seine soziale und wirtschaftliche Gedankenwelt hervorgehoben werden. Nichts in seiner Jugend deutete auf späteren Reichtum oder seine phantastische Geschichte hin, ohne familiären Besitz, Vermögen oder Chance auf höhere Bildung. »Wirtschaft« und »Finanzen« lernte er aus der Perspektive des Überlebenskampfes, des Mangels und Strebens nach einem stets unbefriedigten Mehr. Die größte Einheit, an der er sich orientierte, war die eigene Hausgemeinschaft, darüber gab es nichts. Fleiß, Einfallsreichtum und ein Anpacken statt Zaudern waren die Kategorien, durch die er sein persönliches Vorankommen beeinflussen konnte. Als Einzelkämpfer, nicht als Teamplayer. Selfmade war Siegfried Kath bereits lange, bevor er es auch zum Millionär schaffte. Damit sollte Kath zu jener Gruppe von Millionären gehören, die aus einfachsten Verhältnissen kommend selbst für ihren Aufstieg sorgten. Skrupel, Bedenken und Überlegungen um ein größeres Wohl, kurzum gesellschaftliche und politische Überzeugungen ließ er dabei vermissen. Recht war ihm, was ihn voranbrachte.
Das self als Kategorie war dabei in Kaths Leben mindestens genauso bedeutend wie das made. Seine familiären und persönlichen Bindungen in Kindheit und Jugend offenbarten vor allem, dass neben ihm nie eine dominante Persönlichkeit existierte oder existieren konnte. Der relativ kurzen Zeit der Vaterlosigkeit zwischen 1944 und 1946 kam in dieser Hinsicht eine große Bedeutung zu. Mit seinem Stiefvater verband ihn nur Abneigung, gegenüber den Brüdern nahm er selbst eine Vorbildrolle ein. Kontakt zur Familie gab es nur sporadisch, er wirkte auch vor 1961 manchmal isoliert von seinen Mitmenschen. Ein Zustand, der bis zu seinem Tod keine Änderung erfahren sollte. Anhaltende Freundschaftsbeziehungen waren nicht bekannt, eine kurze und erfolgreich gescheiterte Ehe, daneben nur die Beziehung zu den Brüdern. Auch die familiäre Fürsorge, so musste es Siegfried aus den harten Umständen lernen, bezog sich zumeist auf das finanzielle und materielle Wohl, weniger auf Emotionen. Vielsagend die Nicht-Beziehung zu seinen Kindern: Jürgen, den Sohn seiner ersten Ehe, sollte er erst Mitte der 1970er Jahre in Berlin wiedersehen. Und ein Geschäft mit ihm eröffnen. In der kurzen Zeit zwischen der Trennung von seiner ersten Frau und Winter 1961 zeugte Kath eine uneheliche Tochter, für die er zwar bis zum 18. Lebensjahr Unterhalt bezahlte, zu der er jedoch niemals persönlichen Kontakt aufnahm. 1962/63 entsprang dann einer Affäre in der DDR ein weiterer Sohn. Akribisch sollte die Stasi später notieren, dass Kath über all die Jahre für sämtliche Kinder bereitwillig Unterhalt gezahlt habe. Kontakt zu den Müttern oder den Söhnen? Fehlanzeige. Die finanzielle Regelung der Unterhaltszahlungen übernahm ab 1963 Annelies Schneider, später Kath.14
In seiner Welt und seinen Zukunftsplänen waren keine Bezugspersonen neben ihm zu erkennen, sein Glaube und Vertrauen in die eigene Person spiegelten sich eben auch in einer gewissen Selbstisolation wieder. Von dort zu einer unterschiedlich stark hervortretenden Bindungsstörung war es nur ein kleiner Schritt. Siegfried Kath war in einer, für heutige Verhältnisse umso größeren, Großfamilie aufgewachsen. Trotzdem stand er irgendwie seltsam für sich allein. Bezeichnend, dass später seine zweite Frau Annelies den Kontakt zu seiner Familie aufrechterhielt. Ärger oder Abneigung gegen seine Verwandten waren bei Siegfried Kath nach eigenem Bekunden nicht auszumachen. Es war eben einfach so, die Arbeit, das Haus, Geld verdienen, nach vorne kommen, Geschäftspartner. Für mehr war irgendwie kein Platz, dahinter war kein strategischer Plan zu erkennen. In seinen wichtigsten Lebensstationen spielte niemand aus Siegfrieds Familie eine Rolle.
Sowohl mit Kaths sozialer als auch mit seiner familiären Prägung hing eine Wankelmütigkeit zusammen, Rast- und Ruhelosigkeit begleitet von impulsiven Entscheidungen. Kaths Denken war von einem vor allem finanziell verstandenen Vorankommen geprägt. Wie, wo und womit, das war ihm selbst nicht klar und er zeigte auch keine bestimmte Präferenz. Wenn sich ihm eine Möglichkeit bot, griff er sofort zu, sagte lieber einmal mehr schnell »ja«, als überlang die Konsequenzen zu bedenken. Kaths damalige Lebensentscheidungen waren deutliche Vorboten für das pathologische Verhalten, das er später an den Tag legen sollte.
Für die Ausprägung seiner Charaktermerkmale, persönlichen Eigenschaften, Wünsche, Bedürfnisse und sozialen Umgangsformen muss die Zeit in Niedersachsen unbedingt als prägender gelten als seine glückliche Kindheit.
Am 13. August 1961 ließ die Deutsche Demokratische Republik unter sowjetischer Oberhoheit die Grenze nach Westen schließen.15 Dramatische Szenen spielten sich nicht nur in der Bernauer Straße in Berlin ab, wo eine Mauer fortan durch Wohnhäuser verlief. Verzweifelte Männer, Frauen und Kinder sprangen aus den Fenstern in einen anderen Staat, manche in den Tod. Sowjetische und amerikanische Panzer standen sich feuerbereit am Checkpoint Charlie zwischen Friedrichstraße und Kochstraße gegenüber. Deutschland am Abgrund, dramatische Bilder, die um die ganze Welt gingen. Unmöglich, dass ein erwachsener Deutscher, dies- oder jenseits des Eisernen Vorhangs sie nicht gesehen hatte. Das gilt auch für Siegfried Kath, der zu dieser Zeit in Salzgitter bei Braunschweig lebte. Trotzdem reiste er im Winter desselben Jahres von der Bundesrepublik in die DDR.